OGH 2Ob83/06d

OGH2Ob83/06d9.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede T*****, vertreten durch Aigner Fischer

Unter Rechtsanwaltspartnerschaft in Ried im Innkreis, gegen die beklagten Parteien 1. Thomas K*****, und 2. H***** AG, *****, beide vertreten durch Mag. Erich Gratz, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 7.249,95 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 7. Dezember 2005, GZ 22 R 411/05f-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 24. August 2005, GZ 19 C 19/05x-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO). Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig erklärt, dass es über den Einzelfall hinaus von Bedeutung sei, ob die Bereinigung sämtlicher aus einem Schadensereignis abgeleiteter Ansprüche auch ohne Abfindungserklärung durch allgemeinen Vergleich im Sinne des § 1389 ABGB möglich sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig; weder in dessen Begründung noch in der Revision der Klägerin wird eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan.

Ein Vergleich setzt gemäß § 1380 ABGB voraus, dass damit streitige oder zweifelhafte Rechte unter beiderseitigem Nachgeben neu festgelegt werden (3 Ob 217/97a = ZVR 1999/20; 1 Ob 24/05v; RIS-Justiz RS0032681; Neumayr in KBB, § 1380 Rz 1). Zweifelhaft ist ein Recht dann, wenn sich die Parteien nicht einig sind, ob oder in welchem Umfang es entstanden ist oder noch besteht (RIS-Justiz RS0032654; Neumayr aaO § 1380 Rz 3). Es reicht, wenn bloß die Höhe des Anspruches zweifelhaft ist (3 Ob 217/97a = ZVR 1999/20; RIS-Justiz RS0032537).

Aus den Feststellungen über die von der Klägerin und der zweitbeklagten Partei geführte vorprozessuale Korrespondenz ergibt sich, dass sowohl der Personenschaden als auch der Sachschaden (mit Ausnahme des Fahrzeugschadens) der Klägerin jedenfalls der Höhe nach zweifelhaft war. Hat doch die zweitbeklagte Partei zur Klärung dieser Ansprüche ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt und einzelne der Sachschäden „ohne Prüfung" mit Pauschalbeträgen liquidiert, während die Klägerin ihrerseits hinsichtlich weiterer Schadenspositionen „Vergleichsbeträge" offerierte. Indem sich die Klägerin dem Sachverständigengutachten unterwarf und die geleisteten Pauschalbeträge ebenso akzeptierte, wie die beklagte Partei die angebotenen „Vergleichsbeträge", liegt auch die Voraussetzung des beiderseitigen Nachgebens vor. Unter diesen Umständen ist dem Berufungsgericht keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es das Vorliegen eines Vergleiches bejahte, zumal dieser zu seiner Gültigkeit keiner bestimmten Form bedarf und daher auch schlüssig zustandekommen kann (3 Ob 583/86; Neumayr aaO § 1380 Rz 5).

Was die Streitteile als Gegenstand der Streitbereinigung angenommen haben, bestimmt sich nach dem übereinstimmend erklärten Parteiwillen (RIS-Justiz RS0017954; Neumayr aaO § 1389 Rz 1), wobei dem konkreten Vergleichszweck bei der Auslegung großes Gewicht beizumessen ist (1 Ob 617/91 = SZ 64/160). Es gelten die Grundsätze der Vertrauenstheorie (RIS-Justiz RS0014696; Neumayr aaO § 1389 Rz 1), sodass Vergleiche nach den allgemeinen Regeln auszulegen sind. Entscheidend für das Verständnis der wechselseitigen Erklärungen ist der objektive Erklärungswert (1 Ob 617/91 = SZ 64/160). Die Auslegung eines Vergleiches richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalles und begründet - von Fällen grober Fehlbeurteilung abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (9 Ob 15/00x; 9 Ob 236/00x; RIS-Justiz RS0113785, RS0044358 [T4, 5 und 18]).

Die Vorinstanzen haben den zwischen der Klägerin und der zweitbeklagten Partei zustandegekommenen Vergleich dahin ausgelegt, dass damit sämtliche im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bereits bekannte und erkennbare Ansprüche der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 16. 8. 2002 endgültig bereinigt werden sollten. Angesichts der vom rechtsfreundlichen Vertreter der Klägerin (und deren bei dem Unfall ebenfalls verletzten Sohnes) im (vorerst) abschließenden Schreiben vom 28. 1. 2003 gewählten Formulierungen („Die Ansprüche meiner Mandanten können nunmehr wie folgt geltend gemacht werden ..."; „Restlich offen..."; „Ich ersuche daher um Überweisung folgender ... Restforderung...") und der vom Berufungsgericht hervorgehobenen Verzeichnung pauschaler „Kosten meines Einschreitens" (vgl Beilage 2) einerseits, sowie der als „Restzahlung" gewidmeten Überweisung des geforderten „Restbetrages" durch die zweitbeklagte Partei mit der im Begleitschreiben vom 30. 1. 2003 zum Ausdruck gebrachten „Hoffnung", damit den Schadensfall zur Zufriedenheit der Klägerin „erledigt" zu haben, andererseits, ist dem Berufungsgericht hiebei keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen. Auch wenn die Klägerin keine ausdrückliche Abfindungserklärung abgegeben hat, lässt die Textierung der zitierten Schreiben die Auslegung zu, dass die Vertragsparteien außergerichtlich eine abschließende Lösung anstrebten und mit der Zahlung des geforderten „Restbetrages" die Angelegenheit im Sinne eines allgemeinen Vergleiches als endgültig erledigt wissen wollten.

Mangels entgegenstehender Parteienabsicht erstreckt sich die Bereinigungswirkung eines allgemeinen Vergleiches auf alle Ansprüche, an welche die Parteien nicht gedacht haben, an die sie aber denken konnten (vgl 4 Ob 21/03x = EvBl 2003/107; RIS-Justiz RS0032453; Neumayr aaO § 1389 Rz 2). Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die vergleichsweise Bereinigung jedenfalls sämtliche den Parteien bei Vergleichsabschluss bekannten oder bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennbaren Ansprüche der Klägerin umfasste. Dies trifft auf die klagsgegenständlichen Ansprüche zu; den ihr obliegenden Beweis des Gegenteils (RIS-Justiz RS0032504) hat die Klägerin nicht erbracht. Deren Argument, die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes unterstelle ohne Deckung durch eine Abfindungserklärung einen Verzicht auf „nachträglich anfallende" Ansprüche, kann schon deshalb auf sich beruhen, weil sie zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch nicht erkennbare Ansprüche gar nicht geltend gemacht hat.

Die Frage, ob auch eine andere Auslegung des Vergleiches vertretbar wäre, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (9 Ob 15/00x; RIS-Justiz RS0042776 [T 2]).

Da es somit der Lösung von Rechtsfragen im Sinne der soeben zitierten Gesetzesstelle nicht bedarf, ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen.

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