OGH 9ObA112/06w

OGH9ObA112/06w28.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ivo S*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 35.000), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2006, GZ 7 Ra 96/06y-31, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer „Äußerung zur ao Revision" selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger war ab 1958 bei der Ö***** L***** AG (im Folgenden „LB") beschäftigt. Sein Dienstverhältnis zur Beklagten endete am 30. 6. 2002 wegen Pensionierung. Die Mitarbeiter der LB unterlagen bis zur Verschmelzung mit der Z***** (im Folgenden Z) im Jahr 1991 den Bestimmungen des Bankenkollektivvertrags, hinsichtlich der Pensionsanwartschaften den Bestimmungen des Kollektivvertrags „Pensionsreform 1961" (KV PR 61). Der KV PR 61 sah die Gewährung einer Gesamtpension durch den Arbeitgeber in Höhe von 80 % des pensionsfähigen Jahresbezuges vor, auf welche die Leistungen der gesetzlichen ASVG-Pension angerechnet wurden.

Dem Kläger wurde in seinem Dienstvertrag über die PR 61 hinaus eine noch günstigere, ebenfalls direkte Pensionszusage gemacht. Weiters sieht der Vertrag vor, dass „von den Bestimmungen dieses Vertrags abgesehen, die gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen (z.B. Bankenkollektivvertrag und PR 61 in der jeweils gültigen Fassung) sinngemäß gelten". Die Verschmelzung der LB als übertragender Gesellschaft mit der Z (jetzt: Beklagte) als aufnehmender Gesellschaft erfolgte mit Wirkung vom 31. 12. 1990. § 11 Abs 3 des Verschmelzungsvertrags lautete wie folgt:

„(3) Die Pensionslasten und Pensionszusagen der übertragenden Gesellschaft werden von der aufnehmenden Gesellschaft übernommen. In der pensionsrechtlichen Stellung der Ruhe- bzw Versorgungsgenußempfänger ergeben sich durch die Verschmelzung keine Änderungen. Die Regelungen der Betriebsvereinbarungen der aufnehmenden Gesellschaft gelangen nicht zur Anwendung."

Die Mitarbeiter der Z unterlagen dem Sparkassen-Kollektivvertrag (SPK-KV), dessen Art II die Betriebsparteien ermächtigte, durch Betriebsvereinbarung vom Inhalt des SPK-KV abweichende Regelungen zu treffen. Von dieser Möglichkeit wurde bei der Z Gebrauch gemacht und die Betriebsvereinbarung 1969 (BV 69) abgeschlossen. Die BV 69 der Z, die auch noch im Jahr 1991 galt, bestimmte in § 1 Abs 2 lit a, dass die BV 69 nach Maßgabe des Abschnitts K für ehemalige LB-Angestellte zu gelten hat. § 255c im Abschnitt K der BV 69 hielt Folgendes fest:

„Anstelle des Abschnittes D Pensionsordnung (§§ 86 bis 118) gelten für die Angestellten gem § 1 Abs (2) lit a), die darüber hinaus auch zum Fusionsstichtag

... 13. Mit Annahme dieses Sondervertrages, welcher per 1. 1. 1995

wirksam wird, verlieren alle bisherigen zwischen der BA ... und Ihnen

getroffenen dienstvertraglichen Regelungen Ihre Gültigkeit. ..."

Der Kläger unterfertigte den Vertrag, ohne allerdings seine Meinung zum Ausdruck zu bringen, dass sein Pensions-Sondervertrag aus 1975 auch nach der Unterzeichnung der Vereinbarung 1994 weiter aufrecht wäre.

1999 wurden im Rahmen einer Änderung der BV 69 die Alterspensionsanwartschaften unter gleichzeitiger Umwandlung in ein beitragsorientiertes Pensionskassensystem auf eine Pensionskasse ausgelagert. Betriebsintern erfolgte die Umsetzung der Reform durch eine Rahmen-Betriebsvereinbarung (Rahmen-BV) und eine Übertragungs-Betriebsvereinbarung (Übertragungs-BV) vom 30. 12. 1999.

In § 1 der Übertragungs-BV wurde auszugsweise festgelegt:

„(1) Diese Übertragungs-BV gilt für alle aktiven Anstellten für die Dauer ihres aktiven Dienstverhältnisses, die am 31. 12. 1999 dem Geltungsbereich der BV 69 unterliegen, sowie für solche Angestellte, die in der Folge in ein aktives Dienstverhältnis, welches dem Geltungsbereich der BV 69 unterliegt, eintreten. Sie gilt nicht für

(2) Für Angestellte, die zum 31. 12. 1999 aufgrund einer einzelvertraglichen Vereinbarung Pensionsanwartschaften haben und die nicht gemäß Absatz 1 vom Geltungsbereich ausgenommen sind, gilt diese Übertragungsbetriebsvereinbarung dann, wenn sie der Übertragung dieser Anwartschaften ausdrücklich zugestimmt haben.

...."

Dem Standpunkt des Klägers, dass er gegenüber der Beklagten nach wie vor einen einzelvertraglichen Anspruch auf Alterspension habe, hielt die Beklagte entgegen, dass sich jener 1994 bewusst für die Pension auf kollektivrechtlicher Basis entschieden habe und daher seine Pensionsansprüche nur auf die - geänderte - (BV 69) stützen könne. Das Berufungsgericht vertrat wie das Erstgericht den Standpunkt, dass der zunächst einzelvertragliche Pensionsanspruch des Klägers 1994 wirksam in einen kollektivrechtlichen, auf BV beruhenden umgewandelt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig: Die wesentlichen allgemeinen Rechtsfragen wurden bereits durch Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs geklärt. Die Auslegung von vertraglichen Vereinbarungen im Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl Kodek in Rechberger ZPO3 § 502 Rz 26 mwN).

Die Verschmelzung zwischen der LB als übertragender und der Z als aufnehmender Gesellschaft bewirkte eine Gesamtrechtsnachfolge durch die Z (RIS-Justiz RS0049475, RS0109661, zuletzt 9 ObA 127/06a), sodass die aufnehmende Gesellschaft (als Arbeitgeberin) ipso iure in die Arbeitsverhältnisse der übertragenden Gesellschaft eintrat. Die Arbeitnehmer der übertragenden Gesellschaft wurden damit - unter Weiterbestand der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden gegenseitigen Rechte und Pflichten - zu Arbeitnehmern der aufnehmenden Gesellschaft (9 ObA 127/06a mwN). Unterliegt der neue Arbeitgeber einem anderen Kollektivvertrag, dann wird der bisher geltende alte Kollektivvertrag abgelöst (9 ObA 127/06a). Wegfall des Kollektivvertrags der übertragenden Gesellschaft und gleichzeitiges Wirksamwerden des Kollektivvertrags der aufnehmenden Gesellschaft lösen nicht die Nachwirkung des Kollektivvertrags der übertragenden Gesellschaft gemäß § 13 ArbVG aus (9 ObA 127/06a). Das bedeutet, dass mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers die BV 69, die allerdings spezifische Regelungen ua für Pensionsansprüche der von der LB aufgenommenen Arbeitnehmer enthält, zur Anwendung gelangt ist. Es ist darauf zu verweisen, dass auch das Berufungsgericht nicht auf die subjektiven Absichten der Vertragspartner, sondern auf den Wortlaut der BV abgestellt hat und daher auch von der ständigen Judikatur zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen nach den §§ 6, 7 ABGB (RIS-Justiz RS0050963) nicht abgegangen ist.

Den weiteren Ausführungen des Klägers, dass § 1 Abs 2 der „Übertragungsvereinbarung" bei einzelvertraglichen Pensionszusagen für die Übertragung die Zustimmung des Arbeitnehmers erfordere, ist entgegenzuhalten, dass nach der jedenfalls vertretbaren Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes eine solche „einzelvertragliche" Pensionszusage eben nicht mehr vorhanden war, sondern durch die Vereinbarung 1994 die einzelvertragliche Pensionszusage beseitigt worden war und nur die Pensionszusage auf Grundlage der Betriebsvereinbarung 69 gelten sollte. Darauf, dass es zulässig ist, dass ein Arbeitnehmer auf erworbene „einzelvertragliche" Pensionsansprüche zugunsten von solchen aus einer Betriebsvereinbarung verzichtet, hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung zu 9 ObA 121/04s hingewiesen. Dass allein der Umstand, dass für die Bemessung der Betriebspension eine höhere Bemessungsgrundlage herangezogen wird, diese noch nicht zu einer einzelvertraglichen Betriebspensionszusage macht, hat der Oberste Gerichtshof - und zwar auch zu „Sondervertragsinhabern" - ebenfalls bereits ausgesprochen (OGH 8 ObA 20/06h). Die Vereinbarung der bloß „sinngemäßen" Anwendung des § 255c der BV 69 (Abschnitt K; spezielle Übergangsgestimmungen für die Pensionsordnung im Abschnitt D für die Mitarbeiter gem „§ 1 Abs 2 lit a" - Verschmelzung mit L-KV

49) statt des Abschnittes J (allgemeine Zusatzvereinbarungen ua für „fusionierte und eingegliederte" Betriebe) lässt sich schon daraus erklären, dass der Kläger ja erst mit dieser Vereinbarung - als früher ausgeschlossener „Einzelvertragsinhaber" - erfasst sein sollte. Dass dies auch rückwirkend für frühere Anwartschaften zulässig ist, ergibt sich ebenfalls bereits aus der Entscheidung 9 ObA 121/04s. Dass dies hier auch so gewollt war, ist eine vertretbar gelöste Frage der Auslegung der Vereinbarung im Einzelfall. Im Wesentlichen sollte der Kläger den anderen von der LB übernommenen Mitarbeitern gleichgestellt und mit der Vereinbarung 1994 eine „Einzelvertragsinhaberschaft", die die Anwendung des KV PR 61 insoweit hinderte, rückwirkend beseitigt werden.

Dass es zulässig ist, dass eine Betriebsvereinbarung die Anwendung

bestimmter konkreter Regelungen auch vom Vorhandensein - oder Fehlen

- bestimmter vertraglicher Zusagen abhängig macht, hat der Oberste

Gerichtshof ebenfalls bereits ausgesprochen (8 ObA 170/00h; allgemein

zu Kollektivverträgen RIS-Justiz RS0051032).

Allein der Umstand, dass auch andere Arbeitnehmer 1994 einen Sondervertrag wie der Kläger abgeschlossen haben, vermag - schon im Hinblick auf mögliche, sich aus den Abschlussumständen ergebende Abweichungen - keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu begründen.

Die Kostenentscheidung fußt auf § 508 Abs 5 ZPO: Die trotz des „Vorbehalts einer Revisionsbeantwortung" als Beantwortung des außerordentlichen Rechtsmittels des Klägers aufzufassende „Äußerung" diente mangels einer entsprechenden Freistellung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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