OGH 9ObA87/01m

OGH9ObA87/01m5.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Thomas R*****, Kellner, *****, vertreten durch Dr. Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, gegen die beklagte Partei Johannes H*****, Inhaber der Bäckerei R***** & H*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, wegen S 50.644,14 brutto sA (Revisionsinteresse S 30.184,81), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2000, GZ 7 Ra 238/00z-32, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Trifft beide Teile ein Verschulden an der vorzeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt (§ 1162c ABGB). Diese Bestimmung findet auch auf die der GewO 1859 unterliegenden Arbeitsverhältnisse Anwendung (Kuderna, DRdA 1967, 181). Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0106298). Dass dem Berufungsgericht bei der Annahme des Vorliegens sowohl eines Entlassungs- als auch eines Austrittsgrundes eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, wird in der Zulassungsbeschwerde nicht geltend gemacht.

Erfolgt aber eine Entlassung zu Recht, nachdem der Arbeitgeber seinerseits einen Austrittsgrund gesetzt hat, so wird durch das Arbeitsrecht des Arbeitnehmers nicht etwa das Entlassungsrecht des Arbeitgebers vernichtet, sondern es ist vielmehr in einem solchen Fall ein Verschulden beider Teile an der Lösung des Arbeitsverhältnisses anzunehmen (Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG7 677; Krejci in Rummel, ABGB3 Rz 2 zu § 1162c ABGB; Arb 7.622). Die vom Berufungsgericht darüber hinaus im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angestellte Mutmaßung, dass die bedingte Entlassung beim Unterbleiben von Tätlichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wirksam geworden wäre, kann dahingestellt bleiben; auf sie kommt es nicht an. Davon, dass das Berufungsgericht eine Tatsachenfeststellung ohne Beweiswiederholung bzw -ergänzung zugrundelegt und damit Verfahrensvorschriften verletzt hätte, kann keine Rede sein. die vom Revisionswerber vermutete erhebliche Rechtsfrage des Prozessrechts iSd § 46 Abs 1 ASGG liegt daher nicht vor.

Trifft sohin beide Teile ein Mitverschulden an der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses, so hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden, ob und in welcher Höhe ein Ersatz gebührt (RdW 1996, 276). Die Bestimmung, dass nach "freiem Ermessen" des Richters darüber zu entscheiden ist, ob und in welcher Höhe ein Ersatz nach § 1162c ABGB gebührt, bedeutet nicht, dass der Richter willkürlich vorgehen kann. Dabei ist das Verschulden des einen Teils gegen das Verschulden des anderen Teils abzuwägen und danach sind die Rechtsfragen der vorzeitigen Lösung des Arbeitsverhältnisses, die den einen oder den anderen Teil nach dem Gesetz treffen, diesem Verschulden entsprechend zu mäßigen oder ganz zu beseitigen (Arb 9.631; RIS-Justiz RS0028903). Richtig erkennt insoweit auch der Revisionswerber, dass das Ergebnis dieser Abwägung von den Umständen des jeweiligen Falls abhängt. Dass eine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Abwägung des beiderseitigen Verschuldens im Einzelfall fehlt, vermag daher entgegen der Ansicht des Revisionswerbers keine erhebliche Rechtsfrage zu begründen. Dass dem Berufungsgericht bei der Annahme eines gleichteiligen Mitverschuldens der Parteien des Arbeitsvertrags eine erhebliche Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, wird nicht einmal behauptet.

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