Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Der Kläger ist Rechtsanwalt in Vorarlberg. Er nimmt die Beklagte nach § 1 UWG wegen des gewerbsmäßigen Verfassens von Mietverträgen in Anspruch. Die Vorinstanzen haben seine Unterlassungsklage abgewiesen, weil die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer bereits einen im Wesentlichen gleichlautenden Unterlassungstitel erwirkt hat, auf dessen Grundlage sie auch Exekution führt. Dem Kläger fehle daher das Rechtsschutzbedürfnis.
Rechtliche Beurteilung
Diese Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats zur Schaffung von Mehrfachtiteln. Danach fehlt das Rechtsschutzinteresse für eine Unterlassungsklage, wenn im Einzelfall zwischen mehreren Klageberechtigten solche tatsächliche und/oder rechtliche Bindungen bestehen, dass nach der Lebenserfahrung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass das schutzwürdige Interesse eines der Klageberechtigten durch einen anderen, der schon über einen entsprechenden Unterlassungstitel verfügt, vollwertig gewahrt wird (4 Ob 402/85 = SZ 59/25 - Nr. 1 im Fensterbau; RIS-Justiz RS0079356; zuletzt etwa 4 Ob 149/00s = ÖBl 2001, 82 - Rot-weiß-rote Urlaubsideen, und 4 Ob 117/00k = ÖBl 2000, 268 - Wahrsagespielkarten). Dabei lässt nur das Vorliegen eines Titels, nicht schon ein anhängiges Verfahren das Rechtsschutzinteresse entfallen (4 Ob 5/90 = SZ 63/21 - Zinsertragssteuer-Rückvergütung; RIS-Justiz RS0079356 T3). Ob ausreichende Bindungen im Sinn dieser Rsp bestehen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (4 Ob 163/90 = SZ 66/163 - Top-Medium; RIS-Justiz RS0079356 T5, T9) und begründet daher idR keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.
Das Berufungsgericht hat diese Rsp richtig wiedergegeben; eine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung liegt nicht vor. Der Einwand des Klägers, dass die Verneinung des Rechtsschutzinteresses über den Einzelfall hinaus die Annahme einer „negativen Prozessvoraussetzung" bedeute, kann nicht überzeugen. Denn das Berufungsgericht hat nicht etwa angenommen, dass ein Titel einer klageberechtigten Vereinigung das Rechtsschutzinteresse ihrer Mitglieder generell wegfallen ließe (was nicht zuträfe, vgl RIS-Justiz RS0079609; 4 Ob 127/89 = ÖBl 1990, 151 - Die ganze Woche Sparbuch; 4 Ob 2145/96m = ecolex 1996, 930 - Schutzverbände). Vielmehr hat es im Einzelfall geprüft, ob zwischen dem Kläger und seiner Kammer so enge rechtliche und/oder faktische Bindungen bestehen, dass sein Rechtsschutz schon durch deren Einschreiten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gewährleistet ist.
Die Bejahung dieser Frage ist nicht zu beanstanden: § 23 Abs 2 RAO verpflichtet die Kammer, die „wirtschaftlichen Interessen" ihrer Mitglieder „wahrzunehmen, zu fördern und zu vertreten". Dieser rechtlichen Verpflichtung ist die Kammer bisher auch faktisch nachgekommen. Denn sie hat gegen die Beklagte nicht nur ein Unterlassungsurteil erwirkt, sondern führt wegen des vom Kläger beanstandeten Verhaltens auch Exekution. Auf dieser Grundlage konnte das Berufungsgericht in zumindest vertretbarer Weise annehmen, dass die Kammer den Rechtsschutz des Klägers auch in Zukunft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gewährleisten wird. Zwar hätte die rechtliche Verpflichtung der Kammer für sich allein noch nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses geführt. Denn der Kläger zeigt richtig auf, dass diese Verpflichtung im Gesetz nur allgemein formuliert ist und er keine Möglichkeit hat, die Kammer unmittelbar zum Einschreiten zu zwingen. Entscheidend ist aber, dass die Kammer auch tatsächlich - und zwar auch exekutiv - gegen die (angeblichen) Wettbewerbsverstöße der Beklagten vorgegangen ist und dass der Kläger als Kammermitglied zumindest mittelbare Möglichkeiten hat, weitere Schritte zu veranlassen (zB Antragstellung beim Ausschuss, Ankündigung von Anträgen oder Wahlvorschlägen in der Plenarversammlung). Konkrete Umstände, die ungeachtet der bisherigen Vorgangsweise der Kammer gegen die Annahme eines ausreichend gewährleisteten Rechtsschutzes sprechen, hat der Kläger nicht behauptet. Sollte sich diese Annahme bei einem weiteren Verstoß der Beklagten als falsch erweisen, kann er ohnehin neu klagen. Die vom Kläger ebenfalls angestrebte Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung ist nach stRsp ein vom Unterlassungsbegehren abhängiger Nebenanspruch (RIS-Justiz RS0079531). Wenn der Kläger in der Revision die Auffassung vertritt, dass schon sein Interesse an der Urteilsveröffentlichung das Rechtsschutzinteresse für die Unterlassungsklage begründe, verkehrt er das Verhältnis zwischen Haupt- und Nebenanspruch in sein Gegenteil. Folgte man seiner Argumentation, so müsste auch der Titelgläubiger selbst eine neue Unterlassungsklage einbringen können, um eine (erstmalige oder neuerliche) Veröffentlichung zu erwirken. Das mag bei einem ganz besonderen Interesse an der Urteilsveröffentlichung in Ausnahmefällen erwägenswert sein (vgl 4 Ob 1008/91); hier gibt es dafür aber keinen Anhaltspunkt.
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