OGH 7Ob215/06b

OGH7Ob215/06b27.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof. Mag. Ferdinand A*****, vertreten durch Toifl Kerschbaum Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei P***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Feststellung (Streitwert: EUR 5.000), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 26. Juni 2006, GZ 21 R 202/06i-19, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 16. März 2006, GZ 13 C 1830/05b-13, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 399,74 (darin enthalten EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein Bestandrecht hinsichtlich des näher bezeichneten Objektes auch das Recht zur Benützung der östlich gelegenen „Park- und Grünflächen" umfasse. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In Anwendung eines strengen Maßstabs für die Annahme stillschweigender Willenserklärungen hätten die Mieter angesichts der Größe der von ihnen aus Entgegenkommen der Vermieterin mitbenützten Garten- und [PKW-]Parkflächen daran zweifeln müssen, dass daran ohne Gegenleistung (bis auf geringfügige Betriebskosten für die Pflege der Grünfläche) ein Mitbenützungsrecht eingeräumt werden sollte. Trotz dieses geringfügigen Entgelts sei eine Bittleihe anzunehmen. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagestattgebenden Sinne ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil es sich bei den vom Kläger und den anderen Mietern in Anspruch genommenen Flächen um „relativ große Bereiche" handle und insofern „auch die Ansicht vertreten werden könnte", die Mieter, insbesondere der Kläger, hätten die Großzügigkeit der Bundesgebäudeverwaltung nicht dahin auffassen dürfen, dass ihnen unwiderrufliche Rechte eingeräumt würden.

Die Revisionswerberin beruft sich darauf, dass zur Frage der schlüssigen Ausdehnung eines Bestandvertrages hinsichtlich „sehr großer Flächen" eine höchstgerichtliche Judikatur nicht bestehe; die bisherige Rechtsprechung sei nur zu „kleineren Flächen" ergangen. Nach Auffassung der Beklagten müsse der Grundsatz gelten, dass eine schlüssige Ausdehnung von Bestandverträgen um so weniger angenommen werden könne, je größer die Fläche oder der Wert des betreffenden Bestandobjekts und desto massiver daher die Rechtseinschränkung durch die schlüssige Vertragsausdehnung sei. Außerdem sei das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den Fragen der Behauptungs- und Beweislast für ein einvernehmliches Abgehen vom Schriftformerfordernis und für die freie Widerrufbarkeit eines Prekariums abgegangen.

Davon kann jedoch keine Rede sein.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen den Rechtsmittelausführungen hat sich der Kläger nämlich ohnehin auf ein (auch stillschweigend mögliches [stRsp; RIS-Justiz RS0014378, RS0038673; jüngst: 5 Ob 37/06m und 7 Ob 99/06v]) Abgehen von der im Mietvertrag vereinbarten Schriftform berufen, und es fehlen - wie schon das Berufungsgericht aufzeigt - auch jegliche Beweisergebnisse dafür, dass für die gestattete Benützung eine (im Zweifel nicht zu vermutende [stRsp; RIS-Justiz RS0014302; RS0014305; RS0019200]) freie Widerrufbarkeit (ausdrücklich oder schlüssig) vereinbart worden wäre.

Im Übrigen bestreitet das Rechtsmittel - zu Recht - gar nicht, dass nach Rechtsprechung und Lehre dann, wenn der Vermieter dem Mieter während des Bestandes des Mietverhältnisses die Benützung (oder Mitbenützung) weiterer Räume oder Flächen gestattet, dies zu einer konkludenten Ausdehnung des Gebrauchsrechtes des Mieters aus dem Mietvertrag führt; und zwar selbst ohne Entrichtung eines zusätzlichen Entgeltes und entgegen einer (im Einvernehmen schlüssig abdingbaren) Schriftformklausel (Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht21 § 1 MRG Rz 8; Binder in Schwimman³ § 1094 ABGB Rz 12), wobei ein Prekarium nicht vermutet wird (zu allem: 8 Ob 2140/96f mwN; RIS-Justiz RS0014302; RS0014305; RS0019200).

Es entspricht also den dargestellten Grundsätzen, die hier vorliegende jahrzehntelange intensive Benützung der „Park- und Grünflächen" durch die Mieter mit Wissen und ausdrücklicher Zustimmung durch die Vermieterseite [zumindest „im Zweifel"] als Erweiterung des Mietvertrages zu beurteilen (Binder aaO § 1090 ABGB Rz 36 und § 1094 ABGB Rz 12 f; 9 Ob 190/01h; Prader MRG² [2006] § 1 MRG E 12). Anderes würde nämlich nur dann gelten, wenn für die zusätzliche Überlassung ein anderer Rechtstitel (zB Leihe) vereinbart worden oder wenn sie gegen jederzeitigen Widerruf erfolgt wäre (Würth/Zingher/Kovanyi aaO), wofür jedoch kein Anhaltspunkt besteht. Der Zulassungsbegründung und den dazu erstatteten Ausführungen der Revision ist daher nur noch Folgendes zu erwidern:

Die Auslegung einer konkreten Vereinbarung (hier: betreffend die schlüssige Ausdehnung eines Mietvertrages auf Grünflächen und asphaltierte Parkflächen einer Wohnanlage) ist keine Rechtsfrage, deren Beantwortung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) zukäme (RIS-Justiz RS0042776; RS0042936; RS0044298; RS0044358; RS0112106 ua). Dabei ist unerheblich, ob es um die Auslegung ausdrücklicher oder konkludenter Willenserklärungen geht. Ob diese im Einzelfall richtig ausgelegt wurden, stellt nach ständiger Rechtsprechung nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn in krasser Verkennung der Auslegungsgrundsätze ein unvertretbares - aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierendes - Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042769; RS0042776; RS0042936; RS0044298; RS0044358; RS0112106 ua; zu allem: 10 Ob 62/05y und 10 Ob 27/06b mwN).

Ein derartig gravierender, korrekturbedürftiger Beurteilungsfehler des Berufungsgerichts (vgl RIS-Justiz RS0044088; jüngst: 5 Ob 134/06a und 8 ObA 2/06m) liegt hier aber selbst nach den Rechtsmittelausführungen nicht vor. Ob auch die darin dargelegte andere Auslegung (im Sinn der dort vorgetragenen Argumente gegen die schlüssige Erweiterung des Mietvertrags) vertretbar wäre, also ob bloß eine andere Interpretation in Betracht käme, ist hingegen keine erhebliche Rechtsfrage (Zechner aaO; RIS-Justiz RS0042776; RS0042936; RS0112106 ua; 10 Ob 140/05v und 10 Ob 27/06b mwN).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

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