OGH 2Ob226/07k

OGH2Ob226/07k14.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** U*****, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.676,15 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. Mai 2007, GZ 35 R 81/07g-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 23. Oktober 2006, GZ 15 C 899/04z-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 1. 8. 2001 wurde die damals 33-jährige Andrea S***** bei einem Verkehrsunfall im Gemeindegebiet von Drasenhofen, den der Lenker eines bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs verschuldete, schwer verletzt. Sie erlitt einen offenen Mehrfragmentbruch des rechten Unterschenkels sowie Rissquetschwunden im Bereich des linken Ellenhakens, des rechten Kniegelenks und der Stirn. Konkret handelte es sich bei der Verletzung am rechten Unterschenkel um einen drittgradig offenen Bruch des rechten Schienbeins im peripheren Abschnitt, wobei das periphere Bruchstück mehrfach in sich zerbrochen war; ferner um einen verschobenen und verkürzten Bruch des Wadenbeins etwa in gleicher Höhe und um einen Riss der Bandverbindung zwischen Schien- und Wadenbein. Die Verletzung wurde operativ versorgt. Am 11. 8. 2001 wurde die Geschädigte mit einem Unterschenkelgipsverband unter Entlastung in ambulante Behandlung entlassen. Die Entlastung wurde bis zum 24. 10. 2001 weitgehend beibehalten. Danach wurde der Verletzten eine Teilbelastung und ab 10. 1. 2002 eine zunehmende Belastung bis zur Vollbelastung des rechten Beins erlaubt. Im Februar/März 2002 folgte ein Aufenthalt in einem Rehabilitationszentrum, an den sich weitere physiotherapeutische Behandlungen knüpften. Infolge der Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenks musste die Geschädigte damals Gehhilfen verwenden. Im August 2002 wurde ihr ein orthopädischer Schuh angemessen. Im Februar 2003 lag eine endlagige Bewegungseinschränkung des Sprunggelenks vor, eine Gehhilfe war nicht mehr nötig. Anfang August 2004 war die Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk hochgradig eingeschränkt; die Geschädigte hinkte („Schonhinken"), ein neuer orthopädischer Schuh wurde verordnet. Nach einem Gefäßverschluss musste am 29. 8. 2004 der rechte Fuß im Bereich des Unterschenkels amputiert werden. Danach befand sich die Geschädigte bis Weihnachten 2004 erneut auf Rehabilitation.

Andrea S***** wohnt in Drasenhofen, wo sie als Angestellte eines Speditionsunternehmens zunächst auch berufstätig war. Ca 4 Wochen vor dem Unfall verlagerte sie ihren Arbeitsplatz an eine Außenstelle ihres Arbeitgebers in Wien. Sie bewältigte die Strecke von Drasenhofen nach Wien und zurück jeweils mit ihrem privaten PKW, wobei sie täglich insgesamt ca 150 bis 180 km Wegstrecke in ca 3 Stunden zurücklegte. Anfang März 2002 nahm Andrea S***** aufgrund ihrer Verletzung eine Arbeitsstelle bei der Gemeinde Drasenhofen an. Bis dahin wären ihr die langen Autofahrten verletzungsbedingt nicht möglich gewesen. Ab April 2002 hätte sie zwar einen PKW bedienen können, jedoch nur unter Schmerzen. Der zukünftige Verlauf ihres Genesungsprozesses war zu diesem Zeitpunkt und auch in den Folgejahren noch nicht absehbar. Nach der Amputation des rechten Fußes konnte sie etwa ab Jänner 2005 wieder mit einem Auto fahren.

Zu ihrem neuen Arbeitsplatz braucht Andrea S***** ca 3 Minuten mit dem PKW und ca 10 Minuten zu Fuß. Ihr täglicher Gewinn an Freizeit beträgt somit (fast) 3 Stunden. Sie verdient jedoch deutlich weniger als zuvor; im Jahr 2002 betrug die Einkommensdifferenz 428 EUR monatlich.

Die klagende Partei gewährt der Geschädigten seit März 2002 eine Versehrtenrente. Im Einzelnen hat sie (jedenfalls) folgende Leistungen erbracht:

März bis Dezember 2002 à 300 EUR: 3.000 EUR

Jänner bis August 2003 à 310 EUR: 2.480 EUR

September bis Dezember 2003 à 264,80 EUR: 1.059,20 EUR

Sonderzahlung für September 2003: 264,80 EUR

Jänner bis Mai 2004 à 267,45 EUR: 1.337,25 EUR

Sonderzahlung für April 2004: 267,45 EUR

Juni 2004: 267,45 EUR

Gesamt: 8.676,15 EUR

Die klagende Partei begehrte mit ihrer am 15. 7. 2004 eingebrachten Klage von der beklagten Partei Zahlung von 8.676,15 EUR sA und brachte vor, sie habe den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt und der versicherten Verletzten im Zeitraum vom 4. März 2002 bis einschließlich August 2003 eine 30-%ige und ab September 2003 eine 20-%ige Versehrtenrente gewährt. Dem von der beklagten Partei erhobenen Einwand, die Fahrtkostenersparnis sei anzurechnen, habe sie durch Verminderung des Deckungsfonds auf monatlich 300 EUR bzw 310 EUR in den Zeiträumen bis August 2003 Rechnung getragen. Ab September 2003 sei von einer Volldeckung ihrer Ansprüche auszugehen.

Die beklagte Partei wandte ein, aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Ersatz von Pflegekosten sei abzuleiten, dass auch die Freizeit einen gewissen Wert repräsentiere, der nach § 273 ZPO zu ermitteln sei. Die klagende Partei müsse sich daher die durch den Wegfall der täglichen Fahrten zum Arbeitsplatz nach Wien gewonnene Freizeit der Geschädigten von täglich mindestens 3 Stunden als Vorteil anrechnen lassen, wobei pro Stunde ein Betrag von mindestens 7 EUR zu veranschlagen sei. Dadurch, aber auch infolge der erzielten Fahrtkostenersparnis sei der Deckungsfonds zur Gänze erschöpft. Der klagenden Partei stehe daher kein Anspruch gegen die beklagte Partei zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging im Wesentlichen vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und folgerte rechtlich, in den Fällen der Legalzession trete der Forderungsübergang schon im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses ein. Eine Legalzession führe daher im Ergebnis zu einer Versagung der Vorteilsausgleichung, das Problem der Vorteilsausgleichung stelle sich nicht. Die Anrechnung des Freizeitgewinns der verletzten Versicherten und deren Ersparnis an Kosten für die Erhaltung und den Betrieb ihres PKW's im Wege der Vorteilsausgleichung komme somit nicht in Betracht. Selbst wenn aber eine Vorteilsanrechnung rechtlich möglich wäre, fände sie nicht statt, weil sie zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen würde.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach bei Legalzessionen die Vorteilsausgleichung ausgeschlossen sei. Weder die Fahrtkostenersparnis noch der geringere Zeitaufwand der Geschädigten könnten daher im Wege einer Vorteilsausgleichung berücksichtigt werden.

Über Antrag der beklagten Partei erklärte das Berufungsgericht in Abänderung seines ursprünglichen Ausspruchs die Revision nachträglich mit der sinngemäßen Begründung für zulässig, dass zu den Fragen, ob bei der Berechnung des Verdienstentgangs ersparte Fahrtauslagen nicht als Vorteil anzurechnen, sondern als Werbungskosten von der Bemessungsgrundlage in Abzug zu bringen seien, und ob der Freizeitgewinn in einen den Verdienst schmälernden Geldwert umgerechnet werden könne, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs existiere.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung sinngemäß, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sind; sie ist im Sinne des Eventualantrags auch berechtigt.

Die beklagte Partei macht geltend, die Fahrtkostenersparnis begründe keinen Vorteil aus dem schädigenden Ereignis, sondern stelle bloß einen Parameter für die konkrete Berechnung des Verdienstentgangs der Geschädigten dar. Maßgeblich sei daher die Frage, ob bei der Berechnung des konkreten Verdienstentgangs ausschließlich auf den Nettobetrag des erzielten Gehalts abzustellen sei oder ob auch die Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Dies gelte ebenso für die Anrechnung der zusätzlichen Freizeit der Geschädigten, da auch die eigene Tätigkeit (Durchführung der Fahrten) als Aufwendung von Werbungskosten anzusehen sei. Davon abgesehen verkenne das Berufungsgericht, dass ein Forderungsübergang auf die Legalzessionarin ohne gleichzeitigen Übergang allfälliger der Geschädigten gegenüber anrechenbarer Vorteile zu einer dem Wesen des Schadenersatzrechts zuwiderlaufenden Bereicherung der Geschädigten führen würde. Basis des Deckungsfonds des Sozialversicherungsträgers könne einzig der um den anrechenbaren Vorteil verminderte Gesamtschaden sein. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung sei in diesem Zusammenhang uneinheitlich, weil einerseits bei Legalzessionen eine Vorteilsanrechnung nicht stattfinden solle, andererseits aber der Geschädigte nicht bereichert sein dürfe.

Hiezu wurde erwogen:

I. Zur Legalzession und zur Vorteilsausgleichung:

1. Aufgrund der in § 332 Abs 1 ASVG angeordneten Legalzession gehen Schadenersatzansprüche des Geschädigten bereits mit dem Einritt des schädigenden Ereignisses („in der juristischen Sekunde") auf den Sozialversicherungsträger in jenem Umfang über, als dieser sachlich und zeitlich kongruente Leistungen zu erbringen hat (2 Ob 256/06w = JBl 2008, 253; 2 Ob 268/06k; 2 Ob 190/07s; je mwN; RIS-Justiz RS0030708, RS0045190, RS0087557). Daran ändert der Umstand nichts, dass in diesem Zeitpunkt regelmäßig noch ungewiss ist, in welcher Höhe der Schädiger zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet ist und die Voraussetzungen für die Zahlungspflicht des Sozialversicherungsträgers im Einzelnen noch nicht feststehen. Der Rechtsübergang konkretisiert sich erst während des gesamten künftigen Schadensverlaufs der Höhe nach im Umfang des jeweiligen Ersatzanspruchs und des jeweiligen Sozialversicherungsanspruchs (2 Ob 69/06w = SZ 2006/69; 2 Ob 256/06w; 2 Ob 268/06k; Neumayr in Schwimann, ABGB3 VII § 332 ASVG Rz 26). Der Umfang des Forderungsübergangs und damit der Regressanspruch des Sozialversicherungsträgers ist demnach in zwei Dimensionen begrenzt, nämlich einerseits mit der Höhe des Schadenersatzanspruchs des Geschädigten und andererseits mit dem Anspruch des Geschädigten auf Leistungen gegenüber dem Sozialversicherungsträger (RIS-Justiz RS0040991; Neumayr aaO Rz 32).

2. Durch die Gewährung einer Versehrtenrente soll die unfallbedingte Einkommensminderung der Geschädigten ausgeglichen werden. Sie ist zu deren Schadenersatzanspruch auf Ersatz des Verdienstentgangs daher sachlich kongruent (vgl 2 Ob 167/01z = ZVR 2002/107; 2 Ob 51/02t; 2 Ob 63/06p = SZ 2006/56; RIS-Justiz RS0031026 [T2]; Neumayr aaO Rz 48). Dieser Schadenersatzanspruch, der in dritter Instanz dem Grunde nach nicht mehr strittig ist, bildet den Deckungsfonds, der selbständig nach den Grundsätzen des Haftpflichtrechts zu berechnen ist (RIS-Justiz RS0030708 [T2], RS0085365 [T1]; Neumayr aaO Rz 8, 32 und 39; Harrer in Schwimann, ABGB3 VI § 1325 Rz 95). „Vorteile" bzw „schadensmindernde Leistungen" aus Sozialversicherungsansprüchen haben hiebei außer Betracht zu bleiben (Neumayr aaO Rz 32). Sonstige Umstände, die auch bei der Ermittlung des direkten Schadenersatzanspruchs des Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung oder der Schadensminderungspflicht zu berücksichtigen wären, sind hingegen in die Berechnung einzubeziehen (2 Ob 69/06w; vgl zuletzt auch 2 Ob 176/07g [§ 67 VersVG]; Neumayr aaO Rz 6, 33 und 80; Reischauer in Rummel, ABGB3 II/2a § 1312 Rz 6). Insoweit stehen dem Schädiger gegen den bloß vom Geschädigten abgeleiteten Anspruch des Sozialversicherungsträgers auch alle Einwendungen zu, die ihm gegen den Geschädigten zugestanden wären (RIS-Justiz RS0032777).

3. Dieses Zwischenergebnis steht nicht im Widerspruch zu jener Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach eine Legalzession im Ergebnis zu einer Versagung der Vorteilsausgleichung führt und sich im Bereich der gesetzlichen Zessionen das Problem der Vorteilsanrechnung gar nicht stellt (2 Ob 58/92 = EvBl 1993/68; 2 Ob 56/98v = SZ 71/3; 2 Ob 190/07s; vgl auch 1 Ob 22/94 = SZ 67/135 und 2 Ob 59/07a zur Schadensminderungspflicht; RIS-Justiz RS0030384; Neumayr aaO Rz 9; Reischauer aaO Rz 13; Harrer aaO Anh § 1323 Rz 6).

Die Vorinstanzen haben sich auf diesen Rechtssatz berufen, ihn jedoch dahin missverstanden, dass er schlechthin den Ausschluss jeglicher Vorteilsausgleichung postuliert. Wie den zitieren Entscheidungen und Lehrmeinungen entnommen werden kann, gilt dies aber nur für die von der Legalzession betroffenen Ansprüche selbst (vgl auch Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I3 Rz 10/47): Da der ganz oder teilweise auf den Zessionar übergegangene Ersatzanspruch infolge der Legalzession in voller Höhe aufrecht bleibt, kommt die Berücksichtigung der Sozialversicherungsleistung als „Vorteil" des Geschädigten nicht in Betracht. Damit wird verhindert, dass der Schädiger durch Leistungen des Sozialversicherungsträgers von seiner Schadenersatzpflicht entlastet wird; diese Leistungen begründen aber andererseits auch keine erweiterte Eintrittspflicht des Schädigers, weil sie nur dann zu erstatten sind, wenn ihnen ein kongruenter zivilrechtlicher Schaden gegenübersteht (vgl Neumayr aaO Rz 6; Harrer aaO Rz 6). Dieser bildet den - wie erörtert - nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu ermittelnden Deckungsfonds, der den Umfang des Rechtsübergangs (mit)bestimmt.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass dem Einwand der beklagten Partei, die Fahrtkostenersparnis und der Zeitgewinn der Geschädigten minderten den Deckungsfonds und damit den Anspruch der klagenden Partei, jedenfalls nicht der Ausschluss einer Vorteilsausgleichung entgegengehalten werden kann.

II. Zur Fahrtkostenersparnis:

Der Verdienstentgangsanspruch der Geschädigten resultiert daraus, dass sie nach ihrem unfallbedingt vorgenommenen Arbeitsplatzwechsel ein geringeres Einkommen erzielt. Sie erspart sich jedoch die Aufwendungen für ca 150 bis 180 km Fahrt pro Arbeitstag mit dem eigenen PKW.

Die Berechnung des Verdienstentgangs erfolgt - wie bei jedem Vermögensschaden - durch Vergleichung des Geldwertunterschieds zweier Zustände, nämlich des tatsächlichen Zustands vor und nach der Schädigung. Ein Vorteil des Geschädigten, der ohne die erfolgte Schädigung nicht entstanden wäre, ist grundsätzlich zugunsten des Schädigers zu buchen (6 Ob 54/04s; 2 Ob 227/07g; RIS-Justiz RS0022834). Ersparte Aufwendungen sind gegenüber dem Vermögensschaden grundsätzlich als Vermögensvorteil anzurechnen (zu Fahrtkosten vgl 2 Ob 153/89; ferner RIS-Justiz RS0022818 [T1], RS0031407; Reischauer aaO Rz 15). Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Dabei muss im Hinblick auf die in Punkt I. der Entscheidungsbegründung dargestellte Rechtslage die in der Revision aufgeworfene Frage nicht weiter vertieft werden, ob diese Ersparnis nicht bloß „Vorteil" sondern schon ein „Parameter" bei der Berechnung des Verdienstentgangs ist (zur Problematik dieser Abgrenzung vgl etwa Koziol aaO Rz 10/34 und 10/54).

Die beklagte Partei hat zu den ersparten Fahrtkosten konkretes Prozessvorbringen erstattet und einen Beweisantrag gestellt (AS 35 und 55). Die Vorinstanzen haben jedoch aufgrund ihrer vom erkennenden Senat nicht gebilligten Rechtsansicht Beweisaufnahmen und Feststellungen zu diesem Thema unterlassen; diese werden im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen sein.

III. Zur Freizeit als Vermögensvorteil:

Der Begriff der Vorteilsausgleichung ist auf materielle Schäden (Vermögensschäden) zugeschnitten (10 Ob 209/02m = ZVR 2002/94; 5 Ob 242/03d = ZVR 2005/28). Daraus folgt, dass gegenüber einem Vermögensschaden - wie dem erlittenen Verdienstentgang - nur die Anrechnung eines Vermögensvorteils möglich ist (vgl 10 Ob 209/02m mwN; RIS-Justiz RS0031407 [auf die in diesem Zusammenhang auch erörterte Problematik der Vorteilsausgleichung bei Schmerzengeld ist hier nicht einzugehen]). Bloße immaterielle Vorteile sind hingegen nicht geeignet, einen vermögensrechtlichen Nachteil auszugleichen; sie sind gegenüber einem Vermögensschaden daher nicht anrechenbar.

Der Gewinn an Freizeit stellt allenfalls einen immateriellen Vorteil der Geschädigten dar (zur Aufopferung der Freizeit als immaterieller Schaden vgl jüngst 9 ObA 117/06f). Eine Anrechnung auf ihren Verdienstentgangsanspruch kommt demnach nicht in Betracht.

Soweit die beklagte Partei aus der zu den Kosten der Angehörigenpflege ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Gegenteiliges abzuleiten versucht, ist ihr zu erwidern, dass diese Rechtsprechung nicht die Einschätzung und Bewertung von Freizeit als vermögenswertes Gut, sondern die konkrete Ermittlung des objektiven Werts der von dritter Seite erbrachten Pflegeleistungen für den Geschädigten zum Gegenstand hat (vgl RIS-Justiz RS0022789, RS0030213). Zwar wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass neben den Zeiten tatsächlicher Pflegeleistungen auch jene Zeit abzugelten ist, die der pflegende Angehörige sonst außer Haus als Freizeit verbringen würde und auf die er nunmehr verzichtet (2 Ob 49/98i = ZVR 1998/128; 2 Ob 176/05d = ZVR 2007/124; RIS-Justiz RS0022789 [T3]). Dabei geht es aber nicht etwa um einen im Freizeitverlust gelegenen Schaden der Pflegeperson; die Klärung dieser Frage ist in Fällen der Angehörigenpflege vielmehr deshalb von Bedeutung, weil dem Geschädigten auch für diese Zeit der Ersatz der Kosten einer professionellen Pflegekraft gebührt (2 Ob 176/05d mwN). Aus dieser Rechtsprechung, deren analoge Anwendung die beklagte Partei auf den vorliegenden Fall begehrt, sind somit keine ihren Standpunkt stützenden Argumente ableitbar.

IV. Ergebnis:

Im Hinblick auf die in Punkt II. der Entscheidungsbegründung dargelegten Feststellungsmängel sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht ist insoweit die Verfahrensergänzung aufzutragen. Im fortgesetzten Verfahren werden nach den erforderlichen Beweisaufnahmen ergänzende Feststellungen zu den durch den Arbeitsplatzwechsel ersparten Aufwendungen der Geschädigten zu treffen sein. Sodann wird das Erstgericht neuerlich zu beurteilen haben, ob ein für die Ansprüche der klagenden Partei ausreichender Deckungsfonds besteht.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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