OGH 3Ob16/08m

OGH3Ob16/08m10.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Christine L*****, vertreten durch Rechtsanwälte Kreuzberger - Stranimaier - Köstner OEG, Rechtsanwälte in Bischofshofen, wegen Anfechtung gemäß den §§ 2 und 3 AnfO, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2007, GZ 6 R 108/07f-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 7. März 2007, GZ 9 Cg 247/05g-16, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Ausspruch, das Zahlungsbegehren sei bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft EZ *****, GB R***** zu vollstrecken, zu entfallen hat. Insoweit wird das Klagebegehren abgewiesen.

Im übrigen Umfang wird die Entscheidung des Berufungsgerichts in der Hauptsache bestätigt.

Die Verfahrenskosten aller Instanzen werden in Ansehung der Vertretungskosten gegeneinander aufgehoben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die Hälfte der Pauschalgebühren erster und zweiter Instanz, das sind zusammen 692 EUR, binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die Hälfte der Pauschalgebühr des Revisionsverfahrens, das sind 584 EUR, binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Hausbank des am 28. Juni 2004 verstorbenen Vaters der Beklagten (im Folgenden Schuldner) hatte die ab 1999 einsetzenden Überziehungen des Pensionskontos im Vertrauen auf das Liegenschaftsvermögen des Schuldners ohne bücherliche Sicherstellung geduldet. Mit Schenkungsvertrag (Beil ./B) vom 15. November 2000 (damals betrug der Kontosollstand bereits 90.497,23 ATS) schenkte der Schuldner der Beklagten sein Haus (Liegenschaft EZ *****) und seinen Drittelanteil an der Liegenschaft EZ ***** Zufahrtsweg, je des Grundbuchs R*****. Beim Drittelanteil wurde irrtümlich die Aufsandungserklärung nicht abgegeben und erst über Klageführung der Beklagten gegen die durch einen Verlassenschaftskurator vertretene Verlassenschaft erwirkt (Versäumungsurteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 15. November 2005, AZ 2 C 2112/05g). Die Vertragsverfasserin des Schenkungsvertrags hatte weiters ein zugunsten des Geschenkgebers (Schuldners) vereinbartes Veräußerungs- und Belastungsverbot versehentlich nicht in den Vertrag aufgenommen. Da der Schuldner zu einer Korrektur des Schenkungsvertrags nicht bereit war, kam es erst im Oktober 2004 zur Verbücherung des Eigentumsrechts der Beklagten an der Liegenschaft EZ ***** und noch später zur Verbücherung des Drittelanteils an der Liegenschaft EZ *****. Die klagende Partei verfügt mit dem mit der Verlassenschaft nach dem Schuldner am 5. Dezember 2005 abgeschlossenen Vergleich über einen Exekutionstitel über 25.000 EUR sA.

Die klagende Partei stützte ihre mit Klage vom 13. Dezember 2005 geltend gemachte Anfechtung sowohl des Schenkungsvertrags (des Verpflichtungsgeschäfts) als auch dessen Verbücherung (des Verfügungsgeschäfts) auf die Anfechtungstatbestände der Benachteiligungsabsicht (§ 2 Z 1 bis 3 AnfO) sowie auf § 3 Z 1 AnfO.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen hatte die Beklagte zum Schenkungszeitpunkt keine Kenntnis von den Kontoüberziehungen ihres Vaters, die ihr erst „etwa im Jahr 2003" bewusst geworden seien (Erstgericht S 7). Die Benachteiligungsabsicht müsse zum Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts vorliegen.

Das Berufungsgericht gab über Berufung der klagenden Partei dem Anfechtungsbegehren statt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft und den Drittelanteil an der zweiten Liegenschaft. Die klagende Partei habe auch das Erfüllungsgeschäft (die Verbücherung) angefochten. Die kritische Zweijahresfrist des § 3 Z 1 AnfO laufe erst ab Verbücherung. Nach den Außerstreitstellungen im Verlassenschaftsverfahren sei es unstrittig, dass die Klageforderung gegenüber der Verlassenschaft uneinbringlich sei. Die Einwendungen der Beklagten seien nicht berechtigt. Die E SZ 68/221 (= 1 Ob 521/95) und 4 Ob 103/97v (= JBl 1998, 595) stellten nur für die Frage des Vorliegens der Benachteiligungsabsicht des Anfechtungsgegners auf den Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts ab. Der Verschuldenseinwand (die klagende Bank hätte sich um Sicherheiten bemühen müssen) sei gegenüber einem Anfechtungsanspruch nicht zulässig. Die Schenkungsanfechtung nach § 3 Z 1 AnfO sei daher berechtigt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die beklagte Partei beantragt mit ihrer außerordentlichen Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Abweisung des Anfechtungsbegehrens, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.

Die klagende Partei beantragt mit der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben. Unter anderem wird angeführt, dass die Beklagte auch nach Schadenersatzrecht hafte, weil sie der klagenden Partei die Tatsache der Schenkung nicht hätte verschweigen dürfen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil zur Frage des Beginns der Anfechtungsfrist bei der Anfechtung des bücherlichen Verfügungsgeschäfts noch keine gesicherte oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Die Revision ist teilweise auch berechtigt:

I. Zur Anfechtung des Erwerbs der Liegenschaft EZ *****

1. Die beklagte Geschenknehmerin hatte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrags (15. November 2000) keine Kenntnis von einer Benachteiligungsabsicht des Schuldners. Die Schulden ihres Vaters waren ihr erst im Jahr 2003 bewusst geworden. Im Revisionsverfahren geht es nur mehr um die Anfechtung der Verbücherung des Eigentumsrechts der Beklagten nach dem Anfechtungstatbestand des § 3 Z 1 AnfO. Dieser setzt - wie die Anfechtung unentgeltlicher Verfügungen des Gemeinschuldners nach § 29 Z 1 KO - eine in den letzten zwei Jahren vor der Anfechtung vorgenommene unentgeltliche Rechtshandlung des Schuldners voraus, die beispielsweise im Grundbuchsantrag des Schuldners erblickt werden kann.

2. Nach der vom Berufungsgericht richtig zitierten Judikatur ist bei der Anfechtung des Erwerbs bücherlichen Eigentums bei der Fristberechnung auf den Verbücherungszeitpunkt abzustellen (so schon 5 Ob 296/70 = SZ 44/19; RIS-Justiz RS0050774) und zwar auch dann, wenn nicht der Schuldner selbst den Grundbuchsantrag stellte, sondern der Gläubiger im Einvernehmen mit dem Schuldner aufgrund einer von diesem ausgestellten Urkunde (7 Ob 718/87 = JBl 1988, 389 mit dem zu § 2 Z 1 bis 3 AnfO und § 28 Z 1 bis 3 KO ergangenen Leitsatz; 5 Ob 111/03i mwN zur Anfechtung nach § 2 Z 3 AnfO). In seiner Anmerkung zur E 7 Ob 718/87 kritisierte König (in JBl 1988, 391) die Zurechnung eines vom Gläubiger gestellten Grundbuchsantrags zur Rechtshandlung des Schuldners. Der Gläubiger sei weder dessen Vertreter noch ein Geschäftsführer ohne Auftrag. Es läge weder im Gläubigerantrag noch im Beschluss des Grundbuchsgerichts eine Rechtshandlung des Schuldners (in diesem Sinne auch König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung, Rz 7/5). Dieser Ansicht ist der Oberste Gerichtshof mit der E 4 Ob 103/97v = JBl 1998, 595 mwN (wiederum zu § 2 AnfO) gefolgt. Wie König zutreffend ausgeführt habe, sei dann, „wenn der Anfechtungstatbestand eine Rechtshandlung des Schuldners verlangt, für die kritischen Fristen und das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen beim Schuldner der Zeitpunkt maßgebend, zu dem der Schuldner den (Pfand- oder Kauf-)Vertrag unterfertigt und die Aufsandungserklärung abgibt. Dem Gläubiger steht daraufhin das Recht zu, die entsprechenden Grundbuchseintragungen im eigenen Namen zu erwirken (§ 77 GBG). Tut er dies, so ist er hiebei weder Vertreter noch Geschäftsführer ohne Auftrag des Schuldners. Es ist daher ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass im Falle einer Hypothek die anfechtbare Rechtshandlung in der Aufstellung der Pfandbestellungsurkunde und nicht erst in der Einverleibung des Pfandrechts zu sehen ist, weil ja die Sicherstellung des Hypothekargläubigers bereits in dem Zeitpunkt als bewirkt anzusehen ist, zu dem der Schuldner die letzte dazu erforderliche Rechtshandlung vorgenommen und damit dem Gläubiger ein nicht mehr entziehbares Recht verschafft hat". Der 3. Senat folgte mit seiner E 3 Ob 145/99s (= ÖBA 2001, 94) dieser sogar schon als gefestigt bezeichneten Judikaturlinie. Diese ist auch fortzusetzen und auf den Anfechtungstatbestand des § 3 Z 1 AnfO anzuwenden.

3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat der 4. Senat in der zitierten Entscheidungsbegründung eine Rechtshandlung des Schuldners beim Verbücherungsvorgang als Voraussetzung auch dafür eingefordert, dass die kritische Frist erst ab der Verbücherung berechnet wird. Die Begründung hat sich keineswegs nur auf das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen bezogen. Wohl wirkt sich die Nachteiligkeit der unentgeltlichen Verfügung für die Gläubiger endgültig erst mit dem Eigentumsverlust durch Verbücherung des Eigentums des Anfechtungsgegners aus, sie ist aber zuvor schon wegen der Bindung der Parteien an das unentgeltliche Verpflichtungsgeschäft (Schenkungsvertrag) und der dadurch bewirkten Vermögensverschiebung gegeben. Wenn das Verpflichtungsgeschäft infolge Ablaufs der Anfechtungsfrist anfechtungsfest ist, müssen für die erfolgreiche Anfechtung des Verfügungsgeschäfts (dessen Unentgeltlichkeit auf der Grundlage des Verpflichtungsgeschäfts zu bejahen ist: dazu Koziol/Bollenberger in Buchegger, Österr. Insolvenzrecht, § 29 KO Rz 10) wiederum alle Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, im Fall der Anfechtung nach § 3 Z 1 AnfO also auch eine unentgeltliche Rechtshandlung (Verfügung) des Schuldners. Im Revisionsverfahren sind hier weder die Gläubigerbenachteiligung noch der Umstand strittig, dass der Grundbuchsantrag (die Grundbuchsanträge) weder vom vorverstorbenen Geschenkgeber (Schuldner) noch von dessen Verlassenschaft, sondern von der beklagten Anfechtungsgegnerin gestellt worden war (waren). Eine Rechtshandlung des Schuldners bei der angefochtenen Verbücherung wurde von der beweispflichtigen klagenden Partei (vgl zur vergleichbaren Beweislast in den Fällen des § 29 Z 1 KO König aaO Rz 9/28) nicht einmal behauptet. Es ist daher das Anfechtungsbegehren schon wegen Fehlens einer anfechtbaren Rechtshandlung des Schuldners abzuweisen und zusammenfassend Folgendes festzustellen:

Die Anfechtung der Verbücherung des Eigentumserwerbs des Geschenknehmers gemäß § 3 Z 1 AnfO aufgrund eines außerhalb der Anfechtungsfrist geschlossenen Schenkungsvertrags setzt - wie dies auch auf die Anfechtungstatbestände des § 2 AnfO zutrifft - eine Rechtshandlung des Schuldners voraus. Ein aufgrund schon vorliegender und anfechtungsfester Aufsandungserklärung des Schuldners vom Geschenknehmer gestellter Grundbuchsantrag reicht nicht (Fortsetzung der Rsp von 4 Ob 103/97v = JBl 1998, 595 unter Ablehnung von 7 Ob 718/87 = JBl 1988, 389).

II. Zur Anfechtung des Eigentumserwerbs am Drittelanteil der Liegenschaft EZ *****

Auch hier mangelt es zwar an einem Verbücherungsantrag des Schuldners, die klagende Partei hat aber ausreichend erkennbar auch die mit dem Versäumungsurteil vom 15. November 2005, somit innerhalb der Anfechtungsfrist, erwirkte Aufsandungserklärung des Geschenkgebers (der Verlassenschaft) angefochten. Dass für diese Handlung des Schuldners ein Exekutionstitel erworben wurde, steht der Anfechtung nicht im Wege (§ 6 AnfO). Die Aufsandungserklärung ist eine unentgeltliche Verfügung des Schuldners, die fristgerecht angefochten wurde. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Schenkungsanfechtung liegen vor. Die Stattgebung des Zahlungsbegehrens bei Exekution in den Liegenschaftsanteil ist daher zu bestätigen.

III. Der in der Revisionsbeantwortung wiederholte, auf Schadenersatzrecht gestützte Einwand der klagenden Partei scheitert an den getroffenen Feststellungen. Danach hat die Beklagte erst im Jahr 2003 von den angewachsenen Schulden ihres Vaters erfahren, sodass von einer schuldhaften Verletzung einer Aufklärungspflicht keine Rede sein kann.

IV. Der auf § 1304 ABGB gestützte, gegen den Anfechtungsanspruch erhobene Mitverschuldenseinwand der Beklagten scheitert an der Erwägung, dass bei der eingeforderten Besicherung der Kontoüberziehungen des Schuldners der Beklagten genau der Vermögenswert entgangen wäre, den sie nun wegen erfolgreicher Schenkungsanfechtung herauszugeben hat.

Die Entscheidung über die Kosten aller Instanzen beruht auf den §§ 43 und 50 Abs 1 ZPO. Mangels Bewertung der Liegenschaften ist von einem gleichteiligen Prozesserfolg auszugehen. Die Parteien haben daher nur Anspruch auf Ersatz von 50 % der von ihnen getragenen Gebühren (§ 43 Abs 1 zweiter Satz ZPO).

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