OGH 5Ob166/07h

OGH5Ob166/07h28.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gemeinde B*****, vertreten durch Mag. Robert Hofbauer, Rechtsanwalt in Wiener Neudorf, gegen die beklagte Partei F***** S***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Mario Sollhart, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 20.160,14 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 27. März 2007, GZ 18 R 6/07x-44, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Das Berufungsgericht hat den Rücktritt der Klägerin von dem mit der Beklagten abgeschlossenen Werkvertrag im Wesentlichen deshalb für berechtigt erkannt, weil aufgrund näher bezeichneter schwerwiegender Mängel der von der Beklagten zu leistenden Fliesenverlegearbeiten deren Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht mehr zumutbar gewesen sei.

Die Beklagte macht in ihrer außerordentlichen Revision zusammengefasst geltend, dass der Rücktritt der Klägerin vom Werkvertrag - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - ohne (ausreichende) rechtliche Grundlage erfolgt sei. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hätten die den Leistungen der Beklagten vorausgehenden Isolierungsarbeiten bis 6. 10. 2004 durchgeführt werden müssen und von der Beklagten wären anschließend die Verfliesungen innerhalb von drei Wochen fertigzustellen gewesen (Endtermin 29.10.2004). Die Klägerin sei vom Werkvertrag unberechtigt vor Ablauf dieser Leistungsfrist und ohne Nachfristsetzung bereits am 22. 10. 2004 zurückgetreten.

Indem das Berufungsgericht diesen Rücktritt für berechtigt erachte, unterscheide es rechtsirrig nicht zwischen der Notwendigkeit der Nachfristsetzung, welche unter gewissen Umständen der Aussichtslosigkeit entfallen könne, und dem vereinbarten Endtermin, welcher immer abgewartet werden müsse (JBl 1976, 535). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz werde nach HS 273/42 und MietSlg 24.093 nur bei vorzeitiger Leistungsverweigerung zugelassen, die jedoch hier nicht vorliege. Das Berufungsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass eine Nachfrist erst ab Rücktrittserklärung und hier bei einem späteren Endtermin (29. 10. 2004) ab diesem zu laufen beginnen könne. Die Setzung einer Nachfrist könne nur dann entfallen, wenn sie aussichtslos oder zwecklos wäre. Eine derartige Situation könne jedoch nur angenommen werden, wenn der Schuldner zu einer langdauernder Freiheitsstrafe verurteilt worden und wirtschaftlich nicht in der Lage sei, die Vertragsverbindlichkeiten zu erfüllen (vgl HS 5.325), wenn dem verkauften Gegenstand die bedungenen und nicht mehr beilegbaren Eigenschaften fehlten (vgl JBl 1974, 574) oder andere Umstände es ausgeschlossen erscheinen ließen, dass der Schuldner die gesetzte Nachfrist zur Nachholung nützen werde (HS 4.296). Diese Voraussetzungen seien hier jedoch nicht vorgelegen, weil der Vertragsrücktritt bereits eine Woche vor dem vereinbarten Endtermin erklärt worden sei und die Beklagte in der Lage gewesen wäre, in dieser Woche die vereinbarte Leistung zu erbringen. Schließlich könne der Vertragsrücktritt nach § 918 Abs 1 ABGB nur dann erklärt werden, wenn der Vertragspartner seinerseits vertragstreu gehandelt habe (vgl JBl 2003, 240), was auf die Klägerin wegen des von ihr zu vertretenden Fehlens von Vorleistungen nicht zutreffe. Soweit das Berufungsgericht annehme, die Beklagte wäre nicht in der Lage gewesen, das Werk zeit- und fachgerecht zu erfüllen, finde diese Annahme in den Feststellungen des Erstgerichts keine Deckung.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte macht in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend:

1. Vor Übernahme der vereinbarten Leistungen kommen die Vorschriften über den Vertragsrücktritt (§§ 918 ff ABGB) zur Anwendung, nach Übergabe die Gewährleistungsvorschriften (3 Ob 13/07v). Grundsätzlich gilt zwar, dass das Recht auf Vertragsrücktritt nach § 918 ABGB mit der Wirkung der Vertragsaufhebung ex tunc (RIS-Justiz RS0018414) nur dem vertragstreuen Teil zusteht (RIS-Justiz RS0016326); es wurde aber bereits ausgesprochen, dass auch dem selbst in einer Leistungsstörung Verfangenen das Rücktrittsrecht zusteht, wenn seine Interessen durch Nichterfüllung des anderen Vertragsteils so beeinträchtigt werden, dass ihm die Aufrechterhaltung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann (7 Ob 646/87 = JBl 1988, 445; RIS-Justiz RS0018286 [T4]). Die Bestimmung des § 918 Abs 2 ABGB sanktioniert nämlich nicht ausschließlich einen Leistungsverzug, sondern auch den in der Verweigerung der Zuhaltung von vereinbarten wesentlichen Vertragsbedingungen gelegenen Vertragsbruch, wenn er mit einer schweren Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners einhergeht (7 Ob 77/06h; RIS-Justiz RS0018286).

2. Der Rücktritt wird zwar grundsätzlich erst nach angemessener Nachfrist wirksam (RIS-Justiz RS0018395); wenn der Vertragspartner die Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht aber ausdrücklich verweigert oder durch sein besonderes Verhalten vereitelt hat, kann die Setzung einer Nachfrist unterblieben, da sie sinnlos wäre (RIS-Justiz RS0018371). Der Setzung einer Nachfrist bedarf es auch dann nicht, wenn der Beklagte offensichtlich nicht in der Lage ist, die Erfüllung der bedungenen Eigenschaften nachzuholen (RIS-Justiz RS0018400). Schließlich darf der Werkbesteller dann von einer offensichtlichen Unfähigkeit des Werkunternehmers bzw einer Sinnlosigkeit der Nachfristsetzung ausgehen, wenn schon das bisherige Scheitern der Fertigstellung des Werks auf einen vom Unternehmer zu verantwortenden Fehler zurückzuführen war (4 Ob 587/87 = JBl 1988, 241). Dieses Rechtsverständnis harmoniert nicht zuletzt mit der Gesetzeslage, wie sie sich nach Leistungsannahme aufgrund der Gewährleistungsregelung des § 932 Abs 4 ABGB darstellt. Danach steht der Rechtsbehelf der zweiten Stufe (sekundärer Rechtsbehelf; Preisminderung oder Wandlung) ua dann sofort, also ohne Mängelbeseitigungsmöglichkeit offen, wenn diese aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar ist. Dies kann etwa dann zutreffen, wenn das Misslingen der erbrachten Werkleistung eine nicht mehr zu tolerierende Unzuverlässigkeit oder ein generelles Unvermögen des Werkunternehmers dokumentiert, das bestellte Werk ordnungsgemäß auszuführen (vgl 6 Ob 85/05a = JBl 2006, 458 = EvBl 2006/44), bzw beim Vorliegen von Mängeln, die eine besondere Sorglosigkeit und Nachlässigkeit des Unternehmers nahelegen (Jud, Die Rangordnung der Gewährleistungsbehelfe. Verbrauchgüterkaufrichtlinie, österreichisches, deutsches und UN-Kaufrecht im Vergleich, in Helms/Neumann/Caspers/Sailer/Schmidt-Kessel [Hrsg], Das neue Schuldrecht, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler (2001) 205 [218 mwN]).

3. Soweit sich die Beklagte auf den bei Vertragsrücktritt durch die Klägerin noch nicht erreichten Leistungsendtermin beruft, verkennt sie die Rechtslage und die wesentliche Argumentation des Berufungsgerichts. § 918 Abs 1 ABGB eröffnet nämlich die Möglichkeit des Vertragsrücktritts nicht nur dann, wenn ein entgeltlicher Vertrag von einem Teil nicht zur gehörigen Zeit, sondern auch dann, wenn er nicht „auf die bedungene Weise", also etwa nicht in vertragskonformer Qualität erfüllt wird (7 Ob 286/05t). Gerade diesen Fall hat hier das Berufungsgericht angenommen. Ob diese Beurteilung zutrifft und ob sich daraus derart wichtige Gründe ergeben, dass eine sofortige Vertragsaufhebung gerechtfertigt ist, stellt eine Frage des Einzelfalls dar, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (7 Ob 77/06h). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende gravierende Fehlbeurteilung dieser Frage liegt nicht vor. Nach den Feststellungen des Erstgerichts zeigten nämlich die von der Beklagten erbrachten „Leistungen" folgendes Bild:

„... Ins Auge fiel das unregelmäßige Fugenbild in Wand- und Bodenbelägen. Die Räume zwischen den Fliesen, welche als Fugen bezeichnet werden, wiesen deutliche Differenzen in der gewählten Breite auf. Die bisher verlegten Flächen (Wände, wie Böden) waren generell nicht verfugt, die Fugenbreite variierte von 2 bis 7 mm. Auf allen Wänden und Böden war das Erscheinungsbild störend ungleichmäßig, die Beläge an der Wand waren außerdem nicht lotrecht verlegt, plus/minus 1 cm. Die senkrechten Eckfugen - sogenannte Ichsen - wurden nahezu in allen verlegten Wohneinheiten als Knirsch- oder Pressfugen ausgeführt. An diesen Knirsch-, Pressfugen wurde im Nachhinein versucht, mittels rotierender Diamantscheibe die erforderliche offene Fuge herzustellen. Als Folge dieser Maßnahme stellte (der Sachverständige) irreparable Schäden an Fliesenflanken fest, welche durch freihändiges Führen der entsprechenden Maschine entstanden. An den jeweils den Schnittstellen gegenüberliegenden Wandflächen wurde durch Schneidemittelauswurf der Maschine die keramischen Fliesen in ihrer Oberfläche irreparabel beschädigt. In mehreren Fällen waren Fliesen durch das Auffräsen gesprungen oder überhaupt abgefallen. Die Auslässe in den Fliesen, welche an Rohrdurchführungen angepasst werden mussten, wiesen in nahezu allen Wohneinheiten zu kleine oder zu große Querschnitte auf, aufgekämmt wurde der verwendete Fliesenkleber mit einer 6 mm Zahnung, was in den Bereichen von bereits abgefallenen Fliesen erkennbar war. Teilbereiche der Wandverfliesungen ließen sich ohne besonderen Kraftaufwand von Hand ablösen. Die Rückseite der Fliesen zeigte in diesen Fällen keine erwähnenswerte Anhaftungen von Fliesenkleber. ... Die Böden, welche diagonal verlegt wurden, wurden in vielen Randbereichen innig an die aufgehenden Bauteile angearbeitet, Gleiches konnte bei den Metalltürzargen festgestellt werden. Die Randstreifen, welche den Estrich von den aufgehenden Bauteilen trennen, wurden bereits vor Beginn der Verlegearbeiten entfernt. Die Metallschienen, welche als Kantenschutz der Fliesen vorgesehen waren, überragten den keramischen Belag in seiner Höhenlage um ca 1 bis 1,5 mm. Die seitlichen Anbindungen an aufgehende Bauteile waren in vielen Bereichen als Pressfuge ausgeführt, in anderen Teilbereichen waren übergroße Abstände zum senkrechten Wandteil zu sehen. Diese „Großfugen" können auch durch die noch anzubringenden Sockelfliesen nicht abgedeckt werden. ... (Der Sachverständige) erkannte in den bisher von der beklagten Partei ausgeführten Fliesenverlegearbeiten eine Vielzahl von Mängeln und die Arbeiten nicht entsprechend der ÖNORM B 2207 durchgeführt. Als Mängelbehebung wurde empfohlen, sämtliche bisher verlegter Beläge zu entfernen, eine Sanierung der beschädigten Untergründe durch Spachteln, Abschleifen usw Grundieren, vorzunehmen, eine Instandsetzung der Isolierung an der Wand durchzuführen, sowie eine richtige Isolierung am Anhydritestrich aufzubringen, vermauerte Wannenkörper durch Abschleifen, Spachteln oder komplette Entfernung des Mauermaterials für anschließende Verfliesungsarbeiten vorzubereiten und eine Neuverlegung mit vereinbartem Fliesenmaterial durchzuführen. ...."

Wenn das Berufungsgericht angesichts dieser Werk„leistungen" der Beklagten davon ausging, dass deren Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht mehr zumutbar sei, dann liegt darin jedenfalls keine unvertretbare Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher unzulässig und zurückzuweisen.

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