OGH 8ObA84/06w

OGH8ObA84/06w23.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Dr. Vera Moczarski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sigmund S*****, vertreten durch Rath Stingl Dieter, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Marktgemeinde E*****, vertreten durch Klein, Wuntscheck & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Anfechtung einer Entlassung (Streitwert EUR 15.000,--), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Juli 2006, GZ 8 Ra 42/06t-36, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Nach den entscheidungswesentlichen Feststellungen hat der Kläger, der als Amtsleiter die höchste nicht politische Funktion in der Gemeinde innehatte, im Jahr 2003 ca 500 bis 600 Dokumente der Gemeinde betreffend die Erledigung von Subventionsansuchen, Vergabeentscheidungen aber auch sonstige Protokolle von Gemeindevorstandssitzungen auf eine CD kopiert und diese zu Hause in einer Schreibtischschublade aufbewahrt, zu der auch seine Lebensgefährtin und sein Sohn Zugang hatten. Die Daten waren auch auf seinen Heim-PC nicht gesichert. Er hat die Daten nach Hause mitgenommen, um sie im Falle der Auseinandersetzungen mit der Dienstgeberin („mobbing") oder anderen Personen zu verwenden. Es war ihm bewusst, dass es sich bei den Daten teilweise um der Geheimhaltung unterliegende gemeindeinterne Dokumente handelt, deren Mitnahme aus Datenschutzgründen bedenklich ist.

Die Vorinstanzen haben hier übereinstimmend das Vorliegen einer zur Entlassung berechtigenden Vertrauensunwürdigkeit des Klägers bejaht.

Rechtliche Beurteilung

Allgemein ist bei der Beurteilung der Vertrauensunwürdigkeit darauf abzustellen, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt eines vernünftigen „kaufmännischen" - hier dienstlichen Ermessens - die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass die dienstlichen Belange durch den Angestellten gefährdet sind, wobei nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers entscheidet, sondern an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, der nach den Begleitumständen des einzelnen Falles und nach der gewöhnlichen Verkehrsauffassung angewendet zu werden pflegt (vgl allgemein RIS-Justiz RS0029833). Ob diese Voraussetzungen für die vorzeitige Auflösung im Einzelfall vorliegen, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl RIS-Justiz RS0106298 mwN, etwa 9 ObA 87/01m oder RIS-Justiz RS0029547 mwN insbesondere 8 ObA 90/03y). Eine Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifen wäre, stellt die außerordentliche Revision aber nicht dar. Darauf, dass dem Kläger das für die Entlassung herangezogene Verhalten ausdrücklich verboten worden wäre, haben die Vorinstanzen ihre Rechtsansicht gar nicht gestützt. Auch vermag der Umstand, dass zu einem identen Sachverhalt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes noch nicht vorliegt, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen, sodass es auch nicht darauf ankommt, ob hier die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 9 ObA 273/89, in der die entsprechenden Unterlagen widerrechtlich erlangt worden waren, herangezogen werden kann. Allgemein ist aber zutreffend, dass an Angestellte mit einer größeren Vertrauensstellung -hier den Klägerein strengerer Maßstab hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit anzulegen ist (vgl RIS-Justiz RS0029341 mwN ua eben 9 ObA 273/89). Soweit der Kläger meint, dass zur Frage, ob das bloße Kopieren und Übertragen von Daten den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit begründe, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege, ist darauf zu verweisen, dass auch insoweit der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit eben nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalles beurteilt werden kann. Im Übrigen ist aber auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 9 ObA 91/03b zu verweisen, in der jedenfalls unter den damals vorliegenden Umständen in einer unbefugten Datenübertragung - ebenfalls unter Hinweis darauf, dass das dies nicht generell beantwortet werden kann - die Verwirklichung eines Entlassungsgrundes gesehen wurde (unter Hinweis auf RIS-Justiz RS0029749 zum Entlassungsgrund wegen des Kopierens von Unternehmensunterlagen zu privaten Zwecken). Soweit der Kläger geltend macht, dass die Dokumente zur Sicherung seiner Rechtsposition erforderlich gewesen wären, bezieht er sich nur auf bestimmte Protokolle, die sonst im Verfahren nicht vorgelegt worden wären, ohne darzustellen, warum es erforderlich gewesen wäre, ca 600 Dokumente mit vertraulichen Inhalten zu kopieren und zu Hause zugänglich aufzubewahren. Im Übrigen begehrt der Kläger unter Hinweis auf seine Aussage noch weitere Feststellungen, übergeht dabei aber, dass dem Obersten Gerichtshof eine Funktion als Tatsacheninstanz nicht zukommt (vgl allgemein RIS-Justiz RS0007236 uva). Auch sind die Vorinstanzen ohnehin nicht davon ausgegangen, dass der Kläger irgendwelche Protokolle oder Inhalte der Kopien an dritte Personen bereits weitergegeben hätte. Soweit die Revision im Folgenden davon ausgeht, dass der Kläger die Kopien ausschließlich zum Zweck einer allenfalls notwendig werdenden Verteidigung angefertigt hätte, entfernt sie sich von den Feststellungen, wonach die Vorgangsweise darauf abzielte, die Kopien „im Falle von Auseinandersetzungen zu verwenden". Eine Rechtsrüge kann aber einer weiteren Behandlung nur insoweit zugeführt werden, als vom festgestellten Sachverhalt ausgeht (vgl RIS-Justiz RS0043312 mwN).

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