OGH 9ObA121/04s

OGH9ObA121/04s31.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Walter Zeiler und Mag. Bernhard Achitz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Österreichischer Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten, Deutschmeisterplatz 2, 1013 Wien, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Antragsgegner Verband Österreichischer Banken und Bankiers, Börsegasse 11, 1010 Wien, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz, Rechtsanwälte in Wien, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Es wird festgestellt, dass die ehemaligen Angestellten der S*****bank AG, deren Dienstverhältnisse vor Abschluss der Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2000 geendet haben und in deren einzelvertraglichen Unterwerfungen unter das kollektive Regelungssystem der Betriebsvereinbarungen „Pensionsstatut 1994" und „Besitzstandspension 1994" der Hinweis „in der derzeit gültigen Fassung" enthalten ist, Anspruch darauf haben, dass die S*****bank AG aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 1. 1. 1996 für die Zeit bis zum 31. 12. 2003 auf ihre Beitragskonten bei der ***** Pensionskassen AG Nachschüsse in jener Höhe zu leisten hat, die einer jährlichen Verzinsung des Deckungskapitals bzw der Arbeitgeberbeiträge in der Höhe von 7,5 % entspricht.

Text

Begründung

Die Kollektivvertragsfähigkeit der Parteien ergibt sich aus § 4 Abs 2 ArbVG. Beide sind daher iSd § 54 Abs 2 letzter Satz ASGG als Parteien des besonderen Feststellungsverfahrens legitimiert.

Der Antragsteller beantragt, wie aus dem Spruch ersichtlich und bringt dazu im Wesentlichen vor:

Der vorliegende Antrag bezieht sich auf ehemalige Angestellte der S*****bank AG, die vor dem 30. 11. 2000 aus dem Dienstverhältnis zu dieser ausgeschieden sind. Es handelt sich dabei um eine Mitarbeitergruppe von mehr als drei Personen. Diese Personen hatten mit ihrer Arbeitgeberin einzelvertragliche Betriebspensionsvereinbarungen abgeschlossen. Zwecks Vereinheitlichung der Betriebspensionsregelungen für alle Arbeitnehmer wurden im November 1994 Betriebsvereinbarungen abgeschlossen, mit denen die Pensionsleistungen der Bank neu geregelt wurden. Es handelte sich dabei um die Betriebsvereinbarungen „Pensionsstatut 1994" und „Besitzstandspension 1994". Um auch die Arbeitnehmer mit Individualpensionszusagen der Neuregelung zuzuführen, wurden mit diesen Personen individuelle Vereinbarungen nachfolgenden Inhalts geschlossen:

„... Vereinbarung über die Neugestaltung der Pensionsordnung.

1. Die Anspruchsvoraussetzungen und Pensionsleistungen der Bank für den Arbeitnehmer wurden im ... „Pensionsstatut 1992" vom Juli 1992 und der beiliegenden Mitteilung vom 28. Juli 1992 geregelt.

2. Der Arbeitnehmer stimmt zu, dass die in Punkt 1 beschriebene Pensionszusage seitens der Bank an den Arbeitnehmer mit Wirksamkeit 30. November 1994 außer Kraft tritt (Anm.: Hervorhebung durch das Gericht) und durch die Betriebsvereinbarung „Besitzstandspension" vom November 1994 und die Betriebsvereinbarung „Pensionsstatut 1994" vom November 1994, beide in der jeweils gültigen Fassung ersetzt wird (Anm.: Hervorhebung durch das Gericht).

3. ...

4. Der Arbeitnehmer ist mit der neuen Pensionsregelung, die sich aus den in Punkt 2 genannten Betriebsvereinbarungen ergibt, einverstanden und erklärt, dass er in Hinkunft - mit Ausnahme der in den Betriebsvereinbarungen „Besitzstandspension" und „Pensionsstatut 1994" zugesicherten Leistungen - keine weiteren Forderungen hinsichtlich Pensionszahlungen, die sich aus dem in Punk 1 zitierten „Pensionsstatut 1992" bzw den Brief vom 28. Juli 1992 ergeben könnten, an die Bank stellen wird. ..."

Mit der Betriebsvereinbarung „Pensionsstatut 1994" verpflichtete sich die Arbeitgeberin unter anderem, ab 1. 12. 1994 für die - näher umschriebenen - Anwartschaftsberechtigten durch Abschluss eines Pensionskassenvertrages iSd § 15 Pensionskassengesetz der ***** Pensionskassen AG beizutreten. Weiters sind in der Betriebsvereinbarung die Versorgungsleistungen, Anwartschaften, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge, Informationsrechte und Beendigungsmodalitäten geregelt. Die gleichzeitig abgeschlossene Betriebsvereinbarung „Besitzstandspension" enthält neben dem zeitlichen und persönlichen Geltungsbereich die Übertragungsmodalitäten und Berechnungsmodelle.

Im Jahr 1996 wurde eine weitere Betriebsvereinbarung des Inhalts abgeschlossen, dass sich die Arbeitgeberin dazu verpflichtete, bis zum 31. 12. 2003 gegebenenfalls jeweils einen Nachschuss zugunsten der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten zu leisten, um eine Mindestverzinsung von 7,5 % per anno des einbezahlten Übertragungskapitals und der jährlich zufließenden Arbeitgeberbeiträge zu garantieren („Performance-Garantie", Betriebsvereinbarung vom 1. 1. 1996). Nach dem Ausscheiden der vom Feststellungsantrag betroffenen Arbeitnehmer aus dem Betrieb wurde im Dezember 2000 eine Betriebsvereinbarung des Inhalts geschlossen, dass die Betriebsvereinbarung vom 1. 1. 1996 dergestalt abgeändert wurde, dass durch eine Einmalzahlung der Arbeitgeberin die Nachschusspflicht bis zum 31. 12. 2003 entfallen sollte. Die Arbeitgeberin weigert sich nunmehr, für die vor dem Abschluss der Betriebsvereinbarung vom Dezember 2000 ausgeschiedenen Arbeitnehmer die aus der „Performance-Garantie"- Betriebsvereinbarung vom 1. 1. 1996 hervorgehenden Nachschüsse zu leisten. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass einzelvertraglich eine dynamische Verweisung auf die Betriebsvereinbarung in der jeweils gültigen Fassung zur Anwendung gelangen sollte. Auch diese Arbeitnehmer müssten sich daher mit der im Dezember 2000 mit dem Betriebsrat vereinbarten Einmalzahlung abfinden.

An diese Sachverhaltsbehauptungen knüpft der Antragsteller folgende rechtliche Überlegungen:

Die vom Feststellungsantrag betroffenen Arbeitnehmer hätten ihre individuellen Pensionsansprüche aufgegeben und sich dadurch dem kollektiven Regelungssystem über die Pensionsrechte der Arbeitnehmer der S*****bank AG unterworfen. Daraus folge, dass sie von der Wirkung der Betriebsvereinbarungen 1994 und 1996 erfasst seien, solange sie dem Betrieb der S*****bank AG angehörten. Aus den Vereinbarungen, mit denen die Arbeitnehmer auf ihre individuellen Ansprüche verzichtet haben, sei nicht abzuleiten, dass sie sich damit - über die Betriebsvereinbarungen hinaus - einer Dynamisierungsklausel unterworfen hätten, die auch für den Fall weiter gelten solle, dass die Arbeitnehmer nicht mehr dem Betrieb angehörten.

Zwar könnten Betriebsvereinbarungen über Betriebspensionen durch nachfolgende Betriebsvereinbarungen auch verschlechternd abgeändert werden, dies aber nur mit Wirkung für diejenigen Arbeitnehmer, welche zu diesen Zeitpunkt noch im Betrieb beschäftigt seien. Nach der Rechtsprechung hätten aber jene Arbeitnehmer, welche ausgeschieden seien, ein Individualrecht im Sinne der für sie zuletzt geltenden Betriebsvereinbarung erworben. Selbst wenn man annähme, dass eine bei aufrechtem Arbeitsverhältnis abgeschlossene Individualvereinbarung auch verschlechternde Änderungsvorbehalte enthalten könne, spiele das im vorliegenden Fall keine Rolle, weil die mit dem Ausscheiden entstandene Individualvereinbarung eine solche Änderungsklausel nicht enthalte.

Die von der Arbeitgeberin vertretene Auffassung verstoße auch gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 18 Betriebspensionsgesetz. Die von der Arbeitgeberin gewollte Interpretation führe nämlich dazu, dass die vom Feststellungsantrag umfasste Arbeitnehmergruppe gegenüber all jenen benachteiligt sei, welche sich nur auf die Betriebsvereinbarung selbst berufen könnten.

Der Antragsgegner begehrt in seiner Stellungnahme, den Feststellungsantrag abzuweisen.

Soweit der Antragsgegner ergänzendes Sachverhaltsvorbringen erstattet, kann darauf nicht eingegangen werden. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich seiner rechtlichen Beurteilung den vom Antragsteller behaupteten Sachverhalt ohne weitere Prüfung zugrunde zu legen. Der Antragsgegner kann gegen den vom Antragsteller behaupteten Sachverhalt im Tatsachenbereich nichts vorbringen, sondern ist auf rechtliche Argumente beschränkt (RIS-Justiz RS0109384 [T 1, T 2]). Selbst Modifikationen dieses Sachverhalts durch den Antragsgegner sind daher unbeachtlich.

Der Antragsgegner führt aus, nicht zu verkennen, dass nach der Rechtsprechung beim Ausscheiden von Arbeitnehmern bestehende Betriebsvereinbarungen individualrechtlich weiter Geltung haben, doch müsse man im vorliegenden Fall beachten, dass die Arbeitnehmer seinerzeit, als sie sich mit Individualvereinbarungen der Geltung der künftigen Betriebsvereinbarung unterworfen haben, eine zulässige dynamische Verweisungsbestimmung in den Vertrag haben einfließen lassen. Dies führe dazu, dass durch spätere Betriebsvereinbarungen vorgenommene Änderungen auch zugunsten und zu Lasten der ausgeschieden Arbeitnehmer Wirkung entfalteten. Bei der Betriebsvereinbarung vom Jahr 1994 habe es sich um einen Umstieg auf ein beitragsorientiertes Pensionskassensystem gehandelt. Die „Performance-Garantie" vom 1. 1. 1996, mit welcher für einen bestimmten Personenkreis eine Mindestverzinsung von 7,5 % per anno auf das bezahlte Übertragungskapital garantiert worden sei, sei als freiwillige, zusätzliche Leistung des Arbeitgebers erfolgt, zu welcher dieser nicht verpflichtet gewesen sei. Die Modifikation der Betriebsvereinbarung des Jahres 2000 sei daher zulässig gewesen, zumal zu diesem Zeitpunkt gar nicht festgestanden sei, ob der Mindestgarantiefall überhaupt eintreten werde. Da die Einmalablöse im Übrigen alle Pensionisten und Anwartschaftsberechtigten betroffen habe, sei darin keine Ungleichbehandlung zu erkennen.

Rechtliche Beurteilung

Der Feststellungsantrag ist berechtigt.

Wesentliche Bedeutung kommt der Auslegung der im Jahre 1994 abgeschlossenen Individualvereinbarungen (Beilage ./C) zu. Da den bindenden Tatsachenbehauptungen des Antragstellers keine besonderen Umstände zu entnehmen sind, die auf einen die schriftlichen Verträge ergänzenden oder von diesen abweichenden Parteiwillen schließen ließen, hat sich die Interpretation auf die „einfache" Auslegung des Vertragstextes (Rummel in Rummel, ABGB³ I Rz 4 zu § 914 ABGB) zu beschränken. Dabei ist die Auslegung der einzelnen Erklärungen am Empfängerhorizont zu messen.

Punkt 2 dieser Vereinbarungen enthält den Passus, dass der Arbeitnehmer zustimmt, dass die in Punkt 1 beschriebene Pensionszusage ... mit Wirksamkeit 30. November 1994 außer Kraft tritt und durch die Betriebsvereinbarung „Besitzstandspension" vom November 1994 und die Betriebsvereinbarung „Pensionsstatut 1994" vom November 1994, beide jeweils in der gültigen Fassung, ersetzt wird. Ausdrücklich erklärten die Arbeitnehmer auch in Punkt 4. der Vereinbarung, dass sie in Hinkunft - mit Ausnahme der in den Betriebsvereinbarungen „Besitzstandspension" und „Pensionsstatut 1994" zugesicherten Leistungen - keine weiteren Forderungen hinsichtlich Pensionszahlungen ... an die Bank stellen werden. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ergibt sich aus dieser Formulierung nicht der Weiterbestand einer Individualvereinbarung mit einer dynamischen Verweisung auf jeweilige Betriebsvereinbarungen, sondern der Verzicht auf Ansprüche aus einer Individualvereinbarung bei gleichzeitiger Unterwerfung unter die kollektive Regelung. Dem Zusatz „... beide in der jeweils gültigen Fassung ..." ist keine andere Bedeutung als die zuzumessen, dass den ihre Individualrechte aufgebenden Arbeitnehmern die Rechtslage vor Augen geführt werden soll, nach der Betriebsvereinbarungen durch Folgebetriebsvereinbarung abgeändert werden können.

Die betroffenen Arbeitnehmer unterlagen daher in der Folge den über die Betriebspension abgeschlossenen Vereinbarungen wie andere Arbeitnehmer des Betriebes auch.

Der Oberste Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Betriebsvereinbarungsparteien aufgrund der ihnen nach dem ArbVG zukommenden Kompetenz nicht mehr in die den ausgeschiedenen Arbeitnehmern kraft einer Betriebsvereinbarung zustehenden Ruhegeldansprüche eingreifen können. Trotz verschiedener Kritik der Lehre an dieser Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof im Hinblick auf die mangelnde demokratische Legitimation des Betriebsrates für jene Arbeitnehmer, die nicht mehr dem Betrieb angehören und auch, weil es für die Betriebsvereinbarungsparteien an einer für die Kollektivvertragsparteien bestehenden ausdrücklichen Regelung iSd § 2 Abs 2 Z 3 ArbVG fehlt, daran festgehalten (8 ObA 170/00h mwN). Soweit sich die Antragsgegnerin auf Passagen dieser Entscheidung zur Untermauerung ihres Arguments der Zulässigkeit eines dynamischen Verweises in Individualvereinbarungen beruft, vermag ihr dies im vorliegenden Fall nichts zu nützen. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich - wie schon in anderen Entscheidungen - individualrechtliche Änderungsvorbehalte - beschränkt durch den Rahmen „billigen Ermessens" - und auch die Verweisung auf andere Rechtsquellen, insbesondere Dienstordnungen, für zulässig erachtet (9 ObA 261/02a mwN). Auf eine solche Individualvereinbarung kann sich die Arbeitgeberin im vorliegenden Fall aber nicht berufen. Zum Inhalt der Individualvereinbarung der ausgeschiedenen Arbeitnehmer wurde nämlich die zum Zeitpunkt des Ausscheidens geltende Betriebsvereinbarung, nicht aber ein Änderungsvorbehalt oder aber ein dynamischer Verweis.

Da die Berechtigung des Feststellungsantrages schon aus vorgenannten Erwägungen zu bejahen ist, bedarf es keines Eingehens auf den vom Antragsteller zusätzlich behaupteten, angeblichen Verstoß gegen die betriebliche Gleichbehandlung.

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