OGH 6Ob157/08v

OGH6Ob157/08v7.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** eingetragenen L***** Aktiengesellschaft mit dem Sitz in L***** über den Revisionsrekurs des Vorstands Ing. Dr. Sergio Z*****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 2. Juni 2008, GZ 6 R 81/08m-17, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 28. März 2008, GZ 32 Fr 6835/07x-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die L*****Aktiengesellschaft mit Sitz in L***** ist zu FN ***** im Firmenbuch des Landesgerichts Linz eingetragen. Stichtag für ihren Jahresabschluss ist der 31. 12.

Die Gesellschaft reichte zuletzt den Jahresabschluss zum 31. 12. 2006 ein. Von 1999 bis zum Geschäftsjahr 2003 waren außerdem jährliche Konzernabschlüsse eingereicht worden, wobei der Konsolidierungskreis seit 1999 neben der Gesellschaft (als Mutterunternehmen) selbst nur mehr die K***** Kft. mit Sitz in T***** (Ungarn) umfasste. Auch im Anhang zum Jahresabschluss des Geschäftsjahrs 2004 ist dieses 100%ige Tochterunterunternehmen als vollkonsolidiertes Unternehmen angeführt; ein Verzicht auf dessen Einbeziehung ist weder angegeben noch begründet. Einen Konzernabschluss zum Stichtag 31. 12. 2004 reichte die Gesellschaft nicht ein.

Das Tochterunternehmen stellte im Jahr 2005 seinen Betrieb ein und befindet sich seither in stiller Liquidation; die Gesellschaft selbst stellte ihren Betrieb mit Jänner 2005 ein (6 Ob 91/08p).

Die Vorinstanzen verhängten über den Vorstand der Gesellschaft, Ing. Dr. Sergio Z*****, eine Zwangsstrafe in Höhe von 400 EUR mangels Offenlegung der Konzernunterlagen für das Geschäftsjahr 2004 trotz vorangegangener Aufforderung; das Rekursgericht sprach außerdem aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil es an Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 249 UGB fehle. Im Hinblick auf die Aussagefähigkeit des Konzernabschlusses unterliege auch die Ausübung der Wahlrechte des § 249 UGB dem Grundsatz der Stetigkeit, sodass Änderungen, die nicht durch veränderte Verhältnisse bedingt sind, grundsätzlich nicht zulässig seien; im Jahr 2004 sei das Tochterunternehmen jedoch ein konsolidiertes gewesen, die Beschlüsse auf Schließung der Produktionsstätte der Gesellschaft sowie des Betriebs des Tochterunternehmens seien erst im Jahr 2005 gefasst worden. Bei der Bewertung der Gesellschaft im Jahresabschluss zum 31. 12. 2004 sei unter Anwendung bisheriger Bewertungsmethoden (noch) von einer Fortführung ausgegangen worden; Überlegungen des Vorstands zur „stillen Liquidation" von Mutter- und Tochterunternehmen beträfen somit jedenfalls noch nicht das Geschäftsjahr 2004. Im Übrigen sei ein Verzicht auf Einbeziehung des Tochterunternehmens gemäß § 249 Abs 1 Z 1 und 2 UGB nicht zulässig, weil dieses nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen sei; auch mehrere Jahre zurückliegende Jahres- und Konzernabschlüsse seien keineswegs für jeden daran Interessierten hinfällig geworden.

Der Revisionsrekurs des Vorstands ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen haben die Zwangsstrafe mangels Offenlegung der Konzernunterlagen für das Geschäftsjahr 2004 trotz vorangegangener Aufforderung verhängt. Soweit sich der Revisionsrekurs unter Hinweis auf § 246 UGB mit der Frage beschäftigt, ob Konzernunterlagen (auch) für die Geschäftsjahre 2005 und 2006 offenzulegen wären, bedarf es daher keiner inhaltlichen Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs.

Daran ändert auch die vom Erstgericht geäußerte „Ansicht, dass die Konzernabschlüsse für die Geschäftsjahre 2004 bis 2006 zu erstellen und beim Firmenbuch offenzulegen sind und diese Verpflichtung mit Zwangsstrafen gemäß § 283 UGB durchzusetzen ist", nichts; die Androhung von Zwangsstrafen ist nämlich nicht bekämpfbar (stRsp, etwa 6 Ob 144/07f).

2. Nach § 247 Abs 1 UGB sind in den Konzernabschluss das Mutterunternehmen und alle Tochterunternehmen ohne Rücksicht auf den Sitz der Tochterunternehmen einzubeziehen. Der Konsolidierungskreis erfasst somit neben dem Mutterunternehmen grundsätzlich sämtliche Tochterunternehmen weltweit (vgl Deutsch in Straube, HGB² [2000] § 247 Rz 4 mwN). Dass es sich beim ungarischen Tochterunternehmen der Gesellschaft um ein konsolidiertes Unternehmen in diesem Sinn gehandelt hat, bestreitet der Vorstand nicht; es war auch von (jedenfalls) 1999 bis 2003 in den Konzernabschlüssen der Gesellschaft erfasst.

3. Die Aussagefähigkeit des Konzernabschlusses hängt entscheidend von der Beibehaltung des einmal festgelegten Konsolidierungskreises ab, weshalb nach herrschender Auffassung auch bei dessen Abgrenzung der Grundsatz der Stetigkeit zu beachten ist (vgl die Nachweise bei Deutsch aaO Rz 8).

Zwar können Veränderungen im Konsolidierungskreis im Zeitablauf (etwa durch Neugründung oder Neuerwerbung oder den Verkauf von Tochterunternehmen durch veränderte Verhältnisse zur Beurteilung des Vorliegens des Einbeziehungsverbots bzw der Einbeziehungswahlrechte udgl) dessen Neuabgrenzung zu jedem Stichtag notwendig machen (Deutsch aaO Rz 9 mwN). Derartige Veränderungen haben die Vorinstanzen hier aber nicht festgestellt; die Betriebsstilllegungen bei der Gesellschaft und ihrem ungarischen Tochterunternehmen erfolgten vielmehr erst im Jahr 2005.

Soweit der Vorstand dazu in seinem Revisionsrekurs unter Verweis auf ein Gutachten der K***** GmbH vom 6. 3. 2008 ausführt, bereits im Jahresabschluss 2004 seien „für die voraussichtliche Liquidationsphase entsprechende Rückstellungen für Schließungsmaßnahmen gebildet" worden, ist er daran zu erinnern, dass er sich darauf in seinem Rekurs nicht gestützt hat; es ist ihm daher verwehrt, dies im Revisionsverfahren nachzuholen.

4. Nach § 249 Abs 1 UGB braucht ein Tochterunternehmen in den Konzernabschluss nicht einbezogen zu werden, wenn

1. erhebliche und andauernde Beschränkungen die Ausübung der Rechte des Mutterunternehmens in Bezug auf das Vermögen oder die Geschäftsführung dieses Unternehmens nachhaltig beeinträchtigen oder

2. die für die Aufstellung des Konzernabschlusses erforderlichen Angaben nicht ohne unverhältnismäßige Verzögerungen oder ohne unverhältnismäßig hohe Kosten zu erhalten sind, wobei auf die Größe des Unternehmens Bedacht zu nehmen ist.

4.1. Ob tatsächlich - wie der Revisionsrekurs meint - neben einer Insolvenz auch die „stille Liquidation" eines Tochterunternehmens ein Anwendungsfall der Ziffer 1 ist, kann dahingestellt bleiben. Im Jahr 2004 befanden sich weder die Gesellschaft noch deren ungarisches Tochterunternehmen in „stiller Liquidation".

4.2. Der Vorstand meint in seinem Revisionsrekurs, für die Erstellung und die Vorlage „der Konzernabschlüsse" würden Kosten in Höhe von rund 30.000 EUR auflaufen, denen kein Informationsmehrwert gegenüber stünde; damit lägen die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Wahlrechts nach Ziffer 2 vor.

Abgesehen davon, dass § 249 Abs 1 Z 2 UGB nach herrschender Auffassung restriktiv auszulegen ist (vgl die Nachweise bei Deutsch in Straube, HGB² [2000] § 249 Rz 16), hat der Vorstand im Verfahren erster Instanz zur Höhe der Kosten keinerlei Vorbringen erstattet. Nach den Ausführungen der K***** GmbH, auf die sich der Vorstand sowohl im Rekurs- als auch im Revisionsrekursverfahren stützt, ist „eine Quantifizierung der ... Kosten schwierig, da 'Normalkosten' für die Einbeziehung [nicht] existieren"; bei der Bewertung der Unternehmen hätten sich jedoch „bedingt durch die Stilllegung der Betriebe ... entsprechende Bewertungsprobleme" ergeben. Das nunmehrige Vorbringen des Vorstands zu den Kosten eines Konzernabschlusses für das Jahr 2004 verstößt somit gegen das Neuerungsverbot des § 49 AußStrG; im Übrigen ist auch in diesem Zusammenhang (neuerlich) darauf hinzuweisen, dass die Stilllegungen erst im Jahr 2005 erfolgten.

5. Der Revisionsrekurs verweist weiters auf § 249 Abs 2 UGB, wonach ein Tochterunternehmen in den Konzernabschluss nicht einbezogen zu werden braucht, wenn es für die Verpflichtung, ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns zu vermitteln, von untergeordneter Bedeutung ist. Er bestreitet auch in diesem Zusammenhang den Informationsmehrwert eines Konzernabschlusses; die maßgeblichen Informationen zum ungarischen Tochterunternehmen fänden sich ohnehin im Einzeljahresabschluss der Gesellschaft.

5.1. Auch das Wahlrecht des § 249 Abs 2 UGB ist restriktiv anzuwenden (Deutsch aaO Rz 21 mwN); ein möglicher Beispielsfall wäre etwa ein Tochterunternehmen, das im Ausland lediglich ein Kontaktbüro unterhält (Albrecht in Hofbauer/Grewe/Albrecht/Kupsch/Scherrer, Bonner Handbuch Rechnungslegung [1986] § 296 Rz 25; Deutsch aaO Rz 27). Davon kann allerdings im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, war doch das ungarische Tochterunternehmen im Jahr 2004 noch - wenn auch als „verlängerte Werkbank", wie der Revisionsrekurs meint - tätig. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb es zwar noch im Jahr 2003 als konsolidiertes Unternehmen Eingang in den Konzernabschluss gefunden hat, nicht mehr aber im Jahr 2004.

5.2. Zu der vom Vorstand mehrfach geforderten Notwendigkeit eines Informationsmehrwerts, der hier jedoch fehlen soll, durch den Konzernabschluss hat das Rekursgericht bereits zutreffend auf die Rechtsprechung verwiesen, wonach auch mehrere Geschäftsjahre zurückliegende Jahres- und Konzernabschlüsse keineswegs für jeden daran Interessierten hinfällig geworden sind; wenn sie nicht mehr offengelegt werden müssten, führte diese Argumentation zu dem vom Gesetzgeber keinesfalls gewünschten Ergebnis: Je länger ein Offenlegungspflichtiger die Erfüllung seiner Pflichten verweigert oder gar vereitelt, desto eher könnte er ihre Erfüllung auf Dauer verhindern (6 Ob 41/02a = ecolex 2007, 945). Dieses Argument kann auch nicht durch den Verweis auf andere Unterlagen (hier den Jahresabschluss der Gesellschaft anstelle eines Konzernabschlusses) außer Kraft gesetzt werden; wäre dieses nämlich stichhaltig, hätte es der detailierten Regelung der Wahlrechte in § 249 Abs 1 und 2 UGB gar nicht bedurft.

6. Schließlich ist noch auf § 249 Abs 3 UGB zu verweisen, wonach die Anwendung (der Wahlrechte) der Absätze 1 und 2 im Konzernanhang bzw im Anhang des Jahresabschlusses des Mutterunternehmens anzugeben und zu begründen ist. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung hat (!) eine derartige Begründung zu erfolgen. Diese darf sich auch nicht auf einen bloßen Verweis auf die gesetzliche Vorschrift beschränken; vielmehr muss darin zum Ausdruck kommen, warum die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen für gegeben angesehen werden (vgl die zahlreichen Nachweise bei Deutsch in Straube, HGB² [2000] § 249 Rz 29). Auch dies hat die Gesellschaft hinsichtlich des Jahresabschlusses 2004 verabsäumt.

Damit war dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.

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