Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.719,20 (darin S 247,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger trat als öffentlich Bediensteter dem beklagten Verein Ö*** G*** bei. Nach seinem Übertritt in den Ruhestand blieb seine Mitgliedschaft aufrecht. Er meint, seine Rechte als Vereinsmitglied seien durch die Bestimmung des § 29 Abs.1 der Geschäfts- und Wahlordnung der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, wonach bei der Zusammensetzung der gewerkschaftlichen Organe in jedem Fall auf durchgeführte Personalvertretungs- und Betriebsratswahlen Bedacht zu nehmen sei, beeinträchtigt, weil er dadurch in seinem subjektiven Recht auf Wahl der Delegierten zum Gewerkschaftstag verletzt und von der Meinungsbildung innerhalb des beklagten Vereines als Pensionist ausgeschlossen werde. Dadurch erfolge gegen die Statuten des beklagten Vereines, nach deren § 4 Abs.2 die Delegierten der alle vier Jahre abzuhaltenden Gewerkschaftstage von den Mitgliedern nach der in der Geschäftsordnung der Gewerkschaft bestimmten Wahlordnung gewählt werden, eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung aktiver und im Ruhestand befindlicher Gewerkschaftsmitglieder, die Wahlordnung sei statuten-, rechts- und gesetzwidrig, weil die Pensionisten davon ausgeschlossen seien, das Ergebnis der Wahl zu beeinflussen und der Zweck der Personalvertretungs- und Betriebsratswahlen nur die innerbetriebliche gesetzliche Arbeitnehmervertretung nicht aber die überbetriebliche Interessenvertretung aller öffentlich Bediensteter (auch des Ruhestandes) zum Gegenstand habe.
Mit diesem Tatsachenvorbringen erhob der Kläger am 1.2.1985 gegen den beklagten Verein die Klage mit den Begehren, 1. auf Feststellung der "Rechts, gesetz- und statutenwidrigkeit der die Wahlordnung regelnden Bestimmungen der Geschäfts- und Wahlordnung der Gewerkschaft öffentlicher Dienst und ihrer Unwirksamkeit dem Kläger gegenüber, 2. auf Nichtig- und Unwirksamerklärung dieser Wahlordnung, so daß sie mit der Rechtskraft des Urteiles außer Kraft treten, 3. auf Einräumung des Rechtes des Klägers zur Teilnahme an der Wahl der Delegierten zu den Gewerkschaftstagen, 4. auf Erlassung einer Wahlordnung durch den beklagten Verein, nach der alle Gewerkschaftsmitglieder die Delegierten zum Gewerkschaftstag nach den Grundsätzen des allgemeinen, geheimen, gleichen, persönlichen und unmittelbaren Verhältniswahlrechtes unter Ausschließung eines Wahlrechtes von Nichtmitgliedern, auf Vornahme solcher Wahlen bis zum 30.9.1985 und auf Untersagung der Abhaltung des für die Zeit vom 12.11.1985 bis 15.11.1985 anberaumten Gewerkschaftstages. Der beklagte Verein wendete unter anderem ein, die Regelung, wonach nur aktive öffentlich Bedienstete wahlberechtigt sind, entspreche dem Willen und Statut des Vereines. Wenn der Kläger dies in Frage stelle, mache er kein subjektives Mitgliedrecht geltend sondern wende sich gegen die innere Ordnung des Vereines. Dafür sei der Rechtsweg nicht zulässig. Die innere Ordnung des Vereines sehe vor, daß die gewerkschaftlichen Betriebsausschüsse die Delegierten zu den Landessektionstagen, diese die Delegierten zu den Bundessektionstagen und zu den Landestagen und erst diese die Delegierten zum Gewerkschaftstag in indirekter Wahl wählen. Auf Grund der Statuten könne nur der Gewerkschaftstag die Geschäfts- und Wahlordnung ändern. Es obliege den einzelnen Fachgewerkschaften, in ihrer Wahlordnung zu regeln, welche Mitglieder direkt oder indirekt die Delegierten zu dem Gewerkschaftstag wählen. Die auf Grund der Ermächtigung durch den 9.Gewerkschaftstag vorgenommene Novellierung der Geschäfts- und Wahlordnung der Gewerkschaft öffentlicher Dienst durch die 27.Länderkonferenz stehe mit den Statuten und der Geschäftsordnung des beklagten Vereines in Einklang. Der Kläger habe es unterlassen, das nach § 26 Abs.1 der Geschäfts- und Wahlordnung für zwischen Mitglied und Gewerkschaft zur Entscheidung berufene Schiedsgericht zu befassen und könne auch deshalb nicht den Rechtsweg beschreiten.
Das Erstgericht wies die Klage unter Nichtigerklärung des abgeführten Verfahrens zurück, weil für die vom Kläger angestrebte Überprüfung der Gesetzmäßigkeit von Bestimmungen der Geschäfts- und Wahlordnung der Gewerkschaft öffentlicher Dienst eine Kompetenz der Gerichte nicht gegeben sei. Ein zivilrechtlicher Anspruch werde vom Kläger nicht geltend gemacht.
Über Rekurs des Klägers änderte das Gericht zweiter Instanz diesen Beschluß dahin ab, daß es ihn aufhob und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auftrug. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- übersteigt und setzte den Rechtskraftvorbehalt, weil eine Rechtsprechung zu der Rechtsfrage der Folgen der Unterlassung der Befassung des Vereinsschiedsgerichtes nicht vorliege.
Das Rekursgericht meinte, die Zulässigkeit des Rechtsweges sei nach dem Vorbringen des Klägers zu beurteilen. Handle es sich danach um Rechtsverhältnisse privatrechtlicher Natur, sei der ordentliche Rechtsweg zulässig. Dies sei der Fall, weil der Kläger sich auf seine Mitgliedsrechte stütze. Die Vorschriften der §§ 577 ff ZPO könnten auf Vereinsschiedsgerichte nicht angewendet werden (§ 599 Abs.2 ZPO). Daß nach § 19 Z 5 der Statuten des beklagten Vereines jedes Mitglied verpflichtet sei, die ausschließliche Zuständigkeit des gewerkschaftlichen Schiedsgerichtes aus dem Vereinsverhältnis anzuerkennen, bewirke weder eine Unzulässigkeit des Rechtsweges noch die Unzuständigkeit, weil diese Unterlassung nur die Fälligkeit eines Leistungsbegehrens aufschieben könne, einem Feststellungsbegehren jedoch nicht entgegenstehe, auch wenn das nach § 4 Abs.2 lit.g VereinsG vorgesehene Vereinsschiedsgericht zur Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis hier nicht angerufen wurde.
Diesen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz bekämpft der beklagte Verein mit seinem Revisionsrekurs, der auf die Wiederherstellung des erstrichterlichen Zurückweisungsbeschlusses abzielt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den angefochtenen Beschluß des Rekursgerichtes zu bestätigen. Der Revisionsrekurs gegen den in Wahrheit abändernden Beschluß des Rekursgerichtes ist nach § 528 Abs.2 und § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig, weil das Gericht zweiter Instanz zutreffend erkannt hat, daß der Lösung der vorliegenden Rechtsfrage nach der Zulässigkeit der Befassung des Gerichtes mit den vom Kläger behaupteten Ansprüchen die im § 502 Abs.4 Z 1 ZPO umschriebene Bedeutung zukommt, und deshalb - wenn auch durch Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes - den Revisionsrekurs für zulässig erachtete. Die Entscheidung des Rekursgerichtes bringt auch hinlänglich deutlich zum Ausdruck, daß es sich bei seiner Bewertung im Zulassungsbereich halten und aussprechen wollte, daß der Wert des Streitgegenstandes, der der Rekursentscheidung zugrunde lag, wohl S 15.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
Daß der Kläger, wenn er Bestimmungen der Geschäfts- und Wahlordnung der Gewerkschaft öffentlicher Dienst für gesetz- und rechtswidrig hält, im Verwaltungsverfahren vorgehen könnte, bedeutet nicht, wie die beklagte Partei meint, daß ihm schon deshalb der Rechtsweg verschlossen sein müsse. Es kommt nur darauf an, welchen Anspruch der Kläger nach den in der Klage vorgetragenen anspruchsbegründenden Tatsachen und dem daraus abgeleiteten Begehren verfolgt. Seine subjektiven, aus dem Vereinsverhältnis entspringenden Mitgliedsrechte kann der Kläger nur im ordentlichen Rechtsweg geltend machen und nach dem Klagegrund macht der Kläger nichts anderes geltend, als daß seine Rechte als Vereinsmitglied durch den Ausschluß vom jeder Mitwirkung an der Willensbildung im Verein verletzt wurden, als der Verein seine Wahlordnung so setzte, daß an der Wahl aller Delegierten zu beschlußfassenden Versammlungen einerseits Personen mitwirken, die nicht Vereinsmitglieder seien, andererseits alle Vereinsmitglieder im Ruhestand von jeder Einflußnahme ausgeschlossen würden. Der Kläger stützt sich hier nicht auf öffentlich-rechtliche Vorschriften sondern will ausschließlich seine privatrechtlichen Anspruche verfolgen und beschränkt sein Begehren allein auf die angeblich statutenwidrige Einengung seiner Mitgliedsrechte. Für seinen solchen Anspruch ist der Rechtsweg nicht verschlossen (SZ 51/154; EvBl 1966/265; GesRZ 1985,38 ua). Ob die Mitgliedsrechte des Klägers, besonders nach seinem Übertritt in den Ruhestand, das der Mitwirkung an der Willensbildung im Verein umfassen, ob der Kläger davon gänzlich oder teilweise ausgeschlossen ist und ob dafür eine sachliche Rechtfertigung vorliegt, ist in diesem Verfahrensstadium nicht zu untersuchen, weil es Gegenstand der Sachentscheidung sein muß, die erst nach einer umfassenden Feststellung aller bedeutsamen Tatsachen vom Erstgericht zu treffen sein wird. Auch die Berechtigung der einzelnen, teilweise schon durch den Verlauf der Zeit überholten Begehren und eine allfällige Unschlüssigkeit der Klage, wie sie die beklagte Partei behauptet, kann nur bei einer Sachentscheidung geprüft werden. Hier darf dem Ergebnis des Rechtsstreites nicht vorgegriffen werden.
Nach § 599 Abs.2 ZPO sind Vereinsschiedsgerichte nicht den Regeln der §§ 577 ff ZPO unterworfen. Streitigkeiten zwischen Vereinsmitgliedern und dem Verein gehören vor die ordentlichen Gerichte, soweit der Streit in den Bereich des Privatrechts fällt und können durch eine gesetzwidrige Vereinbarung des Ausschlusses der Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges der Gerichtsbarkeit nicht entzogen werden (Fasching, ZPR, Rz 2239; EvBl 1978/182; SZ 51/154). Alle weiteren Ausführungen der beklagten Partei im Revisionsrekurs verkennen, daß es zunächst nur darum geht, daß der Kläger sich auf die statutenwidrige Ausschließung von der Mitwirkung an der Willensbildung in den bestimmten Versammlungen des Vereines stützt und damit einen privatrechtlichen Anspruch auf Teilnahme an den Wahlen behauptet, den er aus seinen Rechten als Mitglied des Vereines ableitet. Ob ihm diese Rechte zustehen, ob und inwieweit die Einschränkung der Mitgliedsrechte zulässig und gerechtfertigt ist und wie in Wahrheit die Zusammensetzung der willensbildenden Organe erfolgt, ist nicht im Vorprüfungsverfahren über die Zulässigkeit des Rechtsweges abzuklären sondern der Entscheidung in der Sache vorbehalten.
Zu Unrecht beharrt daher die beklagte Partei auf ihrer Einwendung der Rechtswegunzulässigkeit. Eine durch Vereinbarung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes begründete Unzuständigkeit wurde gar nicht rechtzeitig eingewendet (Fasching ZPR Rz 2184). Nach dem Klagegrund verfolgt der Kläger einen privatrechtlichen Anspruch aus dem Vereinsmitgliedschaftsverhältnis. Ob dieser Anspruch zusteht und ob er insbesondere das eine oder andere der daran geknüpften Begehren rechtfertigt, wird erst im fortzusetzenden Verfahren zu entscheiden sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO weil über den Zwischenstreit, ob der Rechtsweg zulässig oder die Klage zurückzuweisen ist, abschließend entschieden wird.
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