OGH 8Ob15/07z

OGH8Ob15/07z18.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Dr. Alexander M*****, vertreten durch Wildmoser Koch & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. Florian Gehmacher, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Dr. Karl-Lueger-Ring 12, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H*****gesellschaft, 2. Dr. Florian G*****, beide vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 625.652,07 sA, über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. November 2006, GZ 3 R 72/06i-22, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Im gegenständlichen Verfahren ist strittig, ob die Verpflichtung des Klägers, der Aufsichtsratsvorsitzender der späteren Gemeinschuldnerin war, zur Zahlung des dritten Teilbetrages von ATS 7,500.000 gemäß Punkt 1.3. des Vergleiches nur dann und nur soweit besteht, als dies zur Erreichung einer 20 %igen Befriedigungsquote der Gläubiger erforderlich ist oder ob der Kläger diese Zahlung unabhängig von der erzielten Konkursquote jedenfalls zu leisten hat, wenn ein formeller Zwangsausgleich nicht zustande kommt.

Das Berufungsgericht kam zur Ansicht, dass die Vereinbarung im erstgenanntem Sinn auszulegen ist und der Kläger daher den strittigen Betrag, mit dem er infolge Abrufung einer Bankgarantie durch den Masseverwalter zu Unrecht belastet worden ist, zurückverlangen könne. Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0017915; RS0017797; 3 Ob 240/02v uva). Nach ständiger Rechtsprechung stellt die Auslegung eines Vergleichs keine Rechtsfrage dar, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommen würde (8 ObA 78/06p; RIS-Justiz RS0113785, RS0042776 uva).

Mit seinen Ausführungen, dass in von Anwälten ausverhandelten Verträgen immer wieder juristische Begriffe verwendet werden, die der Klient anders verstehe als der gegnerische Anwalt des Erklärungsempfängers, weshalb zu klären sei, „ob es in derartigen Fällen darauf ankomme, was der Klient unter der von seinem Anwalt gewählten Formulierung verstehen dürfe, oder darauf, wie der gegnerische Anwalt als Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung seines juristischen Wissens den von der anwaltlich vertretenen Partei stammenden Formulierungsvorschlag redlicherweise verstehen dürfe", zeigt der Rechtsmittelwerber schon deshalb keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf, da der Oberste Gerichtshof nicht abstrakte Rechtsfragen zu lösen hat.

Entgegen der vom Rechtsmittelwerber vertretenen Auffassung, kann aber dem Berufungsgericht bei Lösung der hier zur Beurteilung stehenden Auslegungsfragen keine gravierende Fehlbeurteilung vorgeworfen werden, die das korrigierende Einschreiten des Obersten Gerichtshofs erforderlich machen würde.

Bedenkt man, dass die Formulierung „... höchstens jedoch einen

Betrag, der zur Erreichung einer 20 %igen Zwangsausgleichsquote

erforderlich ist ..." jedenfalls unter Mitberücksichtigung des

Vertragspunktes wonach der Kläger von der Zahlung ... „dann ...

(gemeint: von der vorstehenden Leitung gänzlich) befreit wird, wenn

im Konkursverfahren ... ein Zwangsausgleichsantrag gestellt wird, der

von den Gläubigern angenommen und innerhalb der Frist erfüllt wird", jedenfalls auch in dem Sinn verstanden werden kann, dass damit auf das gesetzliche Erfordernis für einen Zwangsausgleich abgestellt wird, das tatsächlich mindestens 20 % beträgt, kann in der vom Berufungsgericht gewählten Auslegungsvariante eine „denkunmögliche Anwendung der Regeln der Grammatik" nicht erblickt werden. Soweit der Rechtsmittelwerber dem Berufungsgericht vorwirft, bei der Auslegung der Vereinbarung dessen Werdegang völlig außer Acht gelassen zu haben und nicht berücksichtigt zu haben, dass die strittige Formulierung über Wunsch des Klägers zu einem Zeitpunkt in den Text aufgenommen worden sei, „in dem die Eckpunkte des Vergleichs zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten bereits ausverhandelt und mit dem Konkursrichter abgestimmt gewesen seien", vermag er eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung schon deshalb nicht aufzuzeigen, da er (teilweise) nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht.

Auch die in der Folge vom Rechtsmittelwerber vertretene Rechtsansicht, dass im Sinn der Unklarheitenregelung des § 915 ABGB der strittige Vertragspunkt jedenfalls zu Lasten des Klägers auszulegen sei, stellt kein Argument für die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision dar. Die (scheinbare) Spezialität des § 915 ABGB bedeutet nicht, dass dieser vor § 914 leg cit heranzuziehen wäre; vielmehr hat § 915 erst einzugreifen, wenn die Ermittlung der (erklärten) Absicht der Parteien unter Einschluss der - auch ergänzenden - Verkehrsübung ohne eindeutiges Ergebnis geblieben ist. Insofern ist § 915 als subsidiär zu bezeichnen. Vor allem bleibt trotz § 915 oberste Auslegungsmaxime die Ermittlung dessen, was ein redlicher Erklärungsgegner als geäußerten Willen ansehen durfte (Rummel in Rummel ABGB³ § 915 Rz 1 mwH). Die Frage, ob die subsidiäre Bestimmung des § 915 überhaupt heranzuziehen ist, ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Der Nichtanwendung dieser Regelung durch das Berufungsgericht im hier zu beurteilenden Fall haftet jedenfalls keine unvertretbare Rechtsansicht an. Der vom Rechtsmittelwerber als erheblich relevierten Rechtsfrage, ob Zwischenverteilungsquoten auf die Zwangsausgleichsquote anzurechnen seien, mangelt es schon deshalb an Relevanz, weil vorliegend - unstrittigerweise - ein Zwangsausgleich gerade nicht zustande gekommen ist.

Mit seinen weiteren (inhaltlichen) Ausführungen vermag der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ebenfalls nicht aufzuzeigen; teilweise hält er sich mit seiner Argumentation nicht im Rahmen der Feststellungen, sondern stützt seine Ausführungen unzulässigerweise auf einzelne Beweismittel. Soweit der Rechtsmittelwerber ergänzende Feststellungen begehrt, sind diese zum Teil nicht mit den tatsächlich getroffenen Feststellungen vereinbar, zum Teil mangelt es ihnen an der erforderlichen rechtlichen Relevanz.

Insgesamt kann dem Berufungsgericht daher bei der Auslegung der gegenständlichen Vertragsklausel eine unvertretbare Rechtsansicht nicht vorgeworfen werden, weshalb die außerordentliche Revision zurückzuweisen ist.

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