OGH 2Ob282/06v

OGH2Ob282/06v24.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas K*****, vertreten durch Rechtsanwälte Kreuzberger - Stranimaier - Köstner OEG in Bischofshofen, gegen die beklagten Parteien 1. Markus R*****, vertreten durch Mag. Siegfried Berger, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, 2. Sebastian H*****, vertreten durch Dr. Josef Dengg und andere Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, und 3. S*****-Versicherung AG, ***** vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 39.805,33 sA und Feststellung (Streitinteresse: EUR 4.000), infolge der außerordentlichen Revisionen der zweitbeklagten und der drittbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 25. Oktober 2006, GZ 3 R 141/06k-49, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Revision des Zweitbeklagten:

1. Eine Verpflichtung des Mitfahrers, sich nach der Lenkberechtigung des Fahrzeuglenkers zu erkundigen, besteht nicht, wenn nicht Gründe vorhanden sind, aus denen ein konkreter Verdacht besteht, dass dem Lenker die Berechtigung fehlt (RIS-Justiz RS0065491). Dieser Grundsatz ist nicht auf bestimmte Klassen von Kraftfahrzeugen beschränkt. Der Zweitbeklagte bestreitet gar nicht, dass er das Vorliegen konkreter Verdachtsmomente bezüglich der Lenkberechtigung des Erstbeklagten nicht einmal behauptet hat. Indem das Berufungsgericht die vergleichsweise geringere Anzahl von Lenkberechtigungen für Traktoren allein (im Ergebnis) als nicht ausreichend angesehen hat, um eine Erkundigungspflicht des Klägers zu bejahen, ist ihm keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen.

Davon abgesehen vermeidet der Zweitbeklagte jegliche Auseinandersetzung mit der auch den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und der unterlassenen Erkundigung verneinenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes. Auch insofern zeigt er somit keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

2. Echtes Handeln auf eigene Gefahr kommt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nur dann in Betracht, wenn dem Gefährder keine Schutzpflichten gegenüber jenem oblagen, der die Gefahr erkannte oder erkennen konnte und dem daher eine Selbstsicherung zugemutet werden konnte (RIS-Justiz RS0023101). Dass den Erstbeklagten (als Traktorlenker) gegenüber seinen Mitfahrern solche Schutzpflichten trafen, wird in der Revision zu Recht nicht in Frage gestellt, ist doch die Schutznorm des § 106 Abs 7 KFG (idF BGBl I 2002/80) sowohl an den Lenker als auch an die von ihm beförderten Personen adressiert. In solchen Fällen liegt aber nur „unechtes" Handeln auf eigene Gefahr vor, sodass eine tatsächlich vorhandene Selbstgefährdung (nur) im Rahmen des Mitverschuldenseinwandes zu prüfen ist (7 Ob 196/99w = ZVR 1999/101).

Die Vorgangsweise des Berufungsgerichtes steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang; eine durch den Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt daher auch insoweit nicht vor.

II. Zur Revision der drittbeklagten Partei:

1. Eine relevante Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist von einer Schwarzfahrt im Sinne des § 6 EKHG dann nicht auszugehen, wenn das Fahrzeug dem Lenker von einer Vertrauensperson des Halters überlassen wurde (RIS-Justiz RS0058289; Danzl, EKHG7 § 6 Anm 1c aE; Schauer in Schwimann, ABGB³ VII § 6 EKHG Rz 12 und 31; Apathy, EKHG § 6 Rz 32). Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 2066/96s = SZ 69/136 klargestellt hat, liegt selbst dann keine Schwarzfahrt vor, wenn der vom Halter beauftragte Fahrer das Fahrzeug gegen den Willen des Halters von einem Unbefugten lenken lässt und der unberechtigte Fahrer ohne Herrschaftswillen das Kraftfahrzeug im Rahmen der genehmigten Fahrt lenkt.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Rechtsprechung seien auch im vorliegenden Fall erfüllt, in welchem der Erstbeklagte das Traktorgespann von einer - wohl befugten (vgl 7 Ob 303/05t) - Vertrauensperson der Vertrauensperson des Halters übernommen hat, steht mit der zitierten Rechtsprechung nicht im Widerspruch und ist jedenfalls als vertretbar anzusehen.

3. Aber auch die in der Revision aufgeworfene Frage nach der möglichen Präjudizialität der Entscheidung 7 Ob 303/05t = ZVR 2006/174 für den vorliegenden Rechtsstreit erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO. Mit dieser Entscheidung, die in der gegenständlichen Unfallsache ergangen ist, wurde die Deckungsklage des hier Erstbeklagten (Traktorlenker) gegen die hier drittbeklagte Partei (Haftpflichtversicherer) im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass seine Fahrt nicht vom Willen der Fahrzeughalter getragen und er daher nicht Mitversicherter im Sinne des § 2 KHVG gewesen sei.

Inwieweit dieses Ergebnis für die hier maßgebliche, in Pkt 2. soeben erörterte und vom Berufungsgericht vertretbar gelöste Rechtsfrage von präjudizieller Bedeutung sein soll, ist nicht ersichtlich, stellt sich doch die Frage nach dem Vorliegen einer Schwarzfahrt im Sinne des § 6 EKHG überhaupt erst dann, wenn die Benützung des Fahrzeuges gegen den Willen des Halters erfolgte. Im Übrigen bliebe selbst im Falle einer Schwarzfahrt nach § 6 Abs 1 Satz 2 oder Abs 2 EKHG die Gefährdungshaftung des Halters, damit aber auch jene des Haftpflichtversicherers, bestehen (zum dreistufigen Haftungsmodell des § 6 EKHG vgl Schauer aaO § 6 EKHG Rz 2).

III. Zu beiden Revisionen:

1. Den Revisionswerbern ist zwar beizupflichten, dass in der Mitfahrt des Klägers ein im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem eingetretenen Schaden stehender Verstoß gegen die Schutznorm des § 106 Abs 7 KFG (aF) lag, besteht doch der Zweck dieser Schutznorm ganz allgemein (auch) darin, die auf einem Anhänger beförderte Person selbst nicht zu gefährden. Konnte diese die Verletzung der Vorschrift (hier durch den Erstbeklagten) erkennen, traf auch sie ein Verschulden (RIS-Justiz RS0026785), es sei denn, sie beweist, dass der Schaden in gleicher Weise auch ohne Übertretung der Schutznorm eingetreten wäre (ZVR 1987/125 uva).

Dieser Entlastungsbeweis ist dem Kläger nicht gelungen. Auch die Voraussetzungen einer zulässigen Personenbeförderung nach § 63 KDV lagen nicht vor. Schließlich wäre für eine Ausnahmegenehmigung durch den Landeshauptmann gemäß § 106 Abs 8a KFG (aF) der Kläger beweispflichtig gewesen.

2. Beim Zusammentreffen von Gefährdungs- mit Verschuldenshaftung ist gemäß § 7 Abs 1 EKHG der § 1304 ABGB (sinngemäß) anzuwenden. Hiebei findet eine Abwägung der haftungsbegründenden Betriebsgefahr und des mitwirkenden Verschuldens des Geschädigten statt (RIS-Justiz RS0029786, insbesondere T2; Danzl aaO § 7 Anm 1; Schauer aaO § 7 EKHG Rz 6).

Diese Abwägung ist - wie im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 1304 ABGB - stets von den Umständen des Einzelfalles geprägt (vgl RIS-Justiz RS0087606). Dies gilt ebenso für die Frage, ob ein geringes Verschulden noch vernachlässigt werden kann (vgl 2 Ob 13/06k mwN; Schauer aaO aE).

Im vorliegenden Fall bewirkte das Vertauschen der Hydraulikanschlüsse für Bremse und Kippmechanismus des Traktoranhängers eine außergewöhnliche Betriebsgefahr, der eine - berücksichtigt man, dass der Personentransport mit Anhängern gesetzlich nicht schlechthin untersagt, sondern in Ausnahmefällen genehmigt werden kann und der Unfall auch im Falle einer solchen Genehmigung nicht vermeidbar gewesen wäre - als geringfügig zu wertende Sorglosigkeit des Klägers in eigenen Angelegenheiten gegenübersteht. Insgesamt überwiegen die Zurechnungsgründe auf Seiten des Fahrzeughalters doch derart deutlich, dass die Vernachlässigung des geringfügigen Mitverschuldens des Klägers vertretbar erscheint. Dem Berufungsgericht, welches - wenn auch auf anderem Wege - zu diesem Ergebnis gelangte, ist abermals keine gravierende Fehlbeurteilung vorwerfbar.

3. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO waren die außerordentlichen Revisionen des Zweitbeklagten und der drittbeklagten Partei daher zurückzuweisen.

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