Spruch:
I. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
II. Aus Anlass der Revision werden die Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren ab dem Zeitpunkt der Klagszustellung als nichtig aufgehoben. Die Klage wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.931,66 EUR (darin 1.154,29 EUR USt und 5,92 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Hauptverfahrens aller Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Medieninhaberin der Website „www.o*****.at ", auf der die online-Ausgabe der Tageszeitung „Ö*****" abrufbar ist. Sie hat am 10. 1. 2007 einen Antrag auf Aufnahme in den beklagten Verein gestellt und ist mittlerweile Mitglied.
Der beklagte Verein, dem vor allem Online-Anbieter und Werbeagenturen als Mitglieder angehören, hat sich nach seinen Statuten zur Aufgabe gemacht, vergleichbare und objektive Daten zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Online-Angeboten zu erheben. Er hat in einer Richtlinie das von ihm angewendete Verfahren zur Ermittlung der Zugriffe auf Webportale festgelegt. In der Sitzung seines Vorstands vom 21. 2. 2007 wurde über eine Richtlinienänderung diskutiert. Die neuen Richtlinien traten am 15. 3. 2007 in Kraft und wurden auch von der Klägerin akzeptiert. Mit der vom Beklagten in Aussicht genommenen Übergangsregelung bis zum Inkrafttreten der neuen Richtlinien (konkret für die Februar-Daten), die Alt- und Neumitglieder ungleich behandelt hätte, war die Klägerin nicht einverstanden. Aus diesem Grund wurden von der Beklagten bis zum Inkrafttreten der neuen Richtlinien keine Daten veröffentlicht. Nach Punkt 15 (4) der Statuten des Beklagten können, sofern es sich um eine vereinsinterne Rechtsstreitigkeit handelt, die ordentlichen Gerichte auch nach Beendigung des Schiedsverfahrens oder nach Ablauf von sechs Monaten angerufen werden. Im Zusammenhang mit dem in diesem Rechtsstreiten erhobenen Anspruch hat die Klägerin das vereinsinterne Schiedsgericht nicht angerufen.
Die Klägerin macht neben einem Veröffentlichungsbegehren folgendes - durch eine angestrebte inhaltsgleiche einstweilige Verfügung zu sicherndes - Unterlassungsbegehren geltend: „Die beklagte Partei ist ... schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, bei Ausweisung der Daten der von ihr geprüften Vereinsmitglieder und/oder Beitrittswerber ungleiche Richtlinien anzuwenden und/oder auf Basis ungleicher Richtlinien ermittelte Daten auszuweisen und/oder zu veröffentlichen, insbesondere Daten der klagenden Partei nach den Kategorien 'Einzelsite', 'Dachangebot' und 'Vermarktungsgemeinschaft' auszuweisen, nicht aber die Daten anderer Mitglieder der beklagten Partei"; hilfsweise, „Daten ihrer Mitglieder und/oder Beitrittswerber auszuweisen und/oder zu veröffentlichen, so sie nicht zugleich auch Daten der klagenden Partei, die nach denselben Kriterien ermittelt wurden, ausweist und/oder veröffentlicht"; hilfsweise, „Daten ihrer Mitglieder und/oder Beitrittswerber auszuweisen und/oder zu veröffentlichen, so sie nicht zugleich auch Daten der klagenden Partei, die nach denselben Kriterien ermittelt wurden, ausweist und/oder veröffentlicht". Die vom Beklagten beschlossene Übergangsregelung für die ab Februar erhobenen Daten sei diskriminierend und damit sittenwidrig iSd § 1 UWG. Der Beklagte missbrauche seine marktbeherrschende Stellung, indem er seine Mitglieder ungleich behandle und verstoße auch gegen § 7 Abs 1 UWG, § 1330 Abs 2 ABGB. Durch die Nichtveröffentlichung von Daten der Klägerin entstehe der unrichtige Eindruck, diese sei nicht Mitglied des Beklagten und könne keine vergleichbaren Zugriffsraten nachweisen. Die Anrufung des Vereinsschiedsgerichts sei unzumutbar, weil dem Leitungsorgan der Beklagten nahezu ausschließlich Mitbewerber der Klägerin angehörten und Verfahrensgegenstand eine unlautere Diskriminierung durch den Beklagten sei.
Der Beklagte wendete ein, die Klägerin habe das vereinsinterne Schiedsgericht nicht angerufen, weshalb Klage und Sicherungsantrag ab- oder zurückzuweisen seien. Auch inhaltlich sei der geltend gemachte Anspruch schon deshalb nicht berechtigt, da die von der Klägerin beanstandeten Übergangsbestimmungen nicht angewendet worden seien. Die am 15. 3. 2007 neu gefassten Richtlinien seien von allen Vereinsmitgliedern akzeptiert worden.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag (in seinen Eventualbegehren) gemeinsam mit der Klage ab. Die Klägerin hätte gemäß § 8 Abs 1 VerG den Versuch unternehmen müsse, das vereinsinterne Schiedsgericht zu befassen. Konkrete Gründe für eine zu befürchtende Parteilichkeit des Schiedsgerichts habe die Klägerin nicht dargelegt. Dies führe zur Abweisung der Klage. Einer einstweiligen Verfügung stehe § 8 VerG 2002 zwar nicht entgegen, weil das Vereinsschiedsgericht nicht endgültig entscheiden könne; zwischen den Streitteilen bestehe jedoch kein Wettbewerbsverhältnis. Zudem fehle es an einer Begehungs- oder Wiederholungsgefahr, weil die Februar-Daten sämtlicher Mitglieder nicht veröffentlicht worden seien und es zu keiner Benachteiligung der Klägerin gekommen sei. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Entscheidung im Sicherungsverfahren mit der Maßgabe, dass der Sicherungsantrag auch in seinem Hauptbegehren abgewiesen wurde und gab der Berufung nicht Folge; es sprach jeweils aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig sei. Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, warum ihr die Anrufung des Vereinsschiedsgerichts nicht zumutbar wäre. Dass sich das Vereinsschiedsgericht aus Vereinsmitgliedern zusammensetze, die im vorliegenden Fall jedoch nicht dem Vereinsvorstand angehören dürften, begründe keine relevante Verletzung der Äquidistanz; beide Streitteile könnten je ein Vereinsmitglied als Schiedsrichter namhaft machen, die in der Folge ein weiteres Vereinsmitglied zum Vorsitzenden wählen müssten. Darin liege keine unverhältnismäßige Beeinflussung der Zusammensetzung des Vereinsschiedsgerichts durch den Vereinsvorstand. Die Ansicht der Klägerin, im Fall eines gerichtlichen Sicherungsantrags müsse ungeachtet der Bestimmung des § 8 Abs 1 VerG 2002 stets eine Rechtfertigung durch gerichtliche Klage möglich sein, sei abzulehnen. „Selbst wenn in der Namhaftmachung eines Schiedsrichters bzw in der Aufforderung zur Bestellung eines Schiedsrichters noch keine ausreichende Rechtfertigungshandlung gelegen" wäre, sei eine gerichtliche Rechtfertigung jedenfalls nach dem Ablauf von sechs Monaten möglich. Die statutengemäße Zusammensetzung des Vereinsschiedsgerichts verstoße nicht gegen Art 6 EMRK, weshalb der Klägerin eine Anrufung des Schiedsgerichts zumutbar sei; ohne eine solche stehe der Klage die geltend gemachte materiellrechtliche Einwendung der mangelnden Klagbarkeit entgegen. Das Erstgericht habe die Klage daher zu Recht abgewiesen. Der Sicherungsantrag sei unbegründet, weil es nach dem bescheinigten Sachverhalt zu keiner Ungleichbehandlung der Klägerin in Bezug auf veröffentlichte Zugriffsdaten gekommen sei, habe sich doch der Beklagte dafür entschieden, in der Übergangsphase überhaupt keine Daten zu veröffentlichen. Damit sei weder eine Rechtsverletzung noch eine Erstbegehungsgefahr bescheinigt.
Rechtliche Beurteilung
I. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig (§ 510 Abs 3 ZPO).
II. Aus Anlass der Revision der Klägerin ist eine dem angefochtenen Urteil anhaftende Nichtigkeit wahrzunehmen.
1. Die Klägerin behauptet, der geltend gemachte Anspruch folge aus ihrer Diskriminierung durch den Beklagten gegenüber anderen Vereinsmitgliedern. Der Rechtsstreit hat damit seine Wurzel in der Vereinsmitgliedschaft der Klägerin; er ist deshalb eine Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG 2002 (vgl 4 Ob 146/07k).
2. Der Senat hat erst jüngst mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass einer Klage in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG 2002, die vor dem Verstreichen von sechs Monaten seit Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht wird, nicht die Einrede der mangelnden materiellen Klagbarkeit (vgl dazu die ältere Rechtsprechung in RIS-Justiz RS0119982 [T2]), sondern das gemäß § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegensteht, es sei denn, das Schlichtungsverfahren endete bereits vor der Klagseinbringung (4 Ob 146/07k = RIS-Justiz RS0122426; siehe dazu Rauscher, Rechtsweg unzulässig, wenn Schlichtungseinrichtung des Vereins nicht angerufen wird, ZAK 2007, 367).
3. Die Vorinstanzen erkannten über den Klageanspruch - entgegen der zuvor erläuterten Rechtslage - mit einer Sachentscheidung durch Urteil trotz Eingreifens der Sperrfrist nach § 8 Abs 1 VerG 2002. Die mangelnde Beachtung des Prozesshindernisses der Unzulässigkeit des Rechtswegs bewirkt hier nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO die Nichtigkeit der Urteile der Vorinstanzen sowie des ihnen vorangegangenen Verfahrens ab der Zustellung der Klage und führt zur Zurückweisung der Klage (RIS-Justiz RS0106702 [T3]), ist doch eine Klage, der das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegensteht, (auch) von Amts wegen mit Beschluss zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 51 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat ohne vorherige Befassung der Vereinsschlichtungseinrichtung den Anspruch trotz des nach der älteren Rechtsprechung angenommenen - und schon in erster Instanz einredeweise aufgezeigten - Mangels materieller Klagbarkeit (RIS-Justiz RS0119982 [T2]) geltend gemacht und hätte den Prozess auch ohne die zuvor unter 2. erläuterte Änderung der Rechtsprechung meritorisch verloren. Dieses Verhalten der Klägerin ist einer schuldhaften Einleitung und Fortführung des Verfahrens trotz des vorliegenden Nichtigkeitsgrunds iSd § 51 Abs 1 ZPO gleichzusetzen (vgl M. Bydlinsky in Fasching/Konecny² II/1 § 51 ZPO Rz 4 f mN aus der Rsp). Auf die Unzulässigkeit des Rechtswegs nach der Rechtsprechungsänderung wurde in der Revisionsbeantwortung bereits hingewiesen. Der in erster Instanz geltend gemachte Kopieraufwand ist durch das Honorar für jene anwaltliche Leistung abgedeckt, mit der die Vorlage erfolgte (4 Ob 149/07a). Im Übrigen ist anzumerken, dass die im erstgerichtlichen Kostenzuspruch enthaltenen Kosten der Äußerung zum Sicherungsantrag durch die nur das Hauptverfahren betreffende Aufhebungsentscheidung unberührt bleiben.
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