Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der erstinstanzliche Beschluss zu lauten hat:
„Zur Sicherung des Anspruchs der widerklagenden Partei gegenüber der widerbeklagten Partei auf Unterlassung urheberrechtswidriger Handlungen, worauf die Widerklage gerichtet ist, wird der widerbeklagten Partei geboten, es ab sofort zu unterlassen, Lichtbildwerke der widerklagenden Partei, insbesondere die in Beilage ./H abgebildeten Lichtbildwerke Nr 4 und 6 in unveränderter, veränderter oder bearbeiteter Form zu vervielfältigen oder zu verbreiten.
Das Mehrbegehren, auch die Vervielfältigung oder Verbreitung der in Beilage ./H abgebildeten Lichtbildwerke Nr 1 bis 3 und 5 zu verbieten, wird abgewiesen.
Diese einstweilige Verfügung wird bis zur rechtskräftigen Erledigung der auf Unterlassung urheberrechtsverletzender Handlungen gerichteten Widerklage erlassen.
Die widerklagende Partei ist schuldig, der widerbeklagten Partei die mit 797,28 EUR bestimmten Äußerungskosten (darin 132,88 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die widerklagende Partei hat zwei Drittel der Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig und ein Drittel endgültig selbst zu tragen. Die widerklagende Partei ist schuldig, der widerbeklagten Partei die mit 803,80 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 133,97 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die (Wider-)Klägerin ist Fotografin. Sie hat die aus Beilage ./H und weiter unten ersichtlichen Portraitfotos eines Mädchens im Kindergartenalter hergestellt. Einzig die Abbildung in der Mitte der zweiten Reihe (Foto Nr 5) stammt nicht von der Klägerin. Die Fotos werden von links oben beginnend mit den Nummern 1 bis 6 bezeichnet.
Das Foto Nr 1 gestaltete die Klägerin in der Weise, dass sie eine Kopfneigung wählte, um das Gesicht schlanker erscheinen zu lassen. Die Lage des roten Haarreifens wählte sie, um dem Haaransatz einen bestimmten Bogen zu verleihen. Weiters achtete die Klägerin auf den Winkel des Ellenbogens, um der Gesamtkomposition eine ausgewogene Form zu geben. Die Handhaltung wählte sie ebenfalls besonders unter dem Gesichtspunkt eines möglichst schlanken Erscheinungsbilds.
Vom 2. März 1998 bis 23. August 2006 war das abgebildete Mädchen abgängig. Da die Polizei mitgeteilt hatte, ein Foto des vermissten Mädchens liege zwecks Veröffentlichung auf, suchte ein damals für einen Zeitungsverlag tätiger Journalist das Sicherheitsbüro auf, und erhielt zwei Ablichtungen von Fotos, die die Klägerin hergestellt hatte.
Im Auftrag des Verlags wurde mit Hilfe eines elektronischen Bildbearbeitungsprogramms die computeranimierte Abbildung Nr 5 angefertigt, deren Grundlage das Foto Nr 1 war. Aus dieser Aufnahme schnitt der Bearbeiter die Gesichts- und Handpartie aus und bettete sie in eine bestehende Drittaufnahme eines älteren Mädchens ein. Die Übergänge zwischen den beiden Fotos passte er farblich an. Das ausgeschnittene Gesicht drehte er um die eigene Achse, um eine Harmonie mit der Neigung des Kopfes im Foto herzustellen. Der Gesichtsausschnitt wurde soweit vergrößert und gezerrt, dass er in die Drittaufnahme eingepasst werden konnte.
Zwischen Abbildung Nr 1 und Nr 5 stimmen die Lichtsituation, der Haaransatz, der Mund und die Stellung der Hand überein. Unterschiede finden sich in der Form der Augen und Ohren.
Die (Wider-)Beklagte verlegt und vertreibt eine periodische Druckschrift. In ihrer Ausgabe vom 24. August 2006 veröffentlichte sie im Zusammenhang mit Berichten über das vermisste Mädchen das Foto Nr 4. In den Ausgaben vom 25., 28., 29. und 30. August sowie 1. und 4. September 2006 veröffentlichte sie die Computeranimation Nr 5. Darüber hinaus veröffentlichte sie in den Ausgaben vom 25. und 28. August 2006 das Foto Nr 6. In keinem der die Fotos begleitenden Artikel war die Person des Kindesentführers, der Selbstmord begangen hatte, fraglich. Lediglich in den Ausgaben vom 25. August 2006 und 1. September 2006 wurde die Frage nach möglichen Mittätern erörtert.
Am 16. November 2006 beendete die Polizei die Ermittlungen, am 17. November 2006 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Freiheitsentziehung ein.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte die Klägerin, der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, Werke der Klägerin, insbesondere die in Beilage ./H abgebildeten Lichtbilder, in unveränderter, veränderter oder bearbeiteter Form, wie zum Beispiel dem ebenfalls in Beilage ./H abgebildeten Phantombild Nr 5, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten. Die Klägerin sei alleinige Urheberin der genannten Lichtbilder. Die Beklagte habe diese in ihren Zeitungsausgaben ohne ihre Zustimmung vervielfältigt und verbreitet. Zudem habe sie jenes Foto hergestellt, auf dessen Grundlage die Computeranimation Nr 5 geschaffen wurde, welche als Phantombild des vermissten Mädchens veröffentlicht worden sei, als es noch keine aktuellen Fotos gegeben habe. Abgesehen von einer Verzerrung seien keine Änderungen vorgenommen worden, das Original scheine durch. Es liege daher eine unzulässige Bearbeitung im Sinn des § 5 Abs 1 UrhG vor, der die Klägerin nie zugestimmt habe.
Die Beklagte wendete ein, die Abbildung Nr 5 sei eine von einem Dritten originär geschaffene Computergrafik, die als unabhängige Schöpfung zu werten sei. Die Fotos Nr 1, 3 und 4 habe sie nicht veröffentlicht, Foto Nr 2 habe die Klägerin der Polizei und den Eltern des vermissten Mädchens zu Zwecken der öffentlichen Fahndung übergeben. Die in Beilage ./H ersichtlichen Abbildungen seien mit Ausnahme von Nr 5 von der Polizei und von allen größeren Medien veröffentlicht worden. Abbildung Nr 2 habe die Polizei für Veröffentlichungen zur Verfügung gestellt. Die Bilder Nr 2, 5 und 6 seien daher im Interesse der Strafrechtspflege benutzt worden, zumal auch nach dem Auftauchen des vermissten Mädchens nach Mittätern gefahndet und das Strafverfahren erst im Dezember 2006 eingestellt worden sei.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag teilweise statt und untersagte der Beklagten, die Lichtbildwerke Nr 1, 4 und 6 in unveränderter, veränderter oder bearbeiteter Form, wie zum Beispiel die Computeranimation Nr 5, zu vervielfältigen oder zu verbreiten. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wies es ab. Abbildung Nr 5 sei eine Bearbeitung des von der Klägerin geschaffenen Portraitfotos. Es sei der Gesichtsausdruck, verstärkt durch die Handhaltung, übernommen worden, zumal es gerade der Zweck der Computeranimation gewesen sei, das vermutliche Aussehen des vermissten Mädchens nach ihrer Entführung darzustellen. Abgesehen von der Veränderung in den Augen sei das Originalwerk in wesentlichen Zügen übernommen worden. Abbildung Nr 5 sei daher die Bearbeitung eines Lichtbildwerks, die der Einwilligung der Schöpferin bedurft hätte. Dies gelte ebenso für die Verwertung durch die Beklagte, weil die Verwertung der Bearbeitung auch eine Verwertung des bearbeiteten Werks in sich schließe. Die Fassung des Unterlassungsgebots bei Urheberrechtsverletzungen habe in erster Linie auf jenes Verwertungsrecht abzustellen, das verletzt worden sei. Darüber hinaus könnten jedoch aus Gründen des Umgehungsschutzes ähnliche Fälle berücksichtigt werden. Die Formulierung „in unveränderter, veränderter oder bearbeiteter Form" sei zur Hintanhaltung von verbotenen oder von Umgehungshandlungen nicht zu beanstanden. Unterlassungsgebote hätten sich aber immer am konkreten Verstoß zu orientieren, insoweit seien die Lichtbilder Nr 2, 3 und 4 auszunehmen, weil hier ein Eingriff weder bescheinigt worden sei, noch ein solcher drohe.
Das Rekursgericht bestätigte diese einstweilige Verfügung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Veröffentlichung der Fotos bedürfe auch dann der Zustimmung der Klägerin, wenn diese zu Zwecken der Strafrechtspflege benutzt worden seien, weil § 41 UrhG nicht die aufklärende Tätigkeit der Presse umfasse. Die Abbildung Nr 5 sei kein selbständiges neues Werk im Sinn des § 5 Abs 2 UrhG, es liege keine freie Benützung des Fotos Nr 1, sondern eine Bearbeitung desselben vor. Für die freie Benützung sei kennzeichnend, dass trotz Zusammenhangs mit einem anderen Werk ein von diesem verschiedenes selbständiges Werk vorliege, demgegenüber das Werk, an das es sich anlehne, vollständig in den Hintergrund trete. Freie Benützung setze voraus, dass das fremde Werk nicht in identischer oder umgestalteter Form übernommen werde, auch nicht als Vorbild oder Werkunterlage, sondern nur als Anregung für das eigene Werkschaffen diene. Für die Abhängigkeit einer Nachschöpfung sei entscheidend, dass in ihr die wesentlichen Züge des Originalwerks wiederkehrten, während bei einer freien Benützung die Züge des benützten Werks angesichts der Individualität der neuen Schöpfung verblassten. Das Augenmerk sei daher auf jene Merkmale zu legen, welche den ästhetischen Gesamteindruck des benützten Originals ausmachten. Stimmten diese Merkmale überein, so greife die Nachschöpfung in den geschützten Bereich des Originals ein, weil der Verkehr seinen Blick in der Regel mehr auf die Übereinstimmung als auf die abweichenden Merkmale richte. Vergleiche man die beiden Bilder in ihrer Gesamtheit, bilde die Abbildung Nr 5 keine Neuschöpfung, deren Verwertung nicht der Einwilligung der Urheberin bedürfe. Die Computeranimation habe abgesehen von der Veränderung des Gesichtsausschnitts, insbesondere dessen Vergrößerung und Verzerrung, die wesentlichen Merkmale des Originallichtbilds übernommen; dies insbesondere in Bezug auf den nach links geneigten Kopf, die aufgestützte Hand, den Haaransatz und den Großteil des Gesichts, vor allem den Mund. Durch den übernommenen ernsten Gesichtsausdruck scheine das Originalbild durch.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Beklagten erhobene außerordentliche Revisionsrekurs, mit dem sie die gänzliche Abweisung des Sicherungsantrags anstrebt, ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; er ist teilweise auch berechtigt.
Die Beklagte vertritt in ihrem Rechtsmittel die Auffassung, dass das Urheberrecht der Benutzung eines Werks in Presseberichten dann nicht entgegenstehe, wenn die Bildnisveröffentlichung dem Interesse der Aufklärung von Straftaten diene; dies unabhängig davon, ob die Veröffentlichung auf Ersuchen einer Behörde erfolge oder nicht. Der Gesetzgeber habe § 41 UrhG ausdrücklich nicht auf Beweisverfahren vor Gerichten und anderen Behörden einschränken wollen. Im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Fotos sei noch nach möglichen Mittätern gefahndet worden und das Strafverfahren noch anhängig gewesen. Bei Foto Nr 5 handle es sich um ein neues selbständiges Werk. Den Fotos der Klägerin mangle es an jeglicher Originalität, sie beruhten nur auf handwerksmäßigem Können, weshalb sie nur gegen Vervielfältigung in der Originalform geschützt seien. Im Übrigen dürfe der geforderte „Abstand" von der Vorlage nicht allzu umfangreich angelegt werden, weil sonst § 5 Abs 2 UrhG keinen Anwendungsbereich hätte. Der Schutz eines Werks sei um so schwächer, je weniger Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden. Dem Urheber des Bildes Nr 5 sei ein enger Spielraum zur Verfügung gestanden, weil das Motiv mit dem vermuteten gegenwärtigen Aussehen des vermissten Mädchens vorgegeben gewesen sei. Innerhalb dieses Freiraums sei eine Vielzahl gestalterischer Möglichkeiten ausgeschöpft worden.
Hiezu hat der Senat erwogen:
1. Bis zum Inkrafttreten der UrhG-Novelle 2003 stand nach § 41 UrhG (aF) der Benützung eines Werks zu Beweiszwecken im Verfahren vor den Gerichten oder vor anderen Behörden sowie für Zwecke der Strafrechtspflege und der öffentlichen Sicherheit das Urheberrecht nicht entgegen. Nach einer älteren Entscheidung (4 Ob 349/63 = JBl 1964, 423) war auch an die Vervielfältigung und Verbreitung eines Bildnisses in einem Steckbrief zu denken. An die aufklärende Tätigkeit der Presse im Zusammenhang mit Kriminalfällen sei bei der zitierten urheberrechtlichen Bestimmung aber nicht gedacht.
Diese Rechtsprechung wurde im Zusammenhang mit § 78 UrhG, der in Abs 2 auf § 41 UrhG verweist und auf eine Interessenabwägung abstellt, weiterentwickelt. Der erkennende Senat sprach aus, dass das Interesse an der Verbreitung eines Bildes nur dann überwiegen kann, wenn die Veröffentlichung des Bildes einen Nachrichtenwert hat. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Veröffentlichung dazu dient, vor dem Abgebildeten zu warnen oder im Zusammenhang mit ihm angelasteten Straftaten Informationen zu erlangen, und zwar insbesondere dann, wenn die Sicherheitsbehörden um die Veröffentlichung eines Fotos ersuchen (4 Ob 63/95 = ÖBl 1996, 161). Aber auch ohne amtliche Veranlassung kann das Veröffentlichungsinteresse überwiegen, wenn der dem Polizeibericht entsprechende Aufruf um Hinweise an die Bevölkerung veröffentlicht wird und das Anliegen der Sicherheitsbehörde durch die Bildnisveröffentlichung wesentlich gefördert werden kann (4 Ob 2099/96x = MuR 1996, 187; RIS-Justiz RS0104569).
2. Durch die UrhG-Novelle 2003 erfolgte die Umsetzung von Art 5 Abs 3 lit e der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Info-RL), womit eine inhaltliche Erweiterung des § 41 UrhG einher ging, indem die Beschränkung auf Beweiszwecke entfiel und die zulässige freie Werknutzung auf parlamentarische Verfahren ausgedehnt wurde (Thiele in Kucsko [2008] urheber.recht, 674 f; Ciresa, Österreichisches Urheberrecht, § 41 Rz 1 f). Die öffentliche Sicherheit ist ein weit gefasster Begriff; sie erfasst insbesondere die Kriminalberichterstattung, in deren Zusammenhang zum Beispiel Fotos über amtliche Veranlassung der Sicherheitsbehörden verwendet werden dürfen, ohne dass es hierzu der Zustimmung des Urhebers bedarf (Ciresa aaO Rz 4). Auch wenn der Tatbestand durch die Umsetzung der Info-RL erweitert wurde, hat dies auf den hier zu behandelnden Sachverhalt keine konkrete Auswirkung. Die einzige Neuerung ist, dass die Förderung der Strafrechtspflege nunmehr unter den allgemeinen Begriff der öffentlichen Sicherheit fällt.
3. Festzuhalten ist, dass die beiden jüngeren zuvor angeführten Entscheidungen nicht im Widerspruch zur Entscheidung 4 Ob 349/63 stehen. Es trifft zu, dass an die aufklärende Tätigkeit der Presse im Zusammenhang mit Kriminalfällen bei § 41 UrhG nicht gedacht wurde (Thiele aaO 678 mwN). Auch aus den beiden späteren Entscheidungen ist nicht abzuleiten, dass Medien unter dem Titel der Strafrechtspflege jedenfalls Bilder ohne Zustimmung deren Urheber veröffentlichen dürfen. Vielmehr muss sich die Abbildung eines Fotos im Rahmen der Strafrechtspflege aus einer amtlichen Veranlassung der Sicherheitsbehörden ableiten lassen. Eine ausdrückliche Aufforderung ist demgegenüber nicht erforderlich. Die normale Verwertung des Werks beziehungsweise des sonstigen Schutzgegenstands darf aber nicht beeinträchtigt und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht verletzt werden. § 41 UrhG ist nach seinem Zweck (teleologisch) auszulegen (Ciresa aaO Rz 3 mwN). Es war nicht die Absicht des Gesetzgebers, der Presse die Möglichkeit einzuräumen, aus eigenem Antrieb Strafrechtspflege zu betreiben, es soll nur diese nicht durch Urheberrechte beeinträchtigt werden (Thiele aaO 675).
4. Auch wenn im Anlassfall kein ausdrücklicher Aufruf zur Veranlassung bestimmter Veröffentlichungen erfolgte, lagen zwei Fotos des vermissten Mädchens zu diesem Zweck bei den Sicherheitsbehörden auf. Da die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden und das Strafverfahren bis Mitte November 2006 andauerten, kann durchaus angenommen werden, dass die Veröffentlichungen (teilweise auch) der Strafrechtspflege durch die Sicherheitsbehörden dienten. Es ist allerdings zwischen jenen Artikeln der Beklagten zu unterscheiden, in denen auf einen möglichen Mittäter des zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Entführers hingewiesen wurde, und jenen, die in keinem Zusammenhang mit der Aufklärung einer strafbaren Handlung standen.
Diese Ausführungen sind somit - vor dem Hintergrund des hier maßgebenden Sachverhalts - folgendermaßen zusammenzufassen:
Die Veröffentlichung eines Personenbildes als freie Werknutzung gemäß § 41 UrhG im Interesse der im Rahmen der öffentlichen Sicherheit wahrzunehmenden Strafrechtspflege setzt einen bestimmten ausdrücklichen Aufruf der Sicherheitsbehörden zur Bildnisveröffentlichung nicht voraus. Für die Veröffentlichung in freier Werknutzung genügt vielmehr, wenn bei den Sicherheitsbehörden Bildnisse zur Veröffentlichung aufliegen und im Kontext mit deren Publikation auf tatsächlich noch anhängige strafbehördliche Ermittlungen zur Aufklärung einer strafbaren Handlung hingewiesen wird.
Die Abbildung Nr 4 und die Abbildung Nr 6 wurden je einmal veröffentlicht, ohne dass dabei auf mögliche Mittäter hingewiesen und damit (zumindest auch) der Strafrechtspflege gedient wurde. Die Beklagte kann sich daher nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 41 UrhG berufen. Sie hätte in diesen Fällen vielmehr gemäß § 74 Abs 1 UrhG der Zustimmung der Klägerin als Urheberin zur Veröffentlichung der Abbildungen bedurft.
Da jedenfalls in Ansehung dieser beiden Fotos Verstöße gegen den Urheberrechtsschutz vorliegen, ist das Unterlassungsbegehren in Beziehung auf die Fotos Nr 4 und 6 berechtigt und muss dem Revisionsrekurs insoweit ein Erfolg versagt bleiben.
5. In Ansehung der Abbildungen Nr 1 und 5 ist zuallererst zu klären, ob es sich bei Foto Nr 1 um ein Lichtbildwerk oder ein Lichtbild handelt. Während nämlich Lichtbildwerke gemäß § 3 Abs 2 UrhG als Werke der bildenden Künste geschützt sind, genießen einfache Lichtbilder (nur) den Leistungsschutz nach den §§ 73 ff UrhG, der im Übrigen auch Lichtbildwerken parallel zum urheberrechtlichen Schutz offen steht (4 Ob 179/01d = MR 2001, 389 [M. Walter] = ÖBl 2003, 39 [Gamerith]).
Lichtbilder sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dann als Lichtbildwerk im Sinn des § 3 Abs 2 UrhG zu beurteilen, wenn sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind, ohne dass es eines besonderen Maßes an Originalität bedürfte. Entscheidend ist, dass eine individuelle Zuordnung zwischen Lichtbild und Fotograf insofern möglich ist, als dessen Persönlichkeit auf Grund der von ihm gewählten Gestaltungsmittel (Motiv, Blickwinkel, Beleuchtung uvm) zum Ausdruck kommt (4 Ob 179/01d ua; RIS-Justiz RS0115740). Auch alltägliche Portraitfotos sind schon dann Lichtbildwerke, wenn sie eine visuelle Gestaltung durch den Fotografen aufweisen. Das Kriterium der Unterscheidbarkeit ist immer schon dann erfüllt, wenn man sagen kann, ein anderer Fotograf hätte das Lichtbild möglicherweise anders gestaltet (4 Ob 179/01d; RIS-Justiz RS0115748).
5.1. Auf Grund der von der Klägerin ausgewählten Gestaltungselemente, vor allem der Kopfneigung und Handhaltung, ist der Abbildung ein Grad an Individualität verliehen, der es von anderen Portraifotos unterscheidet. Ein anderer Fotograf hätte bei der Ablichtung des später vermissten Mädchens wohl eine andere Variante gewählt. Die Abbildung Nr 1 ist daher als Lichtbildwerk zu beurteilen. Daraus folgt der urheberrechtliche Schutz vor Bearbeitungen im Sinn des § 5 Abs 1 UrhG. Eine Urheberrechtsverletzung durch die Veröffentlichung der Abbildung Nr 5 liegt aber nur vor, wenn es sich bei dieser Computeranimation um eine Bearbeitung und nicht um die freie Benützung des Fotos Nr 1 handelt.
6. Für die freie Benützung ist kennzeichnend, dass trotz des Zusammenhangs mit einem anderen Werk ein von diesem verschiedenes, selbständiges Werk vorliegt, dem gegenüber das Werk, an das es sich anlehnt, vollständig in den Hintergrund tritt. An einer solchen Freischöpfung besteht daher kein abhängiges, sondern ein selbständiges Urheberrecht, zu dessen Verwertung es keiner Einwilligung des Urhebers des benützten Werks bedarf. Angesichts der Eigenart des neuen Werks müssen die Züge des benützten Werks verblassen (stRsp; 4 Ob 13/92 = SZ 65/49 = ÖBl 1992, 75; RIS-Justiz RS0076521; siehe ferner Schumacher in Kucsko aaO 162 mwN). Bei der vergleichenden Beurteilung des benützten und des neugeschaffenen Werks ist zunächst festzustellen, durch welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des benützten Werks bestimmt wird. Maßgebend ist ein Vergleich der geistig-ästhetischen Wirkung beider Werke, unterliegt doch nur der geistig-ästhetische Gehalt des Werks mit seiner Eigenart dem Schutzbereich. Dabei kommt es auf die Gesamtwirkung, den Gesamteindruck, an; eine zergliedernde Beurteilung und Gegenüberstellung einzelner Elemente ohne Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs scheidet aus. Die zum freien Formenschatz gehörenden Elemente bleiben dabei - als außerhalb der allein geschützten konkreten eigentümlichen Gestaltung liegend - außer Betracht (RIS-Justiz RS0076460). Die Abgrenzung, ob Bearbeitung oder freie Benützung vorliegt, ist im Einzelfall mitunter schwierig. Es ist daher angezeigt, zunächst zu klären, durch welche Merkmale der ästhetische Gesamteindruck des benützten Originals bestimmt wird und ob diese schützbar sind (4 Ob 13/92). Angesichts des schier unerschöpflichen Fundus an frei benützbarem Material ist es gerechtfertigt, die freie Benützung der Werke auf jenes Mindestmaß zu beschränken, das erhalten bleiben muss, will man die Freiheit künstlerischen Schaffens nicht über Gebühr einengen und damit ersticken; an das Vorliegen einer freien Benützung sind daher strenge Anforderungen zu stellen (4 Ob 13/92 ua; RIS-Justiz RS0076496).
6.1. Obwohl eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen ist, lässt sich der allgemeine Grundsatz aufstellen, dass eine freie Benützung um so weniger in Betracht kommt, je ausgeprägter die Individualität der Vorlage ist, desto weniger wird sie gegenüber dem neugeschaffenen Werk verblassen. Umgekehrt wird sie um so eher verblassen, je stärker die Individualität des neuen Werks ist (Ciresa aaO § 5 Rz 47 mwN; Loewenheim in Schricker, Urheberrecht², § 24 (d)UrhG Rn 10 mwN).
Einer Kunstrichtung, die bewusst auf alle nicht funktionell bedingten Gestaltungselemente verzichtet, stehen im ästhetischen Bereich zwangsläufig nur geringere Gestaltungsmöglichkeiten als anderen Kunstrichtungen offen. Je weniger Gestaltungsmöglichkeiten aber zur Verfügung stehen, desto weniger geht von der Individualität des Schöpfers in das Werk ein: Desto schwächer ist sein Schutz (4 Ob 337/84 = ÖBl 1985, 24 ua; RIS-Justiz RS0076654).
6.2. Die zu beurteilenden Lichtbildwerke sind Portraitfotos, bei denen die zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten naturgemäß eingeschränkt sind, zumal es in erster Linie um die Abbildung eines Gesichts geht. Die von der Klägerin gewählte Hand- und Kopfhaltung und auch der Haarreifen verleihen dem Foto Nr 1 Individualität und Unterscheidbarkeit. In Wahrheit dienen diese Gestaltungselemente aber dazu, das Aussehen der Abgebildeten in einem für sie vorteilhaften Licht erscheinen zu lassen, wie die Klägerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst ausführt. Das markante Merkmal, das den ästhetischen Gesamteindruck eines Portraits ausmacht und den Blick eines Betrachters auf sich zieht, ist das Gesicht. Die von der Klägerin der Abbildung Nr 1 verschaffte Individualität ist demgegenüber sehr gering, weshalb der urheberrechtliche Schutzbereich des Fotos vergleichsweise gering auszumessen ist. Bei einem Portraitfoto sind die Gestaltungsmöglichkeiten von vornherein gering, daher ist der urheberrechtliche Schutz entsprechend eng.
Das Gesicht aus der Abbildung Nr 1 wurde für die Computeranimation farblich adaptiert, etwas um die eigene Achse gedreht, vergrößert und gezerrt. Auch die Form der Augen und Ohren wurden verändert. Lediglich Lichtsituation, Mund, Haaransatz und Handstellung sind ident. Zu berücksichtigen ist auch, dass dem Schöpfer der Computeranimation enge gestalterische Grenzen gesetzt waren, als er ausgehend von Foto Nr 1 möglichst gut das tatsächliche Aussehen des vermissten Mädchens Jahre später darstellen wollte. Die durchgeführten digitalen Veränderungen bewirken einen derart großen Abstand zur Abbildung Nr 1, dass die Individualität der Vorlage im Vergleich zum neuen Werk verblasst. Die Computeranimation ist somit als eine freie Benützung von Abbildung Nr 1 im Sinn des § 5 Abs 2 UrhG zu beurteilen. Sie ist ein neues, unabhängiges und selbst urheberrechtlich geschütztes Werk. Ihre Veröffentlichung bedurfte daher der Zustimmung der Klägerin nicht, weshalb dem Sicherungsantrag in Ansehung der Abbildung Nr 5 mangels bescheinigtem Eingriffs in die Urheberrechte der Klägerin die Berechtigung fehlt.
Dies bedeutet auch, dass kein Eingriff in Ansehung des Fotos Nr 1 bescheinigt ist, weil die Beklagte diese Abbildung in ihrer ursprünglichen Form nicht veröffentlichte. Dass ein Eingriff drohe, behauptet die Klägerin nicht. Da ein Unterlassungsgebot am konkreten oder drohenden Verstoß zu orientieren ist und dieser für die Abbildung Nr. 1 nicht vorliegt, ist auch der Sicherungsantrag in Ansehung dieses Fotos abzuweisen.
7. Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Sicherungsverfahrens beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm § 41 ZPO; die Widerklägerin ist lediglich mit einem Drittel ihres Begehrens durchgedrungen, weshalb sie der Widerbeklagten zwei Drittel ihrer Äußerungskosten zu ersetzen hat. Die Kostenentscheidung in Ansehung des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Widerklägerin ist mit zwei Dritteln des strittig verbliebenen Begehrens (Bemessungsgrundlage nur mehr 25.000 EUR) durchgedrungen, weshalb sie der Widerbeklagten ein Drittel der Rekurs- und Revisionsrekurskosten zu ersetzen hat.
(Fotos nur in der Originalentscheidung ersichtlich.)
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