OGH 2Ob263/05y

OGH2Ob263/05y18.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Guido H*****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. Hannelore U*****, vertreten durch Gheneff-Rami Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an einer Liegenschaft (Streitwert: EUR 36.336,42), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 14. September 2005, GZ 6 R 51/05z-81, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 11. Jänner 2005, GZ 20 Cg 103/96y-76, bestätigt wurde und infolge „außerordentlichen" Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 14. September 2005, GZ 6 R 51/05z-81, womit der Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 11. Jänner 2005, GZ 20 Cg 103/96y-76, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

2. Der „außerordentliche" Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind seit 1989 gemeinsame Eigentümer einer Liegenschaft im französischen Territorium der zu Guadeloupe gehörigen Insel Saint-Martin, auf der sie ein Wohngebäude samt Swimmingpool und tropischem Garten errichteten.

Der Kläger begehrte mit der am 11. 4. 1996 beim Erstgericht eingebrachten Klage die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch Zivilteilung. Die Beklagte wandte die Möglichkeit der auch nach französischem Recht vorrangigen Naturalteilung sowie die Unzeit und Unredlichkeit des Teilungsbegehrens ein. Für den Fall der Stattgebung des Klagebegehrens stellte sie den Antrag, ihr mit Beschluss vor der Verteilung des Versteigerungserlöses vorzugsweise eine Abfindung in Höhe von EUR 1,000.000 für die durch sie erwirkte Wertsteigerung der Liegenschaft und von weiteren EUR 200.000 für den damit verbundenen Zeitaufwand zuzusprechen und zu überweisen. Nach französischem Recht sei über diesen Antrag zwingend im Teilungsverfahren zu entscheiden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und wies mit Beschluss den Antrag der Beklagten auf Zuerkennung und Überweisung einer Abfindung zurück.

Das Gericht zweiter Instanz verwarf Berufung und Rekurs der Beklagten, soweit diese darin Nichtigkeit (unter anderem wegen des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit) geltend machte und gab beiden Rechtsmitteln im Übrigen nicht Folge. Es sprach ferner aus, dass der Entscheidungsgegenstand jeweils EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision bzw der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Die Beklagte bekämpft das Berufungsurteil einschließlich des die Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 3 ZPO verwerfenden Beschlusses mit außerordentlicher Revision sowie den bestätigenden Beschluss mit „außerordentlichem" Revisionsrekurs.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision:

a) Das Gericht zweiter Instanz verwarf die Berufung des Klägers, soweit mit dieser Nichtigkeit unter anderem wegen des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit geltend gemacht wurde. Dieser Beschluss ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes absolut unanfechtbar (RIS-Justiz RS0043405, RS0042981; vgl auch Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 ZPO Rz 49; Kodek in Rechberger, ZPO² § 519 Rz 2). Der Anfechtungsausschluss kann durch die - überdies unzutreffende (vgl Berufungsurteil S 13 ff) - Behauptung der Beklagten, das Berufungsgericht habe sich infolge unrichtiger Annahme seiner Bindung an einen (die „Zuständigkeit" bejahenden) Beschluss des Erstgerichtes mit den Argumenten der Rechtsmittelwerberin nicht auseinandergesetzt, nicht umgangen werden (vgl 3 Ob 76/03d; Zechner aaO). Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin liegt demnach eine den Obersten Gerichtshof gemäß § 42 Abs 3 JN bindende Entscheidung des Berufungsgerichtes vor (RIS-Justiz RS0043822; vgl auch RS0054895 [T3, 4 und 7]). Soweit die Beklagte diese Entscheidung unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens als unrichtig bekämpft, ist ihr - in diesem Umfang als Rekurs zu behandelndes - Rechtsmittel als absolut unzulässig zurückzuweisen (1 Ob 44/95; 10 ObS 33/02d; Zechner aaO 51).

b) Gemäß § 3 IPRG ist fremdes (hier: französisches) Recht wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Die Revision könnte demnach zwar auch bei Maßgeblichkeit fremden Rechts zulässig sein, wenn durch eine Abweichung der inländischen Gerichte von gefestigter fremder Lehre und Rechtsprechung die Rechtssicherheit gefährdet werden würde (RIS-Justiz RS0042940). Der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kommt allerdings nicht die Aufgabe zu, die Einheitlichkeit oder gar die Fortentwicklung fremden Rechts in seinem ursprünglichen Geltungsbereich zu gewährleisten (RIS-Justiz RS0042940 [T2 und 3], RS0042948 [T1, 10 und 12 - 16]).

Die Vorinstanzen erblickten in den dem Kaufvertrag vom 16. 11. 1989 zugrundeliegenden Raumordnungsbestimmungen und im Erlass des Präfekten der Region Guadeloupe Nr. 80-316 SGEC-COOR ein rechtliches Hindernis für die Naturalteilung, weil diese Vorschriften jede neuerliche Unterteilung der Liegenschaft verbieten würden. Dem hält die Beklagte in ihrer Revision die nach der „anwendbaren französischen Bauordnung gegebene Rechtslage" entgegen, ohne diese ausreichend darzulegen. Der Hinweis auf die in Titel I, lit b der „anwendbaren Bauordnung" (gemeint ist offenbar die in Beil G wiedergegebene „Verordnung") erwähnte Möglichkeit, unter bestimmten (in der Revision nicht genannten) Voraussetzungen die Teilung eines Grundstückes erwirken zu können, eignet sich ebensowenig wie die Vermutung, dass diese Vorschriften möglicherweise gar nicht mehr in Kraft stehen könnten, dazu, die konkrete rechtliche Möglichkeit einer Naturalteilung der streitverfangenen Liegenschaft und damit eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes aufzuzeigen. Dazu hätte es der Darstellung jener gesetzlich oder behördlich festgelegter Voraussetzungen bedurft, aus denen sich entgegen der Auslegung des Berufungsgerichtes die Möglichkeit der Naturalteilung ergibt. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird zu diesem Punkt daher nicht dargetan.

Dies gilt auch, was die Revisionsausführungen zur Unzeit des Teilungsbegehrens betrifft. Die Teilungshindernisse der Unzeit und Böswilligkeit (Art 1873-3 CC) können dem gesetzlichen Teilungsanspruch nur im Falle eines unbefristet abgeschlossenen Miteigentümervertrages entgegengehalten werden (Ferid/Sonnenberger, Das Französische Zivilrecht² 3 C 225 und 5 D 123; Pfleiderer, Einführung in das französische Immobilienrecht 33). Dies setzt bei Grundstücken einen notariell beurkundeten schriftlichen Rechtsausübungsvertrag voraus (Ferid/Sonnenberger aaO 3 C 224). Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, dass zwischen den Streitteilen ein diesen Kriterien entsprechender Rechtsausübungsvertrag nicht vorgelegen ist, weshalb die Regeln über das vertragslose Miteigentum anzuwenden wären (Berufungsurteil S 52). Dem tritt die Rechtsmittelwerberin nicht substanziiert entgegen. Ihren sich lediglich mit der Hilfsbegründung des Berufungsgerichtes („Selbst wenn man aber .....") befassenden Rechtsausführungen kommt demnach keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu.

Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht bedurfte, war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

2. Zum Revisionsrekurs:

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes absolut unzulässig.

Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO sind zur Gänze bestätigende Entscheidungen des Rekursgerichtes nicht weiter anfechtbar, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist.

Die Zurückweisung des für den Fall der Stattgebung des Klagebegehrens gestellten Antrages der Beklagten, ihr vor der Verteilung des Versteigerungserlöses vorzugsweise eine Abfindung in der von ihr begehrten Höhe mit Beschluss zuzusprechen und zu überweisen, ist der Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen nicht gleichzuhalten. Wohl bezeichnete der Justizausschuss (991 BlgNR 17. GP zu § 528) die in § 528 Abs 2 Z 2 ZPO idF der WGN 1989 von der Unanfechtbarkeit ausgenommenen Beschlüsse als jene, „durch die der Rechtsschutz überhaupt verneint wird"; er meinte damit aber - wie die dann folgenden Ausführungen erkennen lassen - nur formalrechtlich begründete Klagszurückweisungen (RIS-Justiz RS0044487).

Um eine solche handelt es sich aber bei der Zurückweisung des Antrages der Beklagten nicht. Dieser wurde auf folgende, dem Erstgericht auf seine Anfrage nach § 4 Abs 1 IPRG durch das Bundesministerium für Justiz im Originaltext und in Übersetzung übermittelte Bestimmungen des Code Civil (CC) gestützt:

„Art 815-13:

Hat ein Gemeinschafter auf seine Kosten den Zustand eines Gemeinschaftswertes verbessert, so muss ihm dies nach der Billigkeit gutgeschrieben werden unter Berücksichtigung der Wertsteigerung zur Zeit der Teilung oder der Veräußerung. Es müssen ihm auch die notwendigen Veränderungen gutgeschrieben werden, die er aus seinen persönlichen Mitteln für die Erhaltung der genannten Werte gemacht hat, auch wenn dadurch keine Wertsteigerung herbeigeführt wurde.

Umgekehrt haftet der Gemeinschafter für die Beschädigungen und Verschlechterungen, die durch sein Verhalten oder seine Schuld den Wert des Gemeinschaftsvermögens vermindert haben."

„Art 815-17:

Die Gläubiger, die vor dem Eintritt der Gemeinschaft auf das Gemeinschaftsvermögen hätten Zugriff nehmen können und Gläubiger einer Forderung, die sich aus Erhaltung oder Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens ergibt, werden aus der Gemeinschaftsmasse vor der Teilung vorweg befriedigt. Sie können außerdem die Beschlagnahme und den Verkauf von Gemeinschaftsvermögen betreiben.

..."

Die Beklagte leitet aus diesen Vorschriften die prozessuale Verpflichtung des einem (Zivil-)Teilungsbegehren stattgebenden Gerichtes ab, gleichzeitig über die formlos eingewendeten Aufwendungsansprüche des beklagten Miteigentümers zu entscheiden und gegebenenfalls auszusprechen, dass der zuerkannte Betrag aus dem Teilungserlös vorweg zu liquidieren sei. Ein solcher Antrag könne mit der Aufrechnungseinrede eines auf Zahlung in Anspruch genommenen Beklagten nach österreichischem Recht verglichen werden.

Die Vorinstanzen haben die prozessuale Zulässigkeit des Antrages der Beklagten, wenngleich mit unterschiedlicher Begründung, übereinstimmend verneint. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 3 Ob 102/98s = EvBl 1998/171 ausgesprochen, dass bestätigende Entscheidungen über die Zurückweisung der Einwendung einer Gegenforderung (dort in einem Verfahren nach § 394a EO) gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht anfechtbar sind. Dies muss aber ebenso gelten, wenn die Zurückweisung einen in den - nach dem das Verfahrensrecht beherrschenden Grundsatz der lex fori allein maßgeblichen (RIS-Justiz RS0076618, RS0009195) - österreichischen Prozessvorschriften im Teilungsprozess gar nicht vorgesehenen bedingten Sachantrag einer auf Zivilteilung beklagten Partei betrifft.

Die Art 815-2 bis 815-18 CC, somit auch die Art 815-13 und Art 815-17, regeln die Rechtsbeziehungen, die sich während bestehender Miteigentumsgemeinschaft ergeben (Ferid/Sonnenberger aaO 3 C 203). Aufwendungen zur Verbesserung und Erhaltung des Gemeinschaftsobjekts sind ebenso wie umgekehrt Verschlechterungen und Beschädigungen mit den beteiligten Miteigentümern auszugleichen (Ferid/Sonnenberger aaO 5 D 137). Die Ansprüche eines Miteigentümers auf Ersatz solcher Aufwendungen sind Gegenstand der Abrechnung, die zwar in der Regel, aber keineswegs zwingend erst im Rahmen der Auseinandersetzung bei Beendigung der Miteigentumsgemeinschaft erfolgt (Ferid/Sonnenberger aaO 3 C 215 und 3 C 232; vgl für den österreichischen Rechtsbereich die §§ 830 Satz 1 und 838a ABGB). Aus den französischen Normen ist daher nicht ableitbar, dass die Beklagte die behaupteten Ansprüche gegen den Kläger nicht auch außerhalb des österreichischen Teilungsprozesses verfolgen könnte. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der im Rechtsmittel zitierten Passage der Entscheidung des Kassationshofes vom 3. 2. 1983 (Bull.civ. II Nr. 28). Dass der Beklagten der Rechtsschutz durch die Zurückweisung ihres Antrages endgültig verweigert werden würde, wird im Revisionsrekurs ohnedies nicht (mehr) behauptet.

Wurde daher die Zurückweisung des Antrages der Beklagten, ihr in dem - nun eingetretenen - Fall des Ausspruches der Zivilteilung vorzugsweise eine Abfindung für die durch sie bewirkte Wertsteigerung der Liegenschaft und den damit verbundenen Zeitaufwand zuzuerkennen, vom Rekursgericht bestätigt, so ist ein dagegen erhobener Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0112314).

Der „außerordentliche" Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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