Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird teilweise dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss - unter Einschluss seiner bereits rechtskräftigen Teile - in Punkt 2. unter Bezugnahme auf dessen Spruchpunkte 1. a) und 1. b) insgesamt wie folgt zu lauten hat:
„2. Die darüber hinausgehenden Begehren
- die fünftbeklagte Partei zur Unterlassung gemäß Punkt 1. a) und b) zu verpflichten,
- die zweitbeklagte Partei zur Unterlassung gemäß Punkt 1. a) und b) hinsichtlich der Bundesausgabe der Zeitung „Bild" zu verpflichten,
- die erstbeklagte Partei zur Unterlassung gemäß Punkt 1. b) zu verpflichten,
- die erst- bis viertbeklagten Parteien zur Unterlassung der Vervielfältigung und/oder Verbreitung des Lichtbildwerks mit der Nr. 2 in veränderter oder bearbeiteter Form, wie z.B. in Form des in Beilage ./G mit der Nr. 5 abgebildeten Phantombilds gemäß Punkt 1. a) (ohne Zustimmung der Klägerin) und/oder 1. b) (ohne Herstellerbezeichnung) zu verpflichten,
werden abgewiesen."
Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und über die auf die abgewiesenen Teile des Unterlassungsbegehrens entfallenden Kosten bleibt der Endentscheidung im Sicherungsverfahren vorbehalten.
Text
Begründung
Die Klägerin ist selbständige Fotografin und fotografiert unter anderem Kinder in Kindergärten und Horteinrichtungen. Sie hat die aus Beilage ./G ersichtlichen und mit Bild Nr. 1 bis 4 und 6 bezeichnete Portraitfotos von Natascha K***** hergestellt. Das computerunterstützt hergestellte Phantombild Nr. 5 der Beilage ./G stammt nicht von der Klägerin.
Die erst- bis viertbeklagten Parteien sind Zeitungsverlage mit Sitz teils in Österreich (Erstbeklagte), teils in Deutschland (Zweit- bis Viertbeklagte). Erst-, Zweit- und Drittbeklagte geben auch in Österreich vertriebene Tageszeitungen heraus, die Viertbeklagte ist Herausgeberin einer auch in Österreich erscheinenden Wochenzeitschrift. Der zunächst fünftbeklagte Zeitungsverlag ist am Verfahren nicht mehr beteiligt. Das gegen ihn angestrebte Unterlassungsgebot wurde schon vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesen, auf ihn wird im Folgenden nicht mehr Bezug genommen. Die Erst- bis Viertbeklagten veröffentlichten im Zusammenhang mit dem Wiederauftauchen von Natascha K***** von der Klägerin hergestellte Lichtbilder ohne Herstellerbezeichnung oder mit einer vom Namen der Klägerin abweichenden Bezeichnung. Nach Inanspruchnahme verpflichtete sich die Erstbeklagte in einem gerichtlichen Vergleich vom 29. 1. 2007 gegenüber der Klägerin, deren Lichtbilder ausschließlich mit einer den Namen der Klägerin tragenden Herstellerbezeichnung zu veröffentlichen.
Zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruchs begehrt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung nachstehende Unterlassungsgebote aufzuerlegen:
1. Den Beklagten zu untersagen, Werke der Klägerin, insbesondere das in Beilage ./G abgebildete Lichtbildwerk mit der Nr. 2, den Erst- bis Drittbeklagten ferner auch zu untersagen, Werke der Klägerin in veränderter oder bearbeiteter Form, wie zum Beispiel in Gestalt des ebenfalls in Beilage ./G mit der Nr. 5 abgebildeten Phantombilds, ohne Zustimmung der Klägerin zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten;
2. den Erst- bis Drittbeklagten zu untersagen, Werke der Klägerin, insbesondere das in Beilage ./G abgebildete Lichtbildwerk mit der Nr. 2 in unveränderter, der Zweit- und der Drittbeklagten ferner auch zu untersagen, Werke der Klägerin in veränderter oder bearbeiteter Form, wie zum Beispiel in Gestalt des ebenfalls in Beilage ./G mit der Nr. 5 abgebildeten Phantombilds, ohne die Herstellerbezeichnung der Klägerin als Originalurheberin zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten.
Die von der Klägerin hergestellten Lichtbilder seien als eigentümliche geistige Schöpfungen urheberrechtlich geschützt. Die Klägerin habe alle an Dritte weitergegebenen Fotos mit ihrer Herstellerbezeichnung versehen. Die Beklagten hätten die Werke der Klägerin ohne deren Zustimmung vervielfältigt und - teilweise mit unrichtiger, teilweise ohne Herstellerbezeichnung - veröffentlicht. Auf Basis eines ihrer Lichtbilder sei eine computeranimierte Abbildung hergestellt worden, die als Phantombild das vermutete Aussehen der Abgebildeten in der Gegenwart habe darstellen sollen. Das Phantombild sei eine Bearbeitung des Originals, seine Verwendung bedürfe der Zustimmung der Urheberin des Originalwerks. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsantrags. Die Automatenfotos vergleichbaren Lichtbilder seien einem urheberrechtlichen Schutz nicht zugänglich. Das Phantombild sei ein eigenständiges, an die Abbildung des Kindes bloß angelehntes Werk und somit eine freie Bearbeitung im Sinn des § 5 Abs 2 UrhG. Die Klägerin habe den Auftraggebern die Nutzungsrechte an ihren Lichtbildern exklusiv eingeräumt. Sie selbst habe die Fotos auch zu Fahndungszwecken zur Verfügung gestellt und sei mit deren Veröffentlichung einverstanden gewesen. Ihre seinerzeitige Zustimmung gelte auch für den Zeitraum nach dem Wiederauftauchen von Natascha K*****. Im Übrigen liege eine freie Werknutzung nach § 41 UrhG vor, weil die Polizei die Lichtbilder den Presseagenturen gezielt zu Fahndungszwecken bzw zur Information der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt habe. Die Veröffentlichungen seien als Berichterstattung über Tagesereignisse im Sinn des § 42c UrhG, jedenfalls aber als freies Bildzitat zulässig. Die Klägerin habe nicht bescheinigt, dass die Fotos mit ihrer Herstellerbezeichnung versehen gewesen seien, eine Herstellerbezeichnung auf Schmuckmappen und Passepartouts reiche nicht aus.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag zu Punkt 1 (Vervielfältigung und/oder Verbreitung ohne Zustimmung der Klägerin) teilweise (mit einer in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung hinsichtlich einer der nur in Deutschland vertriebenen Ausgabe eines Mediums der Zweitbeklagten) statt. Das Sicherungsbegehren zu Punkt 2 (Veröffentlichung und/oder Verbreitung ohne Herstellerbezeichnung) wurde in Ansehung der Zweit- und der Drittbeklagten (mit einer in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung hinsichtlich eines der Medien der Zweitbeklagten) stattgegeben und in Ansehung der Erstbeklagten mit Rücksicht auf den vorangegangenen Unterlassungsvergleich abgewiesen.
Das Erstgericht stellte fest, die Klägerin habe die Fotos Nr. 1 bis 4 und 6 der Beilage ./G in den Jahren 1996, 1997 oder schon früher in jenem Hort aufgenommen, in dem Natascha K***** damals betreut worden sei. Sie habe den Hintergrund entworfen, die Position (Körperhaltung) und den Gesichtsausdruck des abgebildeten Kindes bestimmt, die Fotografien hergestellt und entwickelt. Sie habe die Rechte an diesen Fotos weder an die Eltern noch an Dritte verkauft, noch habe sie eine Zustimmungserklärung zur Veröffentlichung dieser Bilder abgegeben. Der seinerzeitige Kaufpreis für die Bilder habe nur die Fotos samt Fotomappe und Passepartouts abgegolten. Die Klägerin bezeichne die von ihr aufgenommenen Lichtbilder schon seit ca siebzehn Jahren mit ihrem Namen und ihrer Etablissementbezeichnung „Studio 13", sie nehme damit eine Herstellerbezeichnung vor. Diese sei im Lauf der Zeit in unterschiedlicher Art und Weise, etwa durch Aufkleber und Eindrucke auf Schmuckmappen oder Passepartouts, angebracht worden. Nach dem Verschwinden von Natascha K***** habe die Klägerin der Polizei zwei Fotos übergeben; welche Fotos dies gewesen seien, könne nicht festgestellt werden; es seien aber nicht die Bilder Nr. 1 bis 4 oder 6 der Beilage ./G gewesen.
Dazu, von wem die Beklagten die Fotos Nr. 1 bis 4 und 6 erhalten und in welchem Textzusammenhang sie diese Bilder veröffentlicht hätten, traf das Erstgericht keine Feststellungen. Es fehlen auch Feststellungen zur Lösung der Frage, ob es den Beklagten möglich gewesen wäre, von der Herstellerbezeichnung der Klägerin (auf Schmuckmappen und Passepartouts) Kenntnis zu erlangen. Zur Verwertung der Fotos durch die Beklagten stellte das Erstgericht im Einzelnen fest, die Erstbeklagte habe die von der Klägerin hergestellten Bilder in ihrer Tageszeitung „Der Standard" am 24. 8. und 25. 8. 2006 veröffentlicht. In drei weiteren Ausgaben im August 2006 habe sie das Phantombild Nr. 5 veröffentlicht. Als Hersteller habe die Erstbeklagte jeweils Dritte, nicht aber die Klägerin genannt.
Die Zweitbeklagte habe im August und September 2006 das Phantombild Nr. 5 in der (in Österreich vertriebenen) Münchener Ausgabe ihres Mediums „Bild" veröffentlicht. Als Herstellerbezeichnung habe sie jeweils Dritte, nicht aber die Klägerin angeführt, oder eine solche Bezeichnung habe überhaupt gefehlt. Das Bild Nr. 2 sei im Zeitraum zwischen 26. 8. und 16. 11. 2006 auf der Homepage der Zweitbeklagten „www.welt.de " ohne Herstellerbezeichnung erschienen. Die Zweitbeklagte habe überdies Artikel mit den Titeln „Acht Jahre eingesperrt: Entführungsopfer befreit sich selbst", „Natascha - So lebte sie in ihrem Verließ" und „Natascha's Martyrium: Entführer hielt sie acht Jahre in diesem Keller gefangen" samt Bild Nr. 2 auf ihrer Homepage „www.abendblatt.de " veröffentlicht. Diese Artikel samt Bild seien vom 24./25. 8. 2006 bis 2. 3. 2007 im Internet abrufbar gewesen. Die Veröffentlichung sei mit einer anderen Herstellerbezeichnung als jener der Klägerin versehen gewesen. Die Drittbeklagte habe im August, November und Dezember 2006 das Bild Nr. 2 mehrfach und das Phantombild Nr. 5 ein Mal in ihrer - in Österreich erhältlichen - Tageszeitung „Süddeutsche Zeitung" mit der Herstellerbezeichnung eines Dritten veröffentlicht. Die Viertbeklagte habe das Bild Nr. 2 in der Ausgabe 35/2006 der auch in Österreich erhältlichen Zeitschrift „Der Spiegel" mit einer anderen Herstellerbezeichnung als jener der Klägerin veröffentlicht. In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht den Werkcharakter der Lichtbilder. Die Klägerin habe neben dem Hintergrund auch die jeweilige Position von Hand und Kopf des Kindes wie auch den Blickwinkel der Aufnahme bestimmt, um die nach ihren Vorstellungen bestmögliche Wirkung sicherzustellen. Dadurch habe sie den Bildern Nr. 1 bis 4 und 6 eine persönliche Note verliehen und - mit einem ausreichenden Maß an Originalität - eine eigene geistige Schöpfung vollbracht. Ein anderer Fotograf hätte die Bilder anders gestaltet. Das der Klägerin als Urheberin zustehende ausschließliche Verwertungsrecht schließe das Recht der Veröffentlichung mit ein. Das Phantombild Nr. 5 sei eine Bearbeitung im Sinn des § 5 Abs 1 UrhG. Trotz Auswechslung des Gesichts als solchem stimme der restliche Teil des Bildes mit dem Originalfoto überein, das keineswegs in den Hintergrund trete. Es sei vielmehr als Vorlage des Phantombilds eindeutig erkennbar. Die Klägerin habe dieser Bearbeitung nicht zugestimmt. § 41 UrhG komme nicht zum Tragen. Die Veröffentlichung der Lichtbildwerke habe ohne die gebotene Herstellerbezeichnung stattgefunden. Das Begehren zu Punkt 2 sei demnach berechtigt, soweit es die Zweit- und die Drittbeklagte betreffe. Hinsichtlich der Erstbeklagten sei der Sicherungsantrag insoweit abzuweisen, weil die Klägerin bereits aufgrund eines gerichtlichen Unterlassungsvergleichs über einen rechtskräftigen Exekutionstitel verfüge. Das zu Punkt 1 beantragte Gebot sei berechtigt, hinsichtlich der Zweitbeklagten jedoch auf Veröffentlichungen in den in Österreich vertriebenen Medien einzuschränken.
Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei. Von den Feststellungen des Erstgerichts ausgehend bejahte auch das Rekursgericht den Schutz der Fotografien als Lichtbildwerke. Die Klägerin habe den Bildern durch die Auswahl bestimmter Gestaltungsmittel (Hintergrund [zB durch Hinzunahme eines Clowns], bestimmte Haltung des Kindes, Kopfneigung, Haarreifen und Handhaltung) ein ausreichendes Maß an Originalität und Persönlichkeit verliehen. Das Phantombild Nr. 5 beruhe angesichts der mit dem Original übereinstimmenden Merkmale nicht auf einer freien Werknutzung nach § 5 Abs 2 UrhG. Es übernehme das Originalwerk in seinen wesentlichen Zügen, wobei letzteres nicht vollständig in den Hintergrund trete. Die Klägerin habe auf ihre Nutzungsrechte weder verzichtet noch diese an Eltern oder an Dritte übertragen. Auch einer Veröffentlichung der Lichtbilder habe sie nicht zugestimmt. Sie habe lediglich (seinerzeit) zwei - nicht aber die verfahrensgegenständlichen - Fotos, zu Fahndungszwecken zur Verfügung gestellt. § 41 UrhG sei nicht anzuwenden, weil die Veröffentlichungen weder amtlich veranlasst worden seien, noch einer amtlichen Veranlassung gleichkommende Situationen vorgelegen hätten. Es liege auch kein Bericht über aktuelle Tagesereignisse im Sinn des § 42c UrhG vor. Die Veröffentlichungen der Lichtbilder seien einer Veröffentlichung von Werken, die vor oder gleichzeitig mit dem Ereignis öffentlich wahrnehmbar würden, nicht gleichzuhalten. Sie hätten nämlich lediglich der Illustrierung eines besonderen tagesaktuellen Geschehens gedient, nämlich des Wiederauftauchens von Natascha K*****, und seien weder zum besseren Verständnis der Berichterstattung noch zu deren Begründung oder Vertiefung erforderlich gewesen. Das Anbringen von Name und/oder Etablissementbezeichnung in Form von Aufklebern und Eindrucken auf - zusammen mit den Lichtbildern übergebenen - Schmuckmappen oder Passepartouts reiche aus, um den gesetzlichen Anforderungen an eine Herstellerbezeichnung zu entsprechen. Eine Berufung auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung müsse scheitern, wenn - wie hier - die Einwilligung des Urhebers gegen Zahlung eines angemessenen Entgelts hätte erreicht werden können. Dass es nicht möglich gewesen sei, die Einwilligung der Klägerin zur Veröffentlichung gegen Entgelt zu erlangen, hätten die Beklagten im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil der angefochtene Beschluss von der einige Tage später begründeten jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht, aber auch in anderen Punkten mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht im Einklang steht. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.
1. Die Rechtsmittelwerber vertreten die Auffassung, die Lichtbilder der Klägerin seien mit Automatenfotos vergleichbar und deshalb einem urheberrechtlichen Schutz als Lichtbildwerk nicht zugänglich. Das Phantombild Nr. 5 sei ein eigenständiges, an eines der maßgebenden Lichtbilder bloß angelehntes Werk und damit Ergebnis einer freien Benutzung im Sinn des § 5 Abs 2 UrhG.
1.1. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass das Foto Nr. 2 in den Printmedien der Erst-, Dritt- und Viertbeklagten und auf einer Website der Zweitbeklagten veröffentlicht wurde. Die Veröffentlichung des Phantombilds fand in den Printmedien der Erst-, Zweit- und Drittbeklagten statt. Entscheidend ist daher, ob Foto Nr. 2 und das dem Phantombild Nr. 5 zugrundeliegende Foto Nr. 1 Werkcharakter haben.
1.2. Die Fotografien der Klägerin Beilage ./G Nr. 1 bis 4 und 6 wie auch das Phantombild Nr. 5 waren bereits Gegenstand der Entscheidung 4 Ob 170/07i. Darin hat der Senat die Grundsätze für die Beurteilung einer Fotografie als Lichtbildwerk im Sinn des § 3 Abs 2 UrhG zusammengefasst. Entscheidend ist, ob eine individuelle Zuordnung zwischen Lichtbild und Fotograf insofern möglich ist, als dessen Persönlichkeit aufgrund der von ihm gewählten Gestaltungsmittel (Motiv, Blickwinkel, Beleuchtung) zum Ausdruck kommt. Eines besonderen Maßes an Originalität bedarf es nicht. Auch alltägliche Portraitfotos sind Lichtbildwerke, wenn sie eine visuelle Gestaltung durch den Fotografen aufweisen und anzunehmen ist, dass ein anderer Fotograf das Lichtbild möglicherweise anders gestaltet hätte. Nach diesen Grundsätzen hat der Senat die Fotografie Nr. 1 bereits als Lichtbildwerk beurteilt. Gleiches gilt für das Lichtbild Nr. 2. Auch hier wählte die Klägerin individuelle Gestaltungselemente (einen besonderen Hintergrund, die Körperhaltung des abgebildeten Kindes, seine Kopfneigung und Handhaltung), die der Abbildung einen Grad an Individualität verleihen, der es von anderen Portraitfotos unterscheidet.
Das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung dieses Bildes steht somit allein der Klägerin zu (§ 14 UrhG). Eine - wie die Beklagten meinen „exklusive" - Abtretung der Verwertungsrechte an die Auftraggeber der Fotos haben schon die Vorinstanzen zutreffend verneint (§ 510 Abs 3 ZPO).
1.3. Die Entscheidung 4 Ob 170/07i hat sich auch mit den Grundsätzen zur Abgrenzung zwischen Bearbeitung und freier Benutzung eines Werks im Sinn des § 5 Abs 2 UrhG befasst. Danach sind an das Vorliegen einer freien Benutzung strenge Anforderungen zu stellen. Sie kommt um so weniger in Betracht, je ausgeprägter die Individualität der Vorlage ist. Stehen dem Schöpfer der Vorlage - wie dies etwa bei Portraitfotos der Fall ist - jedoch nur wenige individuelle Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, so kann auch nur wenig von seiner Individualität in das Werk einfließen, weshalb der urheberrechtliche Schutzbereich seines Werks entsprechend eng ist. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Senat das computeranimiert hergestellte Phantombild Nr. 5 in der zitierten Entscheidung als freie Benutzung des Lichtbildes Nr. 1 und damit als neues, unabhängiges und selbst urheberrechtlich geschütztes Werk beurteilt, dessen Veröffentlichung einer Zustimmung der Klägerin nicht bedurfte. An dieser Auffassung ist, wie bereits in der Entscheidung 4 Ob 102/08s näher begründet wurde, weiterhin festzuhalten.
Die Veröffentlichung des Phantombilds Nr. 5 in den Medien der Beklagten verstößt somit nicht gegen die Verwertungsrechte der Klägerin an der der freien Benutzung zugrundeliegenden Abbildung. Soweit sich daher die angestrebten Unterlassungsgebote auch auf Veränderungen oder Bearbeitungen der Lichtbildwerke stützen, sind sie nicht berechtigt, weil die Beklagten insoweit nicht gegen das Verwertungsrecht der Klägerin verstoßen haben.
2.1. Die Beklagten machen geltend, die (veröffentlichten) Lichtbilder seien ihnen von der Polizei gezielt zu Fahndungszwecken zur Verfügung gestellt und zu diesem Zweck - im Einklang mit § 41 UrhG - auch benützt worden.
2.2. Zur freien Werknutzung nach § 41 UrhG im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Personenbildnissen hat der Oberste Gerichtshof ebenso bereits in seiner Entscheidung 4 Ob 170/07i Stellung genommen. Danach setzt die Veröffentlichung eines Personenbildnisses als freie Werknutzung im Interesse der im Rahmen der öffentlichen Sicherheit wahrzunehmenden Strafrechtspflege einen bestimmten Aufruf der Sicherheitsbehörde zur Bildnisveröffentlichung nicht voraus. Es genügt vielmehr, wenn bei den Sicherheitsbehörden Bildnisse zur Veröffentlichung aufliegen und im Kontext mit deren Publikation auf tatsächlich noch anhängige strafbehördliche Ermittlungen zur Aufklärung einer strafbaren Handlung hingewiesen wird. Ob diese Voraussetzungen einer freien Werknutzung nach § 41 UrhG vorliegen, kann nach dem bisher feststehenden Sachverhalt noch nicht beurteilt werden. Es steht nämlich nicht fest, von wem die beklagten Verlage die schließlich veröffentlichten Fotos erhalten hatten und in welchem Textzusammenhang sie veröffentlicht wurden. Das Erstgericht hat zwar festgestellt, dass die Klägerin der Polizei zwei Fotos (offenbar seinerzeit zu Fahndungszwecken) übergeben habe, dies seien aber nicht die Fotos Nr. 1 bis 4 und 6 der Beilage ./G gewesen. Diese Feststellung reicht zur abschließenden Beurteilung nicht aus, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Sicherheitsbehörden diese Lichtbilder von anderer Seite erhalten und an die Zeitungen weitergegeben hatten. Sollte dies der Fall gewesen sein, käme es aber nach den Grundsätzen der zitierten Entscheidung 4 Ob 170/07i insbesondere darauf an, in welchem Textzusammenhang die Bilder veröffentlicht wurden. Auch dazu fehlen Feststellungen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen leiden insofern aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung an Feststellungsmängeln.
3.1. Die Beklagten vertreten die Auffassung, die Veröffentlichungen der Lichtbilder seien als Berichterstattung über ein Tagesereignis im Sinn des § 42c UrhG zulässig gewesen; sie seien vom Informationszweck des Berichts umfasst gewesen, hätten Klarheit über den Berichtsgegenstand geschaffen und seien für eine verständliche Berichterstattung erforderlich gewesen.
3.2. Ausgehend von der Überlegung, dass der Berichterstatter - will er über ein Tagesereignis aktuell berichten - die Wiedergabe von im Zuge des Tagesereignisses wahrnehmbaren Werken in aller Regel nicht vermeiden kann, und dem Zweck der Ausnahmebestimmung, nämlich den Urheberrechtsschutz nur dort zu lockern, wo dies im Interesse einer tagesaktuellen Berichterstattung notwendig ist, legt die Rechtsprechung § 42c UrhG eng aus (RIS-Justiz RS0108465). Danach ist „Tagesereignis" ein tatsächlicher Vorgang, der wegen seiner Aktualität Interesse findet. Das Werk als solches darf nicht allein Gegenstand des Tagesereignisses sein, es darf lediglich bei einem anderen Ereignis in Erscheinung treten. Seine Vervielfältigung ist nur in dem durch den Informationszweck gerechtfertigten Umfang zulässig (4 Ob 134/00k = MR 2000, 379 - Postwurfsendung). § 42c UrhG soll sicherstellen, dass über aktuelle Tagesereignisse berichtet werden kann, ohne auf geschützte Werke Rücksicht nehmen zu müssen. Diese dürfen aber - wie bereits festgehalten - nicht selbst Gegenstand der Berichterstattung sein.
3.3. Im vorliegenden Fall ist „Tagesereignis" das Wiederauftauchen von Natascha K*****, nicht aber der darüber in den Medien der Beklagten veröffentlichte Bericht, selbst wenn er auch Umstände ihres Verschwindens enthalten hätte. Die Wiedergabe der im Kindesalter aufgenommenen Lichtbilder der Entführten verschaffte dem Leser zwar eine zusätzliche Information über das Aussehen des Kindes vor seinem Verschwinden, war aber - entgegen der Auffassung der Beklagten - für eine klare und verständliche Berichterstattung über das Tagesereignis des Wiederauftauchens keineswegs erforderlich. Die Veröffentlichung der Bilder war daher auch vom Zweck der Information über dieses Tagesereignis nicht umfasst.
4.1. Die Beklagten beurteilen die Veröffentlichung der maßgebenden Lichtbilder als zulässiges Bildzitat. Die Fotos seien vor allem im ersten Jahr nach dem Verschwinden des Kindes nicht nur in den Medien, sondern auch an öffentlichen Orten immer wieder veröffentlicht worden und hätten sich der österreichischen Bevölkerung im Zusammenhang mit diesem Kriminalfall längst eingeprägt. Nach dem Wiederauftauchen der Vermissten sei es zur Aufklärung der Öffentlichkeit erforderlich gewesen, die damaligen Fahndungsfotos wieder zu veröffentlichen, um klarzustellen, dass es sich dabei um jene Person handle, deren Bildnis seinerzeit in Österreich „allgegenwärtig" gewesen sei.
4.2. Der Oberste Gerichtshof wendet § 54 Abs 1 Z 3a UrhG auf das Bildzitat in Zeitungen und Zeitschriften analog an. Die Zitierung ganzer Bilder ist jedoch nur im Interesse einer geistigen Auseinandersetzung zulässig, wenn sie durch den Zitatzweck geboten ist und der wirtschaftliche Wert des zitierten Werks (Lichtbilds) nicht in einer ins Gewicht fallenden Weise ausgehöhlt wird (4 Ob 224/00w = SZ 73/149 = MR 2000, 373 - Schüssels Dornenkrone; 4 Ob 100/03i). Für die Zulässigkeit der Veröffentlichung der Lichtbilder als Bildzitat ist somit Voraussetzung, dass das in den Berichten jeweils wiedergegebene Bild Zitat- und Belegfunktion hatte und nicht nur dazu diente, die Berichterstattung zu illustrieren, um so die Aufmerksamkeit der Leser auf den Bericht zu lenken (vgl 4 Ob 105/03z = MR 2003, 317 - Foto des Mordopfers; 4 Ob 195/06i).
4.3. Ob die Veröffentlichung der Lichtbilder Zitat- und Belegfunktion hatte oder nur der Illustration diente, kann - mangels Feststellungen zum Inhalt der damit verbundenen Berichterstattung in den Medien der Beklagten - noch nicht abschließend beurteilt werden. Den Entscheidungen der Vorinstanzen haften aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung auch in diesem Punkt Feststellungsmängel an.
5.1. Die Beklagten machen geltend, es sei nicht bescheinigt, dass die Klägerin ihre Lichtbilder mit einer Herstellerbezeichnung versehen habe. Ein Hinweis auf Passepartouts genüge nicht, zumal derartige Passepartouts den ihnen von den Sicherheitsbehörden übergebenen Fotos nicht angeschlossen gewesen seien, und die Beklagten von einer Herstellerbezeichnung somit nicht hätten Kenntnis erlangen können.
5.2. Die Klägerin macht (auch) Leistungsschutzrechte nach § 74 Abs 1 UrhG geltend. Sie stehen unabhängig davon zu, ob das Lichtbild auch ein Werk der bildenden Künste im Sinn des § 1 Abs 1 und § 3 UrhG ist (4 Ob 90/90 = ÖBl 1991, 137 - Udo Proksch). Das Recht auf Namensnennung gemäß § 74 Abs 3 UrhG ist mit dem ausschließlichen Verwertungsrecht des Lichtbildherstellers verbunden. Der auf seine Verletzung gegründete Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass der Hersteller das Lichtbild mit seinem Namen bezeichnet hat. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, auf den Hersteller des Bildnisses deutlich aufmerksam zu machen. Wie dies zu geschehen hat, und ob der Hinweis mit dem Lichtbild selbst verbunden sein muss, sagt das Gesetz nicht.
Nach den Materialien muss die Bezeichnung nicht auf dem Lichtbild selbst angebracht werden, es genügt eine entsprechende Verbindung mit diesem. In diesem Sinn hat die ältere Rechtsprechung (4 Ob 341/86 = SZ 59/152) es als ausreichend erachtet, wenn der Name auf die Umhüllung der Negativfilme, auf die für die Diapositive verwendeten Plastiksäckchen oder auf die Rückseite von Papierabzügen geschrieben war. Nach jüngerer Rechtsprechung ist aber auch entscheidend, dass es demjenigen, der zur Namensnennung verpflichtet sein soll, bei normalem Lauf der Dinge möglich sein muss, im Fall einer Vervielfältigung vom Namen des Herstellers Kenntnis zu nehmen. Dies ist nach jüngerer Rechtsprechung bei einem Hinweis in einem Begleitschreiben und/oder bei der Angabe des Herstellers bloß auf dem die Lichtbilder enthaltenden Paket nicht der Fall (RIS-Justiz RS0077155).
5.3. Die Beklagten haben vorgebracht, sie hätten die Lichtbilder von den Sicherheitsbehörden ohne Passepartouts oder Schmuckmappen erhalten und die Herstellerbezeichnung weder gekannt noch eine Möglichkeit zur Kenntnisnahme gehabt.
Nach dem bisher bescheinigten Sachverhalt hat die Klägerin seit siebzehn Jahren Name und Etablissementbezeichnung nicht auf den Lichtbildern selbst, sondern auf Schmuckmappen und Passepartouts angebracht, die die Bilder enthielten. Das Erstgericht ging offenbar davon aus, dass die Klägerin diese Vorgangsweise auch bei den hier zu beurteilenden Lichtbildern eingehalten habe. Seine Feststellungen reichen jedoch nicht zur Lösung der Frage aus, ob es den Beklagten möglich gewesen wäre, von dieser Herstellerbezeichnung auch tatsächlich Kenntnis zu erlangen. Es steht nämlich nicht fest, woher die Beklagten die Lichtbilder erhalten hatten und ob diese zu diesem Zeitpunkt mit entsprechend gekennzeichneten Mappen oder Passepartouts versehen waren, aus denen die Beklagten eine Kenntnis der Herstellerbezeichnung hätten erlangen können und müssen. Eine derartige Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestünde jedenfalls dann nicht, wenn die nicht selbst gekennzeichneten Lichtbilder ohne Passepartouts oder Schmuckmappen - von wem auch immer - an die Beklagten weitergegeben worden wären.
Das Erstgericht hat - von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend - die dazu erforderlichen Feststellungen unterlassen. Sein Verfahren ist auch insoweit ergänzungsbedürftig.
6. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen zu den in den Punkten 2.2., 4.3. und 5.3. dieser Entscheidung erläuterten offenen Fragen zu treffen und danach neuerlich zu entscheiden haben.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm § 52 ZPO.
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