OGH 5Ob177/99m

OGH5Ob177/99m13.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin Eva-Maria D*****, vertreten durch Dr. Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1) Marianne W*****, 2) Anna H*****, 3) Beatrix B*****, 4) Liselotte H*****, 5) Dkfm. DDr. Gerhard G*****, 6) Mag. Arthur M*****, 7) Mag. Martin M*****, 8) DDr. Frida T*****, 9) Elfriede L*****, 10) Anka K*****, 11) Vladimir K*****, 12) Dr. Günter H*****, Viertantragsgegnerin vertreten durch Dr. Wolfgang A. Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 13b Abs 4, 26 Abs 1 Z 5 WEG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Februar 1999, GZ 40 R 620/98t-24, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. September 1998, GZ 42 Msch 94/97f-11, bestätigt wurde, folgenden

Sachbeschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

In der gegenständlichen Wohnrechtssache ist in dritter Instanz nur noch die Rechtsfrage zu klären, ob für die erfolgreiche Anfechtung eines Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 13b Abs 4 WEG jede Verletzung der Vorschriften des § 13b Abs 3 WEG über die Verständigungspflicht genügt oder ob sich der Fehler auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt haben muß. In der Sache geht es um die Neubestellung eines Verwalters.

Die hiefür maßgeblichen Feststellungen lassen sich so zusammenfassen, daß die Hausgemeinschaft den Rechtsanwalt DDr. G***** als Verwalter bestellt hatte. Dieser wurde im August des Jahres 1997 verhaftet, sodaß die Bestellung eines neuen Verwalters notwendig war.

Daraufhin wurde für 29. 10. 1997 eine Hausversammlung einberufen, zu der die Wohnungseigentümer ca 3 bis 4 Wochen vor dem Termin durch einen Anschlag am schwarzen Brett eingeladen wurden. Das Thema der Hausversammlung war in dieser Einladung nicht angegeben; sie enthielt nur den Hinweis "aus gegebenem Anlaß". Es haben aber alle Hausbewohner gewußt, daß der Hausverwalter verhaftet worden ist. Mündlich wurde allen - auch der Antragstellerin - mitgeteilt, daß es um die Abberufung und Neubestellung des Hausverwalters gehe.

An dieser Hausversammlung nahm die Antragstellerin nicht teil. Sie erklärte jedoch in einer schriftlichen Vollmacht an die Achtantragsgegnerin, die bei der Hausversammlung verlesen wurde, daß es "nicht rechtsgültig sei, bei der Hausversammlung eine endgültige Entscheidung bzw Auswahl einer neuen Hausverwaltung zu treffen."

In der Hausversammlung kam es zu einer von der Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer getragenen einvernehmlichen Auflösung des Vollmachtsverhältnisses mit Rechtsanwalt DDr. G*****; außerdem hat die Mehrheit den schon früher einmal kurzzeitig mit der Hausverwaltung betrauten Erich L***** zum neuen Verwalter bestellt. Der Grund hiefür war, daß dessen Angebot das günstigste war.

Die Antragstellerin hat diesen Mehrheitsbeschluß mit einem am 26. 11. 1997 beim Erstgericht eingelangten Antrag wegen Verletzung der Vorschriften über die Verständigungspflicht angefochten. Es soll festgestellt werden, daß der Beschluß vom 29. 10. 1997 über den Wechsel des Verwalters (konkret geht es um die Neubestellung) unwirksam bzw nicht ordnungsgemäß zustandegekommen sei. Die Antragsgegner beharren auf der Rechtswirksamkeit ihres Beschlusses. Sie räumen ein, daß die Einladung zur Hausversammlung Formfehler hatte, weil sie sich an die vom früheren Hausverwalter geübte Vorgangsweise gehalten hätten, doch sei die Antragstellerin ohnehin voll über den Gegenstand der Hausversammlung informiert gewesen.

Das Erstgericht wies das Begehren der Antragstellerin ab, weil sie über das Vorhaben, in der Hausversammlung den alten Verwalter abzuberufen und einen neuen zu bestellen, voll informiert gewesen sei. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Die angefochtene Beschlußfassung leide zwar unter einem Formalmangel im Sinne des § 13b Abs 3 WEG, da diese Bestimmung eine vorherige schriftliche Verständigung von der beabsichtigten Beschlußfassung und ihrem Gegenstand durch Übersendung normiert. Es sei jedoch einem Anfechtungsantrag gegen einen Beschluß gemäß § 13b WEG nur dann stattzugeben, wenn der Anfechtungsgrund für den Beschluß kausal war (A. Kletecka, Probleme der Willensbildung in der Wohnungseigentümergemeinschaft, WoBl 1995, 86). Zum Unterschied zur Nichtigkeit eines Beschlusses sei auch hinsichtlich einer nicht ordnungsgemäßen Verständigung auf die Ursächlichkeit abzustellen (aaO). Im hier vorliegenden Fall habe die Rekurswerberin trotz Unterbleibens einer schriftlichen Verständigung mit einer Beschlußfassung über Abberufung der früheren Verwaltung und Neubestellung eines neuen Verwalters gerechnet. Sie habe für die Haussammlung auch der Miteigentümerin DDr. Frida T***** Vollmacht für die Teilnahme an der Hausverwaltung erteilt und ihr in einem Begleitschreiben überdies auferlegt sich gegen die Bestellung eines neuen Hausverwalters auszusprechen. Diesem Ersuchen der Antragstellerin sei auch entsprochen und ihr Schreiben in der Hausverwaltung verlesen worden. Die Antragstellerin habe daher trotz unterbliebener schriftlicher Mitteilung an der Hausversammlung in einer Art teilgenommen, wie eine schriftliche Mitteilung unter Angabe des Themas vor Beginn der Hausversammlung erfolgt wäre. Der Formalfehler der nicht ordnungsgemäßen Verständigung sei daher für die Beschlußfassung nicht kausal gewesen.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Berücksichtigung der Relevanz von Formmängeln bei der Willensbildung gemäß § 13b WEG liege nämlich noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor.

Die Antragstellerin hat gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluß fristgerecht Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, ihn so abzuändern, daß ihrem Anfechtungsantrag vollinhaltlich stattgegeben wird. Sie meint, die Kausalität einer Verletzung der Vorschriften über die Verständigungspflicht sei kein materielles Anfechtungserfordernis. Das Gesetz verlange ausdrücklich eine schriftliche Verständigung der Mit- und Wohnungseigentümer. Würde man nur darauf abstellen, ob die Miteigentümer in irgendeiner Form von der Hausversammlung und ihrem Thema Kenntnis erlangt haben, so würde man § 13b Abs 3 WEG als bloß "kann-Vorschrift" auslegen, obwohl es im Gesetz heißt, daß jeder Miteigentümer zu verständigen "ist".

Die Antragsgegner haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Der erkennende Senat teilt die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß die Anfechtung eines Beschlusses der Miteigentümermehrheit nach § 13b Abs 4 WEG iVm § 26 Abs 1 Z 4 WEG wegen einer Verletzung der in § 13b Abs 3 WEG normierten Vorschriften über Art und Inhalt der vor der Abstimmung vorzunehmenden Verständigungen nur dann zum Erfolg führen kann, wenn der Fehler für das Abstimmungsergebnis kausal war (Kletecka, Probleme der Willensbildung in der Wohnungseigentümergemeinschaft, WoBl 1995, 82 [86]; idS auch Löcker,

Die Wohnungseigentümergemeinschaft, 201). Die genannten Vorschriften sollen nämlich nur gewährleisten, daß alle Miteigentümer ihre gesetzlichen Mitwirkungsbefugnisse ausüben, sich also auf die Hausversammlung vorbereiten, eine eigene Meinung bilden und diese in die Diskussion einbringen können (vgl WoBl 1997, 199/77 mwN ua). Wurden diese Mitwirkungsbefugnisse ohnehin gewahrt, so erlaubt es der Gesetzeszweck, über Formfehler wegzusehen. Er hat dann, wie Kletecka aaO das Kausalitätsproblem zutreffend umschreibt, das unverzichtbare Recht jedes Miteigentümers auf Mitwirkung an der Verwaltung nicht tangiert. Ob ein Formfehler die Mitwirkungsbefugnisse einzelner Miteigentümer beeinträchtigen konnte und damit den Mehrheitsbeschluß unwirksam macht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Es muß sichergestellt sein, daß jeder Miteigentümer die Informationen, die der Gesetzgeber durch die Festlegung genauer Verständigungspflichten als notwendig erachtete, vollständig und rechtzeitig erhalten hat. Davon ist, wie das Rekursgericht überzeugend ausführte (§§ 528a, 510 Abs 3 ZPO iVm § 26 Abs 2 WEG und § 37 Abs 3 Z 16 MRG), im gegenständlichen Fall auszugehen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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