OGH 7Ob231/06f

OGH7Ob231/06f23.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Martin M*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei A***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Egger & Musey Rechtsanwälte-Partnerschaft in Salzburg, wegen EUR 70.929,-- sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 7. März 2006, GZ 3 R 11/06t-34, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Revisionswerber macht in der Zulassungsbeschwerde im Wesentlichen geltend, sein Rechtsmittel sei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes zulässig, weil

a) zur Frage, ob die höchstgerichtliche Judikatur zur Einbeziehung Allgemeiner Versicherungsbedingungen auch auf die Einbeziehung Besonderer Versicherungsbedingungen anwendbar sei und zur Frage, welche Bestimmtheitsanforderungen an Verweise auf Besondere Versicherungsbedingungen zu stellen seien, oberstgerichtliche Judikatur fehle;

b) das Berufungsgericht bei der Interpretation der Allgemeinen Sicherheitsvorschriften in den „Besonderen Bedingungen 0003" von den in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auslegungsgrundsätzen abgewichen sei;

c) zur Frage, inwieweit sich auf Grund welcher Kriterien eine „auffällige Prämieninäquivalenz" ergebe, höchstgerichtliche Judikatur fehle und

d) die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger habe grob fahrlässig gegen die vereinbarten Sicherheitsvorschriften verstoßen, mit den in ständiger Rechtsprechung angewendeten Beurteilungskriterien für grobe Fahrlässigkeit nicht in Einklang stehe.

Damit vermag der Revisionswerber einen tauglichen Grund für die Zulassung seines außerordentlichen Rechtsmittels nicht aufzuzeigen:

Rechtliche Beurteilung

Zu a): Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung setzt die Geltung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Einzelfall deren Vereinbarung voraus (RIS-Justiz RS0062323; 1 Ob 30/04z; 7 Ob 1/05f ua); andernfalls kommt - wenn die Versicherungsart, das versicherte Risiko und die Prämie feststehen - der Versicherungsvertrag ohne AVB zustande (7 Ob 31/03i; 1 Ob 30/04z; RIS-Justiz RS0117649). Dem Versicherungsnehmer muss deutlich erkennbar sein, dass der Versicherer nur zu seinen AVB kontrahieren will; diesem Willen muss sich der Versicherungsnehmer unterworfen haben. Dafür wird jedoch gefordert, dass in den Vertragsunterlagen zumindest ein deutlicher Hinweis auf die Einbeziehung der AVB enthalten ist und der Versicherungsnehmer die Möglichkeit hat, sich die AVB zu beschaffen oder deren Inhalt zu erfahren. Insofern reicht für deren Einbeziehung in das Vertragsverhältnis die Anführung der maßgebenden AVB auf den vom Kunden unterfertigten Antragsformular aus, ohne dass es auf die Aushändigung der AVB an den Versicherungsnehmer ankäme (7 Ob 31/03i, RdW 2003, 503 = VersR 2004, 495 = WoBl 2004, 158/42 [Werkusch]; 1 Ob 30/04z; 7 Ob 1/05f; SZ 63/54; 7 Ob 39, 40/95). Wenn auch auf Grund der in der VersVG-Novelle 1994 jedem Versicherer eingeräumten Möglichkeit, eigene Bedingungen zu schaffen, das Erfordernis der Kenntnisnahme von AVB durch den Versicherungsnehmer verschärft wurde, gelten nach herrschender Meinung für die Rechtswirksamkeit der Einbeziehung von AVB in den Einzelvertrag nach wie vor die eben dargestellten Grundsätze (vgl Fenyves in Fenyves/Kronsteiner/Schauer VersVG-Novellen, Rz 5 zu § 5b unter Hinweis auf Schauer, Versicherungsvertragsrecht3 84 mwN; 7 Ob 31/03i mwN). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist entgegen der Ansicht des Revisionswerbers eine Differenzierung zwischen Allgemeinen und „Besonderen Versicherungsbedingungen" nicht vorzunehmen, sofern - wie hier - auch die „Besonderen Bedingungen" in Klauseln formularmäßig festgehalten sind und der Versicherungsnehmer daher die Möglichkeit hat, sich das betreffende Formular und damit Kenntnis vom Inhalt auch dieser Klauseln zu verschaffen. Die diesbezüglichen Bedenken des Revisionswerbers, ein Hinweis auf „Besondere Bedingungen" sei nicht ausreichend, gründen sich offenbar darauf, dass der Kläger „Besondere Bedingungen" mit individuell gestalteten Bedingungen gleichsetzt, was aber nicht zutrifft. Eine nahezu wortgleiche Formulierung wie jene, die im vom Kläger unterfertigten Versicherungsantrag enthalten ist und die Geltung der AVB betrifft („Antrag auf Bündelversicherung ... auf Grund der für die einzelnen Sparten geltenden Allgemeinen und Besonderen Vertragsbedingungen") hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 17/90, SZ 63/54 = WBl 1990, 316 = VR 1990, 350 = VersR 1991, 327 = HS 20.459 = HS 20.477 als taugliche Grundlage für die Einbeziehung der betreffenden Versicherungsbedingungen in den Versicherungsvertrag angesehen.

Damit steht die Rechtsansicht der Vorinstanzen, auf Grund dieses - vom Kläger konkludent akzeptierten - Hinweises seien die Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen der Beklagten und insbesondere die Besonderen Bedingungen 0003 dem Versicherungsvertrag der Streitteile zugrundegelegt worden, mit gesicherter oberstgerichtlicher Judikatur im Einklang. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass die Klägerin in ihrem Antragsformular (auch optisch) deutlich genug auf die Geltung ihrer „Allgemeinen und Besonderen Bedingungen" hingewiesen habe, ist einzelfallbezogen und stellt keine im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

Zu b): Zwar ist, da Versicherungsbedingungen in aller Regel einen größeren Personenkreis betreffen, ihre Auslegung, sofern dazu - wie hier - nicht bereits oberstgerichtliche Judikatur existiert, revisibel. Dies ist allerdings nicht der Fall, wenn die betreffende Bestimmung so eindeutig formuliert ist, dass nur eine Möglichkeit der Auslegung in Betracht kommt. Letzteres trifft im vorliegenden Fall zu:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Punktes 4.1. der „Besonderen Bedingung 0003-Zusatzbedingungen für die Versicherung von industriellen, gewerblichen und sonstigen Betrieben sowie sonstigen nicht ausschließlich Wohnzwecken dienenden Gebäuden" lauten:

Brandgefährliche Tätigkeiten (bzw Feuerarbeiten) im Sinne dieser Sicherheitsvorschriften sind unter anderem:

4.1.6. Bewegliche brennbare Sachen und lagernde brennbare feste Stoffe und Flüssigkeiten sowie Staub und Abfälle sind vor Beginn der Arbeiten aus der Umgebung der Arbeitsstätte und gefährdeten angrenzenden Bereichen zu entfernen.

Nach ständiger Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914, 915 ABGB) auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (7 Ob 31/91, VR 1992/277; 7 Ob 6/92, VR 1992/284; RIS-Jusitz RS0050063). Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie - wie hier - nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901). In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (7 Ob 81/06x uva).

Nach diesen Grundsätzen kann es entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nach dem klaren Wortlaut der zwischen den Streitteilen vereinbarten Sicherheitsvorschriften keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass bewegliche brennbare Sachen und lagernde brennbare feste Stoffe und Flüssigkeiten sowie Staub und Abfälle aus dem Arbeitsbereich und angrenzenden Bereichen zu entfernen sind und es daher nicht etwa genügt, sie nur abzudecken. Da dies nach allgemeinem Verständnis völlig auf der Hand liegt, erfüllt diese Frage nicht die Kriterien einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

Zu c): Umstände, wonach ein auffälliges, sittenwidriges Missverhältnis zwischen dem gedeckten Feuerversicherungsrisiko und der Prämienhöhe bestünde, sind aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt nicht zu erkennen und auch schon deshalb nicht zu beurteilen, weil die Prämienhöhe gar nicht festgestellt wurde. Auch in diesem Zusammenhang stellt sich im vorliegenden Fall daher keine im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Frage.

Zu d): Die Frage, ob eine Fehlhandlung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigt, stellt nach ständiger Rechtsprechung bei Vertretbarkeit der immer von den Umständen des Einzelfalles abhängigen Beurteilung, grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (7 Ob 301/99m; 7 Ob 59/01d; 7 Ob 74/02m; 7 Ob 170/03f; 7 Ob 12/04x; 7 Ob 143/04m uva). Ein Grund für die Zulassung der Revision läge daher nur dann vor, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung den von der Judikatur für die Annahme grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspräche (VR 1989/168; 7 Ob 49/01d; 7 Ob 74/02m; 7 Ob 165/02v; 7 Ob 170/03f; 7 Ob 12/04x uva), also nur dann, wenn dem Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0026555 [T5]; RS0087606 [T8]; 7 Ob 143/04m; 7 Ob 214/04b ua). Dies ist aber hier, führt man sich vor Augen, dass der Kläger die brennbaren Abfälle bewusst nicht aus dem brandgefährdeten Bereich entfernt, sondern sie lediglich abgedeckt hat, keineswegs der Fall.

Damit erweist sich die außerordentliche Revision als unzulässig und muss zurückgewiesen werden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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