OGH 5Ob187/07x

OGH5Ob187/07x15.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers Dr. Herbert S*, vertreten durch Mag. Gerhard Kuntner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die Antragsgegner 1. Max P*, 2. Hannes G*, 3. Elisabeth W*, ebendort, 4. Kurt S*, ebendort, 5. Ingomar P*, ebendort, 6. DI Erwin S*, ebendort, 7. Mag. Sigismunda W*, 8. Michael S*, 9. Maria U*, ebendort, 10. Margaretha T*, 11. Frieda V*, 12. Helga B*, 13. Johanna K*, 14. DI Josef K*, ebendort, 15. Brigitte H*, ebendort, 16. Peter P*, ebendort, 17. Harald Werner F*, 18. Herbert F*, 19. Horst B*, ebendort, 20. Anna K*, ebendort, 21. Dietmar S*, ebendort, 22. Franz Z*, ebendort, 23. Heike P*, ebendort, 24. Heidelinde J*, 25. Herbert S*, 26. Andreas Henry S*, 27. Erna G*, 28. Eduard P*, ebendort, 29. Margarete T*, ebendort, 30. Juliane H*, ebendort, 31. Adolf R*, ebendort, 32. Mathilde K*, 33. Marianne S*, 34. Gilbert W*, 35. Ingrid K*, ebendort, 36. Herlinde T*, ebendort, 37. Rosemarie S*, ebendort, 38. Maria D*, ebendort, 39. Franz G*, ebendort, 40. Roland K*, 41. Hans H*, 42. Mag. Paul F*, ebendort, 43. DI Wolfgang N*, ebendort, 44. Gertrude J*, ebendort, 45. Doris E*, 46. Helmut H*, 47. Angela H*, beide *, 48. Gloriette V*, 49. Elisabeth S*, 50. Herbert K*, 51. Helga K*, ebendort, 52. Maria E*, 53. Rudolf G*, 54. Rosa G*, ebendort, 55. Friedrich S*, 56. Roswitha S*, ebendort, 57. Kurt S*, ebendort, 58. Johanna S*, ebendort, 59. Franz K*, ebendort, 60. Markus M*, ebendort, 61. Elfriede H*, 62. Mijo M*, 63. Jasna M*, beide *, 64. Samir Z*, 65. Amela Z*, beide *, 66. Helene H*, ebendort, 67. Martin L*, 68. Celia da Natividade L*, beide *, sämtliche Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft GB * EZ 1722 mit dem Haus *, wegen Rechtswirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses (§ 52 Abs 1 Z 4 WEG iVm § 24 Abs 6 WEG), über 1. den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 28. Juli 2005, GZ 3 R 44/05w‑27, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Graz vom 28. Februar 2005, GZ 8 Msch 6/03d‑18, bestätigt wurde und 2. über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 28. Juli 2005, GZ 3 R 43/05y‑26, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:E87453

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, mit denen der Widerspruch des Antragstellers als verspätet zurückgewiesen wurde, werden aufgehoben.

Der Antragsteller wird auf die Entscheidung in der Hauptsache verwiesen.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wird zurückgewiesen.

 

 

Begründung:

 

Zu 1.

In der unrichtigen Annahme, der Antragsteller habe in der mündlichen Verhandlung vom 25. 3. 2004 keine Zustellung einer Protokollabschrift beantragt, wurde das Protokoll übertragen und zu den Akten genommen. Tatsächlich hatte der Antragsteller aber die Zustellung einer Protokollabschrift begehrt. Erst am 21. 1. 2005 erfolgte über Begehren des Antragstellers eine Zustellung der Protokollabschrift an ihn. Innerhalb von drei Tagen, nämlich am 24. 1. 2005, erhob dieser Widerspruch gegen die Protokollierung.

Damit macht er zusammengefasst folgende Widersprüche zwischen tatsächlichen Vorgängen in der mündlichen Verhandlung vom 25. 3. 2004 und ihrer Protokollierung geltend:

a) Entgegen der Protokollierung seien vom Erstgericht die Abstimmungsunterlagen betreffend den Umlaufbeschluss vom 6. 2. 2003 (vorgelegt von der Hausverwaltung W* mit Schreiben vom 27. 8. 2003) nicht dargetan worden. Wäre dies geschehen, hätte der Antragsteller zu einer möglicherweise unrichtigen Stimmenzuordnung, die allenfalls eine Nichtigkeit des Abstimmungsvorgangs bewirkt hätte, Stellung beziehen können.

b) Im Protokoll über die Verhandlung sei das Vorbringen des Antragstellers unrichtig wiedergegeben worden. Tatsächlich habe er nämlich vorgetragen, dass in der Ladung zur Eigentümerversammlung der wahre Grund, über den dann ein Beschluss ergangen sei, nicht enthalten gewesen sei. Wäre er über die beabsichtigte Beschlussfassung aber in Kenntnis gesetzt worden, hätte er an der Versammlung teilgenommen, die übrigen Wohnungseigentümer beeinflussen und Alternativvorschläge erstatten können. Ergebnis sei, dass die Beschlussfassung unwirksam sei.

Zum Zeitpunkt des Zugangs der Protokollabschrift an den Antragsteller war die Rekursfrist gegen den mittlerweile ergangenen Sachbeschluss abgelaufen; der Antragsteller hatte bereits ohne Kenntnis des Inhalts des Protokolls Rekurs erhoben.

Das Erstgericht wies den Widerspruch des Antragstellers gegen das Protokoll vom 25. 3. 2004 als verspätet zurück, weil es die Ansicht vertrat, der Antragsteller habe eine Protokollabschrift überhaupt nicht beantragt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Rekursgericht dem vom Antragsteller dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge gegeben, und dann später - nach Veranlassung einer Verbesserung durch den Obersten Gerichtshof (Beschluss 5 Ob 188/07v vom 16. 10. 2007) - mit Beschluss vom 10. 12. 2007, GZ 3 R 44/05w‑59, ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteige, und in Erledigung eine Zulassungsvorstellung des Antragstellers schließlich mit Beschluss vom 4. 2. 2008 den ordentlichen Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung vom 28. 7. 2005 (ON 27) für zulässig erklärt. Als Begründung wurde ausgeführt, es könne möglich sein, dass der Widerspruch gegen das Protokoll doch rechtzeitig erhoben worden sei.

Der vom Antragsteller gegen den zweitinstanzlichen Beschluss, mit dem die Zurückweisung des Widerspruchs wegen Verspätung bestätigt worden war, erhobene Revisionsrekurs enthält den Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinn einer Stattgebung des rechtzeitigen Widerspruchs abzuändern; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig. Er ist auch berechtigt, weil die Vorinstanzen, wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist, die Frage der Rechtzeitigkeit des Widerspruchs unrichtig beurteilt haben.

Es entspricht der Judikatur des Obersten Gerichtshofs, dass der von einer Partei binnen drei Tagen nach Zustellung der Protokollabschrift eingebrachte Antrag auf Protokollberichtigung als gegen das Protokoll gerichteter Widerspruch gemäß § 212 Abs 5, § 212a Abs 2 ZPO anzusehen ist, über den das Gericht in der Regel keine Entscheidung zu treffen hat (RIS‑Justiz RS0037287). Vielmehr hat ein (rechtzeitiger) Widerspruch die in § 215 Abs 1, § 498 Abs 2 ZPO vorgesehenen Rechtswirkungen.

Die angefochtenen Beschlüsse waren daher zu beseitigen (vgl 4 Ob 25/04x).

Auf den Inhalt und die Bedeutung des Widerspruchs wird bei Erledigung des außerordentlichen Revisionsrekurses zurückzukommen sein.

Zu 2.

Zur geltend gemachten Nichtigkeit:

Die Revisionsrekursgründe sind in § 66 Abs 1 AußStrG taxativ aufgezählt. Die in Z 1 angeführten schweren Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze entsprechen im Wesentlichen einzelnen Nichtigkeitsgründen der ZPO. Wenn geltend gemacht wird, dass im erstinstanzlichen Verfahren keine der ZPO entsprechende Erörterung von Urkunden stattgefunden habe, zu denen eine möglicherweise entscheidungsrelevante Stellungnahme hätte abgegeben werden können, liegt aber kein Fall der §§ 56, 57 Z 1 und 58 AußStrG vor (§ 66 Abs 1 Z 1 AußStrG).

Die behauptete Nichtigkeit ist daher nicht zu erkennen.

Zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

Soweit nicht das Rekursgericht Mängelrügen bereits abschließend erledigt hat (vgl RIS‑Justiz RS0042963; RS0050037), ist zur nicht erledigten Protokollsrüge Folgendes auszuführen: Die Rüge bezieht sich im Wesentlichen auf nicht relevante Fragen im Zusammenhang mit dem Umschuldungsbeschluss, worauf anschließend bei Erledigung der Rechtsrüge einzugehen sein wird. Die angeblich nicht erfolgte „Dartuung" der von der Hausverwaltung vorgelegten Unterlagen ist unbeachtlich, weil der Antragsteller gehalten gewesen wäre, diesen Umstand sofort zu rügen (2 Ob 612/55 = JBl 1956, 53; 10 Ob 17/04d; Gitschthaler in Rechberger², Rz 5 zu „Vor § 207 ZPO"). Darüber hinaus wäre mit der Behauptung, der Antragsteller hätte zu den fraglichen Urkunden unter dem Aspekt einer möglicherweise unrichtigen Stimmenzuordnung Stellung beziehen können, die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels nicht ausreichend dargetan.

Anders als in dem zu 5 Ob 64/05f entschiedenen Fall liegt daher kein iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzugreifender Verfahrensmangel vor.

Zur Rechtsrüge:

Es entspricht ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass es für die Beachtlichkeit der Verletzung von formellen Vorschriften bei Beschlüssen der Wohnungseigentümer darauf ankommt, ob der Fehler für das Abstimmungsergebnis kausal war (RIS‑Justiz RS0112200). Wurden die Mitwirkungsbefugnisse der Mit- und Wohnungseigentümer ohnedies gewahrt, erlaubt es der Gesetzeszweck, über Formfehler hinwegzusehen (5 Ob 105/04h = SZ 2004/73). Ob ein konkreter Formfehler Mitwirkungsbefugnisse Einzelner beeinträchtigen könnte, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab (5 Ob 177/99m; 5 Ob 106/01a = wobl 2001/203 [Call]).

Hier steht fest, dass die Beschlussfassung über die Umwandlung eines für die Eigentümergemeinschaft auf einem Konto aushaftenden Betrags in ein Bankdarlehen vom Inhalt der Ladung (Gegenstand der Tagesordnung) nicht umfasst war. Der entsprechende Beschluss wurde aber ohnedies durch Umlauf zustandegebracht. Dass auch bei einem schriftlichen Umlaufbeschluss vorher eine schriftliche Verständigung über seinen Inhalt erfolgen müsste, findet im Gesetz keine Deckung (RIS‑Justiz RS0108769).

Rechtliche Argumente dafür, warum die rechtskräftig aufgetragenen Feuerschutzvorkehrungen nicht dem Bereich der ordentlichen Verwaltung zuzuordnen wären, werden nicht aufgezeigt. § 28 Abs 1 Z 1 WEG verweist auf § 3 MRG, womit es schon in Anbetracht des Abs 3 Z 2 lit a keinen Zweifel daran gibt, dass privilegierte Arbeiten, also solche, die Kraft eines öffentlich‑rechtlichen Auftrags jedenfalls durchzuführen sind, wie hier die rechtskräftig aufgetragenen Feuerschutzmaßnahmen, davon umfasst sind. Gerichte sind an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörde gebunden (RIS‑Justiz RS0036981). Dass noch eine Beschwerde des Antragstellers beim Verwaltungsgerichtshof gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zweiter Instanz behängt und diese die amtswegige Exekution ihres Bescheids aufgeschoben hat, ändert daran nichts.

Es werden daher - selbst unter Berücksichtigung des von den Vorinstanzen nicht erledigten Widerspruchs des Antragstellers zu Protokoll - keine erheblichen Rechtsfragen aufgeworfen.

Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels des Antragstellers zu führen.

Ein Zuspruch von Kosten für den unter Punkt 1 behandelten Revisionsrekurs kam gemäß § 52 Abs 2 WEG 2002 iVm § 37 Abs 3 Z 17 Satz 1 MRG nicht in Frage.

 

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