OGH 5Ob523/91 (5Ob524/91)

OGH5Ob523/91 (5Ob524/91)24.3.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. S***** Baugesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Dieter Böhmdorfer ua, Rechtsanwälte in Wien, und 2. Bauunternehmung ***** K*****, vertreten durch Dr. Kurt Heller ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. L***** Beteiligungsgesellschaft mbH, und 2. B***** Leasing- und Beteiligungsgesellschaft mbH, beide ***** und vertreten durch Dr. Horst Koch, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung der Stimmrechtsausübung und in eventu Feststellung der Schadenshaftung (Streitwert je S 1,025.000,--), infolge der Revisionen der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12. Feber 1991, GZ 12 R 1, 2/91-14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 15. Juni 1990, GZ 1 Cg 44/90-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit S 26.742,34 (darin S 4.457,06 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beiden klagenden Gesellschaften mbH und die beiden beklagten Gesellschaften mbH sind Gesellschafter der B***** Gesellschaft mbH. Die Geschäftsanteile der beiden klagenden Gesellschafter entsprechen je einem Achtel des Stammkapitals. Die Geschäftsanteile der beiden beklagten Gesellschafter betragen je ein Viertel des Stammkapitals der B***** GmbH, deren Geschäftsführer Dkfm Maximilian D***** ist. Je ein Achtel des Stammkapitals halten die weiteren an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten zwei Gesellschafter Jakob U***** und Gleis- und Kabelbau R***** & Co.

Die B***** GmbH ist zu B ***** beim Kreisgericht Wels im Firmenbuch eingetragen.

Die erstklagende Partei und die zweitklagende Partei erhoben gegen die beklagten Parteien, die zusammen 50 % des Stammkapitals der B***** GmbH halten, am 23.Feber 1990 und am 26.Feber 1990 die Klage auf Unterlassung der Ausübung des Stimmrechts bei Beschlüssen der B***** GmbH, durch die deren Geschäftsführer Dkfm Maximilian D***** ein Vorteil zugewendet wird oder dieser von einer Verpflichtung befreit wird, insbesondere bei der Beschlußfassung über die Entlastung oder Nichtentlastung als Geschäftsführer. Die zweitklagende Gesellschafterin begehrt weiters die Feststellung der Haftung der beklagten Gesellschafter für jeden Schaden, der daraus entsteht, daß sie seit der Übernahme der Geschäftsanteile bei Beschlüssen, durch die dem Geschäftsführer Dkfm Maximilian D***** ein Vorteil zugewendet wird, insbesondere wenn über die Entlastung oder Nichtentlastung dieses Geschäftsführers abgestimmt wird, ihr Stimmrecht ausübten oder ausüben. Die erstklagende Partei hat ein im wesentlichen gleichlautendes Feststellungsbegehren als Eventualbegehren ihrem Unterlassungsbegehren beigefügt.

Die beiden klagenden Gesellschafter berufen sich auf § 39 Abs 4 GmbHG, wonach ein Stimmrecht weder im eigenen noch im fremden Namen dem zusteht, der durch die Beschlußfassung der Generalversammlung von einer Verpflichtung befreit oder dem ein Vorteil zugewendet werden soll. Bei der Beschlußfassung der Generalversammlung über die Entlastung des Geschäftsführers sei es zu Unstimmigkeiten gekommen, weil die beiden beklagten Gesellschafter entgegen dem Stimmrechtsverbot für die Entlastung stimmten, so daß diese mit der weiteren Stimme der Gesellschafterin Gleis- und Kabelbau R***** & Co (zusammen 5/8) gegen die Minderheit der Stimmen (3/8) der beiden klagenden Gesellschafter und des Gesellschafters Jakob U***** mehrheitlich die Entlastung des Geschäftsführers am 21.April 1989 beschlossen. Die beiden beklagten Gesellschafter hätten den Stimmrechtsausschluß auch bei der weiteren Generalversammlung am 5. Oktober 1989 mißachtet. Das Verbot der Stimmrechtsausübung treffe die beklagten Gesellschafter, weil eine rechtliche und wirtschaftliche (Eigentümer-) Identität mit dem Geschäftsführer bestehe. Er sei wirtschaftlich den beiden Gesellschaftergesellschaften gleichzusetzen, obwohl diese den falschen Schein einer Trennung aufrecht halten wollen.

Die B***** GmbH sei am 12.Dezember 1978 errichtet worden und mit der Eintragung in das Handelsregister am 7.Feber 1979 entstanden. Ihre Geschäftsanteile hätten sich auf zwei Interessensphären geteilt, die einerseits von Senator Wilhelm W***** und andererseits Dkfm Maximilian D***** wirtschaftlich und rechtlich beherrscht wurden. Während die "W*****"-Hälfte letztlich anteilig an die beiden klagenden Gesellschafter, Jakob U***** und die Gleis- und Kabelbau R***** & Co übergegangen sei, unter denen infolge aufgetretener Unstimmigkeiten eine Einigung über die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene einvernehmliche Benennung eines Geschäftsführers nicht zustande kam, habe Dkfm Maximilian D***** die Lage ausgenützt und führe allein die Geschäfte der B***** GmbH. Die rechtliche und wirtschaftliche Beherrschung der beiden beklagten Gesellschaftergesellschaften ergebe sich daraus, daß Gesellschafter der erstbeklagten GmbH die Mutter und die Schwester des Dkfm Maximilian D*****, ihr Geschäftsführer dieser und seine Schwester seien. Die einzige Gesellschafterin der zweitbeklagten GmbH sei die D***** Beteiligungsgesellschaft mbH und Geschäftsführer Dkfm Maximilian D***** und seine Ehegattin. Gesellschafter der D***** Beteiligungsgesellschaft mbH seien Dkfm Maximilian D*****, seine Ehegattin, sein Sohn und seine Tochter, Geschäftsführer Dkfm Maximilian D***** und seine Ehegattin.

Die beiden beklagten Gesellschafter seien vom Stimmrecht in der Generalversammlung der B***** GmbH nach § 39 Abs 4 GmbHG ausgeschlossen, wenn über eine Vorteilszuwendung oder Entlastung des sie beherrschenden Dkfm Maximilian D***** abgestimmt werde. Da sie sich an das Stimmverbot nicht hielten und Wiederholungsgefahr gegeben sei, stehe den klagenden Gesellschaftern der geltend gemachte Untersagungsanspruch zu. Sie hätten auch ein rechtliches Interesse (die erstklagende Partei: "zumindest eventualiter") an der Feststellung, daß die beklagten Parteien für jeden Schaden haften, der durch ihr gesetzwidriges Abstimmungsverhalten entstehe.

Die beiden beklagten Gesellschaftergesellschaften traten den Klagebegehren entgegen, bestritten die behauptete rechtliche und wirtschaftliche Beherrschung durch Dkfm Maximilian D***** und behaupteten, die einzige Gesellschafterin der erstbeklagten Partei sei die G***** Anstalt in Vaduz, Liechtenstein, die keinem Einfluß des Dkfm Maximilian D***** unterliege. Ein Gesellschafter könne nicht gegen den anderen einen Anspruch auf Unterlassung der Stimmrechtsausübung durchsetzen. Er sei auf das im § 41 GmbHG geregelte Instrumentarium der Nichtigkeitsklage beschränkt. Die Kläger hätten auch davon Gebrauch gemacht und Klagen auf Nichtigerklärung von Beschlüssen der Generalversammlung auf Entlastung des Geschäftsführers erhoben. Auch für das Feststellungsbegehren fehle jede Grundlage.

Das Erstgericht wies die Unterlassungs- und Feststellungsbegehren ab. Der geltend gemachte Anspruch der Gesellschafter der Gesellschaft mbH gegen andere Gesellschafter, die Stimmrechtsausübung zu unterlassen, bestehe nicht. Jeder Gesellschafter sei berechtigt, an der Generalversammlung teilzunehmen und seine Stimme abzugeben. Daran könne er nicht gehindert werden. Verstoße er gegen das Stimmverbot, biete sich die Klage auf Nichtigerklärung eines so zustande gekommenen Gesellschafterbeschlusses an (HS 9660). Das rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung einer Schadenshaftung durch Stimmrechtsausübung fehle, weil schon eingetretene Schäden ohnedies mit Leistungsklage geltend gemacht werden können, bei erst künftig eintretenden Fällen aber ohnedies im Einzelfall erst geprüft werden müßte, ob ein Stimmverbot mißachtet wurde und ob dadurch die Gesellschaft oder andere Gesellschafter Schäden erlitten.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der klagenden Parteien nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils S 50.000,-- übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht hielt der Ansicht, die Verweisung der klagenden Gesellschafter auf die Anfechtungsmöglichkeiten nach § 41 GmbHG sei verfehlt, weil es nun herrschende Auffassung sei, daß auch zwischen den Gesellschaftern rechtliche Beziehungen begründet würden und eine Treueverpflichtung untereinander bestehe, entgegen, daß das GmbH-Recht durch die Eröffnung der Nichtigkeitsklage und der Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung dem Schutz der Individualrechte jedes einzelnen Gesellschafters hinreichend Rechnung trage. Es bedürfe daher nicht auch noch eines zusätzlichen Unterlassungsanspruches. Für bestimmte Verstöße gegen die Gesellschafterpflichten stehe ein auf die Bedürfnisse der GmbH abgestelltes Instrumentarium zur Verfügung, das andere Durchsetzungsformen ausschließe. Dem Anliegen des Gesetzgebers, daß Streitfragen über die Zulässigkeit der Stimmrechtsausübung in kurzer Frist, nur in einer bestimmten prozessualen Form und mit bestimmten materiellrechtlichen Wirkungen geltend gemacht werden können, sei nur durch die Beschränkung der Geltendmachung von Verstößen gegen das Stimmverbot auf die befristete Anfechtbarkeit des fehlerhaft zustande gekommenen Beschlusses der Generalversammlung mittels der Klage nach § 41 GmbHG Rechnung zu tragen. Auch würde die gewollte Möglichkeit der Sanierung von Verstößen gegen das Stimmverbot durch Verstreichenlassen der Klagefrist nach § 41 Abs 4 GmbHG unterlaufen, wenn die einzelnen Gesellschafter zusätzlich im Rahmen einer Klage auf Unterlassung der Stimmrechtsausübung die Frage des Stimmrechts aufrollen könnten. Der Unterlassungsanspruch lasse sich entgegen der von den klagenden Parteien vertretenen Ansicht auch nicht unter dem Aspekt eines treuwidrigen Verhaltens durch Herbeiführung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse rechtfertigen. Auch die herrschende deutsche Lehre und Rechtsprechung (Scholz, dGmbHG7 Rz 61 zu § 14; Fischer-Lutter-Hommelhoff, dGmbHG12 Anm 13 zu § 14; Hachenburg, Komm zum dGmbHG8 Anm 61 zu § 14; BGHZ 76, 352,

357) gestehe dem einzelnen Gesellschafter einer GmbH bei Treuepflichtverletzungen durch einen Gesellschafterbeschluß keinen Unterlassungsanspruch sondern nur die Anfechtungsklage zu. Es fehle am Rechtsschutzbedürfnis für eine zusätzliche Unterlassungsklage, weil die Zulässigkeit der Anfechtung unter Verletzung des Stimmverbots zustande gekommener Generalversammlungsbeschlüsse auf Grund der besonderen Ausstattung einer erfolgreichen Anfechtung mit Rechtswirkung für und gegen sämtliche Gesellschafter (und auch den Geschäftsführer) die Individualrechte jedes einzelnen Gesellschafters hinreichend schütze. Es bedürfe daher keiner Untersuchung, ob die beklagten Parteien, falls die Nichtigkeitsklage der klagenden Gesellschafter erfolgreich sei, in Zukunft gegen ein Stimmverbot verstoßen würden. Da die klagenden Gesellschafter die Feststellung der Haftung für Schäden ihnen gegenüber verlangen, fehle es ihnen an der Legitimation zur Geltendmachung des Feststellungsanspruches. Sie hätten nämlich als zu befürchtende Schäden nur die die Gesellschaft treffende Kostenbelastung bei erfolgreicher Nichtigkeitsklage behauptet. Als Einzelklagebefugnis des Gesellschafters könne aber nur ein Begehren auf Leistung an die Gesellschaft in Betracht kommen.

Die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht mit dem Fehlen einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Möglichkeit einer Klage auf Unterlassung zwischen einzelnen Gesellschaftern einer GmbH.

Beide klagenden Parteien haben Revision erhoben. Sie wenden sich aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gegen die Rechtsansichten des Berufungsgerichtes. Die erstklagende Partei beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur Verhandlung und neuen Entscheidung zurückzuverweisen, allenfalls nur das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung zurückzuverweisen. Die zweitklagende Partei beantragt die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen in die Stattgebung ihres Unterlassungs- und Feststellungsklagebegehrens, fügt aber auch einen Aufhebungsantrag bei.

Die beklagten Parteien beantragen, den Revisionen nicht Folge zu geben und das Urteil des Berufungsgerichtes zu bestätigen.

Die Revisionen der beiden klagenden Gesellschafter sind zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ausgangslage der anzustellenden Überlegungen ist die Vorschrift des § 39 Abs 4 GmbHG: Wer durch die Beschlußfassung von einer Verpflichtung befreit, oder wem ein Vorteil zugewendet werden soll, hat hiebei weder im eigenen noch im fremden Namen das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung. Die klagenden Gesellschafter leiten daraus für ihren Standpunkt ab, die beiden beklagten Gesellschaftergesellschaften dürften dann, wenn dem Geschäftsführer der B***** GmbH ein Vorteil zugewendet oder die Befreiung von einer Verpflichtung zukommen soll, nicht mitstimmen, weil sie von diesem Geschäftsführer wirtschaftlich beherrscht seien. Dies sei insbesondere bei der Beschlußfassung über die Entlastung oder Nichtentlastung des Geschäftsführers der Fall. Der Beschlußfassung der Gesellschafter unterliegt unter anderem die Entlastung der Geschäftsführer (§ 35 Abs 1 Z 1 GmbHG), auf die sie sonst einen klagbaren Anspruch gegen die GmbH haben (Kastner, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechtes5397; Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 II 422; SZ 32/2 ua). Das Stimmverbot des § 39 Abs 4 Satz 1 GmbHG kommt zum Tragen, soweit der Geschäftsführer selbst als Gesellschafter oder als Machthaber des Gesellschafters stimmen will. Werden bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses Stimmen mitgezählt, die von nicht stimmberechtigten Personen abgegeben werden, ist sie fehlerhaft. Die herrschende, vom Obersten Gerichtshof geteilte Ansicht schränkt in einem solchen Fall wegen des abstrakt nicht schutzwürdigen Interesses an einer ergebnisneutralen Berücksichtigung der Stimmen die Beachtlichkeit und damit rechtliche Relevanz von Mängeln in der Stimmauszählung, die zu einer erfolgreichen Anfechtung durch Nichtigkeitsklage führen kann, auf Fälle ein, in denen die zu Unrecht mitgezählten oder nicht mitgezählten Stimmen für das Abstimmungsergebnis ausschlaggebend waren oder es auf die inhaltliche Überprüfung des Gesellschafterbeschlusses im Anfechtungsprozeß ohne Bedachtnahme auf formelle Stimmverbote ankommt (Reich-Rohrwig, GmbHRecht, 400 mwH; Baumbach-Hueck, GmbH15 Rd 62 zu Anh § 47 dGmbHG; OGH vom 19. Dezember 1991, 8 Ob 595, 596/90). Die Frage, ob bei einer bestimmten Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung der einzelne Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, stellt sich daher zunächst bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses. Hat die Zählung oder Nichtzählung der Stimme - hier wird der Stimmrechtsausschluß von den klagenden Parteien für die je 1/4 des Stammkapitals repräsentierenden beiden beklagten Gesellschaftergesellschaften in Anspruch genommen - auf das Abstimmungsergebnis Einfluß, kann die rechtliche Relevanz der Mängel in der Stimmenauszählung Gegenstand der Anfechtungsklage sein. Liegt der wahre Fehler im Bereich der Beschlußergebnisfeststellung, ist diese Feststellung vorläufig verbindlich und es bedarf der Anfechtung mittels der Klage gegen die Gesellschaft nach § 41 GmbHG durch den Gesellschafter, der gegen den Beschluß Widerspruch zu Protokoll gegeben hat.

Schon daraus zeigt sich, daß das von den klagenden Gesellschaftern angestrebte Ziel durch ihr Unterlassungsbegehren gar nicht erreichbar wäre. Soweit das Unterlassungsbegehren auf die Wortfolge im § 39 Abs 4 Satz 1 GmbHG abstellt, ist es überhaupt unbestimmt, denn es geht nicht an, den gesetzlichen Stimmrechtsausschluß noch zum Gegenstand eines Untersagungsauftrages zu machen. Übrig bliebe nur das Begehren, den beklagten Gesellschaftergesellschaften die Ausübung des Stimmrechtes bei der Beschlußfassung über die Entlastung des derzeitigen Geschäftsführers zu untersagen.

Abgesehen davon, daß sich die Voraussetzungen für den Ausschluß vom Stimmrecht auch bei dieser konkreten Beschlußfassung in Zukunft anders gestalten können, würde die Stimmrechtsausübung an sich nicht verhindert und es wäre wieder die Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses auf das nur mittels der Nichtigkeitsklage des einen oder des anderen durch die Feststellung des Abstimmungsergebnisses benachteiligten Gesellschafters zu bewältigende Problem verlagert, ob im konkreten Fall das Stimmrecht zustand oder versagt war.

Daran würde selbst die Möglichkeit der Unterlassungsexekution nichts ändern, weil sie einen Verstoß nach Entstehen des Titels voraussetzt (§ 355 Abs 1 EO) und weil ihr wieder mit einer Impugnationsklage begegnet werden könnte.

Die klagenden Parteien haben zu 3 Cg 151/89, 3 Cg 155/89 und 3 Cg 290/90 des Kreisgerichtes Wels mittels Klage die Nichtigerklärung der Generalversammlungsbeschlüsse vom 21.April 1989 und vom 11.Oktober 1990, soweit damit dem Geschäftsführer Dkfm Maximilian D***** die Entlastung für die Geschäftsjahre 1987/1988 und 1989/1990 erteilt wurde, begehrt. In erster Instanz wurde mit dem Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 31.Dezember 1991, GZ 3 Cg 151/89-26, ihren Anfechtungsklagen stattgegeben.

Entscheidend aber ist, daß das für die GmbH als juristische Person geltende Trennungsprinzip zu einer scharfen rechtlichen Trennung zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern führt. Es hindert zwar nicht, daß unter besonderen Umständen rechtlich relevante Tatsachen und Vorgänge bei der GmbH auch den Gesellschaftern zugerechnet werden und auch umgekehrt ein Zurechnungsdurchgriff in Frage kommt. Der Trennungsgrundsatz muß ungeachtet des behaupteten beherrschenden Einflusses einzelner Gesellschafter, hier des Geschäftsführers, um dessen Entlastung es geht, auf die beklagten Gesellschafter-Gesellschaften so weit als möglich und notwendig gewahrt bleiben. Selbst wenn alle Voraussetzungen für die Annahme eines Zurechnungsdurchgriffstatbestandes vorlägen (Götz Hueck, Gesellschaftsrecht19 366 mwN), darf in Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Mittel zum Zweck der Funktionsfähigkeit der Gesellschaftsorgane den beherrschten Gesellschafter-Gesellschaften nicht das Stimmrecht entzogen werden. Es genügt, daß den unter einem beherrschenden Einfluß stehenden Vertretungsorganen (Geschäftsführern der Gesellschafter-GmbH) die Vertretungshandlung entzogen und für Vertretungen vorzusorgen ist, die das Stimmrecht ohne den beherrschenden Einfluß des von der Abstimmung über seine Entlastung betroffenen Geschäftsführers ausüben können. Diese Entlastung ist von der Gesellschaft zu erteilen oder zu versagen und nicht von ihren Organen (Generalversammlung = Gesellschafterversammlung).

Der juristischen Person darf nicht wegen einer Betroffenheit ihres Verwaltungsmitglieds das Stimmrecht entzogen sein. Sie kann sich nur nicht durch das betroffene Verwaltungsmitglied vertreten lassen. Wird das betroffene Verwaltungsmitglied ausgeschaltet, steht der Ausübung des Stimmrechts der beklagten Gesellschafter-Gesellschaften nichts im Wege. Grundsätzlich ist der Ausschluß der juristischen Person vom Stimmrecht nicht zu rechtfertigen, wenn nur ihr herrschender - allenfalls Allein-Gesellschafter betroffen ist. Besteht eine Möglichkeit, daß sich die Befangenheit des beherrschenden Gesellschafters in seiner Beteiligung an der Abstimmung über seine Entlastung nicht auswirken kann, wäre es unzulässig, die beherrschte Gesellschaft mit absoluter Wirkung vom Stimmrecht auszuschalten. Es bietet sich damit die Lösung an, daß der Einfluß des betroffenen Geschäftsführers, der sich unmittelbar in der Gesellschafterversammlung der Gesellschafter-Gesellschaft und mittelbar auf die seinem beherrschenden Einfluß ausgesetzten Organvertreter (Geschäftsführer der Gesellschafter-Gesellschaft) auswirkt, ausgeschaltet wird, indem die von ihm dirigierten Verwaltungsorgane bei der Ausübung des Stimmrechts der Gesellschaft durch ein Ersatzorgan ersetzt werden, das nicht dem beherrschenden Einfluß des befangenen Gesellschafters ausgesetzt ist. In einem solchen Fall kann das Firmenbuchgericht einen Notgeschäftsführer (§ 15 a GmbHG) bestellen, der diesfalls nur im Innenverhältnis und mit der einzigen Außenwirkung bei Ausübung des Stimmrechts als Gesellschafterin der anderen GmbH (hier B***** GmbH) tätig wird und insoweit nicht Weisungen unterworfen ist, sondern allein das Interesse der Gesellschafter-Gesellschaft zu wahren hat (vgl dazu J. Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, 159 ff insbes. 161 f).

Daraus folgt, daß der von den klagenden Parteien erhobene Unterlassungsanspruch schon daran scheitert, daß den beklagten Gesellschafter-Gesellschaften selbst bei der Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung der B***** GmbH über die Entlastung des derzeitigen Geschäftsführers die Ausübung des Stimmrechts nicht mit absoluter Wirkung verboten werden könnte, weil es nur darauf ankommt, den behaupteten (und bestrittenen) einen Zurechnungsdurchgriff allenfalls zulassenden beherrschenden Einfluß des derzeitigen Geschäftsführers auf die beklagten Gesellschafter-Gesellschaften auszuschalten. Selbst wenn das Tatsachenvorbringen der klagenden Gesellschafter bewiesen würde, käme es zur Abweisung ihres Unterlassungsbegehrens.

Damit erübrigt sich letztlich die Erörterung der vom Obersten Gerichtshof noch in SZ 49/51 = HS 9660 vertretenen Meinung, daß ein Anspruch auf Ausübung des Stimmrechts in einem bestimmten Sinne nicht mit vorbeugender Unterlassungsklage verhindert werden kann, und ein Eingehen auf die sich aus der nun anerkannten auch zwischen den Gesellschaftern einer GmbH bestehenden Treuepflicht, die eine angemessene Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Mitgesellschafter auch bei der Ausübung des Stimmrechts gebieten kann (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 358 ff mwH; NZ 1990, 35; EvBl. 1989/132 = WBl 1989, 222), ergebenden gegenseitigen Ansprüche, weil dem erhobenen Unterlassungsanspruch schon deshalb die Grundlage fehlt, daß ein beherrschender Einfluß des betroffenen Geschäftsführers überhaupt nicht unter allen Umständen zum Ausschluß vom Stimmrecht führt.

Kann den beklagten Parteien daher für die Zukunft gar nicht untersagt werden, das Stimmrecht in einer bestimmten Angelegenheit auszuüben, fehlt auch eine Grundlage für die Feststellung ihrer Haftung für dadurch wem immer zugefügte Schäden. Ob eine Schädigung der Gesellschaft oder ihrer Gesellschafter durch Stimmrechtsausübung eintrat, hinge überdies davon ab, ob die Entlastung des Geschäftsführers rechtmäßig erteilt oder verweigert wird, worüber im zweiten Fall das Ergebnis des vom Geschäftsführer gegen die Gesellschaft anzustrengenden Prozesses entscheidet. Soweit ein schadenersatzrechtlich relevantes Verhalten in der Vergangenheit schon zu Schädigungen führte, steht einem Leistungsbegehren nichts im Wege. Es wurde daher im Ergebnis auch das Feststellungsbegehren ohne Rechtsirrtum abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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