OGH 10ObS191/06w

OGH10ObS191/06w16.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Canan Aytekin-Yildirim (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mulija H*****, vertreten durch Mag. Helmut Hawranek, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, wegen Abfindung über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. September 2006, GZ 8 Rs 89/06d-13, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben den Anspruch der Klägerin auf Abfindung gemäß § 269 ASVG verneint, weil nach den zum Stichtag maßgeblichen Vorschriften kein in Österreich anrechenbarer Versicherungsmonat vorlag.

Soweit die außerordentliche Revision dagegen angebliche Verfahrensmängel erster Instanz ins Treffen führt, die vom Berufungsgericht verneint wurden (hier: die Unterlassung der Parteienvernehmung der Klägerin), ist ihr zu erwidern, dass solche nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates auch im Verfahren nach dem ASGG mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden können (SSV-NF 11/15; 7/74 uva; RIS-Justiz RS0043061 ua; jüngst: 10 ObS 195/06h). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO wird aber auch in der Rechtsrüge nicht aufgezeigt:

Die Witwe hatte im Fall des Todes des Versicherten Anspruch auf Abfindung gemäß § 269 Abs 1 Z 1 ASVG (in der am Stichtag [1. 8. 1979] geltenden Fassung [BGBl Nr 13/1962] vor der 40. ASVG-Nov [BGBl Nr 484/1984]; vgl Teschner/Widlar, 49. Erg-Lfg, § 269 ASVG Anm 2a), sofern eine Hinterbliebenenpension nur mangels der allgemeinen Voraussetzungen (§ 235 ASVG) nicht gebührte, jedoch mindestens ein „anrechenbarer Versicherungsmonat" vorlag (10 ObS 59/00z). Im vorliegenden Fall erwarb der am 13. 7. 1979 verstorbene Ehegatte der Klägerin von 1954 bis 1972 in Jugoslawien insgesamt 29 Versicherungsmonate (und 13 Tage) und von 1972 bis 1974 in Österreich insgesamt 27 Versicherungsmonate; er erreichte jedoch in in keinem dieser im Einzelnen festgestellten Zeiträume die in § 233 ASVG (in der am Stichtag geltenden [Stamm-]Fassung [vgl Teschner/Widlar, 91. Erg-Lfg, § 233 ASVG Anm 1]) für eine Anrechnung geforderte Hälftedeckung.

Nach den Verfahrensergebnissen ist daher grundsätzlich unstrittig, dass sämtliche Versicherungszeiten des Ehegatten der Klägerin gemäß § 233 ASVG nicht anrechenbar sind, weil kein Anrechungszeitraum gebildet werden kann (vgl 10 ObS 59/00z). Die Zulassungsbeschwerde beruft sich lediglich auf das Fehlen einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob die Witwe eine einmalige Abfindung gemäß § 269 Abs 1 Z 1 ASVG trotz erworbener Versicherungsmonate verweigert werden könne, weil die vor der 40. ASVG-Nov erforderliche, nach „heutiger" Rechtslage aber nicht mehr notwendige Deckung nicht gegeben sei. Dabei wird übersehen, dass der Senat zu dieser Frage

bereits Folgendes ausgesprochen hat (RIS-Justiz RS0114693 = 10 ObS

274/00t = SSV-NF 14/147):

Der Umstand, dass für den Versicherungsfall des Todes die für die Versicherungsfälle des Alters und der geminderten Arbeitsfähigkeit geltende Bestimmung, wonach es gemäß § 223 Abs 2 ASVG unabhängig vom Eintritt des Versicherungsfalles möglich ist, durch eine spätere Antragstellung zu einem späteren Stichtag zur späteren Erreichung der allgemeinen Leistungsvoraussetzungen zu gelangen, fehlt, ist dahin auszulegen, dass für Hinterbliebenenpensionen die Erreichung der allgemeinen Leistungsvoraussetzungen zu einem späteren als dem durch den Todestag ausgelösten Stichtag ausgeschlossen ist. Eine Stichtagsverschiebung durch eine neuerliche Antragstellung auf einen späteren, willkürlich gewählten Zeitpunkt ist nicht möglich (so bereits 10 ObS 102/87).

Bei der Abfindung nach § 269 ASVG handelt es sich ebenfalls um eine Leistung aus einem derartigen Versicherungsfall, der nach § 223 Abs 1 Z 3 ASVG (idF BGBl Nr 17/1969) mit dem Tod des Ehegatten der Klägerin am 13. 7. 1979 eingetreten ist. Stichtag für die Feststellung, ob der Klägerin die begehrte Leistung gebührt, war nach § 223 Abs 2 ASVG (idF BGBl Nr 17/1969) der dem Todestag folgende Monatserste, also der 1. 8. 1979. Da die Verhältnisse an dem durch den Versicherungsfall ausgelösten Stichtag maßgebend sind, genügte es nicht, dass die Voraussetzungen für die Versicherungsleistung zu einem beliebigen Zeitpunkt vorlagen; sie mussten vielmehr an dem durch den Versicherungsfall ausgelösten Stichtag gegeben sein (RIS-Justiz RS0084524).

Dass entsprechend den Ausführungen der Vorinstanzen nach der zum Stichtag (1. 8. 1979) geltenden Rechtslage mangels Erfüllung der Hälftedeckung nach § 233 ASVG kein anrechenbarer Versicherungsmonat vorlag und daher (damals) kein Anspruch auf Abfindung bestand, wird in der Rechtsrüge der Klägerin nicht (mehr) bestritten. Für Hinterbliebenenleistungen ist aber (im Unterschied zu Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters und der geminderten Arbeitsfähigkeit) - wie bereits ausgeführt - die Erreichung der allgemeinen Leistungsvoraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt als dem erwähnten Stichtag ausgeschlossen. Eine Stichtagsverschiebung durch eine neuerliche Antragstellung auf einen späteren, willkürlich gewählten Zeitpunkt - wie sie der Klägerin (mit ihrem Hinweis auf die „nunmehr nicht mehr erforderliche Hälftedeckung") offenbar vorschwebt - ist nicht möglich (10 ObS 274/00t mwN).

Die Beurteilung, dass der Klägerin ein Anspruch auf Abfindung nach ihrem im Jahr 1979 verstorbenen Ehemann aufgrund der erst durch die 40. ASVG-Novelle (BGBl Nr 484/1984) geschaffenen Rechtslage (noch) nicht zustehen kann, entspricht der dargestellten Rechtsprechung. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist eine zeitliche Differenzierung durch eine Stichtagsregelung aber grundsätzlich auch nicht gleichheitswidrig (stRsp; RIS-Justiz RS0053393; RS0117654; 10 ObS 117/04k mwN). Der erkennende Senat sieht daher keinen Anlass für einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision (wie jene zu 10 Ob 59/00z) zurückzuweisen.

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