OGH 6Ob114/08w

OGH6Ob114/08w7.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.‑Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am 17. Dezember 2007 verstorbenen Dominik F*****, zuletzt wohnhaft *****, Fürstentum Liechtenstein, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins KEG in Bludenz, gegen die beklagte Partei Tobias M*****, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, wegen Einwilligung in grundbücherliche Eintragungen (Streitwert 30.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2008, GZ 4 R 160/07x‑54, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 22. März 2007, GZ 6 Cg 44/04i‑47, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0060OB00114.08W.0807.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.678,69 EUR (darin 279,79 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob vom EuGH überbundene Rechtsansichten auch auf Nicht‑EU‑Staaten analog anzuwenden seien.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist der Beklagte aufgrund eines Übergabsvertrags vom 21. 2. 1968 grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch *****, Bezirksgericht Bludenz. Im Jahr 1970 war Eigentümer dieser Liegenschaft der Übergeber und Vater des Beklagten. Dieser teilte damals das Grundstück in vier Parzellen, auf welchen in weiterer Folge vier Ferienhäuser errichtet wurden. Er vereinbarte dabei mit dem zwischenzeitig verstorbenen Dominik F*****, dem ursprünglichen Kläger in diesem Verfahren, einem liechtensteinischen Staatsangehörigen, dass dieser die Errichtung der Ferienhäuser großteils finanziere und die Arbeiten durch Materiallieferungen bzw die Verrichtung von Arbeiten unterstütze. Mitte des Jahres 1972 waren die ‑ vereinbarungsgemäß gemeinsam vom Vater des Beklagten und vom Verstorbenen errichteten - Ferienhäuser fertiggestellt. Ab diesem Zeitpunkt benutzte der Verstorbene das Ferienhaus auf dem Grundstück 1387/4 mit der Anschrift S***** ausschließlich und vorwiegend an Wochenenden, in der Zeit vor seinem Tod jedoch gesundheitsbedingt weniger. Hinsichtlich dieses Grundstücks hatten der Verstorbene und der Vater des Beklagten vereinbart, dass ersterer im Gegenzug zur (großteils) Finanzierung der Ferienhäuser, zur Materiallieferung und zur Verrichtung von Arbeiten Eigentümer desselben werden sollte. Von dieser Vereinbarung hatte der Beklagte bei Übergabe des Grundstücks im Jahr 1986 Kenntnis.

Das Berufungsgericht verpflichtete den Beklagten zur Einwilligung in die Abschreibung des Grundstücks 1387/4 von der Liegenschaft EZ *****, in die Eröffnung einer eigenen Einlagezahl hiefür sowie die Einverleibung des Eigentumsrechts der klagenden Verlassenschaft nach Dominik F***** daran. Es ging davon aus, dass zwar die im Jahr 1970 getroffene Vereinbarung nach den damaligen grundverkehrsbehördlichen Bestimmungen nicht genehmigungsfähig gewesen wäre, diese mangelnde Genehmigungsfähigkeit jedoch ab 1. 1. 1994 infolge einer Gesetzesänderung durch eine Erklärung binnen drei Monaten saniert hätte werden können, wonach das Grundstück bebaut sei, der Erwerb nicht zu Ferienzwecken erfolge und der Erwerber österreichischer Staatsangehöriger bzw einem solchen gleich zu behandeln sei (§ 7 Abs 2 Vbg GVG idF LGBl 61/1993). Da der Verstorbene eine derartige Erkläung damals nicht abgegeben habe, wäre zwar nach den damaligen grundverkehrsbehördlichen Bestimmungen das Rechtsgeschäft rückwirkend unwirksam geworden, der EuGH habe aber zwischenzeitig ausgesprochen, dass eine Regelung, wonach eine bloße verspätete Abgabe der geforderten Erklärung über den Erwerb zur rückwirkenden Rechtsunwirksamkeit des betreffenden Grundverkehrsgeschäfts führe, nicht im Einklang mit Art 56 Abs 1 EG stehe. Das Fürstentum Liechtenstein, dessen Staatsangehöriger der Verstorbene war, sei zwar nicht Mitglied der EU, jedoch Mitglied des EWR‑Abkommens und insoweit den EU‑Mitgliedstaaten gleichgestellt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die vom Berufungsgericht als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfrage, nämlich jene nach einer Gleichstellung von Mitgliedern des EWR‑Abkommens mit Mitgliedstaaten der EU, hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 9 Ob 106/04k gerade zur auch im vorliegenden Fall zu beurteilenden Rechtslage nach dem Vorarlberger Grundverkehrsgesetz idF LGBl 61/1993 ausdrücklich bejaht (vgl im Übrigen die ausdrückliche Nennung des Fürstentums Liechtenstein in § 31 Abs 3 Vbg GVG idF LGBl 61/1993). Einer neuerlichen Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs bedarf es dazu somit nicht.

2.1. Aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Obersten Gerichtshofs vom 29. 4. 2004, 6 Ob 300/03s, erkannte der EuGH mit Urteil vom 1. 12. 2005, Rs C‑213/04 (Burtscher/Stauderer), wie folgt: „Art 56 Abs 1 EG steht der Anwendung einer nationalen Regelung wie dem Vorarlberger Grundverkehrsgesetz vom 23. 9. 1993 in geänderter Fassung entgegen, wonach die bloße verspätete Abgabe der geforderten Erklärung über den Erwerb zur rückwirkenden Rechtsunwirksamkeit des betreffenden Grundverkehrsgeschäfts führt". Er führte dazu aus, dass sich (etwa) eine Regelung, mit der der Grundstückserwerb zum Zweck der Errichtung von Zweitwohnungen untersagt oder von speziellen Voraussetzungen abhängig gemacht werden solle, in den Grenzen der Vorschriften des EG‑Vertrags über den freien Kapitalverkehr zu halten habe (Rn 39). Die Erklärung sei zwar keine materielle Voraussetzung für die Durchführung des Rechtsgeschäfts, wohl aber eine zwingende Formvorschrift, die vor Eintragung des Verkaufs ins Grundbuch erfüllt sein müsse und die allein die Wirksamkeit dieses Rechtsakts gegenüber dem Staat und Dritten gewährleiste. Mit dieser Erklärung gehe überdies die Verpflichtung einher, das Grundstück nicht in einer anderen als der erklärten Art und Weise zu nutzen. Ein solches Erfordernis einer Erklärung bewirke daher bereits durch ihren Gegenstand eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs (Rn 43) und sei nur zulässig, wenn mit dieser nationalen Maßnahme ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt werde, sie in nicht diskriminierender Weise angewandt werde und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachte; sie müsse daher geeignet sein, die Erreichung des angestrebten Ziels zu gewährleisten und dürfe nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich sei (Rn 44). ... Die zu beurteilende Vorschrift werde in nicht diskriminierender Weise angewendet. Das Erklärungserfordernis sei als solches keine unverhältnismäßige Maßnahme. Die an eine verspätete (nicht fristgerechte) Abgabe der Erklärung geknüpfte Sanktion der Unwirksamkeit des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts könne jedoch nicht als unerlässlich angesehen werden, um die Verpflichtung zur Abgabe der Erklärung sicherzustellen und das vom Gesetz angestrebte, im Allgemeininteresse liegende Ziel zu erreichen. Sie stehe daher in keinem angemessenen Verhältnis zu den angestrebten Zielen des Allgemeininteresses (Rn 61).

Gestützt auf dieses Urteil des EuGH wies der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 309/05t in dem dem Vorabentscheidungsersuchen zugrundeliegenden Fall das auf titellose Benützung gegründete Räumungsbegehren ab, weil die 1975 grundverkehrsbehördlich genehmigungsbedürftige Vereinbarung aufrecht sei, sei sie doch wegen der fehlenden Erklärung nach § 7 Abs 2 Vbg GVG idF LGBl 61/1993 schwebend unwirksam und dieser Schwebezustand durch den ungenutzten Ablauf der in § 25 Abs 2 leg cit bzw § 29 Abs 2 Vbg GVG idF LGBl 21/2000 nicht beendet worden.

In der Entscheidung 6 Ob 127/06d sprach der Oberste Gerichtshof schließlich aus, aus dem genannten Urteil des EuGH ergebe sich, dass die Bestimmung des § 31 Abs 2 TirGVG 1996 über die rückwirkende Rechtsunwirksamkeit nicht fristgerecht angezeigter Rechtsgeschäfte bzw Rechtsvorgänge nicht anzuwenden ist. Die mangelnde Fristwahrung habe demnach weder den Schwebezustand des 1989 abgeschlossenen Kaufvertrags beendet noch eine Rechtsunwirksamkeit der 2001 zwischen dem Käufer und der Beklagten getroffenen Vereinbarung herbeigeführt. Damit bleibe aber auch der Titel für die weitere Benutzung der Liegenschaft aufrecht.

2.2. Das Berufungsgericht ist - gestützt auf diese Rechtsprechung - davon ausgegangen, dass die vom Verstorbenen und dem Vater des Beklagten im Jahr 1970 getroffene Vereinbarung nicht rückwirkend unwirksam geworden sei, sondern vielmehr nach wie vor aufrecht bestehe. Dem hält der Beklagte in seiner Revision entgegen, damals wäre die getroffene Vereinbarung überhaupt nicht genehmigungsfähig gewesen; eine neue Rechtslage sei nicht eingetreten, weil zum damaligen Zeitpunkt Österreich weder Mitglied des EWR‑Abkommens noch Mitgliedstaat der EU gewesen sei.

Der Beklagte ist mit dieser Argumentation jedoch auf die Entscheidung 6 Ob 309/05t zu verweisen, wo der Oberste Gerichtshof einen Sachverhalt zu beurteilen hatte, bei dem - wie im vorliegenden Fall - die grundverkehrsbehördlichen Bestimmungen des Landes Vorarlberg und ein 1975 abgeschlossenes Rechtsgeschäft zu beurteilen waren. Dennoch entschied der Oberste Gerichtshof zugunsten der (schwebenden) Gültigkeit dieses Rechtsgeschäfts.

2.3. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang weiters meint, beim streitgegenständlichen Grundstück handle es sich um eine landwirtschaftlich gewidmete Fläche, weshalb das 1970 abgeschlossene Geschäft jedenfalls einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurft hätte und vom Erklärungsmodell des § 7 Abs 2 Vbg GVG idF LGBl 61/1993 nicht erfasst gewesen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Flächenwidmungsplan F***** am 4. 4. 1975 in Kraft trat und das Grundstück 1387/4 seitdem (!) als „Freifläche/Landwirtschaftsgebiet" gewidmet ist. Eine Widmungserklärung für das Jahr 1970 ist den Feststellungen somit nicht zu entnehmen.

Nach § 31 Abs 2 Vbg GVG idF LGBl 61/1993 unterlagen Rechtsgeschäfte, die vor seinem Inkrafttreten keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurft hatten (also nicht das im vorliegenden Verfahren zu beurteilende), nicht den Bestimmungen dieses Gesetzes; auf alle anderen Rechtserwerbe war es hingegen grundsätzlich anzuwenden. Das Gesetz ordnete dabei zwar in § 4 Abs 1 an, dass der Verkehr mit land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurfte, wenn es (unter anderem) das Eigentumsrecht zum Gegenstand hatte; nach § 2 Abs 1 war jedoch die Frage, ob ein Grundstück ein land‑ oder forstwirtschaftliches Grundstück war, nicht nach der aus dem Grundsteuer- oder Grenzkataster ersichtlichen Benützungsart, sondern nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner tatsächlichen Verwendung zu beurteilen. Dabei galten als landwirtschaftliche Grundstücke zwar jedenfalls Grundstücke, die als Landwirtschaftsgebiet gewidmet waren; keine land- oder fortwirtschaftlichen Grundstücke waren jedoch Baugrundstücke, also Grundflächen, die im Flächenwidmungsplan als Bauflächen oder Vorbehaltsflächen gewidmet waren (Abs 2).

Da sich nun den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnehmen lässt, welche Widmung das Grundstück 1387/4 im für die Beurteilung maßgeblichen Jahr 1970 - damals kam es ja zum Rechtserwerb durch Dominik F***** - aufgewiesen hat bzw ob es zu diesem Zeitpunkt überhaupt bereits in einem Flächenwidmungsplan erfasst war, ist im Zweifel vom Fehlen einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht dieses Rechtsgeschäfts nach den Bestimmungen des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes idF LGBl 61/1993 auszugehen. Der Beklagte beruft sich nämlich auf deren Bestehen, er hätte daher auch das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen beweisen müssen.

Damit bedarf es aber keiner abschließenden Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die unter 2.1. zitierte Rechtsprechung des EuGH lediglich auf nicht fristgerechte Erklärungen nach § 7 Abs 2 Vbg GVG idF LGBl 61/1993 (siehe 6 Ob 309/05t) und Anzeigen von Rechtsgeschäften bzw Rechtsvorgängen nach §§ 9 ff Tir GVG idF LGBl 61/1996 (siehe 6 Ob 127/06d) oder auch auf nicht fristgerecht gestellte Anträge auf grundverkehrsbehördliche Genehmigung schlechthin anzuwenden ist, wovon offensichtlich das Berufungsgericht ausgegangen ist.

3. Der Beklagte befasst sich in seiner Revision ausführlich mit den - von ihm verneinten - Voraussetzungen eines Eigentumserwerbs des Verstorbenen nach § 418 Satz 3 ABGB. Darum geht es aber gar nicht. Das Berufungsgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Verstorbene und der Vater des Beklagten im Jahr 1970 die Übertragung des Eigentumsrechts an Grundstück 1387/4 als Gegenleistung für die vom Verstorbenen erbrachten Leistungen vereinbarten. Eine Bauführung auf fremden Grund ist somit gar nicht zu beurteilen.

4. Des Weiteren bestreitet der Beklagte - unter dem Revisionsgrund der „Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens" -, bei Übergabe der Liegenschaft im Jahr 1986 in Kenntnis der Vereinbarung zwischen dem Verstorbenen und seinem Vater gewesen zu sein. Tatsächlich versucht er damit, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts anzugreifen, was ihm jedoch gemäß § 503 ZPO nicht gestattet ist.

5. Schließlich meint der Beklagte noch, der allfällige „schuldrechtliche Übereignungsanspruch" des Verstorbenen sei zum Zeitpunkt der Klagseinbringung im Jahr 2004 bereits verjährt gewesen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist allerdings eine Klage auf Herstellung des einer bereits eingetretenen Rechtslage entsprechenden Buchstands unverjährbar (RIS‑Justiz RS0011036); dies gilt insbesondere für Ansprüche, die den Zweck verfolgen, den Buchstand mit der bereits bestehenden außerbücherlichen Rechtslage in Übereinstimmung zu bringen (5 Ob 247/02p), so etwa auch für eine Klage des Käufers, dem die Liegenschaft schon physisch übergeben worden ist und der sich somit bereits im Besitz dieser Liegenschaft befindet (10 Ob 66/00d).

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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