Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Der erkennende Senat hat im Provisorialverfahren zu 4 Ob 224/00w (= MR 2000, 373 [Walter] - Schüssels Dornenkrone) ausgesprochen, dass die Wiedergabe von Titelseiten der "Neuen Kronen Zeitung" in der von der Beklagten herausgegebenen Zeitschrift im Interesse der Meinungsfreiheit und der freien geistigen Auseinandersetzung in Zeitungen und Zeitschriften durch das Zitatrecht gedeckt ist. Der Hauptantrag, der Beklagten zu untersagen, einzelne Seiten der periodischen Druckschrift "Neue Kronen Zeitung", insbesondere deren Titelseiten, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten, wobei sich diese Unterlassungsverpflichtung insbesondere auf die Titelseiten der Ausgaben der "Neuen Kronen Zeitung" vom 2. 12. und 31. 12. 1999 sowie vom 6., 9. und 12. 1. 2000 erstrecken sollte, wurde ebenso abgewiesen wie der Eventualantrag, der Beklagten zu untersagen, Lichtbilder, an denen die Herstellerrechte und/oder die ausschließlichen Werknutzungsrechte der Klägerin zustehen, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten, wobei sich diese Unterlassungsverpflichtung insbesondere auf zwei näher bezeichnete Fotos erstrecken sollte.
Im Hauptverfahren hat die Klägerin ihr Begehren geändert. Sie begehrt nunmehr, die Beklagte schuldig zu erkennen, 1. es zu unterlassen, Werke der bildenden Kunst, an denen die ausschließlichen Werknutzungsrechte der Klägerin zustehen, insbesondere die von Bruno Haberzettl geschaffene Karikatur, die auf der Titelseite der "Neuen Kronen Zeitung" vom 6. 1. 2000 erschienen ist, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten, und 2. es zu unterlassen, Lichtbilder mit Personenbildnissen, an denen die Herstellerrechte und/oder die ausschließlichen Werknutzungsrechte der Klägerin zustehen, zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten, wenn diese durch einen Augenbalken über der Augenpartie verändert werden und gleichzeitig die Identität der abgebildeten Person auf andere Art und Weise, insbesondere durch Veröffentlichung ihres Namens, preisgegeben wird. In eventu zu Punkt 1) begehrt die Klägerin, der Beklagten zu verbieten, Werke der bildenden Kunst, insbesondere die von Bruno Haberzettl geschaffene Karikatur, die auf der Titelseite der "Neuen Kronen Zeitung" vom 6. 1. 2000 erschienen ist und an der der Klägerin die ausschließlichen Werknutzungsrechte zustehen, ohne die entsprechende Urheberbezeichnung zu vervielfältigen und zu verbreiten.
Rechtliche Beurteilung
In der im Provisorialverfahren ergangenen Entscheidung 4 Ob 224/00w wurde das Zitatrecht von zwei Voraussetzungen abhängig gemacht: Das Zitat muss auf den durch den Zweck gebotenen Umfang beschränkt werden, weil das Recht des Urhebers nicht stärker beeinträchtigt werden darf, als es die Ausübung der im Interesse der geistigen Kommunikation (hier: kritische Auseinandersetzung mit der Berichterstattung der Klägerin) eingeräumte Zitierfreiheit erfordert, und es darf nicht dazu führen, dass der wirtschaftliche Wert des zitierten Werks in einer ins Gewicht fallenden Weise ausgehöhlt wird.
Die zweite Voraussetzung ist unabhängig davon erfüllt, ob auf die Rechte an den für die Gestaltung der Titelblätter verwendeten Lichtbildern oder die Rechte an der hiefür verwendeten Karikatur abgestellt wird. Dass nämlich der wirtschaftliche Wert der Titelblätter und insbesondere auch der der Fotos und der Karikatur durch den Nachdruck in keiner Weise ausgehöhlt wurde, ist, wie bereits in der Entscheidung 4 Ob 224/00w ausgeführt, offenkundig.
Für die erste Voraussetzung gelten, soweit es um das Hauptbegehren zu Punkt 1 geht, die bereits im Provisorialverfahren angestellten Erwägungen. Die Wiedergabe der Karikatur hat, ebenso wie die Wiedergabe der Fotos, Belegfunktion; sie zeigt, wie subtil versucht wurde, die Regierungsbildung zu beeinflussen, indem die Karikatur des Bundeskanzlers als mit Koalitionsmöglichkeiten jonglierender Eisläufer mit "Auf dünnem Eis..." überschrieben wurde. Es trifft daher nicht zu, dass die Entscheidung insoweit der Rechtsprechung widerspräche. Mit den von den Beklagten zitierten Ausführungen von Walter (Anm zu 4 Ob 224/00w = SZ 73/149 = MR 2000, 73 - Schüssels Dornenkrone), zu denen der erkennende Senat auch in der Entscheidung 4 Ob 127/01g (= MR 2001, 304 [Swoboda, Walter] - Medienprofessor) Stellung genommen hat, hat sich bereits das Berufungsgericht auseinandergesetzt. Die vom Berufungsgericht dazu vertretene Auffassung ist jedenfalls vertretbar, so dass keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO besteht.
Gegenstand des Eventualbegehrens zu Punkt 1 ist die Wiedergabe der Karikatur ohne Nennung des Urhebers. Nach § 57 Abs 4 UrhG ist nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen zu beurteilen, ob und inwieweit bei freien Werknutzungen wie den hier verfahrensgegenständlichen eine Quellenangabe unterbleiben kann. Bei Auslegung dieser Bestimmung ist demnach eine Abwägung der Interessen des Urhebers mit jenen des zur freien Werknutzung Berechtigten nach dem Verständnis loyaler, den Belangen des Urhebers mit Verständnis gegenübertretender, billig und gerecht denkender Benutzer geboten (4 Ob 293/01v = ÖBl 2002/55 [Wolner] - Riven Rock). Ob die Interessen des Urhebers oder jene des Benutzers höher zu bewerten sind, hängt von den im Einzelfall gegebenen Umständen ab und bildet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.
Mit dem Hauptbegehren zu Punkt 2 strebt die Klägerin eine Einschränkung des Zitatrechts für den Fall an, dass der durch die Anbringung eines Augenbalkens verfolgte Zweck der Anonymisierung nicht erreicht werden kann, weil der Name des Abgebildeten im Text angegeben ist. Sie verweist darauf, dass das Oberlandesgericht Wien als letzte Instanz in Mediensachen eine Verletzung des Identitätsschutzes durch die gegenständliche Bildveröffentlichung verneint hat. Es sei daher denkunmöglich, die Bildveröffentlichung als Beleg für den Vorwurf eines Tabubruchs zu werten.
Die Klägerin verkennt damit, dass das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nicht nur die Verbreitung von Tatsachen, sondern auch die Verbreitung von Meinungen deckt. Auch wenn daher rechtskräftig entschieden wurde, dass die Bildveröffentlichung nicht gegen das Mediengesetz verstößt, folgt daraus nicht, dass die Wertung der Veröffentlichung als Tabubruch nicht durch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt wäre. Diese Wertung wird durch das Anbringen des Augenbalkens verstärkt, weil damit ausgedrückt wird, dass das Foto zur Wahrung schutzwürdiger Interessen des Betroffenen mit einem Augenbalken zu veröffentlichen gewesen wäre. Die damit vorgenommene Veränderung ist daher als durch den Belegzweck gedeckt unabhängig davon zulässig, dass der Name des Betroffenen im Text des gleichzeitig wiedergegebenen Artikels genannt wird.
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