OGH 6Ob146/08a

OGH6Ob146/08a7.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts - Partnerschaft in Wien, und deren Nebenintervenientin G***** reg. Gen.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Christian Hauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Leistung (Streitwert 72.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. April 2008, GZ 2 R 35/08v-15, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Beklagte beabsichtigte im Jahr 2007, durch ihre Maklerin, die Ö***** GmbH, eine Liegenschaft in der Steiermark zu verkaufen. Es gab mehrere Kaufinteressenten, darunter die Klägerin und die Nebenintervenientin.

Am 5. 6. 2007 übermittelte die Maklerin ein Schreiben an die Interessenten mit dem Betreff „Bestbieterermittlung zum Ankauf der Liegenschaft ...". Darin findet sich unter anderem der Passus:

„Die Abgabe des Angebotes bzw. der Erklärung, dass das bisherige Gebot das letzt- und weiterhin gültige ist, hat firmenmäßig gezeichnet zu erfolgen. Wir laden Sie ein, Ihr letztgültiges verbindliches Angebot des Kaufpreises, der mindestens EUR 590.000 betragen muss, bis zum 15. 06. 2007 bei Notar ... in einem verschlossenen Kuvert abzugeben bzw. bis zu diesem Datum ebenfalls in einem verschlossenen Kuvert die Erklärung zu deponieren, dass Ihr bisheriges Gebot das letzt- und weiterhin gültige ist und Sie die obgenannten Bedingungen anerkennen.

Die Angebotseröffnung erfolgt durch Notar ... am 18. 06. 2007 um 11:00 Uhr. Sie sind eingeladen, gegen Vorankündigung Ihrer Teilnahme diesen Termin wahrzunehmen.

Der Zuschlag erfolgt ohne weitere Möglichkeit der Nachbesserung an den somit ermittelten Bestbieter. Im Falle des Vorliegens von zwei gleich hohen Angeboten ist für den Zuschlag das Einlangen in der Notariatskanzlei maßgeblich.

Die Klägerin gab daraufhin ein Angebot ab, wonach sie für diese Liegenschaft verbindlich 1.000 EUR mehr als jener Bieter, der im Zuge dieses Verfahrens den höchsten Kaufpreis für diese Liegenschaft geboten hat, mindestens jedoch 591.000 EUR bietet.

Die Nebenintervenientin bot 615.000 EUR und erhielt den Zuschlag. Die Maklerin vertrat die Auffassung, es sei klar erkennbare Absicht der Ö***** gewesen, ein ziffernmäßig bestimmtes Angebot zu erhalten; das bloß bestimmbare, von der Höhe anderer abhängige Angebot der Klägerin sei daher auszuscheiden gewesen.

Die Klägerin begehrt Vertragszuhaltung; die Vorinstanzen wiesen das Begehren ab.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin wendet sich in ihrer außerordentlichen Revision gegen die (analoge) Anwendung des § 129 Abs 1 Z 4 BVergG 2006 durch die Vorinstanzen.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits im Zusammenhang mit der Verwertung von Liegenschaften durch die Bundesimmobiliengesellschaft mbH nach § 4 BundesimmobilienG ausgesprochen, dass Gegenstand des Vergaberechts Beschaffungsvorgänge des Staates im weitesten Sinn seien; es müsse eine „Einkaufssituation" vorliegen, in der die öffentliche Hand als Nachfrager auftritt; kein Beschaffungsvorgang und keine „Einkaufssituation" in diesem Sinn könne aber angenommen werden, wenn das Schwergewicht eines Vertrags auf der Erzielung von Einnahmen für den Bund liegt; Veräußerungsgeschäfte, durch die der Staat nur eine Einnahmequelle auftun möchte, seien demnach vom Vergaberecht grundsätzlich nicht erfasst (10 Ob 55/05v = MietSlg 58.056).

Dies gilt auch für Verwertungen von Liegenschaften gemäß § 24 BundesbahnG durch die Maklerin (vgl dazu G. Marx, Das Immobilienmanagement des Bundes [2008] 173). Allerdings hat zumindest das Berufungsgericht § 129 Abs 1 Z 4 BVergG 2006 weder unmittelbar noch analog auf den vorliegenden Sachverhalt angewendet, sondern lediglich daraus Grundsätze abgeleitet, die für eine redliche Auftragsvergabe an einen von mehreren Bietern allgemein maßgebend seien, nämlich insbesondere Gleichbehandlung und Transparenz.

2. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung vornehmlich damit begründet, im Schreiben der Maklerin vom 5. 6. 2007 sei „völlig unmissverständlich zum Ausdruck gebracht" worden, dass als Angebote nur solche über 590.000 EUR oder über einen höheren, „eindeutig bezifferten" Kaufpreis in Betracht kommen würden. Die Maklerin habe ausschließen wollen, dass Mitbieter in die Lage versetzt werden, ein eigenes Angebot nachträglich zu erhöhen oder ein fremdes Angebot nach der Angebotseröffnung zu überbieten. Gerade diesen Zweck der Ausschreibung habe die Klägerin jedoch mit ihrer Vorgangsweise unterlaufen wollen.

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Frage, wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, ob etwa eine Offerte inhaltlich ausreichend bestimmt ist und insbesondere auch, ob in ihr ein endgültiger Bindungswille des Erklärenden zum Ausdruck kommt, jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen; sie stellt daher im allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0042555), es sei denn, die Auslegung der Erklärung durch die Vorinstanzen widerspräche den Grundsätzen des Gesetzes oder der Logik (4 Ob 243/00i; 8 ObA 9/05i).

2.2. Die Auslegung der Erklärung der Maklerin vom 5. 6. 2007 durch das Berufungsgericht ist durchaus vertretbar. Sie begegnet schon allein deshalb keinen grundsätzlichen Bedenken, weil in Vergabeverfahren nicht nur § 129 Abs 1 Z 4 BVergG 2006, sondern auch Punkt 7.5.1.5. der ÖNORM A 2050 die Ausscheidung von Angeboten anordnet, bei denen der Bieter keine Preise angibt, sondern nur erklärt, das billigste Angebot um einen bestimmten Prozentsatz oder Wert zu unterbieten; gerade einer solchen Vorgangsweise entsprach aber auch jene der Klägerin, den höchsten Kaufpreis der Liegenschaft um 1.000 EUR zu überbieten, ohne selbst einen konkreten (bestimmten) Kaufpreis zu nennen.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird die ÖNORM A 2050 als „selbstbindende Norm" auch auf Vergabeverfahren außerhalb der Vergabegesetze angewendet (RIS-Justiz RS0110159; vgl auch Elsner, Die neue ÖNORM A 2050 [2000] Rz 1; Schiefer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht² [2005] 30); sie konkretisiert unter anderem den dem Vergabewesen immanenten, verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitssatz (1 Ob 201/99m = SZ 73/55 ua), der auch die Verpflichtung enthält, den Bestbieter in transparenter und objektiver Weise zu ermitteln (3 Ob 122/05w). Dieser Grundsatz muss aber jedenfalls für eine Rechtsperson gelten, die ein Bestbieterverfahren einleitet, wenn sie - bei anderer Konstellation - einem Vergabegesetz oder der ÖNORM A 2050 direkt unterliegen würde, etwa als Sektorenauftraggeber (vgl etwa §§ 163, 165 Abs 1, 169 BVergG zu Verkehrsleistungen; konkret zu den ÖBB vgl Heid aaO 49).

Dazu kommt schließlich, dass als Richtschnur für die Auslegung von Verträgen nach § 914 ABGB die Übung des redlichen Verkehrs zu gelten hat. Bei der Beurteilung, was dieser Übung entspricht, kommt es entscheidend auf den Vertragszweck an. Der rechtsgeschäftliche Verkehr darf nicht dazu missbraucht werden, einen anderen hineinzulegen, sondern soll sich ehrlich abspielen. Der Vertrag ist so auszulegen, wie er im Verkehr zwischen redlich denkenden Menschen verstanden werden darf (stRsp, etwa 7 Ob 535/85 = JBl 1985, 547; RIS-Justiz RS0017859). Redlich denkende Teilnehmer an einem Bestbieterverfahren, in dem vom Ausschreibenden ausdrücklich festgehalten worden war, dass der Zuschlag ohne weitere Möglichkeit der Nachbesserung an den ermittelten Bestbieter erfolge und im Falle des Vorliegens von zwei gleich hohen Angeboten für den Zuschlag das Einlangen in der Notariatskanzlei maßgeblich sei, würden jedoch schon allein deshalb ein konkretes (bestimmtes) Angebot abgeben, weil durch die von der Klägerin gewählte Vorgangsweise das gesamte Verfahren zunichte gemacht worden wäre, hätte sich auch nur ein anderer Bieter der selben Vorgangsweise bedient. Dass die anderen Bieter dies nicht getan, sondern sich an die Ausschreibungsbedingungen gehalten haben, kann nun nicht zu Lasten des Ausschreibenden bzw des tatsächlichen Bestbieters gehen.

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