OGH 7Ob146/06f

OGH7Ob146/06f5.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr. Frank Anton W*****, und 2.) Ing. Peter W*****, beide vertreten durch Heinke + Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Peter M*****, vertreten durch Dr. Hildegard Hartung, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. März 2006, GZ 40 R 27/06a-31, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 15. Oktober 2005, GZ 30 C 109/04a-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit EUR 330,11 (darin enthalten EUR 55,02 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Gemäß § 30 Abs 2 Z 8 MRG ist es als wichtiger Grund, der den Vermieter zur Kündigung des Mietvertrages berechtigt, anzusehen, wenn er die gemieteten Wohnräume für sich selbst oder für Verwandte in absteigender Linie dringend benötigt. In der jüngeren, nun schon gefestigten Rechtsprechung findet sich ein deutlich gemäßigteres Verständnis der in älteren Erkenntnissen im Zusammenhang mit dem dringenden Eigenbedarf ausgeformten Begriffe „Notstand" und „Existenzgefährdung": Danach ergibt sich aus § 354 ABGB der Grundsatz der freien Verfügbarkeit über das Eigentum, der nur dort nicht zum Tragen kommt, wo entgegenstehende Bestimmungen, wie etwa die Kündigungsbeschränkungen des MRG, eine Ausnahme vorsehen. Auch wenn die Bestimmungen dieses Gesetzes die Eigenbedarfskündigung auf den Fall unbedingter Notwendigkeit einschränken, kann daraus noch nicht abgeleitet werden, dass der Vermieter zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses grundsätzlich auf eine nicht in seinem Eigentum stehende Wohnmöglichkeit verwiesen werden muss. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Eigentümer einer Wohnung in erster Linie sein Eigentum zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses heranziehen darf. Der Vermieter, der über keine ausreichende Wohnmöglichkeit verfügt, darf im Allgemeinen mit seiner Eigenbedarfskündigung nicht schon deshalb auf die Möglichkeit einer anderweitigen Wohnversorgung verwiesen werden, weil eine solche Wohnmöglichkeit an sich gegeben wäre. Bei der Beurteilung, ob ein Wohnsitzwechsel und die damit verbundene Kündigung unabweislich notwendig sind, muss jede Art der Benötigung des Bestandgegenstandes, die sich für den Vermieter aus einem wichtigen persönlichen oder wirtschaftlichen Bedürfnis ergibt, das nur durch die Benützung der gekündigten Wohnung befriedigt werden kann, berücksichtigt werden (WoBl 1998/92; WoBl 1997/111; EvBl 1998/155; 6 Ob 282/98h; JBl 2000, 452 [zust Hinteregger]; 1 Ob 223/02d).

Ob der Eigenbedarf des Vermieters durch eine im Sinne des § 30 Abs 2 Z 8 MRG ausreichende Dringlichkeit charakterisiert ist, um die Kündigung des Bestandverhältnisses zu ermöglichen, lässt sich nach ständiger Rechtsprechung nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalles beurteilen (RIS-Justiz RS0107878). Im vorliegenden Fall wurde Eigenbedarf des Zweitklägers von den Vorinstanzen bejaht und in diesem Zusammenhang die Möglichkeit bzw Zumutbarkeit einer (vom Beklagten geforderten) Neuverteilung der vom Zweitkläger mit seiner Ehefrau, einer Tochter und einem Sohn samt dessen Familie bewohnten Räume im Erdgeschoss des betreffenden Hauses verneint. Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision für zulässig erachtet, weil die Frage, ob bei Überlegung der Neuverteilung vorhandenen Wohnraumes auch auf solchen des ohnehin wohnversorgten, aber dennoch notwendigerweise kündigenden anderen Hälfteeigentümers Rücksicht zu nehmen sei, eine Rechtsprechung des Höchstgerichtes nicht bestehe.

Diese Frage stellt sich allerdings hier gar nicht. Der Revisionswerber behauptet zwar nun, es wäre auch der Wohnraum des anderen, (unstrittig) „wohnversorgten" Hälfteeigentümers (also des Erstklägers) zu berücksichtigen, hat aber im gesamten Verfahren niemals ausgeführt, dass und inwieweit auch die von der Ehefrau des Erstklägers bewohnte Wohnung im zweiten Stock im Rahmen einer Neuverteilung zu berücksichtigen wäre. Dies ist demnach nicht in Betracht zu ziehen und muss auch nicht weiter erörtert werden, da nach oberstgerichtlicher Judikatur der bloße Hinweis auf die Möglichkeit einer Neuverteilung der vorhandenen Wohnräume allein nicht ausreicht, um schon den Eigenbedarf des Vermieters verneinen zu können (RIS-Justiz RS0070580). Eine konkrete Neuverteilung wurde und wird vom Beklagten ausschließlich in Ansehung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss begehrt, die aber seit je her nur vom - hinsichtlich seines Sohnes Roland W***** und dessen Familie (Lebensgefährtin und drei Kinder) Eigenbedarf geltend machenden - Zweitkläger bewohnt werden. Die Fragen, ob dem Bedarf des Sohnes des Zweitklägers durch die vom Beklagten geforderte Neuverteilung der beiden Wohnungen im Erdgeschoss abgeholfen werden kann und ob eine solche Neuverteilung zumutbar ist, hängen von den Umständen des Einzelfalles ab und wären daher nur dann revisibel, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Dies ist aber hier insbesondere im Hinblick auf die krankheitsbedingten Bedürfnisse der Tochter des Zweitklägers nicht der Fall.

Ein tauglicher Grund für die Zulassung der Revision liegt daher nicht vor und wird vom Beklagten auch in den Revisionsausführungen nicht aufgezeigt. Die von ihm behauptete Aktenwidrigkeit ist ebenso wie eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht gegeben (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Davon, dass die - nach Bejahung des Eigenbedarfes - von den Vorinstanzen vorgenommene, die Umstände des Einzelfalles berücksichtigende Interessenabwägung, wie der Revisionswerber meint, im Widerspruch zu oberstgerichtlicher Judikatur stünde, kann keine Rede sein. Dabei ist nämlich nicht nur, wie der Revisionswerber fordert, darauf Bedacht zu nehmen, dass er die Wohnung seit frühester Kindheit und nun schon ca 60 Jahre lang bewohnt, sondern auch darauf, dass er, der neben seinem Einkommen als Notar auch Mieteinnahmen aus einem Zinshaus bezieht, über zwei weitere leer stehende Wohnungen in Wien verfügt.

Da dem Berufungsgericht bei der Beurteilung des Eigenbedarfes im Sinne des § 30 Abs 2 Z 8 MRG kein Ermessensfehler unterlaufen ist, der eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erforderlich machte und auch sonst kein tauglicher Grund, das Rechtsmittel des Beklagten zuzulassen, vorliegt, ist spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Kläger haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihres Prozessgegners hingewiesen.

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