OGH 3Ob113/07z

OGH3Ob113/07z28.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der führenden betreibenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte Kommanditpartnerschaft in Wiener Neustadt, ua betreibende Gläubiger, wider die verpflichtete Partei Johann K*****, vertreten durch Mag. Michael Müller-Mezin, Rechtsanwalt in Graz als Verfahrenshelfer, wegen 88.436,77 EUR sA und weiterer betriebenen Forderungen, infolge der Revisionsrekurse der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 15. Dezember 2006, GZ 4 R 346/06s-322, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 23. April 2007, AZ 4 R 346/06s, womit der Rekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Bad Radkersburg vom 6. Juni 2006, GZ 6 E 26/02b-298, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der betreibenden Partei wurde am 7. April 1998 die Zwangsversteigerung von zwei Liegenschaften (EZ 47 und 198 eines näher genannten Grundbuchs) zur Hereinbringung von 1,216.916,46 öS (= 88.436,77 EUR) samt 12 % Zinsen daraus seit 30. September 1997 bewilligt (AZ 5 E 2/98d des szt Bezirksgerichts Mureck, fortgeführt unter AZ 6 E 26/02b des Bezirksgerichts Bad Radkersburg). Dem Zwangsversteigerungsverfahren sind mehrere andere Gläubiger beigetreten, nämlich ua die K***** zur Hereinbringung von 34.115,85 öS samt 12 % Zinsen seit 28. November 1991 (Exekutionsbewilligung vom 23. März 1999, AZ 5 E 12/99a des szt Bezirksgerichts Mureck); die führende betreibende Partei zur Hereinbringung von Kosten von 77.688 öS, 38.854,80 öS und 5.905,04 öS (Exekutionsbewilligung vom 8. Juni 1999, AZ 5 E 21/99z des szt Bezirksgerichts Mureck); nur in Ansehung der versteigerten Liegenschaft EZ 198: der Beitrittsgläubiger Dr. Hansjörg A***** zur Hereinbringung von 47.071,58 öS samt 12 % Zinsen seit 16. Dezember 1992 (Exekutionsbewilligung vom 15. Juni 1998, AZ 5 E 5/98w des szt Bezirksgerichts Mureck); Dr. Erich T***** zur Hereinbringung von 10.107,53 öS (Exekutionsbewilligung vom 16. März 1999, AZ 5 E 11/99d des szt Bezirksgerichts Mureck); I***** AG zur Hereinbringung von 11.445 öS (Exekutionsbewilligung vom 8. Juni 1999, AZ 5 E 14/99w des szt Bezirksgerichts Mureck). Im Rang nach diesen angeführten Beitrittsgläubigern wurde der E*****-GmbH (im Folgenden hier nur Beitrittsgläubigerin) zur Hereinbringung von 547.282,50 öS am 9. Februar 2000 der Beitritt zur Zwangsversteigerung bewilligt (AZ 5 E 5/00a des szt Bezirksgerichts Mureck). Über das Vermögen dieser Gesellschaft war bereits am 9. November 1993 der Konkurs eröffnet worden. Nach Aufhebung des Konkurses am 30. Dezember 1994 wurde die Beitrittsgläubigerin im Firmenbuch amtswegig wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG gelöscht. Zum Versteigerungstermin in der hier zu beurteilenden Zwangsversteigerungssache am 1. Juni 2006 wurde die schon gelöschte Beitrittsgläubigerin in der Form geladen, dass die Zustellung des Versteigerungsedikts an den in Deutschland wohnhaften, früheren Geschäftsführer und Mitgesellschafter im Rechtshilfeweg vorgenommen wurde.

Gemäß dem Versteigerungsedikt (ON 239) betrugen die Schätzwerte der beiden versteigerten Liegenschaften 72.672,83 EUR und 17.078,12 EUR. Die Liegenschaften wurden zwei Meistbietenden, die jeweils nur allein ein Anbot stellten, um jeweils das geringste Gebot (Hälfte des Schätzwerts) zugeschlagen. In der Versteigerungstagsatzung hatte der Verpflichtete jeweils Widerspruch gegen den beabsichtigten Zuschlag mit der Begründung erhoben, die obgenannte Beitrittsgläubigerin sei nicht wirksam vom Versteigerungstermin verständigt worden, weil ihr ehemaliger Geschäftsführer infolge Löschung der GmbH nicht mehr Organ derselben gewesen sei.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Verpflichteten gegen die Zuschlagserteilungen des Erstgerichts zurück. Ein Widerspruch gegen die Zuschlagserteilung sei dann unbeachtlich, wenn er sich auf Umstände stütze, durch welche die Rechte des Widersprechenden nicht berührt würden. Ein Rekurs gemäß § 187 Abs 1 EO setze eine Beeinträchtigung der Rechte des Widersprechenden voraus. Selbst bei Zutreffen des Standpunkts des Verpflichteten über eine unwirksame Zustellung an die Beitrittsgläubigerin gäbe es hier keinen vernünftigen Grund für die Annahme, dass die wegen Vermögenslosigkeit gelöschte beigetretene Hypothekargläubigerin in der Versteigerungstagsatzung mitgesteigert hätte, weil allein schon die betriebene Kapitalforderung der führenden betreibenden Partei in etwa der Summe der Schätzwerte (89.750 EUR) entspreche und sich die gelöschte Beitrittsgläubigerin im schlechteren bücherlichen Rang befinde. Der Verpflichtete habe nicht einmal behauptet, dass eine unwirksame Zustellung an die Beitrittsgläubigerin das Auftreten eines sonst geeigneten Bieters verhindert hätte. Mangels Beschwer sei der Rekurs zurückzuweisen, ohne das es erforderlich wäre, auf das Rechtsmittel sachlich einzugehen und die Zustellung an die Beitrittsgläubigerin zu prüfen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, in Ansehung der Liegenschaft EZ 198 vorbehaltlich eines Abänderungsantrags. Über den mit dem Revisionsrekurs verbundenen Abänderungsantrag des Verpflichteten sprach das Rekursgericht aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs betreffend die Liegenschaft EZ 198 doch zulässig sei.

Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, ist der Revisionsrekurs des Verpflichteten, der die Versagung der Zuschlagserteilung in Ansehung der Liegenschaft EZ 198 anstrebt, mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig, gleiches gilt für den außerordentlichen Revisionsrekurs in Ansehung der Liegenschaft EZ 47.

Rechtliche Beurteilung

a) Die im Firmenbuch gelöschte Beitrittsgläubigerin bestand als Rechtsperson noch fort, solange noch Aktivvermögen vorhanden war (RIS-Justiz RS0050186). Der Oberste Gerichtshof hat allerdings schon ausgesprochen, dass mit der nur deklarativ wirkenden Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch konstitutiv der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der bisherigen Geschäftsführer oder Liquidatoren verbunden (6 Ob 330/98t) und für den Fall, dass nach der Löschung der Gesellschaft Aktivvermögen hervorkommt, eine Nachtragsliquidation zu führen sei (6 Ob 19/01i = SZ 74/28; 4 Ob 57/03s uva). In einem solchen Fall sind auf Antrag eines Beteiligten vom Gericht Abwickler zu ernennen (§ 40 Abs 4 FBG; früher § 2 Abs 3 ALöschG). Daraus folgt die Unwirksamkeit der im vorliegenden Zwangsversteigerungsverfahren erfolgten Zustellung des Versteigerungsedikts an den früheren Geschäftsführer der gelöschten Beitrittsgläubigerin. Damit allein ist aber für den Revisionsrekurswerber noch nichts gewonnen, weil er iS der zutreffenden und von oberstgerichtlicher Judikatur gedeckten Ansicht des Rekursgerichts schon bei seinem Widerspruch gegen die Zuschlagserteilung eine Verletzung seiner materiellen Rechtschutzinteressen infolge der mangelhaften Ladung der Beitrittsgläubigerin darzutun gehabt hätte:

b) Die Zustellvorschrift des § 171 EO, wonach das Versteigerungsedikt allen Parteien und dinglich Berechtigten zuzustellen ist, ist nicht reiner Selbstzweck. Auf eine unterbliebene Zustellung kann ein Widerspruch gegen die Zuschlagserteilung (§ 184 Abs 1 Z 3 EO) nur bei Verletzung eines Rechtschutzinteresses gegründet werden. Der Widersprechende muss durch die Erteilung des Zuschlags benachteiligt sein (Angst in Angst, EO, § 184 Rz 3 § 187 Rz 6, je mwN). Dies ist nicht der Fall, wenn der nicht verständigte Buchberechtigte entweder ohnehin aufgrund seines Pfandrechts voll zum Zug kommt oder aber es geradezu undenkbar ist, dass er auch bei Erfolg seines Widerspruchs aus der Verteilungsmasse Deckung findet (Angst, aaO). Wenn der Verpflichtete einen Zustellmangel releviert, hat er eine Beeinträchtigung seines materiellen Rechts zu behaupten (so schon SZ 19/327 = RZ 1938, 90). Eine solche Beeinträchtigung könnte hier nur darin liegen, dass bei wirksamer Zustellung des Versteigerungsedikts an die wegen Vermögenslosigkeit gelöschte Beitrittsgläubigerin ein höheres Meistbot erzielbar gewesen wäre. Dies ist iSd von der zweiten Instanz zitierten Judikatur (vgl auch 3 Ob 133/67 = JBl 1968, 481 = EvBl 1968/219) aber im Hinblick darauf „geradezu undenkbar", das der Beitrittsgläubigerin mehrere andere Beitrittsgläubiger im Rang der Anmerkungen des jeweiligen Beitritts zur Zwangsversteigerung vorausgehen und allein schon die Forderung der hier führenden betreibenden Partei (Kapital samt Zinsen) rund das Doppelte des Schätzwerts der beiden Liegenschaften ausmacht. Dass die vom Termin nicht wirksam verständigte Beitrittsgläubigerin keinesfalls zum Zug kommen kann, ist evident, weil bei lebensnaher Betrachtung nicht angenommen werden kann, das auch bei intensivem Bemühen ein Bieter zu finden gewesen wäre, der bereit gewesen wäre, ein Vielfaches der Schätzwerte zu bieten. Dass die gelöschte Beitrittsgläubigerin selbst die Liegenschaften (eine der Liegenschaften) erworben hätte, ist ebenfalls undenkbar, besteht doch ihr einziges Vermögen in der hier betriebenen, nachrangigen Forderung, die nach der Aktenlage im Zwangsversteigerungsverfahren offensichtlich uneinbringlich ist. Es liegt also auf der Hand, das selbst bei wirksamer Zustellung an die gelöschte Beitrittsgläubigerin diese im Zwangsversteigerungsverfahren untätig geblieben wäre.

Das Rekursgericht hat bei diesem Sachverhalt zutreffend eine Beschwer des Verpflichteten durch den objektiv vorliegenden Verfahrensmangel der fehlenden Zustellung des Versteigerungsedikts an die Beitrittsgläubigerin verneint.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte