OGH 4Ob527/93

OGH4Ob527/9316.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Rosalia K*****, 2. Stefanie G*****, beide vertreten durch Dr.Walter Loacker, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Lea U***** vertreten durch Dr.Wilhelm Winkler und andere Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Feststellung und Unterlassung (Streitwert S 122.000) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 20.April 1993, GZ 1 e R 69/93-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 8.Jänner 1993, GZ 8 C 273/92-8, in der Hauptsache bestätigt, im Kostenpunkt aber teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt - einschließlich des bestätigten Teils - wie folgt zu lauten hat:

"1. Gegenüber der Zweitklägerin wird festgestellt, daß die Dienstbarkeit des uneingeschränkten Geh- und Fahrrechtes, mit der die Liegenschaften in EZ 1679 und 1716 KG H***** als dienende Grundstücke zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Liegenschaft in EZ 1756 KG H***** als herrschendes Grundstück belastet sind, beschränkt auf eine Breite von 2,5 m besteht.

2. Gegenüber beiden Klägerinnen wird festgestellt, daß die Dienstbarkeit des uneingeschränkten Geh- und Fahrrechtes, mit der die Liegenschaften in EZ 1679 und 1716 KG H***** als dienende Grundstücke zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Liegenschaft in EZ 1756 KG H***** als herrschendes Grundstück belastet sind, nicht den Gästen des von der Beklagten betriebenen Beherbergungsbetriebes Eicheleweg 3 e als Servitutsweg dient.

Die Beklagte ist schuldig, die Nutzung der Dienstbarkeit als Servitutsweg für die Gäste ihres Beherbergungsbetriebes Eicheleweg 3 e zu unterlassen.

3. Die Beklagte ist schuldig, den Klägerinnen die mit S 17.552,06 bestimmten anteiligen Verfahrenskosten (darin S 2.595,34 Umsatzsteuer und S 1.980 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Das Mehrbegehren, gegenüber beiden Klägerinnen festzustellen, daß die Dienstbarkeit des uneingeschränkten Geh- und Fahrrechtes, mit der die Liegenschaften in EZ 1679 und 1716 KG H***** als dienende Grundstücke zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Liegenschaft in EZ 1756 KG H***** als herrschendes Grundstück belastet sind, nicht den Gästen des von der Beklagten betriebenen Beherbergungsbetriebes Hölzelestraße 2 d als Servitutsweg dient, und das Begehren, die Beklagte sei schuldig, die Nutzung der Dienstbarkeit als Servitutsweg für die Gäste ihres Beherbergungsbetriebes Hölzelestraße 2 d zu unterlassen, werden abgewiesen."

Die Beklagte ist schuldig, den Klägerinnen die mit S 10.994,61 bestimmten anteiligen Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 1.832,43 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstklägerin ist grundbücherliche Hälfteeigentümerin des Grundstücks GstNr. 2220/5 EZ 1679 KG H*****. In Punkt VIII des Kaufvertrages vom 17.7.1958 verpflichtete sich die Erstklägerin, den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks GstNr. 2220/2 EZ 1756 KG H***** das "uneingeschränkte Geh- und Fahrrecht" in einer Breite von 2,5 m einzuräumen.

Die Zweitklägerin ist grundbücherliche Eigentümerin des Grundstücks GstNr. 2220/4 EZ 1716 KG H*****. Auch sie verpflichtete sich (Punkt 7 des Kaufvertrages über diese Liegenschaft), den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks GstNr. 2220/2 EZ 1756 KG H***** das "uneingeschränkte Geh- und Fahrrecht" in einer Breite von 2,5 m einzuräumen.

Die Beklagte kaufte mit Vertrag vom 17.7.1959 die Liegenschaft GstNr. 2220/2 EZ 1756 KG H***** von Maria K*****, welche auch Rechtsvorgängerin der Erst- und Zweitklägerin war.

Die Straße Hölzelestraße 2 a bis 2 d wurde von den Anrainern in einer Breite von 3 m angelegt. Die Familie der Beklagten und deren Besucher benützen den Weg seit 1961/62. Im April 1961 suchte die Beklagte bei der Gemeinde H***** um die Bewilligung des Neubaues eines Wohn- und Geschäftshauses auf dem Grundstück GstNr. 2220/2 an. Die Baubewilligung wurde am 9.6.1961 erteilt; die Benützungsbewilligung für das Kellergeschoß am 18.12.1962, jene für das ganze Haus Hölzelestraße 2 d 1966. Die Beklagte bewohnte mit ihrer Familie ursprünglich das Kellergeschoß; zu dieser Zeit konnte sie noch keine Zimmer vermieten. Die Beklagte betrieb einen Großhandel mit Waren aller Art; sie hatte die Waren in ihrem Haus gelagert. Lieferanten fuhren etwa einmal wöchentlich zum Haus der Beklagten; darüber hinaus benutzten nur die Beklagte, ihre Familie und etwaige Besucher den Servitutsweg.

Zu Beginn ihrer Vermietungstätigkeit vermietete die Beklagte zwei bis drei Betten. Die Gäste konnten damals nicht mit Autos zufahren, weil es beim Haus der Beklagten keine Parkplätze gab. Manchmal parkten Gäste ihre Autos auf dem Servitutsweg vor dem Haus der Erstklägerin;

mittlerweile hat die Beklagte Parkplätze für ihre Gäste geschaffen.

1968 suchte die Beklagte um die Bewilligung eines Wohnhausanbaues an;

am 20.11.1968 erhielt sie die Baubewilligung, am 14.3.1973 die Benützungsbewilligung. Von diesem Zeitpunkt an vermietete die Beklagte bis zu dreizehn Betten. Ihre Gäste benützten oft mehrmals täglich mit Fahrzeugen den Servitutsweg. Zwischen den Parteien kam es deshalb immer wieder zu Streitigkeiten. Die Beklagte versuchte, die Streitigkeiten durch Abschluß eines Servitutsvertrages mit den Klägerinnen zu bereinigen. Im Zuge der Verhandlungen anerkannte die Beklagte, daß sich die Dienstbarkeit auf eine Breite von 2,5 m erstreckt.

Am 29.5.1978 wurde der Beklagten die Konzession zur Führung eines Fremdenheims mit dreizehn Betten erteilt. Mittlerweile hat die Beklagte die Konzession zurückgelegt, sie führt ihren Betrieb nunmehr als häusliche Nebenbeschäftigung.

Am 23.4.1981 erhielt die Beklagte die Baubewilligung für einen weiteren Anbau zur Vergrößerung der Wohnfläche, am 16.11.1987 die Benützungsbewilligung.

Mit Vertrag vom 4.9.1972 kaufte die Beklagte das an ihr Grundstück GstNr. 2220/2 angrenzende Grundstück GstNr. 2226. Am 9.7.1987 wurde ihr der Bau eines Appartmenthauses (Eicheleweg 3 e) bewilligt. Für dieses Appartmenthaus wurde ein eigener Zufahrtsweg geschaffen.

Während der Bauarbeiten fuhren Lastwagen zum Teil auch über den Servitutsweg zur Baustelle; seit der Fertigstellung des Appartmenthauses fahren auch Gäste des Hauses Eicheleweg 3 e über den Servitutsweg, weil diese Zufahrt günstiger ist. Die Beklagte legt den im Appartmenthaus untergebrachten Gästen nahe, nicht über die Hölzelestraße zu fahren. Es kommt aber vor, daß Zimmersuchende über die Hölzelestraße zufahren, die dann im Haus Eicheleweg 3 e Quartier beziehen, weil auf der Hölzelestraße mit einem Schild auf die Zimmervermietung der Beklagten hingewiesen wird. Auch in einer Broschüre des Verkehrsamtes H*****, in der die Beklagte unter "Gästehaus U*****, Hölzelestraße 2 d" sieben Wohnungen inseriert hat, wird auf die Zufahrt über den Servitutsweg hingewiesen. Die beiden Zufahrten, jene über den Eicheleweg und jene über die Hölzelestraße, sind zwischen den Gästehäusern durch eine Kette getrennt. Die Kette ist immer geschlossen; sie ist allerdings nicht versperrt.

Die Klägerinnen begehren festzustellen, daß die Dienstbarkeit des uneingeschränkten Geh- und Fahrrechtes, mit der die Liegenschaften in EZ 1679 und in EZ 1716 KG H***** als dienende Grundstücke zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Liegenschaft in EZ 1756 KG H***** als herrschendes Grundstück belastet sind, beschränkt auf eine Breite von 2,5 m besteht. Sie begehren weiters die Feststellung, daß die Dienstbarkeit des uneingeschränkten Geh- und Fahrrechtes, mit der die Liegenschaften in EZ 1679 und in EZ 1716 KG H***** als dienende Grundstücke zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Liegenschaften in EZ 1756 KG H***** als herrschendes Grundstück belastet sind, nicht den Gästen des von der Beklagten betriebenen Beherbergungsbetriebes Hölzelestraße 2 d und Eicheleweg 3 e als Servitutsweg dient. Darüber hinaus begehren die Klägerinnen, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Nutzung der Dienstbarkeit als Servitutsweg für ihre Beherbergungsgäste zu unterlassen.

Die Beklagte habe im Verfahren 3 C 16/91 des Bezirksgerichtes Bregenz gegenüber der Erstklägerin behauptet, das Wegerecht im Ausmaß von 3 m ersessen zu haben. Die Servitut sei jedoch vertraglich nur in einer Breite von 2,5 m eingeräumt und auch nur in diesem Ausmaß ausgeübt worden. Die Beklagte nutze den Servitutsweg für Gäste ihres Beherbergungsbetriebes Hölzelestraße 2 d und Eicheleweg 3 e.

Die Dienstbarkeit sei der Beklagten nur in dem Umfang eingeräumt worden, als sie sie benötigt habe, um vom öffentlichen Wegenetz aus ihr Wohnhaus zu erreichen. Die durch den Gastgewerbebetrieb verursachte Intensivierung der Wegbenützung sei eine unzulässige Servitutserweiterung. Die Verkäuferin der Liegenschaften der Streitteile habe beabsichtigt, die unverbauten Grundstücke nur an Ineressenten von Einfamilienhäusern zu verkaufen. Die Beklagte veranlasse ihre Gäste durch einen entsprechenden Hinweis in einem Werbeprospekt, auf dem Servitutsweg zuzufahren.

Die Beklagte anerkannte das Begehren der Erstklägerin, die Beschränkung des Servitutsrechtes auf eine Wegbreite von 2,5 m festzustellen, und beantragte im übrigen, das Klagebegehren abzuweisen. Sie habe der Zweitklägerin gegenüber niemals behauptet, das Wegerecht in einer Breite von 3 m ausüben zu dürfen. Die Beklagte habe von Anfang an vorgesehen, in ihrem Haus einen Gewerbebetrieb zu führen und Fremdenzimmer einzurichten. Die im Appartmenthaus Eicheleweg 3 e untergebrachten Gäste benützten den Servitutsweg nicht. Die Klägerinnen hätten eine allfällige Servitutserweiterung durch die Zufahrt von Gästen stillschweigend genehmigt.

Das Erstgericht fällte zugunsten der Erstklägerin ein Teilanerkenntnisurteil und gab im übrigen dem Klagebegehren zur Gänze statt.

Eine Eigentumsfreiheitsklage sei auch ohne Nachweis eines Feststellungsinteresses zulässig. Die Zweitklägerin habe aber ohnedies ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung der Breite des Servitutsweges, weil die Beklagte im Verfahren 3 C 16/91 des Bezirksgerichtes Bregenz gegenüber der Erstklägerin behauptet habe, das Servitutsrecht stehe ihr auch auf dem Grundstück der Zweitklägerin in einer Breite von 3 m zu. Das klagegegenständliche Geh- und Fahrrecht sei keine unregelmäßige Dienstbarkeit; sie sei "dem jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft" eingeräumt worden. Die Dienstbarkeit sei daher an das Grundstück gebunden und nicht zugunsten einer bestimmten Person begründet. Die Klägerinnen hätten die Dienstbarkeit zu einem Zeitpunkt eingeräumt, als die Liegenschaft der Beklagten noch unbebaut war. Die Dienstbarkeit sei daher ursprünglich nicht für eine bestimmte Bewirtschaftungsart begründet worden. Da die Beklagte Jahre hindurch einen Großhandel für Waren aller Art betrieben habe, sei davon auszugehen, daß sich die Klägerinnen mit dieser Benützungsart einverstanden erklärten. Die Ausdehnung der Benützung durch die Gäste der Beklagten sei hingegen eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit. Eine Änderung des Widmungszwecks des herrschenden Grundstücks gebe auch bei ungemessenen Dienstbarkeiten keinen Anspruch auf eine ausgedehntere oder vom Ursprungszweck der Dienstbarkeit abweichende Benützung des dienenden Gutes. Die Klägerinnen seien davon ausgegangen, daß die Dienstbarkeit in dem Ausmaß genützt werde, als es für die Bewohner eines Einfamilienhauses notwendig sei. Weder der von der Beklagten betriebene Großhandel mit Waren aller Art noch die Vermietung von ursprünglich drei Betten sei eine erhebliche Mehrbelastung der dienenden Grundstücke gewesen, weil die Mieter den Weg größtenteils nur begangen, nicht aber befahren hätten.

Durch die Vegrößerung des Beherbergungsbetriebes und die Errichtung von Parkplätzen sei den Gästen die Möglichkeit geboten worden, über den Servitutsweg zuzufahren. Da die Gäste mehrmals täglich über den Servitutsweg zu- und abgefahren seien, sei die Dienstbarkeit unzulässigerweise erweitert worden. Die Benützung des Servitutsweges durch Gäste des Appartmenthauses Eicheleweg 3 e sei jedenfalls eine Servitutsanmaßung, weil zugunsten dieser Liegenschaft keine Dienstbarkeit bestehe. Die Benützungsänderung sei von den Klägerinnen nicht genehmigt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil in der Hauptsache; im Kostenpunkt gab es der Berufung teilweise Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Dienstbarkeit des "uneingeschränkten Geh- und Fahrrechtes" sei eine ungemessene Dienstbarkeit, weil Art und Ausmaß der Dienstbarkeitsausübung nicht im einzelnen vertraglich festgelegt seien. "Uneingeschränkt" bedeute, daß die Dienstbarkeit unter keinen besonderen vertraglichen Beschränkungen stehe; maßgebend sei das jeweilige Bedürfnis des herrschenden Gutes im Rahmen seiner ursprünglichen Bewirtschaftungsart. Aus dem Lageplan des Dipl.Ing.David Salzmann vom 29.5.1958 gehe hervor, daß damals eher kleine Parzellen geschaffen wurden. Dies und die Tatsache, daß der Dienstbarkeitsweg nur mit einer Breite von 2,5 m festgelegt wurde, deuteten darauf hin, daß die Liegenschaft der Beklagten ebenso wie jene der Klägerinnen vorwiegend für Wohnzwecke gedacht war. Daß die Beklagte zunächst einen Handel mit Waren aller Art betrieben hat, sei von den Dienstbarkeitsbelasteten geduldet worden. Die Zimmervermietung habe damals nur untergeordnete Bedeutung gehabt. Durch die erhebliche Ausweitung der Zimmervermietung in den Jahren 1973 und 1975 sei es jedoch zu einer Widmungsänderung und damit zu einer unzulässigen Erweiterung der Dienstbarkeit gekommen.

Das Feststellungs- und Unterlassungsbegehren sei auch insoweit gerechtfertigt, als Gäste des Appartmenthauses Eicheleweg 3 e den Servitutsweg benützten. Zugunsten des Grundstückes GstNr. 2226 bestehe keine Dienstbarkeit. Die Klägerinnen hätten der Servitutserweiterung nicht zugestimmt. Da durch die Widmungsänderung jede Benützung des Dienstbarkeitsweges durch Gäste der Beklagten unzulässig sei, könne die Beklagte auch kein Gehrecht für ihre Gäste in Anspruch nehmen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren, soweit nicht anerkannt, abgewiesen werde. In eventu wird der Antrag gestellt, die zugunsten der Erstklägerin ergangenen Entscheidungen nach § 240 Abs 3 ZPO aufzuheben und die Klage der Zweitklägerin zurückzuweisen; hilfsweise wird noch beantragt, das Klagebegehren abzuweisen, soweit es sich auf das Gehrecht bezieht.

Die Klägerinnen beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Liegenschaft der Beklagten, GstNr. 2220/2 EZ 1756 KG H*****, ist ein "uneingeschränktes Geh- und Fahrrecht" begründet. Die Vorinstanzen haben diese Dienstbarkeit als "ungemessene" Dienstbarkeit beurteilt. Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, daß ein "uneingeschränktes Geh- und Fahrrecht" eine "gemessene" Dienstbarkeit sei; dies sei eine klare Festlegung des Rechtes auf den weitestmöglichen Umfang. Bei ganz unerwarteten Entwicklungen könnten Fragen genauerer Abgrenzung und Auslegung auftreten. Im vorliegenden Fall seien die äußerstenfalls gemeinten Grenzen des an sich weitestmöglichen Wortlautes keinesfalls zu klären, soweit es um Zimmervermietung an Feriengäste in einem verkehrsüblichen Umfang geht.

Gemäß § 484 ABGB kann der Besitzer des herrschenden Gutes zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben. Servituten dürfen aber nicht erweitert werden; sie müssen vielmehr, soweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestatten, eingeschränkt werden. Diese Bestimmung stellt die Ausübung der Dienstbarkeit in das Belieben des Berechtigten, ordnet aber auch eine Beschränkung auf das nach Natur und Zweck der Bestellung nötige Maß an. Dieser scheinbare Widerspruch ist durch einen billigen Interessenausgleich zu lösen (Petrasch in Rummel, ABGB2, 593 §§ 483, 484 Rz 1; SZ 55/125; SZ 60/160).

Das Ausmaß einer Dienstbarkeit ergibt sich aus dem Titel, auf den sich die Servitut gründet (s. Welser, Vertragsauslegung, Gutglaubenserwerb und Freiheitsersitzung bei der Wegeservitut, JBl 1983, 4; SZ 56/60 ua). Ist Art und Ausmaß der Dienstbarkeit durch den Titel konkret bestimmt, dann spricht man von einer "gemessenen", sonst von einer "ungemessenen" Dienstbarkeit. Bei "ungemessenen" Dienstbarkeiten sind im Rahmen der ursprünglichen oder der vorhersehbaren Art der Bewirtschaftung die jeweiligen Bedürfnisse des Berechtigten maßgebend (SZ 52/99; SZ 56/60). Unbedeutende Änderungen der Benützungsart muß der Belastete hinnehmen (EvBl 1962/58), nicht aber Mehrbelastungen infolge Kultur- oder Widmungsänderung (SZ 25/304; RZ 1981/17) und allgemein erhebliche oder gar unzumutbare Erschwernisse (Petrasch in Rummel aaO; EvBl 1966/277; SZ 55/125).

Ob die gegenständliche Dienstbarkeit "gemessen" oder "ungemessen" ist, hängt davon ab, was unter dem der Beklagten eingeräumten "uneingeschränkten Geh- und Fahrrecht" zu verstehen ist. Gemäß § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Die Dienstbarkeit wurde in Verträgen eingeräumt, die zu einem Zeitpunkt errichtet wurden, als die Liegenschaft der Beklagten weder verkauft noch verbaut war. Die Liegenschaft der Beklagten ist ebenso wie die Grundstücke der Klägerinnen durch Parzellierung einer größeren Grundfläche entstanden. Die Vereinbarung eines "uneingeschränkten Geh- und Fahrrechtes" sollte offenbar sicherstellen, daß ein Verkauf des in weiterer Folge von der Beklagten erworbenen Grundstücks nicht an einem unzureichenden Anschluß an das öffentliche Wegenetz scheiterte. "Uneingeschränktes Geh- und Fahrrecht" mußte daher von einem redlichen Erklärungsempfänger als Wegerecht verstanden werden, das jede nach der Widmung zulässige Nutzung des Grundstücks ermöglichte.

Die Klägerinnen konnten damit keine andere Vorstellung verbinden:

Hätte auch ein "uneingeschränktes Geh- und Fahrrecht" nur die Nutzung des Weges durch den Eigentümer des herrschenden Grundstücks, seine Familie und allfällige Besucher erlaubt, dann wäre das Wort "uneingeschränkt" überflüssig, berechtigt doch auch ein nur als "Geh- und Fahrrecht" eingeräumtes Wegerecht zu einer Nutzung in diesem Umfang. "Uneingeschränkt" gewinnt somit im Hinblick darauf besondere Bedeutung, daß das später von der Beklagten erworbene Grundstück damals noch nicht verkauft und noch unverbaut war und den Klägerinnen daher klar sein mußte, daß der künftige Eigentümer das Grundstück auf jede nach der Widmung zulässige Art nutzen konnte. Hätten sie verhindern wollen, daß das Geh- und Fahrrecht durch gewerbliche Nutzung des Grundstücks intensiver ausgeübt würde, dann hätten sie es entsprechend einschränken müssen. Da dies nicht geschehen ist, ist mit der Beklagten davon auszugehen, daß das ihr eingeräumte "uneingeschränkte Geh- und Fahrrecht" nicht nur zur privaten Nutzung des Servitutsweges, sondern auch zur Nutzung für die Zwecke eines Gewerbebetriebes berechtigt, den die Beklagte nach der Widmung des Grundstücks zulässigerweise in ihrem als "Wohn- und Geschäftshaus" errichteten Gebäude führt. Natur und Zweck der Dienstbarkeitseinräumung werden durch eine solche Nutzung nicht überschritten (s. Welser aaO 8).

Das Servitutsrecht steht der Beklagten aber nur als Eigentümerin des Grundstücks GstNr. 2220/2 zu; nur die in dem auf diesem Grundstück errichteten Gebäude Hölzelestraße 2 d untergebrachten Gäste dürfen den Servitutsweg benützen. Das Begehren der auch als Hälfteeigentümerin aktiv legitimierten Erstklägerin (s. Petrasch in Rummel aaO 617 § 523 Rz 4 mwN) und der Zweitklägerin ist daher insoweit berechtigt, als es sich gegen die vom Erstgericht festgestellte Nutzung der Servitutsweges durch im Appartmenthaus Eicheleweg 3 e untergebrachte Gäste richtet. Insoweit liegt, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, eine unzulässige Servitutsanmaßung vor.

Das demnach in diesem Umfang berechtigte Begehren, die Beklagte habe die Nutzung der Dienstbarkeit als Servitutsweg für ihre im Haus Eicheleweg 3 e untergebrachten Gäste zu unterlassen, ist nicht unbestimmt. Es ist klar, welches Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen den Urteilsspruch begründet: Die Beklagte hat für eine Benutzung des Servitutsweges durch in ihrem Appartmenthaus untergebrachte Gäste einzustehen, wenn sie nicht alles ihr Zumutbare getan hat, um die unrechtmäßige Benützung zu verhindern. Daß sie alles getan hat, was ihr zumutbar ist, hat die Beklagte in einem allfälligen Impugnationsstreit (§ 36 EO) geltend zu machen.

Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß eine erfolgreiche actio confessoria Rechtskraft für eine actio negatoria unter denselben Parteien schafft, und umgekehrt (statt aller s. Petrasch in Rummel, ABGB2, 616 § 523 Rz 1; SZ 24/63). Ganz allgemein gilt, daß sich die Bindungswirkung einer Entscheidung als Folge der Rechtskraft grundsätzlich auf die Parteien und den "geltend gemachten Anspruch" erstreckt, über den im Urteil entschieden wurde. Soweit die beiden Begehren nicht identisch oder ihre bloße Negation sind, muß wenigstens Präjudizialität in dem Sinn vorliegen, daß der rechtskräftig entschiedene Anspruch eine Vorfrage ist (SZ 48/142 ua;

s. auch SZ 33/107).

Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auf das Verfahren 3 C 16/91 des Bezirksgerichtes Bregenz, wo zwischen der Erstklägerin und der Beklagten ausgesprochen worden sei, daß das gegenständliche Dienstbarkeitsrecht "zugunsten der Liegenschaft und somit auch zugunsten von Gästen" bestehe. Gegenstand des Verfahrens 3 C 16/91 waren Verkehrszeichen, welche die Erstklägerin (und ihr Ehegatte) hatte(n) aufstellen lassen und deren Entfernung die Beklagte verlangte. Das Berufungsgericht bejahte den Anspruch der Beklagten gegen die Erstklägerin (und gegen deren Ehegatten) auf Entfernung der Verkehrszeichen mit der Begründung, daß die Tafeln Dritte verunsichern könnten, was jedenfalls eine Störung des Servitutsrechtes wäre. Das Servitutsrecht bestehe auch zugunsten von Gästen des Dienstbarkeitsberechtigten. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, daß nicht zu prüfen sei, ob die Beklagte die Dienstbarkeit dadurch in unzulässiger Weise erweitert habe, daß sie in ihrem Haus Fremdenzimmer vermiete, weil es nur darum gehe, ob die Interessen der Beklagten durch die Verkehrszeichen in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden.

Weder das Erstgericht noch das Berufungsgericht hat demnach geprüft, welchen Umfang die Dienstbarkeit hat. "Dritte (Gäste)" sind nicht notwendig Beherbergungsgäste, sondern auch private Besucher oder Unternehmen, die für den privaten Bedarf Waren zustellen oder Leistungen (zB Reparaturen) erbringen. Es ist daher nicht richtig, daß der Anspruch der Beklagten im Vorverfahren mit der Begründung bejaht worden wäre, ihre Beherbergungsgäste seien Servitutsberechtigte. Damit fehlt es aber schon an den tatsächlichen Voraussetzungen für die von der Beklagten behauptete Bindungswirkung.

Die Beklagte behauptet, daß ein allfälliges Feststellungsinteresse der Zweitklägerin erloschen sei, weil zwischen dem Vorbringen im Verfahren 3 C 16/91 des Bezirksgerichtes Bregenz und der Klageeinbringung fast ein Jahr gelegen sei. Sie stellt damit ein Erfordernis auf, das im Gesetz keine Deckung findet: Der Feststellungsanspruch kann innerhalb der Verjährungszeit ohne weitere zeitliche Beschränkung geltend gemacht werden; für die Verjährung des Feststellungsanspruches gelten dieselben gGrundsätze wie für die Verjährung von Leistungsansprüchen (ZVR 1987/83).

Der Revision war deshalb teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 43, 50 ZPO. Die Klägerinnen sind zur Hälfte mit einem der beiden gleichbewerteten Begehren und damit, auf den Gesamtstreitwert bezogen, mit einem Viertel unterlegen; die Beklagte hat ihnen daher die Hälfte der ihnen erwachsenen Kosten und drei Viertel ihrer Barauslagen zu ersetzen.

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