OGH 4Ob98/08b

OGH4Ob98/08b8.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Erwin Bajc und andere Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde *****, *****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen 28.910,04 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Februar 2008, GZ 2 R 15/08f-106, mit welchem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 8. November 2007, GZ 5 Cg 162/00p-100, aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt ein Elektrounternehmen. Sie beteiligte sich an einem am 20. November 1998 eingeleiteten offenen Vergabeverfahren der beklagten Stadtgemeinde, das Elektroinstallationen im Zuge eines Stadionumbaus betraf. Die Gesamtauftragssumme des Bauvorhabens betrug rund 30 Millionen Schilling, die Auftragssumme für das strittige Gewerk rund 5 Millionen Schilling. Nachweise der wirtschaftlichen und der technischen Leistungsfähigkeit forderte die Beklagte in der Ausschreibung nicht; welche Zuschlagskriterien darin angeführt waren, steht nicht fest.

Das Angebot der Klägerin war mit 4,981.457 Schilling (später korrigiert auf 4,987.336,62 Schilling) das billigste. Vorhandene Mängel des Angebots wären behebbar gewesen. Dennoch beschloss der Stadtrat der Beklagten, die Klägerin aus dem Vergabeverfahren auszuschließen. Als Begründung wurde ihr mitgeteilt, „... dass Ihr Angebot [...] nicht berücksichtigt werden konnte. Die Gründe dafür liegen einerseits in der nicht normgerechten bzw gesetzeskonformen Ausführung des Angebotes und andererseits muss die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit ihrer Firma aufgrund der zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung tatsächlich beschäftigten Mitarbeiter berechtigt in Zweifel gezogen werden ...". Der Auftrag wurde aufgrund eines anderen Angebots vergeben.

Die Klägerin begehrt Schadenersatz von 28.910,04 EUR sA. Ihr Angebot sei inhaltlich korrekt gewesen. Sie habe fristgerecht zwei Verbesserungsaufträge befolgt, insbesondere habe sie Referenzprojekte nachgewiesen, wozu jene ARGE, die letztlich den Auftrag erhalten habe, nicht in der Lage gewesen sei. Im Angebotsschreiben seien weder Eignungskriterien genannt noch die Geltung der ÖNORM A 2050 vorgesehen worden. Ihre wirtschaftliche Zuverlässigkeit sei gegeben gewesen, weil die Jahresumsätze 1998 und 1999 das Auftragsvolumen überstiegen hätten. Die erforderlichen Arbeitskräfte müssten im Zeitpunkt der Auftragsausführung verfügbar sein, nicht schon bei Abgabe des Angebots.

Sie sei Billigstbieter gewesen, „aber auch Bestbieter hinsichtlich der technischen Vorgaben." Bei korrekter Auftragsvergabe hätte sie daher den Auftrag erhalten müssen. Da dies nicht geschehen sei, habe ihr die Beklagte den entgangenen Gewinn zu ersetzen; dieser betrage 8 % der Anbotssumme. Durch Deckungsaufträge habe sie den Gewinnentgang nicht kompensieren können.

Die Beklagte wendet - soweit noch relevant - ein, dass sie die Klägerin wegen fehlender technischer und wirtschaftlicher Zuverlässigkeit zu Recht aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden habe. Das sei ungeachtet des Umstands zulässig gewesen, dass entsprechende Kriterien in der Ausschreibung gefehlt hätten. Die Beklagte habe das erforderliche Personal erst nach der Auftragserteilung aufnehmen wollen. Damit habe sie selbst zugestanden, bei Legen des Angebots nicht darüber verfügt zu haben. Damit sei die geordnete Auftragsabwicklung nicht gesichert gewesen. Referenzprojekte änderten nichts am diesbezüglichen Mangel. Die wirtschaftliche Zuverlässigkeit sei vertieft zu prüfen, wenn der Nettoauftragswert ein Fünftel des durchschnittlichen Nettojahresumsatzes der letzten drei Jahre erreiche. Das sei hier der Fall. Die Klägerin hätte daher weitere Nachweise zu ihrer wirtschaftlichen Zuverlässigkeit beibringen müssen. Zudem sei ihre Kalkulation nicht plausibel gewesen.

Auch abgesehen von den die Ausscheidung tragenden Gründen sei das Angebot der Klägerin nicht das beste gewesen. Die Bestbieterin habe bei Angebotslegung und bei Zuschlagserteilung über das erforderliche Fachpersonal und die technische Infrastruktur verfügt, sodass bei ihr kein Zweifel an der technischen Zuverlässigkeit bestanden habe. Demgegenüber habe bei der Klägerin insofern ein Risiko bestanden. Eine Abwägung zwischen dem niedrigeren Angebotspreis der Klägerin und dem höheren Risiko, das mit einem Zuschlag an sie verbunden gewesen sei, habe ergeben, dass ihr Angebot zwar das billigste, nicht aber das beste gewesen sei.

Bei einer rechtswidrigen Ausschreibung bestehe kein Schadenersatzanspruch des übergangenen Bieters, da in diesem Fall kein rechtskonformer Zuschlag erfolgen könne. Die Klägerin sei behauptungs- und beweispflichtig dafür, dass sie als Bestbieterin den Zuschlag erhalten hätte. Dazu bringe sie nichts vor.

Die Höhe des begehrten Schadenersatzes sei nicht nachvollziehbar; zudem habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, den entgangenen Gewinn durch andere Aufträge zu kompensieren.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Aufgrund von - in der Berufung bekämpften - Feststellungen zum Personalbedarf für das Erbringen der ausgeschriebenen Leistung verneinte es die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin. Dabei handle es sich auch ohne ausdrückliche Erwähnung in der Ausschreibung um Eignungskriterien, deren Mangel zum Ausscheiden aus dem Vergabeverfahren führe. Ein technisches Eignungskriterium könne insbesondere die für die Ausführung des Projekts notwendige Arbeitnehmer(mindest)zahl sein. Gerade bei Bauvorhaben mit mehreren Auftragnehmern komme es auf termingerechtes Arbeiten und auf Flexibilität bei der Reaktion auf Verspätungen bei anderen Gewerken an. Daher müssten für einen längeren Zeitraum ausreichend qualifizierte Arbeiter zur Verfügung stehen. Unternehmen, die nicht über die erforderliche Anzahl von Arbeitern verfügten, könnten diese Anforderungen nicht erfüllen. Die Klägerin beschäftige nicht einmal ein Drittel der erforderlichen Arbeiter, weshalb sie die notwendige technische Eignung nicht aufweise. Dass bei Auftragsvergabe genug qualifizierte Arbeiter arbeitssuchend gemeldet gewesen seien, garantiere nicht, dass diese der Klägerin bei der Auftragsabwicklung tatsächlich zur Verfügung gestanden wären. Dazu komme, dass die Zusammensetzung des von der Klägerin angebotenen Gesamtpreises nicht plausibel gewesen sei, was einen Ausschließungsgrund gebildet habe.

Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.

Anzuwenden sei das steiermärkische Landesvergabegesetz 1998 (LGBl 1998/74, idF LVergG). Eine Verordnung zur Anwendbarkeit der ÖNORM A 2050 sei dazu nicht erlassen worden, was aufgrund der detaillierten Regelungen des Gesetzes auch nicht erforderlich gewesen sei. Bedeutsame Unterschiede zwischen dem Gesetz und der ÖNORM würden ohnehin nicht aufgezeigt. Nach Vergaberecht sei zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien zu trennen. Eignungskriterien seien vom Auftraggeber zwingend festgelegte unternehmensbezogene Mindestanforderungen, mit denen die wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit, die Befugnis und die Zuverlässigkeit der Bieter überprüft würden (§§ 20, 21 LVergG). Sie seien zwingend festzulegen und zu überprüfen (§§ 45 Abs 4, 50 Abs 1 Z 1 LVergG) und dienten dazu, ein Mindestmaß an Qualität zu sichern. Der Auftraggeber sei allerdings nicht berechtigt, die Unterschreitung nicht bekanntgegebener Anforderungen mit dem Ausschluss eines Bieters zu sanktionieren. Im vorliegenden Fall seien in der Ausschreibung keine Eignungskriterien gefordert worden. Daher sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, die Klägerin wegen mangelnder technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Leistungsfähigkeit auszuscheiden (§ 45 Abs 4 LVergG).

Scheine der Preis eines Angebots im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig zu sein, so müsse der Auftraggeber vor dem Ausscheiden des Angebots schriftlich Aufklärung über dessen Einzelposten verlangen (§ 47 Abs 1 LVergG). Aufgrund des Ergebnisses dieser Prüfung habe die vergebende Stelle Angebote, die eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises aufwiesen, auszuscheiden (§ 50 Abs 1 Z 3 LVergG). Eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises liege immer dann vor, wenn mit den Preisen nach den gesetzlichen Vorgaben und den Anforderungen in der Ausschreibung „etwas nicht in Ordnung" sei. Es werde zu erörtern und zu klären sein, ob und gegebenenfalls welche Preise im Angebot unangemessen gewesen seien. Sollte dies der Fall sein, wäre zu erörtern und zu klären, ob die Klägerin nach einer Aufforderung durch die Beklagte hätte darlegen können, dass ihre Preise doch „in Ordnung" seien. Nur wenn Anlass für eine vertiefte Angebotsprüfung bestanden hätte und die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Preise plausibel zu machen, wäre sie auszuscheiden gewesen. Die vom Erstgericht getroffene Feststellung, dass der angebotene Preis nicht plausibel sei, leide an einem primären Verfahrensmangel.

Der Zuschlag sei jenem (nicht ausgeschiedenen) Angebot zu erteilen, das den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien am besten entspreche (§ 51 LVergG). Werde diese Verpflichtung verletzt, habe der übergangene Bieter Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses, dh des unternehmerischen Gewinns, den er bei einem Zuschlag aus dem Projekt hätte ziehen können (§ 115 Abs 1 LVergG). Der Kläger müsse allerdings beweisen, dass er tatsächlich Bestbieter gewesen sei. Fehle in der Ausschreibung eine Gewichtung der Zuschlagskriterien, so könne dieser Beweis nicht gelingen, weshalb nicht das Erfüllungsinteresse, sondern (nur) der Vertrauensschaden zu ersetzen sei. Gleiches gelte wohl auch dann, wenn trotz Geltung des Bestbieterprinzips überhaupt keine Kriterien genannt worden seien. Wenn wegen eines fehlerhaften Ausschreibungsverfahrens überhaupt keinem Bieter der Zuschlag hätte erteilt werden dürfen, gebühre nur der Vertrauensschaden. Es werde zu klären sein, welche Zuschlagskriterien vorgesehen gewesen seien und ob die Klägerin danach Bestbieterin gewesen sei. Hätte sie in diesem Fall den Auftrag ausgeführt (was ebenfalls zu klären sei), so habe sie Anspruch auf den Ersatz ihres Nichterfüllungsschadens. Auch dessen Höhe sei noch festzustellen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, da eine gesicherte Rechtsprechung zu den Fragen fehle, ob Eignungskriterien auch ohne Nennung in der Ausschreibung berücksichtigt werden könnten und ob das Fehlen von Eignungs- oder Zuschlagskriterien in der Ausschreibung den Ersatz des Erfüllungsinteresses ausschließe.

Diese Entscheidung bekämpft die Beklagte mit Rekurs. Sie bringt unter anderem vor, dass die Klägerin schon mangels Gewichtung der Zuschlagskriterien nicht den Beweis erbringen könne, dass ihr der Auftrag erteilt worden wäre; ihr Anspruch beschränke sich daher auf den - hier nicht geltend gemachten - Vertrauensschaden. Weiters habe die Beklagte die Eignung der Klägerin auch ohne diesbezügliche Angaben in der Ausschreibung prüfen dürfen und müssen.

Die Klägerin führt in der Rekursbeantwortung aus, dass die Beklagte weder Zuschlags- noch Eignungskriterien vorgeschrieben habe. Daher sei das einzige Zuschlagskriterium der Preis gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass auf das am 20. November 1998 eingeleitete Vergabeverfahren das steiermärkische Landesvergabegesetz 1998 anzuwenden war (LGBl 74/1998). Da das Verfahren Anfang 1999 abgeschlossen war, sind spätere Änderungen dieses Gesetzes unerheblich. Eine Feststellung der Rechtsverletzung durch den Vergabekontrollsenat (§ 118 Abs 2 LVergG) war nicht erforderlich, weil die geschätzte Auftragssumme unter 7 Millionen Schilling lag. Aus diesem Grund war der mit „Rechtsschutz" überschriebene 5. Teil des LVergG, der auch die Regelung über die Notwendigkeit einer Entscheidung des Vergabekontrollsenats enthält, nach § 3 Abs 1 Z 2 lit b LVergG nicht anzuwenden.

2. Dem übergangenen Bieter gebührt nach ständiger Rechtsprechung der Ersatz des Erfüllungsinteresses, wenn ihm bei rechtmäßiger Vorgangsweise der Zuschlag hätte erteilt werden müssen (1 Ob 110/02m = SZ 2003/26; 6 Ob 177/03b = ZVB 2004/94 [Öhler]; RIS-Justiz RS0013936 [T2, T3]; zuletzt etwa 10 Ob 37/06y = ecolex 2007, 336 [Friedl]). War hingegen schon die Ausschreibung als solche mangelhaft und hätte sie der Auftraggeber daher widerrufen müssen, so ist grundsätzlich nicht das Erfüllungs-, sondern nur das Vertrauensinteresse zu ersetzen (RIS-Justiz RS0030354 [T5, T7]). Das gilt insbesondere dann, wenn der Auftraggeber bei Geltung des Bestbieterprinzips die Zuschlagskriterien nicht gewichtet hatte. Der übergangene Bieter kann in solchen Fällen den ihm obliegenden Beweis nicht erbringen, dass er bei rechtmäßigem Vorgehen des Auftraggebers den Zuschlag erhalten hätte (1 Ob 110/02m; 5 Ob 49/05z = SZ 2005/83).

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist zu prüfen, wie sich das allfällige Fehlen der Eignungskriterien auf den Anspruch der Klägerin auswirkt (unten 3.), welche Folgen eine allenfalls mangelnde Plausibilität des Preises hätte (unten 4.) und welche weiteren Prüfungen in Bezug auf die Zuschlagskriterien erforderlich sind (unten 5.).

3. Zu den tragenden Grundsätzen des Vergaberechts gehört, dass der Auftrag nur an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu vergeben ist (§ 14 Abs 1 LVergG; vgl allgemein Gölles in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Bundesvergabegesetz 2002 [2004] § 21 Rz 46; Estermann in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht2 [2004] 283).

3.1. Nach § 27 Abs 4 LVergG hat der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen oder in der Bekanntmachung die für die Eignungsprüfung als erforderlich erachteten Nachweise anzugeben. Zwar kann er nach § 45 Abs 2 LVergG noch im Zuge der Angebotsprüfung (weitere) Nachweise verlangen. Die Prüfung des Angebots hat jedoch nach § 45 Abs 4 LVergG nach den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien zu erfolgen. Zwar bezieht sich diese Regelung wohl in erster Linie auf die Zuschlagskriterien; zur Sicherung der Gleichbehandlung der Bieter muss sie jedoch auch für die Eignungskriterien gelten. Dem Auftraggeber ist es daher verwehrt, seiner Entscheidung Eignungskriterien zugrunde zu legen, die in der Ausschreibung nicht angeführt sind (so bei vergleichbarer Rechtslage nach dem BVergG 1997 BVA F-8/98-9 = BVergSlg 17.28; Pachner in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel § 67 Rz 22).

3.2. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass die Beklagte in der Ausschreibung überhaupt keine Eignungskriterien angeführt hat. Die Klägerin leitet daraus ab, dass in diesem Fall die Eignung nicht zu prüfen sei, die Beklagte hingegen, dass sie die Eignung nach § 50 Abs 1 Z 1 LVergG trotzdem prüfen konnte und auch prüfen musste.

Das Problem liegt allerdings auf einer anderen Ebene: Es besteht zwar kein Zweifel, dass Aufträge auch nach steiermärkischem Landesvergaberecht nur an geeignete Unternehmen vergeben werden dürfen. Die Prüfung der Eignung muss allerdings in transparenter und nachvollziehbarer Weise erfolgen. Ist das - etwa wegen widersprüchlicher Eignungskriterien - nicht möglich, so ist jede Zuschlagserteilung rechtswidrig (BVA N/0062-BVA/12/2006-22 = ZVB 2006/85 [Reisner]). In einer jüngst ergangenen Entscheidung hat das Bundesvergabeamt folgerichtig ausgesprochen, dass auch bei Fehlen jeglicher Eignungskriterien eine transparente und nachvollziehbare Vergabe nicht möglich sei (BVA N/0104-BVA/09/2007-042 = ZVB 2008/25 [Hackl]). Das führte zwar im Anlassfall aus verfahrensrechtlichen Gründen nur dazu, dass der Ausschluss eines bestimmten Bieters für nichtig erklärt wurde. Aus der Begründung der Entscheidung ergibt sich jedoch, dass die Rechtswidrigkeit das Verfahren als Ganzes erfasste. Letztlich hätte daher überhaupt kein Zuschlag erteilt werden dürfen.

3.3. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Eine Ausschreibung, die keine Eignungskriterien vorsieht, ist rechtswidrig und müsste daher widerrufen werden. Denn anders lässt sich das von den Parteien richtig aufgezeigte Dilemma nicht lösen: Einerseits ist eine Vergabe nur nach Prüfung der Eignung zulässig, andererseits muss eine solche Prüfung in transparenter und nachvollziehbarer Weise erfolgen, was zwingend eine Angabe der Kriterien schon in der Ausschreibung erfordert. Ein - auch generelles, dh formal alle Bieter betreffendes - „Nachschieben" solcher Kriterien verstieße gegen den Gleichbehandlungs- und den Transparenzgrundsatz, ermöglichte es doch dem Auftraggeber, bestimmte Bieter gezielt aus dem Verfahren zu entfernen.

Das rechtswidrige Verhalten der Beklagten lag somit darin, dass sie trotz der rechtswidrigen Ausschreibung überhaupt einen Zuschlag erteilte (5 Ob 49/05z). In solchen Fällen besteht nach der oben (Punkt 2.) dargestellten Rechtsprechung im Regelfall nur ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensinteresses.

3.4. Zu prüfen bleibt, ob der übergangene Bieter dennoch den Beweis antreten könnte, dass er den Zuschlag bei einer von vornherein fehlerfreien Ausschreibung oder bei einem Widerruf und fehlerfreier Neuausschreibung erhalten hätte.

(a) Der Oberste Gerichtshof hat diese in der deutschen Rsp tendenziell bejahte Frage (BGH X ZR 48/97 = NJW 1998, 3636) in 1 Ob 284/01y und 6 Ob 177/03b ausdrücklich offen gelassen. Andere Entscheidungen verneinen sie implizit, indem sie bei Mängeln an der Wurzel des Vergabeverfahrens von vornherein eine Beschränkung auf das Vertrauensinteresse annehmen (10 Ob 37/06y) oder - bei Fehlen einer Gewichtung von Zuschlagskriterien - die Unmöglichkeit des Beweises betonen, dass der Kläger tatsächlich Bestbieter gewesen sei (1 Ob 110/02m, 5 Ob 49/05z).

(b) Bei dieser Frage handelt es sich im Kern um ein Kausalitätsproblem (vgl dazu allgemein Rummel/Lux in Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wirtschaftsprivatrecht 6/3: Vergaberecht [2003] 98). Das Fehlverhalten der Beklagten lag (auch) im Unterlassen des Anführens von Eignungskriterien. Die tatsächlichen Auswirkungen dieses Verhaltens können nur dadurch ermittelt werden, dass versucht wird, den hypothetischen Ablauf bei Vermeiden der Unterlassung durch Setzen des gebotenen Verhaltens herauszufinden. Daher ist grundsätzlich das gebotene Verhalten hinzuzudenken (Koziol, Wegdenken und Hinzudenken bei der Kausalitätsprüfung, RdW 2007, 12, 13 mwN in FN 4; weiters Harrer in Schwimann, ABGB3 VI, § 1295 Rz 4; Reischauer in Rummel3 § 1295 Rz 2).

(c) Ein solches konkretes Hinzudenken ist allerdings nur dann leicht möglich, wenn die Rechtsordnung eine ganz bestimmte Handlungspflicht vorsieht (Koziol, RdW 2007, 13), und zwar entweder durch eine gesetzliche Vorgabe oder durch eine von der Rechtsprechung - auch ex post - konkretisierte Handlungspflicht (etwa eine Verkehrssicherungspflicht). Stand dem untätig gebliebenen Schädiger hingegen die Wahl zwischen mehreren zulässigen Verhaltensweisen frei, so kann der Kausalitätsbeweis nur gelingen, wenn der Schaden bei jeder davon eingetreten wäre.

Bei Fehlen von Eignungskriterien wird dieser Beweis nur in Ausnahmefällen möglich sein (vgl zu Beweisschwierigkeiten beim Ersatz des Erfüllungsinteresses in Vergabeverfahren allgemein Öhler, Glosse zu 6 Ob 177/03b, ZVB 2004/94; Rummel, Zivilrechtliche Probleme des Vergaberechts, ÖZW 1999, 1, 10). Denn die Festlegung der Eignungskriterien liegt im Ermessen des Auftraggebers; grundsätzlich steht ihm die Wahl daher frei. Die Klägerin müsste daher beweisen, dass sie jedes von der Beklagten zulässigerweise vorgebbare Eignungskriterium erfüllt hätte. Ganz unmöglich ist dieser Beweis - anders als im Regelfall bei einer fehlenden Gewichtung von Zuschlagskriterien - indes nicht. Denn zum einen ist das Ermessen des Auftraggebers bei der Auswahl der Nachweise und damit auch der Kriterien an das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden (§ 21 Abs 12 LVergG); die Anzahl und der Inhalt zulässiger Kriterien ist daher beschränkt. Zum anderen ist es bei der Prüfung dieser Kriterien nicht erforderlich, Vergleiche zwischen den einzelnen Bietern anzustellen. Fehlt hingegen die Gewichtung von Zuschlagskriterien, so wird es wegen der Vielzahl möglicher Wertungen und Kombinationen im Regelfall tatsächlich ausgeschlossen sein, einen Bestbieter zu ermitteln.

(d) Die Nachweise, die für die Erfüllung der Eignungskriterien verlangt werden dürfen, sind in § 21 LVergG genannt. Sie lassen Rückschlüsse auf die Zulässigkeit bestimmter Kriterien zu. Nach § 21 Abs 8 Z 4 LVergG fällt darunter auch eine Erklärung über das jährliche Mittel der vom Bieter in den letzten drei Jahren beschäftigten Dienstnehmer. Daraus folgt, dass grundsätzlich auch eine Mindestzahl von Arbeitnehmern als zulässiges Eignungskriterium vorgesehen werden kann. Allerdings muss diese Anzahl nicht zwingend bei Legen des Angebots vorhanden sein. Ergibt sich aus den Durchschnittswerten der vergangenen Jahre, dass der Bieter im Allgemeinen in der Lage gewesen wäre, die erforderliche Anzahl von Mitarbeitern vorzuweisen, so kann eine aktuell (etwa saisonbedingt) geringere Mitarbeiterzahl die Eignung noch nicht ausschließen. Dazu und zur Frage, wie viele Arbeitnehmer auf der Baustelle tatsächlich notwendig gewesen wären, fehlen konkrete Feststellungen. Die Sache kann daher noch nicht abschließend erledigt werden.

(e) Im fortgesetzten Verfahren wird die Klägerin daher konkret vorbringen müssen, welche Eignungskriterien die Beklagte unter Bedachtnahme auf das in § 21 Abs 12 LVergG angeordnete Verhältnismäßigkeitsprinzip hätte vorsehen dürfen. Die Beklagte wird dazu ein Gegenvorbringen erstatten können. Das Gericht wird im Rahmen der Parteibehauptungen und aufgrund eines allenfalls ergänzten Beweisverfahrens zu prüfen haben, welche Eignungskriterien die Beklagte hätte fordern dürfen und ob die Klägerin diese ohne Ausnahme erfüllt hätte. Nur wenn der Klägerin dieser - durchaus schwierige - Beweis gelingt, könnte ihr Anspruch begründet sein.

Die Erwägungen unter 3. sind somit in folgender Weise zusammenzufassen:

Unterließ der Auftraggeber in der Ausschreibung die Anführung von Eignungskriterien, denen Bieter entsprechen müssen, so kann ein Bieter, dessen Angebot vom Auftraggeber letztlich mangels Eignung ausgeschieden wurde, als Voraussetzung eines Zuspruchs des Erfüllungsinteresses behaupten und beweisen, dass er den Zuschlag bei einer von vornherein fehlerfreien Ausschreibung oder im Fall des Widerrufs der fehlerhaften und einer nachfolgenden fehlerfreien Ausschreibung erhalten hätte. Ein solcher Bieter müsste daher auch behaupten und beweisen, dass er jedes vom Auftraggeber zulässigerweise vorgebbare Eignungskriterium erfüllt hätte.

4. Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Ausscheiden von Angeboten, die eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises aufweisen (§ 50 Abs 1 Z 3 LVergG), treffen zu (§ 510 Abs 3 Satz 1 iVm § 528a ZPO). Der Einwand des Rekurses, dass das Erstgericht die fehlende Plausibilität des Preises festgestellt habe, übersieht, dass das Berufungsgericht insofern einen primären Verfahrensmangel angenommen hat (Berufungsurteil S 15). Damit kann auch diese Frage nicht abschließend erledigt werden. Ist die Eignung der Klägerin nach sachlich gerechtfertigten Kriterien zu bejahen (oben 3.) und der Preis plausibel, so wäre auch anzunehmen, dass die Klägerin die Leistung im Fall eines Zuschlags tatsächlich erbracht hätte.

5. Nach § 51 LVergG ist der Zuschlag jenem Angebot zu erteilen, „das den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien am besten entspricht (Bestbieterprinzip)".

5.1. Die Vorinstanzen haben keine Feststellungen zu den in der Ausschreibung vorgesehenen Zuschlagskriterien getroffen. Im Rekursverfahren ist unstrittig, dass es jedenfalls keine gewichteten Kriterien für eine Bestbieterermittlung gab. Die Klägerin behauptet, dass die Ausschreibung überhaupt keine Zuschlagskriterien enthalten habe; das Vorbringen der Beklagten bleibt unklar. Für die weitere Prüfung geht der Senat zunächst von der wohl wahrscheinlicheren Variante aus, dass Zuschlagskriterien überhaupt fehlten. Daraus leiten die Parteien unterschiedliche Rechtsfolgen ab: die Klägerin die Geltung des Billigstbieterprinzips, was ihren Anspruch auf das Erfüllungsinteresse begründe; die Beklagte hingegen die diesem Anspruch entgegenstehende Unmöglichkeit, einen Bestbieter zu ermitteln.

5.2. Eine § 51 LVergG entsprechende Regelung enthielten § 40 BVergG 1993 und § 53 BVergG 1997. Dazu vertrat das Bundesvergabeamt zunächst die Auffassung, dass bei Fehlen weiterer Kriterien der niedrigste Preis für die Ermittlung des Bestbieters heranzuziehen sei (F-1/95-14 = wbl 1995, 414; ebenso die Bundes-Vergabekontrollkommission S 1/99 = bbl 1999/101). Später nahm das Bundesvergabeamt jedoch an, dass das Fehlen von Ausschreibungskriterien zwingend die Rechtswidrigkeit der Vergabeentscheidung und die Pflicht zum Widerruf bewirke (N-39/99 = bbl 2000/58; weitere Nachweise bei Pock in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht2 350 FN 1603).

Eine differenziertere Lösung vertrat demgegenüber der Steiermärkische Vergabekontrollsenat: Danach ist der Verzicht auf die Bekanntgabe weiterer Zuschlagskriterien kein Verstoß gegen § 51 LVergG, wenn die in den Ausschreibungsunterlagen genannten Spezifikationen einen klaren und eindeutigen, dem Stand der Technik entsprechenden Qualitätsstandard festlegten; in diesem Fall sei der Zuschlag dem billigsten Angebot zu erteilen (VKS A8-1999/30 = bbl 2000/86 [zust Gutknecht] = RPA 2001, 33 [grds zust Edlinger]; idS auch Aicher, zitiert in ÖJZ 2001, 16).

Die Auffassung des Vergabekontrollsenats zur Zulässigkeit des Billigstbieterprinzips hat nach 1 Ob 239/02g (= SZ 2003/85) viel für sich; der Bundesgesetzgeber legte sie in weiterer Folge dem § 67 Abs 3 BVergG 2002 zugrunde. § 80 Abs 3 BVergG 2006 ordnet darüber hinaus nun ausdrücklich an, dass bei fehlender Festlegung des Zuschlagsprinzips der Zuschlag dem Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erteilen ist.

5.3. Nach Auffassung des Senats war eine Ausschreibung ohne Angabe von Zuschlagskriterien auch schon vor dem Inkrafttreten des BVergG 2006 dahin zu verstehen, dass der Zuschlag dem Billigstbieter erteilt würde. Denn bei der Auslegung von Ausschreibungsbedingungen kommt es darauf an, wie diese bei objektiver Beurteilung der Sache vom Bieter zu verstehen waren; bei Unklarheiten ist dabei vor allem der Geschäftszweck, der redlicherweise der Erklärung zu unterstellen ist, und die Interessenlage der Beteiligen zu berücksichtigen (6 Ob 69/99m).

Nannte der Auftraggeber keine Zuschlagskriterien, so mussten die Bieter zwangsläufig von der alleinigen Maßgeblichkeit des Preises ausgehen. Denn sonst hätten sie dem Auftraggeber unterstellen müssen, dass er sich eine jedenfalls rechtswidrige Vergabe nach nicht transparenten oder willkürlichen Kriterien vorbehalten habe. Damit hat die Ausschreibung insofern einen (zwar nicht ausdrücklich formulierten, aber doch) eindeutig bestimmbaren Inhalt. Das unterscheidet diese Fallgestaltung vom Fehlen jeglicher Eignungskriterien, das redlicherweise nicht als (jedenfalls unzulässiger) Verzicht auf eine Eignungsprüfung gedeutet werden kann.

Auch in der Frage der Zulässigkeit des Billigstbieterprinzips ist der vom Steiermärkischen Vergabekontrollsenat vertretenen Auffassung zu folgen. § 51 LVergG schloss es nicht aus, den „Bestbieter" bei Ausschreibungen, die einen klaren und eindeutigen, dem Stand der Technik entsprechenden Qualitätsstandard vorgaben, allein aufgrund des Preises zu ermitteln. Das Billigstbieterprinzip ist bei diesem Verständnis nur eine besondere Ausprägung des (allgemeinen) Bestbieterprinzips; ließ die Ausschreibung ohnehin keine qualitativen Spielräume zu, so ist nicht zu erkennen, warum es neben dem Preis noch weitere „Scheinkriterien" (Aicher, ÖJZ 2001, 16) geben müsste, um einem formal verstandenen Bestbieterprinzip gerecht zu werden.

5.4. Sollte die Ausschreibung hingegen mehrere Zuschlagskriterien enthalten haben, die nicht gewichtet waren, so wäre nach der eingangs erläuterten Rechtsprechung (oben 2.) der von der Klägerin zu erbringende Beweis, dass sie bei einer rechtmäßigen Ausschreibung den Zuschlag erhalten hätte, im Regelfall praktisch unmöglich.

Die Gründe unter 5. sind daher - in Ansehung der erörterten Kernfrage - wie folgt zusammenzufassen:

Mangelt es in einer Ausschreibung an Kriterien für den Zuschlag und deren Gewichtung, so ist der Billigstbieter auch Bestbieter, wenn die Ausschreibung klar und eindeutig die Herstellung eines dem Stand der Technik entsprechenden Werks vorgab.

6. Das Erstgericht wird daher die Beklagte zu einem klaren Vorbringen über Zuschlagskriterien in der Ausschreibung aufzufordern haben; erforderlichenfalls ist insofern Beweis zu erheben. Ergibt sich daraus die Maßgeblichkeit des niedrigsten Preises, so wird das Erstgericht mit den Parteien zu erörtern und allenfalls Feststellungen zur Frage zu treffen haben, ob die Ausschreibung nach ihrem den Qualitätsstandard betreffenden Inhalt den Preis als alleiniges Zuschlagskriterium zuließ (oben 5.). Träfe das zu und wäre die Klägerin zudem geeignet (oben 3.) und der von ihr angebotene Preis plausibel (oben 4.) gewesen, so bestünde ihr Anspruch dem Grunde nach zu Recht.

In einem weiteren Schritt wäre die Höhe des durch das Unterbleiben des Auftrags entgangenen Gewinns zu ermitteln. Das Fehlen solcher Feststellungen im Urteil des Erstgerichts bildete einen sekundären Feststellungsmangel, den die Klägerin - anders als von der Beklagten im Rekurs behauptet - in der Berufung aufgrund ihrer gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge und der insoweit gebotenen umfassenden rechtlichen Nachprüfung nicht rügen musste (RIS-Justiz RS0114379). Eine Negativfeststellung zum entgangenen Gewinn hat das Erstgericht nicht getroffen.

7. Aufgrund dieser Erwägungen ist der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts zu bestätigen. Die neuerliche Entscheidung wird allerdings unter Bindung an die von dessen Begründung teilweise abweichende Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs zu treffen sein.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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