European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:E87133
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionskurs der Antragstellerin wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Die Antragstellerin macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs eine unrichtige Einzelfallbeurteilung bei der Auslegung des Begriffs „wichtiges Interesse" im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 geltend. Die Vorinstanzen hätten nicht (ausreichend) berücksichtigt, dass die von der Antragstellerin angestrebten baulichen Änderungen ihrer Wohnung (Errichtung einer Dachterrasse)
- das Raumklima und die Belichtung der Wohnung verbessere;
- den Wohn- und Verkehrswert der Wohnung erhöhe;
- die Wohnnutzfläche nicht erhöhe, weil die Dachterasse im bisherigen Grundriss der Wohnung Deckung finde;
- die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer nicht beeinträchtige, weil der Dachbereich für diese ohnehin nicht nutzbar sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Antragstellerin macht damit aber keine erhebliche Rechtsfrage geltend:
1. Zum „wichtigen Interesse" des Wohnungseigentümers an einer Änderung seines Objekts im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 (§ 13 Abs 2 Z 2 WEG 1975) liegt bereits eine umfangreiche Judikatur des erkennenden Senats vor (vgl RIS‑Justiz RS0083240; RS0083378; RS0083341; RS0083345; RS0083356; RS0083233; RS0106050; RS0106560; RS0108579; RS0110977), in der auch schon zu Dachterrassen Stellung genommen wurde (vgl RIS‑Justiz RS0110976; RS0083345) und nach der insbesondere bloße Zweckmäßigkeitserwägungen (5 Ob 269/98i = wobl 2000/39, 87 [Hausmann] = MietSlg 50.576 = bbl 1999/133, 121 = immolex 1999/100, 145 = NZ 1999, 391) und eine Steigerung des Wohn- und Verkehrswerts der Wohnung (vgl RIS‑Justiz RS0083341; 5 Ob 92/94 = wobl 1995/63, 143 [Markl] = MietSlg 46.522/29) für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht genügen.
2. Durch die von der Antragstellerin angestrebten baulichen Änderungen mag sich Raumklima und Belichtung der Wohnung verbessern. Dass sich dieser Nutzen aber nicht bloß in einer (etwas) erhöhten Wohnqualität erschöpft, sondern etwa deshalb erforderlich sei, weil die Wohnung sonst (nahezu) unbenützbar wäre (vgl dazu auch 5 Ob 101/06y = MietSlg 58.415 = immolex 2006/136, 345 [Prader] = wobl 2007/87, 223 [Markl/Hechenbichler]) oder keine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung zuließe, kann nach den getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden.
3. Eine (allenfalls) fehlende Beeinträchtigung der Interessen der übrigen Wohnungseigentümer mangels Nutzbarkeit des Daches begründet nach bereits vorliegender Judikatur nicht das eigene wichtige Interesse des die Änderung anstrebenden Wohnungseigentümers (vgl 5 Ob 269/98i = wobl 2000/39, 87 [Hausmann] = MietSlg 50.576 = bbl 1999/133, 121 = immolex 1999/100, 145 = NZ 1999, 391).
4. Soweit sich die Antragstellerin zur Stützung ihres Standpunkts auf 5 Ob 55/87 (= wobl 1988/42, 69 = MietSlg 40.639) beruft, fehlt es schon an einem vergleichbaren Sachverhalt; dort war nicht - wie hier - die Neuerrichtung, sondern (nur) eine Vergrößerung einer bereits bestehenden Dachterrasse zu beurteilen.
5. Im Übrigen lässt sich die Zulässigkeit einer Änderung eines Wohnungseigentumsobjekts im Lichte des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 nicht grundsätzlich bejahen oder verneinen. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (vgl RIS‑Justiz RS0109643; 5 Ob 275/05k = immolex 2006/101, 220 = EvBl 2006/131, 689); dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt (vgl 5 Ob 109/06z; 5 Ob 47/06g mwN = wobl 2006/96, 221 [Call] = MietSlg 58.408). So lange dieser Ermessensspielraum nicht verlassen wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor. Nur in Fällen einer groben, die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hat der Oberste Gerichtshof korrigierend einzugreifen. Ein solcher Fall liegt hier aber - aus den zuvor dargestellten Gründen - nicht vor.
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist somit wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und zurückzuweisen.
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