Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass sie zu lauten haben:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin ab 1. 12. 2004 nach dem am 30. 11. 2004 verstorbenen Walter H***** die Witwenpension zu gewähren.
Die Pension beträgt ab 1. 12. 2004 monatlich EUR 0,00 zuzüglich Höherversicherung EUR 2,93.
Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin ab 1. 12. 2004 eine höhere Witwenpension (zumindest in der Höhe von EUR 1.000,-- monatlich) zu gewähren, wird abgewiesen."
Die Klägerin hat ihre Kosten des Verfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 11. 6. 1944 geborene Ehemann der Klägerin, Walter H*****, verstarb am 30. 11. 2004 nach kurzer schwerer Krankheit. Er war bis in das Jahr 1994 berufstätig und finanzierte bis dahin mit seinem Einkommen einen Großteil des gemeinsamen Haushaltes. Im Jahr 1993 bezog er ein ATS 1,2 Mio übersteigendes steuerpflichtiges Einkommen, wogegen die Klägerin nur ATS 250.000,-- verdiente. Im Jahr 1994, in dem er nur bis zur Jahresmitte berufstätig war, erzielte er ein Einkommen von über ATS 580.000,--; die Klägerin verdiente ATS 260.000,--. Mitte 1994 verlor Walter H***** seinen Arbeitsplatz. Er war anschließend arbeitslos und erhielt nach Erschöpfung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes Notstandshilfe. Im Oktober 1996 entrichtete er Beiträge für Ersatzzeiten (Schulbesuch) für insgesamt 16 Monate. Am 14. 4. 1999 konnte er damit in der Pensionsversicherung 470 Versicherungsmonate nachweisen. Ab August 2000 erhielt Walter H***** (wegen des Einkommens der Klägerin und dann wegen einer Fristversäumnis) keine Notstandshilfe mehr. Er bezog bis zu seinem Tod kein weiteres Einkommen, war bei der Klägerin mitversichert und arbeitslos gemeldet.
Die Klägerin war bis 1. 12. 2003 bei der T***** beschäftigt. In den letzten beiden Jahren ihrer Berufstätigkeit erzielte sie ein reguläres Bruttoeinkommen von EUR 43.366,53 (2002) und EUR 51.453,56 (2003), jeweils einschließlich der Sonderzahlungen. Anlässlich ihrer Pensionierung im Dezember 2003 erhielt sie eine einmalige freiwillige Zahlung von zirka EUR 39.000,-- und EUR 2.800,-- als Abschlagszahlung auf eine Jubiliäumszuwendung von ihrem Arbeitgeber. Seit Dezember 2003 bezieht sie eine monatliche Bruttopension von zirka EUR 1.660,-- (inklusive einer Nebengebührenzulage).
Im August 2004 wurde bei Walter H***** ein weit fortgeschrittener, nicht operabler Tumor festgestellt, weshalb er am 18. 8. 2004 die Berufsunfähigkeitspension beantragte. Er starb am 30. 11. 2004. Nach seinem Tod erkannte ihm die beklagte Partei mit Bescheid vom 14. 4. 2005 ab 1. 9. 2004 die Berufsunfähigkeitspension in der Höhe von EUR 1.763,-- zuzüglich Höherversicherung zu. Die Klägerin erhielt eine entsprechende Nachzahlung.
Weil das Ehepaar nach dem Verlust des Arbeitsplatzes des Mannes mit dem alleinigen Einkommen der Klägerin nur schwer das Auslangen finden konnte, wurde in den letzten 10 Jahren vor dem Tod Walter H*****s immer wieder auf Ersparnisse zurückgegriffen. Ausschließlich mit ihrer eigenen Pension kann die Klägerin das eheliche Haus, in dem sie allein lebt, nicht erhalten.
Mit Bescheid vom 11. 3. 2005 hat die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch der Klägerin auf Witwenpension ab 1. 12. 2004 anerkannt und die Höhe mit EUR 0,-- zuzüglich einer Höherversicherung von EUR 2,93 festgesetzt. In ihrer Klage begehrt die Klägerin die Leistung einer Hinterbliebenenpension in der gesetzlichen Höhe (unter Zugrundelegung einer verfassungskonformen Interpretation), jedenfalls aber in Höhe von zumindest EUR 1.000,-- monatlich. Die im angefochtene Bescheid angestellte Berechnungsweise sei zwar aufgrund der seit 1. 7. 2004 geltenden Gesetzeslage richtig. Da aber die dabei anzustellende Vergleichsberechnung im Fall der Klägerin nicht die dem zuletzt erworbenen Lebensstandard nahe kommende Versorgungssituation wiederspiegle, würden die gesetzlichen Bestimmungen nicht dem beabsichtigten Zweck der Hinterbliebenenpension entsprechen und seien unsachlich. Wohl habe der Gesetzgeber des SVÄG 2004 der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes vom 27. 6. 2003 zum Versorgungscharakter der Hinterbliebenenpension Rechnung tragen wollen; dieser Versuch sei jedoch, wie sich am Beispiel der Klägerin zeige, gescheitert. Aus Sachlichkeitserwägungen wäre es unabdingbar gewesen, zu den Bestimmungen über die Berechnung der Hinterbliebenenpension Regelungen aufzunehmen, die Härtefälle wie den gegenständlichen vermeiden. Außerdem liege die Unsachlichkeit der Regelung darin, dass ein zeitlich früheres Auftreten der „Einkommenslücke" beim Ehegatten des Klägers zu kaum einer Auswirkung auf die Witwenpensionshöhe geführt hätte.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab (ohne den bescheidmäßigen Zuspruch zu wiederholen). Da der Ehemann der Klägerin in den letzten beiden Kalenderjahren vor seinem Tod (2002 und 2003) kein Einkommen gehabt habe, betrage seine Berechnungsgrundlage gemäß § 264 Abs 4 ASVG Null. Demgegenüber habe die Berechnungsgrundlage der Klägerin unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen EUR 94.820,09 betragen. Daraus ergebe sich für die Berechnung ihrer Witwenpension gemäß § 264 Abs 2 ASVG ein Hundertsatz von Null (untere Begrenzung). Die Entscheidung des Gesetzgebers für die Festlegung eines konkreten Zeitraumes von zwei Kalenderjahren zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage einer Hinterbliebenenpension entziehe sich einer über den Wortlaut hinausgehenden verfassungskonformen Interpretation. Die Berechnung der Höherversicherung (EUR 2,93) sei nicht strittig. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und führte zu den verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin zusammengefasst Folgendes aus: Grundsätzlich solle die Witwenpension den Unterhaltsausfall ausgleichen, der in einer partnerschaftlichen Ehe durch den Tod eines Ehepartners entstehe. Der Anspruch auf die Witwenpension sei dabei dem Grunde nach von den persönlichen Umständen des Hinterbliebenen (wie Alter, Einkommen oder Vermögen) unabhängig, aus den Berechnungsgrundsätzen könne sich aber ergeben, dass die Hinterbliebenenpension im Einzelfall bis auf Null absinken könne. In seiner Entscheidung vom 27. 3. 2003, G 300/02, habe der Verfassungsgerichtshof die Ansicht vertreten, dass die durch das SRÄG 2000 eingeführte Berechnungsweise der Hinterbliebenenpension die tatsächliche Versorgungslage der Hinterbliebenen nicht ausreichend berücksichtige. Die Unsachlichkeit habe aus der Sicht des Verfassungsgerichtshofes damit darin bestanden, dass zur Beurteilung der Versorgungslage ein dafür ungeeigneter Maßstab, nämlich die Berechnungsgrundlage, verwendet worden sei; hätte der Gesetzgeber dagegen auf das tatsächliche Einkommen des Verstorbenen aus Erwerbstätigkeit oder Pension abgestellt, hätte dagegen der Vorwurf der Unsachlichkeit nicht erhoben werden können. Mit dem 2. SVÄG 2004 habe der Gesetzgeber der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung getragen; maßgebend für die Höhe der Hinterbliebenenpension sei nun die Relation der Einkommen des verstorbenen und des überlebenden Ehepartners in den letzten beiden Kalenderjahren vor dem Tod des Versicherten; die Pensionsberechnungsformel nach § 264 Abs 2 ASVG sei unverändert geblieben.
Zu den im Zeitpunkt des Todes tatsächlich bestehenden Einkommens- und Lebensverhältnissen hätte nicht der überraschende und frühe Tod des Ehemannes der Klägerin geführt, sondern dessen langjährige Erwerbs- und Arbeitslosigkeit. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten vor allem durch sein früher gutes Einkommen zweifellos einen hohen Lebensstandard erreicht, der aber bereits zehn Jahre vor dem Tod des Mannes durch seine Arbeitslosigkeit verloren gegangen sei, weil das Einkommen der Klägerin zur Bestreitung aller Lebenshaltungskosten nicht ausgereicht habe, weshalb auch auf die Substanz zurückgegriffen werden habe müssen. Dass diese Einschränkung der finanziellen Möglichkeiten eine einschneidende Zäsur im Leben der Klägerin dargestellt habe, stehe außer Frage. Allerdings sei es nicht die Aufgabe der Hinterbliebenenpension, einen einmal erreichten und später wieder verloren gegangenen Lebensstandard wiederherzustellen, sondern es solle vielmehr ein durch den Tod eines Ehepartner hervorgerufener Unterhaltsausfall ausgeglichen werden. Die Klägerin, deren eigenes Pensionseinkommen den Schutzbetrag übersteigt, habe aber durch den Tod ihres Mannes keinen Unterhaltsausfall erlitten, der zu einer Verschlechterung ihrer finanziellen Lage geführt hätte. Auch mit dem (geplanten) SVÄG 2006, das eine Verlängerung des Beobachtungszeitraums vorsehe, sei daher für die Klägerin, die ein Heranziehen der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 258 ASVG anstrebe, nichts zu gewinnen. Die beabsichtigte Verlängerung des Beobachtungszeitraumes stelle auch kein Indiz für eine Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Bestimmung dar. Die ordentliche Revision sei zulässig, da die zu entscheidende Rechtsfrage noch nicht Gegenstand einer höchstgerichtlichen Entscheidung gewesen sei; ihre Bedeutung gehe über den Einzelfall hinaus.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (wegen Nichtanrufung des VfGH) mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt. Die Witwen(Witwer)pension soll den Unterhaltsausfall ausgleichen, der in einer partnerschaftlichen Ehe durch den Tod eines Ehepartners entsteht (vgl VfSlg 8871; 10 ObS 382/02b = SSV-NF 17/34). Ansatzpunkt für die Berechnung der Höhe der Witwen/Witwerpension war ab 1. 1. 1995 das zu Lebzeiten des Versicherten erzielte Haushaltseinkommen und dessen Verteilung auf die beiden Ehepartner. Ausgehend von dem Gedanken, dass der Anteil des Verstorbenen am gemeinsamen Haushaltseinkommen die Höhe des durch den Tod bedingten Unterhaltsausfalls bedingte (Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts5 Rz 275). wurde als maßgebend für die Höhe der Witwen(Witwer)pension die Relation der Pensionsbemessungsgrundlage des Verstorbenen und des überlebenden Ehepartners angesehen. Die Witwen(Witwer)pension betrug mindestens 40 %, höchstens 60 % der Pension des Verstorbenen, wobei die Berechnung der exakten Höhe einen komplizierten Rechenvorgang erforderte. Durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 (SRÄG 2000 - BGBl I Nr 92/2000) wurde die Formel zur Ermittlung der Höhe der Witwen(Witwer)pension neu geregelt: Um sowohl Aktiv- als auch Pensionseinkommen berücksichtigen zu können, wurde für jeden der beiden Ehepartner eine so genannte Berechnungsgrundlage ermittelt (dabei handelt es sich entweder um die Bemessungsgrundlage einer schon gebührenden Sozialversicherungs- bzw Beamtenpension oder bei noch bestehender Erwerbstätigkeit um eine aus dem Aktiveinkommen errechnete fiktive Bemessungsgrundlage). Waren beide Berechnungsgrundlagen gleich hoch, betrug die Witwen(Witwer)pension 40 % (§ 264 Abs 2 ASVG idF SRÄG 2000). War die Berechnungsgrundlage des hinterbliebenen Ehegatten jedoch kleiner, dann erhöhte sich der Pensionsanspruch pro 1 % Unterschied um 0,3 % bis zum Maximum von 60 % (das war dann der Fall, wenn die Berechnungsgrundlage des Verstorbenen mindestens dreimal so hoch war). War hingegen die Berechnungsgrundlage des hinterbliebenen Ehegatten größer, dann verminderte sich die Pensionshöhe pro 1 % Unterschied um 0,3 % bis auf 0 % (das war zB dann der Fall, wenn die Berechnungsgrundlage des Verstorbenen 1.000 EUR und jene des hinterbliebenen Ehegatten mehr als 2.300 EUR betrug). Die Witwen(Witwer)pension wurde jedoch auf 60 % aufgestockt, wenn die Summe aus eigenem Einkommen und Witwen(Witwer)pension den so genannten „Schutzbetrag" von ATS 20.000.-- (2000; veränderlicher Wert) monatlich nicht erreichte (§ 264 Abs 6 ASVG idF SRÄG 2000). Andererseits kam es zu einer Kürzung der Witwen(Witwer)pension bis auf Null, wenn diese zusammen mit eigenem Einkommen die doppelte Höchstbeitragsgrundlage überschritt (Tomandl aaO). Durch das SRÄG 2000 wurde daher mit Wirkung ab 1. 10. 2000 eine Spreizung zwischen 0 % und 60 % der Pension des verstorbenen Ehegatten bei gleichzeitiger Änderung der Berechnungsformel eingeführt (§ 264 Abs 2 ASVG idF SRÄG 2000). Nach den Gesetzesmaterialien (RV 181 BlgNR 21. GP 33) sollte diese Änderung das im Koalitionsabkommen genannte Ziel einer stärkeren Bedarfsorientierung der Hinterbliebenenpension verwirklichen und auch an die mit dem Gedanken der Bedarfsorientierung zusammenhängende ursprüngliche Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenpensionen anknüpfen. Sei das Einkommen der hinterbliebenen Person wesentlich höher als jenes des verstorbenen Ehegatten, dann bestehe kein konkreter Unterhaltsbedarf. Die vorgeschlagene 0/60 %-Regelung mit einer Obergrenze von (damals) ATS 86.400,-- erscheine damit zweckmäßig und sozialpolitisch gerechtfertigt. Sie sei zudem sozial ausgewogen: Die Erhöhung des "Schutzbetrages" stelle sicher, dass innerhalb dieser Einkommensgrenze auch dann eine Hinterbliebenenpension im Ausmaß von 60 % gebühre, wenn die Berechnungsgrundlage der Witwe (des Witwers) gleich oder höher sei als jene des Verstorbenen. Schließlich bleibe insbesondere bei Frauen, deren Berechnungsgrundlage wegen Zeiten der Kindererziehung oder der Pflege älterer Menschen niedriger sei als die durchschnittliche Berechnungsgrundlage der Versicherten, die 60 %-Marke fast immer gewahrt (RV aaO).
Aufgrund eines Drittelantrags von Nationalratsabgeordneten auf Aufhebung von Bestimmungen im Zusammenhang mit der Pensionsreform 2000 hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. 6. 2003, G 300/02 ua (VfSlg 16.923), § 264 Abs 2 bis 5 ASVG idF BGBl. I 2001/67 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 30. Juni 2004 in Kraft tritt. Diese Entscheidung wurde mit Unsachlichkeit der antragsgegenständlichen Bestimmungen begründet, weil dem für die Spreizung maßgeblichen Vergleich die in § 264 Abs 3 und 4 ASVG geregelten Berechnungsgrundlagen zugrunde gelegt würden, die nicht die tatsächliche "Pensionshöhe" widerspiegelten:
„Die Witwen(Witwer)pension hat die Aufgabe, den Lebensunterhalt der Witwe bzw. des Witwers zu gewährleisten, und zwar dahingehend, dass ihr/ihm auch nach dem Ableben des Ehepartners 'eine [dem] zuletzt erworbenen Lebensstandard nahe kommende Versorgung' gesichert ist (VfSlg. 5241/1966, S 172). Ausgehend davon kann gegebenenfalls die Verminderung, unter Umständen sogar die Nichtgewährung der Witwen(Witwer)pension sachlich gerechtfertigt sein; dann nämlich, wenn der/dem Hinterbliebenen - wegen ihres/seines vergleichsweise hohen eigenen (Pensions)Einkommens - eine dem zuletzt erworbenen Lebensstandard nahe kommende Versorgung auch im Falle einer verminderten Witwen(Witwer)pension bzw. des gänzlichen Entfalles der Hinterbliebenenpension gesichert ist. Gemäß § 264 Abs 2 bis 5 ASVG ist für die dabei anzustellende Vergleichsberechnung aber allein auf die jeweils maßgebliche Bemessungsgrundlage, vor allem iSd § 238 ASVG, abzustellen. Diese spiegelt jedoch - was von den Vertretern der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof auch eingeräumt wurde - in einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Fällen nicht die Versorgungslage der/des Hinterbliebenen wider. Dies insbesondere dann, wenn im Einzelfall ungeachtet des Vorliegens einer solchen Bemessungsgrundlage ein Pensionsanspruch nicht besteht und auch nicht erwartet werden kann, das Abstellen auf die Bemessungsgrundlage aber zu einer Verminderung oder gar zu einem gänzlichen Entfall der Hinterbliebenenpension führt. Insoferne sind die Bestimmungen des § 264 Abs 2 bis 5 ASVG nicht geeignet, das wesensbestimmende Ziel der (Regelungen über die) Witwen(Witwer)pension, nämlich eine dem zuletzt erworbenen Lebensstandard nahe kommende Versorgung zu sichern, zu erreichen. Diese Bestimmungen sind somit unsachlich. Diese Unsachlichkeit wird zwar durch die Regelung des § 264 Abs 6 ASVG über den so genannten Schutzbetrag im Effekt gemildert, nicht aber beseitigt. Das diesbezügliche Vorbringen der Bundesregierung ist somit nicht geeignet, die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmungen des § 264 Abs 2 bis 5 ASVG zu zerstreuen."
Der Nationalrat hat am 16. 6. 2004 mit dem 2. SVÄG 2004 (kundgemacht in BGBl I 2004/78) als Reaktion auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes eine Novellierung der Abs 2 - 6 des § 264 ASVG beschlossen, die auf Versicherungsfälle des Todes anzuwenden ist, die nach dem 1. Juni 2004 eingetreten sind (§ 614 ASVG). Nach den Gesetzesmaterialien (469 BlgNR 22. GP 2) solle eine Variante realisiert werden,
„welche die durch das einschlägige Erkenntnis des VfGH notwendig gewordene Neuregelung unter Beibehaltung der bisherigen Grundsätze für die Ermittlung der Witwen(r)pension umsetzt. Maßgebend für die Höhe der Witwen(r)pension soll in Hinkunft die Relation der Einkommen des verstorbenen und des überlebenden Ehepartners in den letzten zwei Kalenderjahren vor dem Zeitpunkt des Todes des (der) Versicherten sein. Dabei bleibt insbesondere auch die Pensionsberechnungsformel nach § 264 Abs. 2 ASVG und den Parallelbestimmungen, die seit 1. Oktober 2000 gilt, unverändert. Die Bandbreite der Pensionshöhe soll somit weiterhin zwischen 0 und 60 % der (fiktiven) Pension des (der) Verstorbenen betragen, wobei es auch weiterhin für Hinterbliebene mit geringem Einkommen eine untere Schutzgrenze (im Kalenderjahr 2004: 1.503,50 EUR monatlich) sowie eine Leistungsobergrenze bei hohem Einkommen (im Kalenderjahr 2004: 6.900 EUR monatlich) geben soll. Bei gleich hoher Berechnungsgrundlage soll so wie bisher die Witwen(r)pension 40 % betragen. Bei unterschiedlicher Berechnungsgrundlage erhöht oder vermindert sich der Hundertsatz von 40 für jeden Prozentpunkt um 0,3. Die Obergrenze an Witwen(r)pension beträgt 60 % der Pension des (der) Verstorbenen. Durch die Heranziehung des Einkommens der letzten zwei Kalenderjahre vor dem Todeszeitpunkt soll - in Entsprechung der Judikatur des VfGH - die Versorgungslage zum Todeszeitpunkt besser wiedergegeben werden als dies nach bisherigem Recht, nämlich bei Abstellen auf die Bemessungsgrundlage, der Fall war. Insbesondere wird durch die Berücksichtigung auch des dem Todeszeitpunkt zweitvorangegangenen Kalenderjahres dem Umstand Rechnung getragen, dass im letzten Kalenderjahr vor dem Todeszeitpunkt das Einkommen des/der Verstorbenen vielfach durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit sinkt, sodass das alleinige Abstellen auf dieses letzte Kalenderjahr eine gewisse Verzerrung des Lebensstandards mit sich brächte. Im Hinblick auf die der Harmonisierung der Hinterbliebenenversorgung zugrunde liegenden Berechnungsgrundlagen im Sozialversicherungsbereich und im öffentlichen Dienst soll auch am Begriff 'Berechnungsgrundlage' im § 264 Abs. 2 ASVG samt Parallelbestimmungen festgehalten werden; Berechnungsgrundlage ist künftig das Einkommen der letzten zwei Kalenderjahre vor dem Todestag. Mit der vorgeschlagenen Neuregelung wird dem oben zitierten Erkenntnis des VfGH Rechnung getragen, wobei jedoch festgehalten werden muss, dass eine weitergehende Neugestaltung dieses Rechtsbereiches im Rahmen der Harmonisierung der Pensionssysteme ('Eigenständige Alterssicherung für Frauen') angestrebt wird."
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass in dem am 16. 2. 2004 versandten „Ministerialentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz und das Bauern-Sozialversicherungsgesetz geändert werden (2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2004 - 2. SVÄG 2004)", 138/ME (22. GP), in § 264 Abs 3 und 4 ASVG vorgesehen war, dass die Berechnungsgrundlage vom Einkommen im letzten Kalenderjahr vor dem Tod des Versicherten gebildet wird. Dies wurde im Begutachtungsstadium zum Teil mit den dann in die Regierungsvorlage aufgenommenen Argumenten (Krankheit, Arbeitslosigkeit) als zu kurz kritisiert. Andererseits wurde eingebracht, dass ein zu langer Zeitraum die Gefahr in sich barg, dass nicht mehr „eine dem zuletzt erworbenen Lebensstandard nahe kommende Versorgung" gesichert wird.
In der Revision wird weiterhin nicht in Frage gestellt, dass die Berechnung der Witwenpension nach § 264 Abs 2 - 6 ASVG idF des 2. SVÄG 2004 keinen Auszahlungsbetrag ergibt. Es wird aber die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen mit dem Hinweis geltend gemacht, dass der Gesetzgeber nicht „den Rechtsansichten des Verfassungsgerichtshofes zum Versorgungscharakter der Hinterbliebenenpension" entsprochen habe. Ein dem zuletzt erworbenen Lebensstandard nahe kommende Versorgung (wie vom Verfassungsgerichtshof gefordert) könne nicht über das Einkommen der letzten beiden Kalenderjahre definiert werden; ein gemeinsamer Lebensstandard werde „während des gesamten Ehedauer erworben". Der Lebensstandard der Klägerin und ihres Ehegatten sei „durch das Heranziehen von Ersparnissen sowie die Aussicht auf die Alterspension von Walter H***** ... entscheidend mitbestimmt" worden; die gesetzliche Festlegung auf einen Zeitraum von zwei Jahren für die Berechnung der Leistung erscheine in diesem Zusammenhang „willkürlich". Im Übrigen stellten die „bereits bestehenden Anwartschaften des Verstorbenen auf den Erhalt der Alterspension ... vermögenswerte Rechte des Verstorbenen dar, die daher auch Teil des von den Eheleuten erworbenen Lebensstandards" seien. Die Nichtberücksichtigung dieser Anwartschaften sei sachlich nicht gerechtfertigt; außerdem liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums vor, weil die jahrzehntelange Beitragsleistung „ohne entsprechendes Äquivalent auf der Leistungsseite bleibe". Letztlich wird eingeräumt, dass es sich bei der Revisionswerberin um einen „Härtefall" handle, allerdings nicht um einen Einzelfall.
Zusammenfassend führt die Revisionswerberin aus, dass in verfassungskonformer Interpretation der Absätze 2 bis 5 des § 264 ASVG als Berechnungsgrundlage des Verstorbenen in Ermangelung eines Einkommens in den letzten zwei Kalenderjahren seine Bemessungsgrundlage gemäß § 238 ASVG heranzuziehen sei; im Übrigen werde eine Gesetzesprüfungsantrag an den VfGH hinsichtlich der präjudiziellen Bestimmungen des § 264 Abs 2 - 5 ASVG angeregt. Diese Argumentation der Klägerin lässt außer Betracht, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. 6. 2003, G 300-314/02-18, die Ansicht vertreten hat, dass gerade das (frühere) Abstellen auf die jeweils maßgebliche Bemessungsgrundlage, vor allem iSd § 238 ASVG, in einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Fällen nicht die Versorgungslage der/des Hinterbliebenen widerspiegle und daher der Verfassung widerspreche. Der Oberste Gerichtshof sieht aufgrund dieses Erkenntnisses weder eine Möglichkeit, die nunmehr geänderte Gesetzeslage „verfassungskonform" iSd der früheren (als verfassungswidrig erkannten) Rechtslage umzuinterpretieren, noch einen Anlass, einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Wie schon eingangs angeführt, soll die Witwen(Witwer)pension den Unterhaltsausfall ausgleichen, der in einer partnerschaftlichen Ehe durch den Tod eines Ehepartners entsteht (s § 258 Abs 4 ASVG; Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialrechts5 Rz 275), wenn auch der Gesetzgeber durch die Verfassung nicht verhalten ist, die Hinterbliebenenpension allein am Unterhaltsrecht auszurichten (VfSlg 8871). Es liegt aber durchaus im rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers anzuordnen, dass ein(e) Versicherte(r), der (die) in einem gewissen Zeitraum vor seinem (ihrem) Tod selbst einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehegatten hatte, keinen Witwen-/Witwerpensionsanspruch vermittelt, müsste doch andernfalls beim Modell von beiderseits berufstätigen Ehegatten der überlebende Ehegatte immer einen Hinterbliebenenpensionsanspruch haben. Die vom Verfassungsgerichtshof angesprochene Versorgung des überlebenden Ehegatten, die dem „zuletzt erworbenen Lebensstandard" nahe kommt, bezieht sich auf die Bemessung der Hinterbliebenenpension und lässt eine Berücksichtigung des Zwecks eines Ausgleichs eines Unterhaltsausfalls durchaus offen, wie auch die Verwendung des Wortes „Versorgung" nahe legt: Eine Versorgung des überlebenden Ehegatten ist im Regelfall nicht nötig, wenn er schon zu Lebzeiten derjenige der beiden Ehegatten war, der selbst für den Unterhalt des anderen zu sorgen hatte. Wenn von der Klägerin unter der Erhaltung des erworbenen Lebensstandards die Möglichkeit der Erhaltung des erworbenen Vermögens verstanden wird, ist ihr zu entgegnen, dass im Gegensatz zum Einkommen das Vermögen im Sozialversicherungsrecht sowohl auf Beitrags- als auch auf Leistungsseite bedeutungslos ist; es geht daher auch im Hinterbliebenenpensionsrecht um den Ausgleich nicht mehr fließender Geldmittel.
Entscheidend ist daher die Frage, ob die vom Gesetzgeber des SVÄG 2004 in § 264 Abs 3 und 4 ASVG normierte Zweijahresfrist im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum liegt oder diesen überschreitet. Zweifellos zeigt gerade der vorliegende Fall, dass in bestimmten Konstellationen auch ein zweijähriger Beobachtungszeitraum zu Härtefällen bei der Berechnung der Höhe der Witwen-/Witwerpension führen kann, was den Gesetzgeber offenbar zu der mit dem SVÄG 2006, BGBl I 2006/130, erfolgten Novellierung des § 264 Abs 4 ASVG bewogen hat (vgl die RV 1314 BlgNR 13. GP 3: „In der Praxis der Pensionsversicherungsträger hat sich gezeigt, dass ein Zeitraum von zwei Jahren für die Beobachtung der Einkommensverhältnisse zur Berechnung der Witwen-/Witwerpension mitunter zu kurz ist, um etwa den Einkommenseinbußen bei dramatisch verlaufenden Krankheitsentwicklungen Rechnung zu tragen."). Andererseits birgt eine Ausdehnung des Zeitraums - neben dem damit verbundenen höheren Erhebungsaufwand - die Gefahr, dass durch die Hinterbliebenenpension nicht der zuletzt erworbene Lebensstandard gesichert wird, sondern ein Durchschnittslebensstandard aus einem längeren Zeitraum, was wiederum vom Verfassungsgerichtshof als nicht verfassungskonform erachtet wird (Sicherung einer dem „zuletzt erworbenen Lebensstandard nahe kommenden Versorgung"). Unter Bedachtnahme auf den mit der Witwen-/Witwerpension angestrebten Zweck erscheint die Wahl eines zweijährigen Zeitraums, in der die Einkommen des verstorbenen und des überlebenden Ehepartners gegenübergestellt werden (§ 264 Abs 2 und 3 ASVG), aber nicht unsachlich, dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass Härtefälle - wenn auch nicht durchgehend - durch den in § 264 Abs 6 ASVG vorgesehenen Schutzbetrag abgefedert werden.
Es ist zu betonen, dass es dem einfachen Gesetzgeber aufgrund des demokratischen Prinzips nicht verwehrt ist, seine jeweiligen rechtspolitischen Vorstellungen im Rahmen vertretbarer Zielsetzungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verwirklichen (10 ObS 205/02y = SZ 2002/151 mwN). Innerhalb des ihm zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes ist der Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz (nur) insoweit an inhaltliche Schranken gebunden, als sachlich nicht begründbare gesetzliche Regelungen verfassungsrechtlich verboten sind (VfSlg 14.868; zuletzt etwa VfGH G 29/05). Dabei ist unter der „Sachlichkeit" einer Regelung nicht ihre „Zweckmäßigkeit" oder „Gerechtigkeit" zu verstehen (VfSlg 13.743); die Zweckmäßigkeit einer Regelung unterliegt in der Regel nicht der verfassungsrechtlichen Überprüfung (vgl VfSlg 11.664). Nicht einmal der Umstand, dass durch eine gesetzliche Regelung - so wie hier - Härtefälle entstehen können, macht das Gesetz per se gleichheitswidrig (RIS-Justiz RS0053509 [T6] und [T7]). Die Möglichkeit, bis zum Ablauf des 31. 12. 2008 einen Antrag gemäß § 627 Abs 2 Satz 2 ASVG idF SVÄG 2006 zu stellen, bleibt der Klägerin grundsätzlich offen, wobei dem Berufungsgericht allerdings zuzustimmen ist, dass die neue Rechtslage für sie voraussichtlich nicht günstiger ist, weil ihr Ehegatte nach den Feststellungen bereits mehr als zehn Jahre vor seinem Tod seine Arbeit verloren hat. Hegt das Gericht - wie hier - keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung, besteht kein Anlass zur Antragstellung gemäß Art 140 B-VG (10 ObS 148/03t = SSV-NF 17/68).
Der Revision muss daher ein Erfolg versagt bleiben. Die angefochtenen Entscheidungen sind mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die bescheidmäßig zuerkannte Leistung in den Urteilsspruch aufzunehmen ist (RIS-Justiz RS0084896).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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