Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die erstgerichtliche einstweilige Verfügung wird mit der Maßgabe wiederhergestellt, sodaß sie zu lauten hat:
"Zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei gegen den Gegner der gefährdeten Partei auf Unterlassung unrichtiger und persönlichkeitsverletzender Äußerungen wird dem Gegner der gefährdeten Partei verboten, im Zusammenhang mit der Aussage der gefährdeten Partei vor dem parlamentarischen Milchwirtschaftsuntersuchungsausschuß am 5.2.1990 die Äußerung "P*** hat gelogen" und gleichgesinnte Äußerungen abzugeben. Diese einstweilige Verfügung wird bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteiles erlassen."
Die gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung und des Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen. Der Gegener der gefährdeten Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Gegner der gefährdeten Partei hat am 5.2.1990 in einer Pressekonferenz nach einer Sitzung des parlamentarischen Milchwirtschaftsuntersuchungsausschusses erklärt, "P*** hat gelogen". Diese Äußerung wurde in einer APA-Aussendung weiterverbreitet.
Die gefährdete Partei (im folgenden Kläger) begehrt vom Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden Beklagter) Äußerungen "P*** hat gelogen" und inhaltsgleiche Äußerungen zu unterlassen, die gemachte Äußerung gegenüber der APA zu widerrufen und diesen Widerruf veröffentlichen zu lassen. Der Kläger brachte vor, Geschäftsführer der A*** Agrarverwertungsverband reg. GenmbH zu sein, ein Unternehmen, das sich auch mit der Milchpulverherstellung im Auftrag Dritter beschäftige. Vor dem parlamentarischen Milchwirtschaftuntersuchungsausschuß sei die Tätigkeit der V*** Handelsgesellschaft mbH im Zusammenhang mit der A*** erörtert worden. Der Beklagte habe erklärt, bei dieser Firma handle es sich um eine "vorgeschobene Firma des Ö***". Der darüber befragte Kläger habe wahrheitsgemäß erklärt, daß ihm allfällige Zusammenhänge zwischen dem Ö*** und der V*** nicht bekannt seien. Durch die in der Folge vom Beklagten gegenüber der Presse abgegebene unrichtige Behauptung sei dem Kläger der Vorwurf einer falschen Zeugenaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß gemacht worden. Der Kläger sei dadurch in seiner Ehre verletzt und in der Meinung der Öffentlichkeit herabgesetzt worden. Die unrichtige Äußerung des Beklagten erfülle sowohl den Tatbestand des § 1330 Abs 1 als auch jenen nach Abs 2 ABGB zweiter Satz.
Zugleich beantragte der Kläger zur Sicherung des Klagsanspruches für die Dauer des Rechtsstreites die Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhaltes, daß dem Beklagten verboten wird, die Äußerung "P*** hat gelogen" oder gleichgesinnte Äußerungen abzugeben. Das Erstgericht erließ - ohne Anhörung des Beklagten - die beantragte einstweilige Verfügung. Es nahm aufgrund der vom Kläger vorgelegten Urkunden die eingangs angeführten Tatsachen als bescheinigt an. Die bescheinigten Äußerungen stellten einen unmittelbaren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers auf Ehre dar, der sich auch außerhalb des vermögensrechtlichen Bereiches durch Kränkung und Ächtung in der Gesellschaft auswirken könne. Eine Gefahrenbescheinigung sei daher de facto entbehrlich gewesen. Das Rekursgericht wies den Provisorialantrag des Klägers ab, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 50.000 übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig ist. Ein Unterlassungsanspruch nach § 1330 Abs 1 ABGB könne zwar mittels EV gesichert werden, wenn die Gefahr der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes der Ehre drohe und eine Wiederholungsgefahr vorliege. In diesem Fall bedürfe es auch nicht der weiteren in Abs 2 der zitierten Norm geforderten Voraussetzungen. § 1330 Abs 1 ABGB garantiere den absoluten Schutz der Ehre des damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Rufes einer Person. Vorwürfe der Art, wie sie vom Beklagten gegen den Kläger erhoben worden seien, könnten daher grundsätzlich einen Verbotsanspruch des verletzten Klägers rechtfertigen. Das vom Kläger erhobene Verbotsbegehren sei jedoch viel zu weit gefaßt. Es würde nämlich dem Kläger ermöglichen, dem Beklagten auch im anderen Zusammenhang als mit der Aussage des Klägers vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß stehende Äußerungen zu untersagen. Ein derartig weit gefaßtes Verbotsbegehren stehe mangels Bestimmbarkeit eines allfälligen Verstoßes des Beklagten gegen das Verbot einer Exekutionsbewilligung entgegen. Einer amtswegigen Einschränkung des Verbotsbegehrens auf die mit der Aussage des Klägers vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß zusammenhängenden Fragen widerspreche aber dem vom Kläger ganz allgemein gewünschten Schutz seiner Ehre gegenüber dem Beklagten. Mit einer solchen Einschränkung würde dem Kläger ein aliud zugesprochen. Der Kläger habe im übrigen seinen Anspruch auch nicht bescheinigt, sodaß eine Anwendung des § 390 Abs 1 EO nicht in Frage komme. Der Vorwurf des Beklagten, der Kläger habe gelogen, beinhalte aber auch eine Tatsachenbehauptung, sodaß zu prüfen gewesen sei, ob das Provisorialbegehren nach § 1330 Abs 2 ABGB gerechtfertigt sei. Hier sei aber der Kläger der erforderlichen Bescheinigung, daß der Beklagte die Unwahrheit seiner Äußerung kannte oder kennen hätte müssen, nicht nachgekommen. Im übrigen habe der Kläger auch nicht bescheinigt, daß eine Wiederholungsgefahr bestehe. Es sei nicht zwingend, daß der Beklagte die im Rahmen eines tagespolitischen Ereignisses abgegebene Äußerung wiederhole.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Zu der vom Revisionsrsekurswerber in Zweifel gestellten Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens sei bemerkt, daß nach § 402 Abs 1 EO das Rechtsmittelverfahren im Provisorialverfahren nur dann einseitig ist, wenn das Rechtsmittel vom Gefährdeten erhoben worden ist und der Gegner noch nicht zum Antrag einvernommen wurde, wobei die Rechtsprechung unter letzterem Kriterium eine Inkenntnissetzung von der Antragstellung versteht (vgl. 7 Ob 598/90). Mit Zustellung der stattgebenden Entscheidung des Erstgerichts ist daher das Rechtsmittelverfahren zweiseitig geworden. Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit stellt sich, wie im folgenden dargelegt wird, inhaltlich als Rechtsrüge dar.
Ehrenbeleidigung ist jedes der Ehre - verstanden als Personenwürde (§ 16 ABGB) - nahetretende Verhalten (vgl. Reischauer in Rummel zu § 1330 ABGB Rz 1, Kienapfel 238 ff, Foregger im WrKomm. Vorbemerkungen zu § 111 ff Rz 1 ff). Hat man, wie hier, im in erster Instanz noch einseitig gebliebenen Provisorialverfahren von der Unrichtigkeit der Äußerung des Beklagten "P*** hat gelogen", auszugehen, so steht ihre Tatbestandsmäßigkeit iS des § 111 Abs 2 StGB außer Zweifel (vgl. Leukauf-Steininger § 111 StGB Rz 1 ff). Die berufliche Immunität eines Abgeordneten zum Nationalrat umfaßt nicht Äußerungen, die auf einer Pressekonferenz gemacht werden (vgl. ABGB MGA33 § 1330/1 c).
Die Äußerung des Beklagten in einer Pressekonferenz am 5.2.1990 im Anschluß an eine Tagung des parlamentarischen Milchwirtschaftsuntersuchungsausschusses "P*** hat gelogen" bezog sich auf dessen Aussage vor dem Ausschuß am 5.2.1990. Mit ihr brachte der Beklagte nicht nur zum Ausdruck, daß seiner Ansicht die Darstellung des Klägers nicht der diesem bekannten Tatsachen entspricht, sondern er stellte auch als erwiesen dar, daß die Aussage des Klägers wider dessen besseres Wissen erfolgt ist. Der Beklagte hat damit eine über den Informationsbedarf der Öffentlichkeit weit hinausgehende Vorverurteilung vorgenommen und darüber hinaus auch noch ein Werturteil über die sittliche Qualität des Klägers gefällt. Daraus kann entnommen werden, daß die inkriminierte Äußerung des Beklagten neben einer Ehrverletzung auch eine Tatsachenbehauptung enthält, für die allerdings der Wahrheitsbeweis zulässig ist. Wenn der Tatbestand des Abs 1 und gleichzeitig auch einer der Tatbestände des § 1330 Abs 2 ABGB erfüllt ist, muß der Beeinträchtigte die Rechte auch aus § 1330 Abs 2 ABGB geltend machen können. Ein Teil der Lehre (Koziol2 II, 172) und ein Teil der Rechtsprechung betonen, daß in
solchen Fällen ausschließlich Abs 2 anzuwenden ist (SZ 50/86 =
EvBl 1978/38 = ÖBl 1978, 3; EvBl 1978/99 = ÖBl 1978, 37). Vom
Zweck der Norm her genügt es jedoch, dem Beeinträchtigten ein Wahlrecht einzuräumen. Schützt er sich bezüglich der Ansprüche, die sich schon aus Abs 1 ergeben, auf diesen und bezüglich der zusätzlichen Rechte auf Abs 2, so gibt es jedenfalls keinen vernünftigen Grund, ihm deshalb nicht alles zuzusprechen (so Reischauer aaO, Rz 6). Das Begehren des Klägers wäre in diesem Sinne zu werten. Ist aber eine Rufschädigung gleichzeitig Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB, so hat der Betroffene bezüglich der Ansprüche nach Abs 2 nur die Tatsachenverbreitung zu beweisen. Die Richtigkeit der Tatsache (Wahrheitsbeweis) bzw. das Fehlen der (objektiven bzw. subjektiven) Vorwerfbarkeit der unrichtigen Verbreitung hat der Täter zu beweisen. Ausgehend vom Grundwert der Würde der Person (§ 16 ABGB) dürfen Vorwürfe der Art, wie sie vom Beklagten gemacht worden sind, nicht dazu führen, daß der Bezichtigte mit dem Beweis der Unwahrheit und Schuldhaftigkeit belastet wird (Reischauer aaO Rz 17 mwN). Im einseitig gebliebenen Provisorialverfahren kommt der Kläger daher seiner Beweislast schon mit der Behauptung, daß der beanstandete Vorwurf unwahr ist, nach. Nur wenn die Rufschädigung nicht gleichzeitig auch eine Ehrenbeleidigung umfaßt, trifft den Kläger nach allgemeinen Regeln die Beweislast, dh er hat die Tatsachenverbreitung und deren Ursächlichkeit für die Gefährdung oder Verletzung zu beweisen und darüber hinaus auch die Tatsachenunrichtigkeit.
Bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr darf nicht engherzig vorgegangen werden (vgl. Reischauer in Rummel zu § 1294 ABGB Rz 23 mwN). Sie ist auch bei einem einmaligen Verstoß anzunehmen. Zweck eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist die Ausübung der Kontrollrechte der Volksvertretung. Die Tätigkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses endet mit einem kenntnisnehmenden Beschluß des Nationalrates aufgrund des Ausschußberichtes oder nach einem mündlichen Bericht vor dem genannten Gremium (§ 75 Abs 4 und § 45 GeO GNR). Der Ausschußbericht und ein allfälliger Minderheitsbericht sind zu veröffentlichen (§ 39 Abs 1 und 3 GeO GNR). Da die Aussage des Klägers vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß nicht nur in der Vergangenheit im Blickpunkt des öffentlichen Interesses stand, sondern auch weiterhin in der Öffentlichkeit diskutiert wird, besteht schon rein objektiv die Möglichkeit der Wiederholung der beanstandeten Äußerung durch den Beklagten. Da es aber Sache des Beklagten ist, zwar nicht die Unmöglichkeit, aber doch die äußerste Unwahrscheinlichkeit der Wiederholung des Gesetzesverstoßes zu beweisen (bescheinigen), muß im vorliegenden Verfahrensstadium vom Vorliegen der Wiederholungsgefahr ausgegangen werden (vgl. Schönherr-Wiltschek E 29, 36 und 49 zu § 14 UWG). Der Beklagte hat zwar in seinem Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung und in seiner Klagebeantwortung das Unterlassungsbegehren mit der Behauptung bestritten, diesem sei tatsächlich eine falsche Zeugenaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß anzulasten, jedoch kann im vorliegenden Rechtsmittelverfahren nur von den bei der Beschlußfassung vorliegenden Tatsachen ausgegangen werden (vgl. MGA EO12 § 402/12 f), sodaß auf diese Behauptungen im vorliegenden Verfahrensstadium nicht eingegangen werden kann. Das Recht der Ehre ist ein Persönlichkeitsrecht im Sinne des § 16 ABGB, das gegen jedermann Schutz genießt. Wenn die Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechtes der Ehre droht, steht bei Wiederholungsgefahr auch ohne Vorliegen der für Widerruf und Veröffentlichung im § 1330 Abs 2 ABGB normierten Voraussetzungen
ein Unterlassungsanspruch zu (SZ 56/63 = EvBl 1983/91 mwN;
SZ 56/124 = EvBl 1984/60 = ÖBl 1984, 18). Hiebei kann nicht nur
der Eingriff in die Ehre, sondern auch der durch § 1330 Abs 2 ABGB geschützte wirtschaftliche Ruf einer Person absoluten Schutz beanspruchen (SZ 56/124 = EvBl 1984/60 = ÖBl 1984, 18). Daraus folgt aber, daß sich in Fällen, in denen der wirtschaftliche Ruf einer Person durch einen Eingriff in ihre Ehre verletzt wird, die Nachteile, gegen die sie Schutz beanspruchen kann, nicht in den wirtschaftlichen Auswirkungen erschöpfen. Schutzobjekt der Persönlichkeitsrechte ist die Person unmittelbar in bezug auf ein bestimmtes Rechtsgut. Persönlichkeitsrechte geben dem Geschädigten Abwehransprüche und gegebenenfalls Ansprüche auf Schadenersatz (Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Allgemeiner Teil, 2). Dem Kläger drohen somit nicht nur Vermögensnachteile, die durch Geld adäquat ausgeglichen werden können, sondern unmittelbare Eingriffe in sein Persönlichkeitsrecht, die sich auch außerhalb des vermögensrechtlichen Bereiches durch Kränkung, gesellschaftliche Ächtung usw. auswirken können. Gegen solche Eingriffe bietet nur ein Abwehranspruch (Verbotsanspruch), nicht aber ein Schadenersatzanspruch Schutz (MuR 1988, 160). Bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr und bei entsprechender Bescheinigung kann dieser Unterlassungsanspruch nach § 1330 Abs 1 ABGB auch durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden (vgl. Heller-Berger-Stix, 2724).
Richtig ist, daß das Unterlassungsbegehren des Klägers zu weit gefaßt ist. Dem Revisionsrekurswerber ist aber darin beizupflichten, daß sich das begehrte Verbot aufgrund der Klagserzählung nur auf den im Zusammenhang mit seiner Aussage vor dem parlamentarischen Milchwirtschaftsuntersuchungsausschuß stehenden ehrenrührigen Vorwurf des Beklagten in der anschließenden Pressekonferenz bezieht. Dem Gericht steht es zu, dem Spruch eines Begehrens eine klare und deutliche, unter Umständen auch vom Begehren abweichende Fassung zu geben, falls sich dies im Wesen mit dem Begehren deckt, dabei ist nicht nur der Wortlaut des Begehrens, sondern auch der Inhalt der Klage zu beachten (vgl. MGA ZPO14 § 405/3 f).
Aufgrund der Einseitigkeit des erstinstanzlichen Provisorialverfahrens mußte daher die beantragte einstweilige Verfügung erlassen werden. Es wird Sache des Beklagten sein, im Widerspruchsverfahren den Wahrheitsbeweis anzutreten. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 78, 402 EO, §§ 41 und 50 ZPO. Der Beschränkung des Verbotsausspruches auf die Äußerungen des Klägers, die im Zusammenhang mit seiner Aussage am 5.2.1990 vor dem parlamentarischen Milchwirtschaftsuntersuchungsausschuß stehen, kommt aus den oben genannten Gründen keine Kostenwirkung zu. Gemäß § 393 Abs 1 EO hat der Kläger die Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig selbst zu tragen, dem unterlegenden Beklagten steht in diesem Zwischenverfahren kein Kostenanspruch zu, sein Kostenbegehren war daher endgültig abzuweisen.
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