OGH 5Ob219/07b

OGH5Ob219/07b16.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irene P*****, vertreten durch Wetzl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Steyr, gegen die beklagte Partei Dr. Josef L*****, wegen Handlung (Streitwert 30.000 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Juli 2007, GZ 1 R 63/07a (1 R 80/07a)-21, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Das Erstgericht gab dem von einer Mit- und Wohnungseigentümerin gegen einen anderen Mit- und Wohnungseigentümer erhobenen Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, auf den Bestandnehmer seines Wohnungseigentumsobjekts einzuwirken, dass dieser und dessen Lokalbesucher jeden der Hausordnung widersprechenden und/oder die nächtliche Ruhe störenden Lärm in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr unterließen, statt. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Rechtliche Beurteilung

In seiner außerordentlichen Revision macht der Beklagte keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend:

1. Der Beklagte meint, er habe die von der Klägerin begehrte Einwirkungsverpflichtung bereits dadurch erfüllt, dass er seinen Bestandnehmer mit einem Nachtrag zum Mietvertrag angewiesen habe, Ruhestörungen zu unterlassen und die Hausordnung einzuhalten.

Diese Ansicht ist unzutreffend (vgl 5 Ob 240/03k = wobl 2004/82, 336

[Call] = MietSlg 55.055 = NZ 2004/98, 373), weil dem Beklagten

notfalls etwa auch der Klageweg gegen seinen Bestandnehmer offen

steht (vgl 7 Ob 182/02v = JBl 2003, 372 = wobl 2003/141, 272; 5 Ob

86/03p = immolex 2003/167, 295 = JBl 2004, 238 = MietSlg 55.053).

Dass der Beklagte gegebenenfalls alles ihm Zumutbare gegen seinen

Bestandgeber und diesem zuzurechnende Störungen unternommen hat, muss

der Beklagte letztlich in einem allfälligen Impugnationsstreit

geltend machen (vgl 4 Ob 527/93; 5 Ob 240/03k = wobl 2004/82, 336

[Call] = MietSlg 55.055 = NZ 2004/98, 373).

2. Dem Beklagten fehlt die Erörterung der Rechtsfrage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er auf seinen Bestandnehmer einwirken könne, Ruhestörungen „im Freien" hintanzuhalten. Judikatur zu dieser Frage im Zusammenhang mit § 81 SPG (Störung der öffentlichen Ordnung) liege nicht vor. Es wäre rechtswidrig und unzulässig, würde sein Bestandnehmer im Freien gegen Straßenpassanten oder Benützer öffentlicher Verkehrsflächen einschreiten. Dass die Unterlassungspflicht auch die Verpflichtung umfasst, auf Dritte einzuwirken, auf die Einfluss genommen werden kann und dass als solche Dritte etwa Lieferanten, Gäste und Geschäftspartner in Frage kommen, entspricht der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0011737, insb [T2]). Die Wahrnehmung sicherheitspolizeilicher Aufgaben gegenüber unbeteiligten Dritten wird mit der bekämpften Entscheidung weder dem Beklagten noch seinem Bestandnehmer abverlangt.

3. Der Beklagte meint, die Vorinstanzen hätten gegen die Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu § 364 ABGB verstoßen, wonach eine auf diese Bestimmung gestützte Klage nicht auf die Erwirkung bestimmter Maßnahmen gerichtet werden könne. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob diese Rechtsgrundsätze auch zwischen Mit- und Wohnungseigentümern im Hinblick auf deren vertragliche Sonderbeziehung gelte, und zu Immissionsabwehransprüchen im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung im Rahmen einer rechtswirksamen Betriebsanlagengenehmigung in Wohnungseigentumsanlagen.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass § 364 Abs 2 ABGB auch im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern anwendbar ist (RIS-Justiz RS0010614; RS0010591; RS0010603 [T1]). Dass ein solcher Unterlassungsanspruch auch speziell hinsichtlich des vom Bestandnehmer des Beklagten betriebenen Lokals und ungeachtet der erteilten verwaltungsbehördlichen Genehmigung grundsätzlich in Frage kommt, hat der erkennende Senat bereits in der gerade dieses Objekt

betreffenden E 5 Ob 59/05w (= immolex 2005/112, 279 [Prader] = NZ

2007/42, 148 = ecolex 2005, 836 = Zak 2005/60, 37 = JBl 2006, 37)

ausgesprochen, weshalb diese Fragen nicht neuerlich zu erörtern sind.

4. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Urteilsspruch weder im Hinblick auf die dem Beklagten zustehende Wahl der gegen seinen Bestandnehmer zu ergreifenden Mittel mangelhaft noch fehlt es an dessen ausreichender Bestimmtheit. Auf spezifische vom Beklagten durchzuführende Abwehrmaßnahmen wird dieser nämlich in der bekämpften Entscheidung nicht festgelegt und die Fassung des Urteilsspruchs genügt den von der Rechtsprechung dazu entwickelten Bestimmtheitserfordernissen (RIS-Justiz RS0037178; vgl auch RS0010509).

5. Richtig ist, dass nach § 364 Abs 2 ABGB die Grenze zulässiger Einwirkung durch die Ortsüblichkeit der Störung und die ortsübliche Benützung des Grundstücks gezogen ist, die durch den Eingriff nicht wesentlich beeinträchtigt werden darf. Der dazu von den Vorinstanzen eingenommene Standpunkt, dass in der wiederholten und empfindlichen Störung der Nachtruhe (22.00 Uhr - 6.00 Uhr) von Hausbewohnern in der Regel eine ortsübliche Immission nicht erkannt werden kann, entspricht der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0037171; RS0037207; vgl auch RS0037198; RS0037203). Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision unzulässig und zurückzuweisen.

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