OGH 7Ob303/06v

OGH7Ob303/06v31.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erwin B*, vertreten durch Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. Hermann G*, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wegen Räumung und Zahlung von EUR 26.010,80 sA, über die außerordentliche Revision des Beklagten gegen das Urteil und den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht (und Rekursgericht) vom 4. Oktober 2006, GZ 14 R 122/06v‑101, womit das Teilurteil des Bezirksgerichtes Linz vom 27. April 2001, GZ 13 C 837/00i‑92, teilweise abgeändert und der gleichzeitig hinsichtlich des Räumungsbegehrens gefasste Unterbrechungsbeschluss des Bezirksgerichtes Linz bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:E83265

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird, soweit damit auch der den Unterbrechungsbeschluss bestätigende Beschluss des Berufungsgerichtes bekämpft wird, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

Nach der Anfechtungserklärung bezieht sich das Rechtsmittel des Beklagten auch auf die Bestätigung des Unterbrechungsbeschlusses des Erstgerichtes durch das Berufungsgericht. In diesem Zusammenhang wird eine Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens geltend gemacht, weil das Erstgericht den Unterbrechungsbeschluss außerhalb mündlicher Verhandlung gefasst habe. Da die Bestätigung eines vom Erstgericht gefassten Unterbrechungsbeschlusses durch das Berufungsgericht ebenso wie ein vom Berufungsgericht selbst gefasster Unterbrechungsbeschluss (RIS‑Justiz RS0037125) absolut unanfechtbar ist, muss das Rechtsmittel des Beklagten als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen werden.

Im Übrigen ist nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn das Berufungsgericht - wie hier - in die Prüfung der Frage einer allfälligen, im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufenen Nichtigkeit eingegangen ist und eine solche verneint hat, die Wahrnehmung dieser Nichtigkeit im Verfahren dritter Instanz nicht mehr möglich (RIS‑Justiz RS0042981).

Neben dem also unbeachtlichen Einwand der Nichtigkeit macht der Revisionswerber in seiner Zulassungsbeschwerde geltend:

1.) Die Vorinstanzen hätten zu Unrecht angenommen, dass der Kläger sein Leistungsbegehren (auch) auf Mietzinsforderungen (nicht nur auf ein bereicherungsrechtliches Benützungsentgelt) gestützt habe. Es liege ein Verstoß gegen § 405 ZPO vor, der aus Gründen der Rechtssicherheit als erhebliche Rechtsfrage wahrzunehmen sei.

2.) Die Ansicht des Berufungsgerichtes, das im Mietvertrag vom Beklagten vereinbarte Kompensationsverbot, das wegen eines Wechsels auf Vermieterseite (Eintritt eines Unternehmers statt eines Nichtunternehmers in den Mietvertrag) unwirksam geworden sei, lebe durch einen neuerlichen Wechsel auf Vermieterseite (wiederum ein Nichtunternehmer statt eines Unternehmers) wieder auf, sei unrichtig. Da dazu oberstgerichtliche Judikatur fehle, stelle sich eine erhebliche Rechtsfrage.

3.) Schließlich sei die Revision auch deshalb zuzulassen, weil der Zuspruch offener Mietzinse im Widerspruch zur - dem Räumungsbegehren zugrundegelegten - Behauptung des Klägers stehe, der Beklagte benütze das Mietobjekt titellos. Auch insoweit liege eine erhebliche Rechtsfrage vor.

Damit wird vom Revisionswerber kein tauglicher Grund für die Zulassung seines außerordentlichen Rechtsmittels aufgezeigt:

Zu 1.): Nach ständiger Rechtsprechung können angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz (und demnach auch ein behaupteter Verstoß gegen § 405 ZPO), die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963 uva).

Zu 2.): Im vorliegenden Mietvertrag, der vom Beklagten, der Verbraucher ist, ursprünglich - unstrittig - mit einer Verbraucherin abgeschlossen wurde, wurde ein Aufrechnungsverbot wirksam vereinbart. Vertragliche Aufrechnungsverbote sind nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht sittenwidrig, weil die Gegenforderung gesondert geltend gemacht werden kann (Dullinger in Rummel3 § 1440 Rz 31 mwN). Handelt es sich allerdings um ein Verbrauchergeschäft, bei dem der Mieter als Verbraucher einem Unternehmer als Vermieter gegenübersteht, wobei die Vermietung zum Betrieb des Unternehmers gehört, untersagt § 6 Abs 1 Z 8 KSchG vertragliche Aufrechnungsverbote unter anderem für Forderungen, die im rechtlichen Zusammenhang mit der Verbindlichkeit des Verbrauchers stehen. Dies trifft im vorliegenden Fall insoweit auf die Gegenforderungen des Beklagten zu, als sich diese auf eine Vertragsverletzung des Vermieters, nämlich die (teilweise) Unbrauchbarkeit des Mietobjektes gründen und daher im Sinne des § 6 Abs 1 Z 8 KSchG konnex sind (vgl 744 BlgNR 14. GP 24). Nun wurde die vom Beklagten gemietete Wohnung zunächst von der Vermieterin an die Rechtsvorgängerin des Klägers, die I* GmbH, die unstrittig im Sinne des § 1 KSchG Unternehmer ist, veräußert. In dem von dieser neuen Vermieterin gegen den Beklagten angestrengten Verfahren 13 C 1497/97 BG Linz wurde im Hinblick auf diesen Parteiwechsel über Zwischenantrag des Beklagten festgestellt, dass das gegenständliche Aufrechnungsverbot in dem in § 6 Abs 1 Z 8 KSchG genannten Umfang unwirksam sei. Wie der Oberste Gerichtshof in der Rechtssache 13 C 1497/97s ergangenen Entscheidung 2 Ob 198/01h, RdW 2002, 84 = RZ 2002, 64 = ecolex 2002, 85, ausgesprochen und in der Entscheidung 4 Ob 119/03h bekräftigt hat, können, falls erst durch Vertragsübernahme ein Unternehmer einem Verbraucher als Vertragspartner gegenübertritt, auch nachträglich dem Konsumentenschutzgesetz widersprechende Klauseln (hier das Aufrechnungsverbot) ex lege in dem in § § 6 Abs 1 Z 8 KSchG genannten Umfang unwirksam werden (RIS‑Justiz RS0115698). In weiterer Folge wurde das Mietobjekt (zunächst außerbücherlich) an den nunmehrigen Kläger veräußert, der vom Berufungsgericht im Einklang mit einschlägiger oberstgerichtlicher Judikatur (vgl RIS‑Justiz RS0065317) nicht als Unternehmer, sondern als Verbraucher angesehen wurde. Durch diesen neuerlichen Parteiwechsel stellt der betreffende Mietvertrag nun allerdings kein Verbrauchergeschäft mehr dar, weshalb die Regeln des KSchG darauf nicht mehr anwendbar sind. Es besteht daher kein Anlass dafür, das im Mietvertrag enthaltene Aufrechnungsverbot (weiterhin) für unwirksam zu erachten. Da dies nach den Ausführungen in den erwähnten Entscheidungen 4 Ob 119/03h und 2 Ob 198/01h (in letzterer Entscheidung wurde vom Obersten Gerichtshof betont, dass die Modifizierung des Vertragsinhaltes nicht auf einer vertraglichen Änderung des Schuldverhältnisses, sondern auf gesetzlicher Anordnung beruhe) völlig auf der Hand liegt und entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht ernsthaft zu bezweifeln ist, kann darin eine erhebliche Rechtsfrage nicht erblickt werden (vgl RIS‑Justiz RS0118640: Fragen, die durch die Anwendung bestehender Rechtsprechung in Verbindung mit Gesetzen der Logik zu klären sind, stellen keine erheblichen Rechtsfragen dar).

Zu 3.): Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, solange der Mieter im Anwendungsbereich des § 33 MRG die rechtsgestaltende Wirkung der Auflösungserklärung gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB entkräften könne, herrsche kraft Gesetzes ein Schwebezustand, währenddessen sich kein Vertragsteil, weder der Vermieter noch der Mieter, unter Berufung auf die erklärte Vertragsaufhebung der Leistung seiner Vertragspflichten entziehen dürfe (7 Ob 607/91, WoBl 1993/22; MietSlg 35.232/7; RIS‑Justiz RS0020939). Dieser Judikatur folgend haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt, dass der Einwand des Beklagten, der Zuspruch offener Mietzinse stehe im Widerspruch zur Behauptung des Klägers, der Beklagte benütze das Mietobjekt titellos, ins Leere geht.

Schließlich wird auch im Rahmen der Rechtsrüge vom Beklagten kein tauglicher Zulassungsgrund aufgezeigt. Die Ansicht der Vorinstanzen, der Kläger sei als außerbücherlicher Erwerber legitimiert, rückständige Mietzinse geltend zu machen und wegen rückständiger Mietzinsen die Räumung gemäß § 1118 ABGB zu begehren, folgt ständiger oberstgerichtlicher Judikatur (4 Ob 2146/96h, JBl 1997, 169 ua; RIS‑Justiz RS0106071). Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich nach Grad und Dauer der Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes und hängt daher letztlich immer von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (RIS‑Justiz RS0021324 [T4]). Zufolge dieser Einzelfallbezogenheit ist die Frage der Höhe der Mietzinsminderung ebenfalls nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 2 ZPO, sofern nicht eine krasse Verkennung der Rechtslage vorliegt (RIS‑Justiz RS0108260). Dies ist hier nicht der Fall: Darin, dass das Berufungsgericht angesichts des erheblichen Befalles der gegenständlichen Wohnung mit Schimmelpilz eine Mietzinsminderung von 75 % vorgenommen hat, kann eine krasse Fehlbeurteilung nicht erblickt werden.

Die daher unzulässige außerordentliche Revision des Beklagten ist zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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