OGH 2Ob87/07v

OGH2Ob87/07v15.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Roman K*****, vertreten durch Dr. Manfred Lirk, Rechtsanwalt in Braunau/Inn, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alexander Burkowski, Dr. Peter Keul, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 4.207,14 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2007, GZ 21 R 421/06w-23, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 15. September 2006, GZ 2 C 631/05m-17, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 (darin enthalten EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger wurde in der von der Beklagten betriebenen Diskothek dadurch an der rechten Hand verletzt, dass er in der Diskothek ausrutschte und sich zur Vermeidung eines Sturzes mit der rechten Hand abstützte, wobei er in eine Glasscherbe griff. Er begehrte von der Beklagten die Bezahlung von EUR 4.207,14 sA (EUR 4.000 Schmerzengeld, der Rest sonstige unfallkausale Schäden und Kosten). Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision zugelassen, weil eine Entscheidung des Höchstgerichtes in einem vergleichbaren Fall nicht vorliege. Da sich Unfälle wie die des Klägers in voll besetzten Diskotheken und ähnlichen Lokalen häufig ereignen könnten, sei eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes darüber, ob den Betreibern derartiger Lokale regelmäßige Kontrollen in kürzeren Abständen bei laufendem vollen Betrieb zumutbar seien, wünschenswert.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung hängt der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht und das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt immer von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (RIS-Justiz RS0110202; RS0029874 [T5]; RS0023397). Der Verkehrssicherungspflichtige hat die verkehrsübliche Aufmerksamkeit anzuwenden und die notwendige Sorgfalt zu beachten, wenn auch die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden darf und die Grenzen des Zumutbaren zu beachten sind (RIS-Justiz RS0023487). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS-Justiz RS0023726). Der Verkehrssicherungspflichtige hat zu beweisen, dass er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, ohne Rücksicht darauf, ob sich die Pflicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Ingerenzprinzip) oder einem Vertrag ergibt. Den Verkehrssicherungspflichtigen trifft die Beweislast, dass die Einhaltung bestimmter Schutzvorkehrungen unzumutbar gewesen sei (RIS-Justiz RS0022476 [T8]).

Ein Gastwirt hat alles vorzukehren, um die Sicherheit des Betriebes, der Anlage oder der damit im Zusammenhang befindlichen Wege und Plätze zu erhalten, wobei die dabei zu stellenden Anforderungen die Grenzen des Zumutbaren nicht überschreiten dürfen (RIS-Justiz RS0023421 [T3]). Auch die allgemeine Verkehrssicherungspflicht, die jeden Hauseigentümer, insbesondere jeden Gastwirt, trifft, darf ebenso wenig überspannt werden wie die Sorgfaltspflicht aus dem Gastaufnahmevertrag. In der Regel genügt verkehrsübliche Sorgfalt (RIS-Justiz RS0023311 [T2]). Im Übrigen hängt es immer von den Umständen des Einzelfalles ab, welche Sicherungsmaßnahmen einem Gastwirt zumutbar und erforderlich sind. Derartige Einzelfallentscheidungen sind für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm, konkret bei der Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes der Unzumutbarkeit, korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0078150).

Das Berufungsgericht hat in seiner rechtlichen Beurteilung ausgeführt, im vorliegenden Fall sei den Verantwortlichen der Beklagten bekannt gewesen, dass in Nächten, in denen die Diskothek voll gewesen sei, 100 und mehr Gläser hätten brechen können. Sie hätten daher auch davon ausgehen müssen, dass es wegen dadurch auf den Boden gelangenden Flüssigkeiten und der umherliegenden Glasscherben zum Ausrutschen und zu Verletzungen von Gästen kommen habe können. Sie hätten dieser Gefahr dadurch zu begegnen versucht, dass ein immer anwesender Mitarbeiter einer Reinigungsfirma nach Verständigung von Verunreinigungen diese jeweils beseitigt habe. Regelmäßige Kontrollen aller Bereiche des Lokals auf Nässe und Glasscherben am Boden hätten nicht stattgefunden. Eine derartige Maßnahme wäre der Beklagten aber auch nicht zumutbar gewesen. Das Lokal sei in der Unfallnacht mit Gästen voll gewesen. In der Diskothek sei es eher dunkel gewesen, was bei derartigen Lokalen auch durchaus üblich sei und erfahrungsgemäß vom Publikum auch erwartet werde. Unter diesen Umständen sei es praktisch gar nicht möglich, in kürzeren Abständen regelmäßige Kontrollen des Bodens durchzuführen oder von den Gästen irgendwo abgestellte Gläser einzusammeln. Zu diesem Zweck müsste sich das Personal einen Weg durch die Besuchermassen bahnen, und es wäre auch erforderlich, bei den Kontrollen jeweils die Beleuchtungsverhältnisse zu ändern, indem entweder überhaupt das Licht voll aufgedreht würde oder die Angestellten Taschenlampen mitführen müssten, um am Boden nach nassen Flecken und Glasscherben zu suchen. Ein solches Verhalten würde von den Besuchern der Diskothek als Störung empfunden und hätte negative Auswirkungen auf den Geschäftsgang. Tatsächlich wirksame vorbeugende Maßnahmen gegen derartige Unfälle, wie ihn der Kläger erlitten habe, seien daher dem Betreiber einer Diskothek nicht zumutbar. Es könne mit zumutbarem Personalaufwand nicht sichergestellt werden, dass keine Gläser am Boden oder auf Podesten abgestellt würden. Dagegen könne von den Besuchern einer mit Gästen vollen Diskothek durchaus erwartet werden, aufgrund des erkennbaren Gedränges und der Beleuchtungsverhältnisse bei der Fortbewegung im Gedränge besonders aufmerksam zu sein. Die Beklagte habe alle zumutbaren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, die nach der Verkehrsauffassung verlangt werden könnten, ergriffen, sodass sie keine Schadenersatzpflicht gegenüber dem Kläger treffe.

Diese Erwägungen des Berufungsgerichtes bewegen sich durchaus im Rahmen der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Eine krasse Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen. Die vom Berufungsgericht gewünschte (spezielle) Aussage des Obersten Gerichtshofes zu Kontrollen in Diskotheken kann wegen der jeweiligen Einzelfallbezogenheit nicht erfolgen.

In der Entscheidung 2 Ob 580/95 beanstandete der Oberste Gerichtshof zwar die Rechtsauffassung des damaligen Berufungsgerichtes, das eine Haftung des beklagten Diskothekenbetreibers bejaht hatte, nicht. Wie aber schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Sachverhalt dieser Entscheidung mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht hinreichend vergleichbar.

Auch in der Revision wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Soweit der Revisionswerber vorbringt, es sei in derartigen Diskothekenbetrieben üblich, dass das Reinigungs- und sonstige Personal in regelmäßigen Abständen die Räumlichkeiten der Diskothek abschreite, um auf dem Boden abgestellte Gläser einzusammeln oder den rutschigen Boden zu säubern, handelt es sich um eine unbeachtliche Neuerung.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die Revisionsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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