Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Rekurs nicht zurückgewiesen, sondern ihm nicht Folge gegeben wird.
Text
Begründung
Die im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** (vormals) eingetragen gewesene I*****gesellschaft m.b.H. in Liqu. ist am 6. 11. 1998 von Amts wegen gelöscht worden. Am 25. 10. 2005 beantragte eine Bank die Bestellung eines Nachtragsliquidators; die Gesellschaft sei nach wie vor Pfandgläubigerin einer Liegenschaft, hinsichtlich welcher die Bank ein Zwangsversteigerungsverfahren betreibe. Am 20. 4. 2006 bestellte das Erstgericht MMag. Dr. Walter M***** mit dessen Einverständnis zum Nachtragsliquidator; eine Eintragung ins Firmenbuch erfolgte nicht.
Der Nachtragsliquidator strebt die Beschränkung seines Aufgabengebiets auf die Wahrnehmung der Rechte der Gesellschaft als Pfandgläubigerin der zu versteigernden Liegenschaft sowie damit im Zusammenhang stehende Angelegenheiten zur Vermeidung unnötiger Haftungsrisiken an.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Eine eingeschränkte Bestellung eines Nachtragsliquidators sei nicht vorgesehen; der Nachtragsliquidator habe auch sein Einverständnis zur Bestellung erteilt.
Das Rekursgericht wies den Rekurs des Nachtragsliquidators zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Einschränkung des Tätigkeitsbereichs des Nachtragsliquidators zulässig ist, ebenso wie zur Frage, ob eine solche Einschränkung ohne Änderung des dem Bestellungsbeschluss zugrunde liegenden Sachverhalts auch noch nachträglich vorgenommen werden kann. In der Sache selbst meinte das Rekursgericht, eine Beschränkung des Tätigkeitsbereichs eines Nachtragsliquidators auf einzelne Angelegenheiten sei zwar möglich, dies bedürfe aber eines triftigen Grundes, wenn der Nachtragsliquidator bereits bestellt worden sei. Da keine Behauptungen oder Anhaltspunkte dafür bestünden, dass sich die Sachlage seit der Bestellung des Nachtragsliquidators geändert hat, sei sein rechtliches Interesse an einer nunmehrigen Einschränkung seines Tätigkeitsbereichs nicht erkennbar; dem Rekurs mangle es daher an der Beschwer.
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Nachtragsliquidator strebt die „Einschränkung [seines] Aufgabengebiets" auf die „Wahrnehmung der Rechte der [Gesellschaft] als Pfandgläubigerin der zu versteigernden Liegenschaft im Exekutionsverfahren ... sowie damit im Zusammenhang stehende Angelegenheiten" an.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist es durchaus zulässig, den Tätigkeitsbereich eines gemäß § 15a GmbHG gerichtlich bestellten Notgeschäftsführers auf einzelne dringend notwendig gewordene Rechtshandlungen zu beschränken, weil § 15a GmbHG die Bestellung eines Notgeschäftsführers nur in dringenden Fällen und auf Antrag eines Beteiligten vorsieht. Eine solche Beschränkung ist im Hinblick auf § 20 Abs 2 GmbHG aber nur im Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Notgeschäftsführer, nicht aber Dritten gegenüber wirksam (6 Ob 31/85 = SZ 58/181; vgl auch 5 Ob 523/91 = JBl 1992, 597). Der Oberste Gerichtshof wies in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass es einer Eintragung des Notgeschäftsführers im Firmenbuch dabei nicht bedürfe, wenn dieser nur zur Vornahme einer einzelnen Rechtshandlung bestellt wird und sich seine Tätigkeit daher in der Durchführung derselben erschöpft (6 Ob 31/85). Dies ist dahin zu ergänzen, dass nach § 20 Abs 2 GmbHG eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers gegenüber dritten Personen keine rechtliche Wirkung hat. Eine derartige Beschränkung könnte daher auch gar nicht im Firmenbuch eingetragen werden (Koppensteiner, GmbHG² [1999] § 20 Rz 20). Dies gilt auch für den Notgeschäftsführer mit beschränktem Tätigkeitsbereich.
2. Der Notgeschäftsführer verliert nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0059971) seine Funktion vor Beendigung der Vertretungsnotlage nicht durch seine Verzichtserklärung gegenüber dem Gericht, sondern erst durch
gerichtlichen Enthebungsbeschluss. In der Entscheidung 6 Ob 3/94 (=
SZ 67/30 = ecolex 1995, 264 [abl Reich-Rohrwig]) wurde dazu
klargestellt, dass dem grundsätzlich auch im Interesse der privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Partner der Gesellschaft zur Behebung des sich aus einer konkreten Lage ergebenden Vertretungsmangels gerichtlich bestellten Notgeschäftsführer nur aus triftigen Gründen ein Enthebungsanspruch zuzubilligen ist; er hat nämlich die Funktion in einer bestimmten Notlage (bis zu deren Behebung) übernommen und ist deshalb nur aus besonderen, bei seiner Bestellung nicht vorhersehbaren Gründen vorzeitig zu entheben (ebenso 6 Ob 10/95 = ecolex 1995, 901 [abl Reich-Rohrwig]). Diese Rechtsprechung wurde von Reich-Rohrwig (ecolex 1995, 264 und 901 [Entscheidungsanmerkungen]) und Koppensteiner (GmbHG² [1999] § 15a Rz 13) kritisiert. Der durch Gesellschafterbeschluss bestellte Geschäftsführer könne jederzeit seine Tätigkeit beenden; dies müsse auch für den Notgeschäftsführer gelten. Sie übersehen dabei aber die materielle Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses. In diese kann nur eingegriffen werden, wenn sich der Sachverhalt nachträglich ändert. Eine Willensänderung des Notgeschäftsführers allein, ohne dass es dafür einen triftigen Grund gäbe, reicht nicht aus.
3. Im Hinblick auf § 92 Abs 1 GmbHG gilt § 15a GmbHG auch für den Not(nachtrags)liquidator (vgl die Nachweise bei Koppensteiner, GmbHG² [1999] § 89 Rz 14).
4. Der Nachtragsliquidator hat im vorliegenden Verfahren die - wenn auch unrichtige - Rechtsauffassung des Erstgerichts, eine Beschränkung seines Tätigkeitsbereichs sei nicht möglich, zur Kenntnis genommen und seiner (unbeschränkten) Bestellung zugestimmt. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen.
Seinen Antrag auf Einschränkung des Tätigkeitsbereichs hat er im Verfahren erster Instanz mit der „Vermeidung unnötiger Haftungsrisiken" begründet; ein Beschluss des Exekutionsgerichts sei ihm nach wie vor nicht zugestellt worden. Im Rekursverfahren hat er ausgeführt, ihm sei ursprünglich mitgeteilt worden, seine Bestellung diene ausschließlich der Entgegennahme einer einzigen Zustellung in einem Exekutionsverfahren; diese Zustellung sei aber auch nach einem Dreivierteljahr noch immer nicht erfolgt. Im Revisionsrekurs verweist er neuerlich darauf, dass eine Zustellung nach - nunmehr - einem Jahr noch immer nicht erfolgt sei; er wolle „schließlich auch nicht womöglich die Verantwortung für die Rechnungslegungspflicht und steuerlichen Erklärungspflichten des Rechtsträgers übernehmen, wenn sich die Liquidation über den Abschlussstichtag erstreckt". Der Nachtragsliquidator zeigt damit keine nachträglich eingetretenen triftigen Gründe für seine Enthebung im Sinne der dargestellten Rechtsprechung auf; er gesteht vielmehr einen Motivirrtum ein. Willensmängel bei Parteiprozesshandlungen sind jedoch grundsätzlich unbeachtlich (6 Ob 105/06v); dies gilt auch für den Umstand, dass der Nachtragsliquidator bei Zustimmung zu seiner Bestellung von bestimmten - im Übrigen gar nicht aktenkundigen - Erwartungen ausgegangen ist.
Dem Revisionsrekurs konnte damit kein Erfolg beschieden sein.
5. Das Rekursgericht hat den Rekurs des Nachtragsliquidators „mangels Beschwer" zurückgewiesen. Da das Erstgericht seinen Antrag auf Einschränkung seines Aufgabengebiets abgewiesen hatte, war er jedoch tatsächlich durch diese Entscheidung beschwert. Allerdings hat sich das Rekursgericht inhaltlich ohnehin mit dem Rekursvorbringen auseinandergesetzt und - im Ergebnis zutreffend - dem Rekurs einen Erfolg versagt. Der Ausspruch des Rekursgerichts war daher im Rahmen einer Maßgabebestätigung richtig zu stellen.
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