OGH 3Ob240/02v

OGH3Ob240/02v22.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate L*****, vertreten durch Dr. Stefan Stoiber, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Hans T*****, vertreten durch Dr. Hansjörg Heiter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert 29.280 EUR sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2002, GZ 42 R 108/02x-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 12. September 2001, GZ 6 C 1741/00g-17, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.769,64 EUR (darin 461,60 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 3.566,90 EUR (darin 1.061,-- EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die seit 1969 verheirateten Streitteile kamen auf Vorschlag der Klägerin im Jänner 1992 überein, sich zu trennen. Die Klägerin, die eine Bekannte der Ehegattin eines näher genannten Rechtsanwalts ist, wandte sich an diesen mit dem Ersuchen, eine entsprechende "Trennungsvereinbarung" aufzusetzen und besprach zunächst mit diesem die einzelnen Vertragspunkte zuerst telefonisch und dann auch persönlich am 15. Jänner 1992 in einer Besprechung von 3/2 Stunden durch. Am 18. Jänner 1992 besprachen die Streitteile die Aufteilung ihres Vermögens, nachdem der Beklagte, der sich stets um die finanziellen Belange gekümmert hatte, bereits Ende 1991 der Klägerin auf ihr Verlangen die aus näher genannten Einzelbeträgen ermittelten Lebenshaltungskosten mit insgesamt etwa 15.000 S erläutert hatte. Am 20. Jänner 1992 suchte die Klägerin neuerlich den Rechtsanwalt auf und übermittelte ihm eine Aufstellung der beabsichtigten Vermögensaufteilung, teilte ihm auch die Höhe des mit dem Beklagten vereinbarten Unterhaltsbetrags, den er ihr künftig bezahlen sollte, sowie die weiteren Umstände des dem Beklagten einzuräumenden Wohnrechts mit. Sie vereinbarte mit dem Rechtsanwalt, am 22. Jänner 1992 gemeinsam mit dem Beklagten zu ihm zu kommen; bis dahin sollte die Vereinbarung ausformuliert sein. Der Rechtsanwalt verfasste darauf die schriftliche Vereinbarung vom 22. Jänner 1992 Beilage 1 (im Folgenden nur Trennungsvereinbarung), die u.a. folgende Regelungen enthält:

"Die Eheleute ... [Streitteile] sind übereingekommen, dass sie trotz weiterem Bestand ihrer Ehe in Zukunft getrennt leben werden und erklären ausdrücklich und unwiderruflich, dass sie sich gegenseitig völlig freie Hand geben, ihr Leben in Zukunft so zu gestalten, wie sie dies für richtig halten, sie entbinden sich ausdrücklich der ehelichen Verpflichtungen zum gemeinsamen Wohnen, zur Treue und zur Beistandsleistung. Beide Eheteile verzichten darauf, Scheidungsklagen, ausgenommen gemäß § 55 EheG wegen dreijähriger Trennung, einzubringen.

...

... [Beklagter] wird an ... [Klägerin] ab 1.2.1992 einen monatlichen Unterhalt von S 15.000,- -, wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex 1986, herausgegeben vom Österreichischen Statistischen Zentralamt, leisten. ...

Allfälliges eigenes Einkommen von ... [Klägerin] berührt diese Unterhaltsverpflichtung nicht, ebensowenig allfällige weitere Sorgepflichten des ... [Beklagten].

... [Beklagter] erklärt, dass er die in dieser Vereinbarung festgehaltenen Verpflichtungen auch dann aufrecht erhält, falls er nach Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzung eine Scheidung wegen dreijähriger Trennung der Ehegemeinschaft begehren sollte."

Die Regelung über den Verzicht auf die Einbringung von Scheidungsklagen nahm der Rechtsanwalt deshalb in den Vertragsentwurf auf, weil er seiner Ansicht nach damals üblich war; die Formulierung entnahm er einem entsprechenden Muster. Seiner Ansicht nach wurden dadurch beide Teile gleichgestellt; er ist auch der Meinung, dass die Unterhaltsverpflichtung, die der Beklagte mit dieser Vereinbarung eingehen sollte, zeitlich zumindest bis zu einer wesentlichen Änderung der Umstände unbegrenzt hätte gelten sollen, etwa einer neuerlichen Verehelichung der Klägerin. Solange die Ehe aufrecht geblieben wäre oder beide lebten, hätte sie seiner Ansicht nach aber gelten sollen. Die übrigen Vertragspunkte hatte er im Sinn der ihm von der Klägerin mitgeteilten Information verfasst. Bei der Besprechung am 22. Jänner 1992 sah der Beklagte den Rechtsanwalt erstmals. Der Rechtsanwalt besprach mit den Streitteilen etwa eine halbe Stunde lang die abzuschließende Vereinbarung, die von ihnen auch durchgelesen wurde; ihm fiel auf, dass der Beklagte besonders um die Absicherung der Klägerin bemüht war. Obwohl der Beklagte insbesondere von der Unterhaltsregelung, die zwischen ihm und der Klägerin zuvor nicht besprochen worden war, überrascht war und er nicht Alles verstanden hatte - was er aber in Kauf nahm - akzeptierte er die Vereinbarung in vollem Inhalt und unterfertigte sie. Ergänzend zur Trennungsvereinbarung vereinbarten die Streitteile die Aufteilung ihrer Ersparnisse.

Da dem Beklagten nach Unterfertigung der schriftlichen Vereinbarung, die er auch inhaltlich akzeptiert hatte, "dämmerte", dass er nur zahlen sollte, die Klägerin aber machen könne, was sie wolle, erarbeitete er im Februar 1992 die Tabelle Beilage 2, derzufolge die Trennungsvereinbarung durch eine angemessene Berücksichtigung eines allfälligen Zusatzeinkommens der Klägerin abgeändert werden sollte. Demnach sollte ein von der Klägerin jährlich über das von der Versicherung, bei der sie noch tätig war, formal überwiesene Einkommen hinausgehendes erwirtschaftetes Zusatzeinkommen bis zu 40.000 S (jährlich) unberücksichtigt bleiben, bei einem höheren Zusatzeinkommen sollte sich jedoch die jährliche Alimentationsverpflichtung des Beklagten schrittweise verringern, sodass er letztlich bei einem Zusatzeinkommen der Klägerin von 270.000 S oder mehr pro Jahr völlig leistungsfrei sein sollte. Die Klägerin akzeptierte dies nach Übertragung der vormaligen Genossenschafts-Ehewohnung an sie schriftlich am 16. Mai 1992 durch ihre Unterschrift und den Zusatz "bin einverstanden". Bis der Beklagte Anfang 1993 schließlich tatsächlich auszog, wohnten die Streitteile weiterhin in der genannten Ehewohnung. Mit 1. Jänner 1997 stellte der Beklagte sämtliche Zahlungen ein und begehrte mit Klage vom 13. Februar 1997 die Scheidung der Ehe nach § 49 EheG, welche schließlich im zweiten Rechtsgang mit Urteil des Erstgerichts vom 24. Juni 1999 (rechtskräftig in Ansehung des Scheidungsausspruchs seit 8. September 1999) erfolgte, wobei das Berufungsgericht in seinem Urteil vom 20. Jänner 2000 (rechtskräftig seit 24. März 2000) ein gleichteiliges Verschulden (in erster Instanz überwiegendes Verschulden des nunmehrigen Beklagten) an der Zerrüttung der Ehe annahm.

Die Klägerin begehrte 147.808 S = 10.741,63 EUR Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 1. November 1999 bis 31. Oktober 2000 sowie monatlichen Unterhalt von 17.414 S = 895,14 EUR ab 1. November 2000. Sie stützte sich hiebei auf die Trennungsvereinbarung, hilfsweise auf §§ 68 und 68a EheG und auf Schadenersatz.

Die Beklagte wendete ein, die Trennungsvereinbarung sei sittenwidrig und würde dem Wesen einer Ehe widersprechen. Nach Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG stehe der Klägerin kein Unterhalt mehr zu.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die Streitteile dem in der Trennungsvereinbarung enthaltenen Verzicht auf die Einbringung von Scheidungsklagen, ausgenommen solche nach § 55 EheG, keine einheitlichen oder gar übereinstimmenden Vorstellungen zugrunde gelegt hätten, sei dieser nach den allgemeinen Regeln zu beurteilen. Danach könne zwar auf die Geltendmachung bereits gesetzter Scheidungsgründe wirksam verzichtet werden, sofern dies nicht dem Wesen der Ehe oder den guten Sitten widerspreche, ein Verzicht auf künftige Scheidungsgründe sei jedoch jedenfalls unwirksam. Dies müsse auch für den hier zu beurteilenden, äußerst allgemein gehaltenen, generell formulierten Verzicht gelten, weil er sonst beiden Ehegatten der Möglichkeit, nach Abschluss der Vereinbarung entstehende, massive Scheidungsgründe geltend machen zu können, beraubt hätte, was keinesfalls als zulässig angesehen werden könnte. Auch im Scheidungsverfahren habe keiner der Ehegatten diesen Verzicht - aus welchen Gründen immer - releviert. Er könne daher auch hier nicht wirksam geltend gemacht werden, sondern müsse als der Trennungsvereinbarung nicht beigesetzt gelten. Dies habe aber für die Gültigkeit der übrigen darin enthaltenen Regelungen keinen Einfluss, diesen seien die Streitteile ja auch nachgekommen: So habe der Beklagte sämtliche Verpflichtungen betreffend die frühere Ehewohnung erfüllt und der Klägerin (wenngleich zuletzt erst aufgrund Urteils) entsprechende Unterhaltszahlungen geleistet. Da demnach der Ausschluss sämtlicher Scheidungsgründe bis auf jenen des § 55 EheG unwirksam sei, wirke sich die Scheidung der Ehe der Streitteile nach § 49 EheG aus dem Verschulden beider Ehegatten an der Zerrüttung der Ehe auf die vertragliche Unterhaltsverpflichtung des Beklagten aus. Für eine solche Beurteilung spreche im Übrigen auch, dass Umstände, die diese künftig unbeeinflusst lassen sollten (allfälliges eigenes Einkommen der Klägerin, weitere Sorgepflichten des Beklagten oder dessen Scheidungsbegehren wegen dreijähriger Trennung) in der abgeschlossenen Vereinbarung vorausdeterminiert gewesen seien. Denn daraus ergebe sich schlüssig, dass andere als diese Umstände sehr wohl einen entsprechenden Einfluss auf seine Unterhaltsverpflichtung haben sollten.

Eine Unterhaltsvereinbarung während aufrechter Ehe beziehe sich - außer bei entsprechendem Parteiwillen, wofür es hier keinen Anhaltspunkt gebe - nach stRsp nicht auf die Zeit nach deren Scheidung. Der auf der Trennungsvereinbarung beruhende Unterhaltsanspruch der Klägerin sei daher nach Rechtskraft des Scheidungsausspruchs erloschen. Der von der Klägerin hilfsweise herangezogene Titel des Schadenersatzes aufgrund der Einbringung der Scheidungsklage durch den Beklagten liege aufgrund Unwirksamkeit des entsprechenden Verzichts jedenfalls nicht vor. Die Anspruchsgrundlagen nach §§ 68, 68a EheG lägen hier ebensowenig vor wie ein anderer Rechtsgrund.

Das Berufungsgericht sprach der Klägerin in teilweiser Abänderung des Ersturteils Unterhalt vom 1. November bis 31. Dezember 1999 von monatlich 720 EUR, für 2000 von monatlich 730 EUR und ab 1. Jänner 2001 von monatlich 530 EUR zu und wies das Mehrbegehren unangefochten ab, bestätigte somit insoweit die erstinstanzliche Entscheidung.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die zweite Instanz folgende Auffassung:

Betrachte man den Inhalt der Trennungsvereinbarung unter Berücksichtigung der unstrittigen Tatsache, dass die eheliche Gemeinschaft der Parteien auch kurze Zeit später aufgehoben worden sei, so stehe fest, dass die Ehe zu dieser Zeit unheilbar zerrüttet gewesen sei. Nach Eintritt der Zerrüttung gesetzte Eheverfehlungen spielten grundsätzlich keine entscheidende Rolle. Die bereits im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Trennung und Auflösung der häuslichen Gemeinschaft geschlossene Vereinbarung sei eherechtlich zulässig und - entgegen der Rechtsauffassung des Erstrichters - nicht als sittenwidrig zu qualifizieren. Zu prüfen sei aber, ob nicht die Scheidung der Parteien nach § 49 EheG zur Änderung der wesentlichen Umstände und somit zum Wegfall der vertraglichen Verpflichtung zur Leistung eines Unterhalts geführt habe. Unterhaltsvereinbarungen unterlägen der Umstandsklausel, die nur bei einer wesentlichen Umstandsänderung eingreife. Auf Grund ihrer Textierung könne iSd § 914 ABGB davon ausgegangen werden, dass redliche und vernünftige Ehegatten eine derartige Vereinbarung für den Fall der Scheidung getroffen hätten. Dies indiziere auch der letzte Absatz der Vereinbarung, in dem eine Scheidung wegen dreijähriger Trennung nicht ausgeschlossen worden sei, weil beide Ehegatten offenbar von der unheilbaren Zerrüttung ausgegangen seien und diese objektiv betrachtet auch vorgelegen sei. Dass die Scheidung nun aus gleichteiligem Verschulden erfolgt sei, ändere daran nichts, zumal eine Scheidung nach § 55 EheG keine Verschuldensscheidung darstelle und erst ein Verschuldensausspruch iSd § 61 Abs 3 EheG zu einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Klägerin geführt hätte, was ihr aber angesichts des Prozessergebnisses im Scheidungsverfahren wohl nicht gelungen wäre. Da sich somit von den Folgen her gesehen kein Unterschied zwischen der Scheidung nach § 55 zu § 49 EheG ergebe, könne die Tatsache, dass die Klägerin den vereinbarten Verzicht auf die Einbringung einer Scheidungsklage im Scheidungsverfahren nicht eingewendet habe, nicht als Verzicht auf die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aus der Trennungsvereinbarung gedeutet werden. Weil aber eine Scheidung ohne Beendigung der Unterhaltspflicht vereinbart worden sei, sei die vertraglich vereinbarte Unterhaltspflicht durch die Scheidung nicht erloschen. Der Beklagte lasse das rechtskräftige Urteil des Erstgerichts vom 19. Juli 2000, GZ 6 C 320/99g-38, unberücksichtigt, mit dem er aufgrund der modifizierten Trennungsvereinbarung zur Bezahlung von Unterhalt für 1998 und 1999 (bis einschließlich Oktober dieses Jahres) sowie unter Berücksichtigung des Eigeneinkommens der Klägerin verpflichtet worden sei. Der Beklagte habe in diesem Verfahren die Gültigkeit der Trennungsvereinbarung nicht bestritten, sei aber unzutreffend davon ausgegangen, dass diese nur bis zur rechtskräftigen Scheidung gelten würde. Die Unterhaltsansprüche der Klägerin seien daher aufrecht, weshalb ihr der näher ermittelte Unterhalt zuzusprechen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

a) Die Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Revisionsverfahrens liegen, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

b) Zu einem allfälligen Unterhaltsanspruch der Klägerin aus der Trennungsvereinbarung, somit ex contractu: Das Auslegungsergebnis der zweiten Instanz zum Umfang der Trennungsvereinbarung widerspricht den Grundsätzen der Vertragsauslegung und kann nicht gebilligt werden. Auszugehen ist vom Wortlaut der Vereinbarung und der vom Erstrichter erforschten Parteienabsicht unter Berücksichtigung der redlichen Verkehrsübung unter Heranziehung des Parteienverhaltens und ihrer Erklärungen, gemessen am Empfängerhorizont (§ 914 ABGB), wobei es auch bei einem Unterhaltsvergleich für die Zukunft auf die allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätze ankommt.

Die Streitteile haben in der Trennungsvereinbarung bereits im ersten Absatz festgehalten, dass sie in Zukunft getrennt leben werden, ihre Ehe jedoch weiter bestehen soll und dass sie auf die Einbringung von Scheidungsklagen, ausgenommen solche nach § 55 EheG (wegen dreijähriger Trennung) verzichten. Daran schließt sich ua eine Unterhaltsvereinbarung. Daraus kann nur abgeleitet werden, dass sie damals eben nicht eine Regelung für die Scheidung wollten, sondern für ihre Trennung, mag es dabei auch zu einer Aufteilung ihres Vermögens und ihrer Ersparnisse gekommen sein. Dazu kommt, dass ein Wille der Parteien, die Unterhaltsvereinbarung auch nach Scheidung zu belassen, nicht festgestellt wurde. Wie der Beklagte zutreffend ausführt, sind gerade bei der Auslegung von Unterhaltsvereinbarungen im Zusammenhang mit einer Scheidung die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zu beachten. Mündliche Vereinbarungen der Parteien über die in der schriftlichen Trennungsvereinbarung enthaltenen Regelungen hinaus wurden nicht getroffen. Wenn daher in einer Vereinbarung nicht die Rechtsfolgen einer Scheidung geregelt werden, weil die Parteien ausdrücklich vom weiteren, Bestand ihrer Ehe (wenngleich nur auf dem Papier) ausgehen und nur ein einziger Scheidungsgrund als zulässig erachtet wird, der eine dreijährige Haushaltstrennung voraussetzt, besteht bei sachgerechter Vertragsauslegung kein Grund für die Annahme, redliche Vertragspartner hätten auch die Rechtsfolgen einer gerade nicht beabsichtigten Scheidung in der Form regeln wollen, dass einem Partner auch nach Rechtskraft der Scheidung weiterhin vertraglicher Unterhalt zustehen sollte.

Die Frage, ob die Ehe der Streitteile bei Abschluss der Vereinbarung oder unmittelbar danach bereits unheilbar zerrüttet war, kann dahingestellt bleiben, weil auch in diesem - vom Berufungsgericht angenommenen - Fall für die Weitergeltung der Trennungsvereinbarung auch nach Scheidung der Ehe keine Grundlage besteht. Aus dem erstgerichtlichen Verfahren AZ 6 C 320/99g, in dem der Klägerin 126.857,67 S sA zugesprochen und weitere 441.389,33 S sA abgewiesen wurden, ist für die Klägerin entgegen der Auffassung der Berufungsinstanz nichts zu gewinnen. Denn mit Ausnahme des Monats Oktober 1999, für den noch ein Zuspruch erfolgte, betraf das übrige Begehren ausschließlich Unterhaltsbeträge bis zur Rechtskraft der Scheidung. Der Klägerin steht daher ab Rechtskraft der Scheidung kein vertraglicher Unterhaltsanspruch mehr zu.

c) Zu einem allfälligen Unterhaltsanspruch der Klägerin ex delictu: Soweit die Klägerin in ihrer Berufung auch Unterhalt aus dem Titel des Schadenersatzes begehrte, weil der Beklagte schuldhaft, nämlich in bewusstem Verstoß gegen die Trennungsvereinbarung eine auf vorher verwirklichte Gründe gestützte Scheidungsklage nach § 49 EheG eingebracht habe, erweist sich dieser Anspruchsgrund als nicht tragfähig. Denn der Beklagte brachte eine nicht auf auf § 55 EheG, sondern auf § 49 EheG gestützte Scheidungsklage ein, der Beklagte verhandelte darüber, ohne ihr Vorbringen auf den Vertragspunkt, den sie nun als schuldhaft rechtswidrig durch den Beklagten verletzt ansieht, zu stützen. Ein Verzicht auf künftige Scheidungsgründe - und zwar auch auf das Recht die Scheidung nach § 55 EheG. zu begehren - ist zwar unwirksam (RZ 1959, 71 = EFSlg 2.441; SZ 33/127; EFSlg 33.976; RIS-Justiz RS0016541), es kann aber ein bereits bestehender Verschuldensscheidungsgrund einseitig verziehen (§ 56 EheG) oder auf die weitere Geltendmachung (auch aller) bestehender Scheidungsgründe einseitig oder in Vertragsform wirksam verzichtet werden (Schwimann in Schwimann2, § 46 EheG Rz 1 mwN). Soweit nun der Beklagte im Scheidungsverfahren auch nach der Trennungsvereinbarung eingetretene, somit bezogen auf die Vereinbarung künftige Scheidungsgründe, geltend machte, wäre die Vereinbarung insoweit als unwirksam anzusehen. Soweit aber beide Streitteile für ein Verschulden des jeweils anderen Teils an der Zerrüttung ihrer Ehe zeitlich vor der Trennungsvereinbarung liegende Gründe (von der Klägerin Umstände, die bis Mitte 1970 zurückreichen) ins Treffen führten, wäre der vertragliche Verzicht auf die Geltendmachung solcher Scheidungsgründe - durch Beschränkung auf die Gründe des § 55 EheG - durchaus wirksam. Allerdings hat sich die Beklagte im Scheidungsverfahren nicht auf den vertraglichen Verzicht berufen. In dieser Unterlassung kann nur ein konkludenter Verzicht auf die Geltendmachung des in der Trennungsvereinbarung liegenden vertraglichen Verzichts gesehen werden. Dass die Klägerin davon wusste, ergibt sich schon aus ihrer eigenen Aussage, ihr Rechtsbeistand habe diesen vertraglichen Verzicht bewusst nicht geltend gemacht hat, sondern diesen erst in einem Unterhaltsverfahren geltend machen wollen wollte (ON 10 AS 73), aber auch aus den unbestritten gebliebenen erstinstanzlichen Feststellungen. Das Schadenersatzbegehren muss damit schon an der fehlenden Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Klägers, der mangels entsprechender Einwendung im Scheidungsverfahren nach § 49 EheG sein Begehren bis zur Urteilsreife fortsetzen durfte, scheitern. Weitere Hindernisse gegen einen solchen Schadenersatzanspruch sind nicht mehr zu prüfen.

d) Auf einen Unterhaltsanspruch kraft Gesetzes nach § 68 und § 68a EheG hat sich die Klägerin in ihrer Berufung gegen das klageabweisende Urteil nicht mehr gestützt.

Demnach muss der Revision des Beklagten Folge gegeben und das gänzlich klageabweisende Ersturteil wiederhergestellt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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