Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens einstweilen, die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Kläger ist Profi-Bodybuilder und nimmt an Wettkämpfen teil. Die Beklagte ist Medieninhaberin einer auflagenstarken Tageszeitung. In der Ausgabe für Wien vom Sonntag, dem 14. November 2004, erschien unter der Überschrift „Anabolika per Mausklick: Doping-Handel aufgedeckt" ein Bericht über einen „schwungvollen Versandhandel mit Dopingmitteln", der mit einem Bild des Klägers im Bodybuilder-Pose mit unkenntlich gemachtem Gesicht illustriert war. Dem Bild war ein Begleittext beigefügt, der darauf hinwies, dass „bei so manchem Bodybuilder die Muskelberge nicht natürlichen Ursprungs" seien. „Um nachzuhelfen, greifen die Sportler zu verbotenen und gesundheitsschädigenden Substanzen... jetzt flog der schwungvolle Versandhandel mit Dopingmitteln auf."
Zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungshauptbegehrens beantragte der Kläger, der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, das in der genannten Ausgabe der Tageszeitung erschienene Bildnis des Klägers zu veröffentlichen, wenn diese Veröffentlichung geeignet sei, die berechtigten Interessen des Klägers zu verletzen, insbesondere, wenn im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Bildes der Eindruck erweckt werde, der Kläger sei in den Handel mit verbotenen und gesundheitsschädigenden Substanzen, insbesondere Anabolika, verwickelt und/oder sei ein Bodybuilder, welcher seine Muskeln nicht natürlich aufgebaut, sondern um nachzuhelfen, zu verbotenen und gesundheitsschädigenden Substanzen, insbesondere Anabolika, gegriffen habe. Er sei derzeit der erfolgreichste und bekannteste österreichische Bodybuilder. Aufgrund seiner sportlichen Erfolge werde über ihn laufend in verschiedenen Medien sowohl im Inland als auch auf internationaler Ebene berichtet. Er sei insbesondere in der Bodybuilder-Fachpresse seit Jahren ein Begriff. Er absolviere Gastauftritte bei Bodybuilding-Meisterschaften im In- und Ausland, bei Studioeröffnungen, Foto-Shootings etc. Weiters arbeite er als Trainer in einem Wiener Fitnessstudio, wo er zahlreiche junge Athleten betreue und diese auch auf Meisterschaften vorbereite. Seine Muskelmasse habe der Kläger in jahrzehntelanger Schwerstarbeit sowie durch Einhaltung einer entsprechenden Diät aufgebaut. Die Verwendung verbotener Substanzen lehne er ab. Der Sportverband, dem der Kläger angehöre, bekenne sich zum Kampf gegen das Doping und verbiete seinen Athleten die Verwendung von Dopingmitteln. Athleten, welche verbotene Substanzen einnehmen und/oder damit handeln, machten sich disziplinär verantwortlich. In Verbindung mit dem Lichtbild des Klägers fasse der Leser den Begleittext so auf, dass sich (auch) der Kläger seine Muskeln nicht auf natürlichem Weg, sondern mit verbotenen und gesundheitsschädigenden Substanzen aufgebaut habe und in den illegalen Handel mit derartigen verbotenen Substanzen involviert sei. Tatsächlich konsumiere der Kläger weder verbotene und gesundheitsschädigende Dopingmittel, noch handle er damit. Er habe nicht das Geringste mit dem den Gegenstand des Begleittextes bildenden Dopinghandel zu tun. Durch die Veröffentlichung des Lichtbilds werde der Kläger tatsachenwidrig in Zusammenhang mit der Einnahme von und dem illegalen Handel mit verbotenen Substanzen gebracht. Auch wenn das Gesicht in der Abbildung verzerrt worden sei, sei der Kläger auf dem Foto eindeutig identifizierbar und daher von der Veröffentlichung betroffen. Profi-Bodybuilder, wie der Kläger, würden primär durch ihren Körper identifiziert. Insbesondere für die am Bodybuilding interessierte Öffentlichkeit sei der Kläger schon allein aufgrund der Darstellung seines fast unbekleideten Körpers, so wie er sich im Wettkampf oder bei Gastauftritten präsentiere, eindeutig erkennbar.
Die Beklagte wendete ein, durch die beanstandete Veröffentlichung entstehe nicht der Eindruck, der zur Illustration abgebildete Bodybuilder habe Anabolika eingenommen, bestellt oder damit gehandelt. Es handle sich erkennbar nicht um ein „Täterfoto", sondern nur um ein zur Veranschaulichung der Muskelmassen eines Bodybuilders beigestelltes Lichtbild. Der Kläger könne auch nicht beeinträchtigt sein, weil er infolge Unkenntlichmachung der Gesichtszüge, des Halses, der obersten Partie der Schultern und der Frisur nicht als die abgebildete Person erkennbar sei.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag mit der Begründung ab, die Erkennbarkeit des Klägers auf dem veröffentlichten Lichtbild sei nicht bescheinigt. Besondere Merkmale des abgebildeten Bodybuilders, welche auf den Kläger hindeuten könnten, seien in der Klage nicht angeführt. Das Klagevorbringen erschöpfe sich in der Behauptung, die am Bodybuilding interessierte Öffentlichkeit erkenne einen Berufs-Bodybuilder an seinem Körper, ohne dass dafür taugliche Bescheinigungsmittel angeboten worden seien.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung eingeschränkt auf das Verbot, das zur Illustration des genannten Artikels wiedergegebene Bildnis des Klägers ohne dessen vorher eingeholte Zustimmung zu veröffentlichen, wenn im Zusammenhang mit dem Begleittext des Bildes der Eindruck erweckt werde, der Kläger sei in den Handel mit verbotenen und gesundheitsschädigenden Substanzen, insbesondere Anabolika, verwickelt und/oder sei ein Bodybuilder, welcher seine Muskeln nicht natürlich aufgebaut, sondern um nachzuhelfen, zu verbotenen und gesundheitsschädigenden Substanzen, insbesondere Anabolika, gegriffen habe. Das Mehrbegehren, die Bildnisveröffentlichung auch dann zu untersagen, wenn im Zusammenhang mit dem Begleittext nicht der Eindruck erweckt werde, der Kläger sei in den Handel mit verbotenen und gesundheitsschädigenden Substanzen verwickelt und/oder sei ein Bodybuilder, welcher seine Muskeln nicht natürlich aufbaue, sondern um nachzuhelfen, zu verbotenen und gesundheitsschädigenden Substanzen gegriffen habe, wies das Rekursgericht hingegen ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und - nach Abänderungsantrag der Beklagten - der Revisionsrekurs zulässig sei, weil nicht auszuschließen sei, dass der Oberste Gerichtshof die Ansicht des Rekursgerichts als korrekturbedürftig erachte, wonach die Erfahrungssätze des täglichen Lebens zur Beurteilung der Frage, ob der Kläger auf dem Foto erkannt werden könne, ausreichten und es hiezu keiner weiteren Bescheinigung bedürfte. § 78 UrhG setze die Erkennbarkeit des Abgebildeten voraus. Hiefür sei der äußere Eindruck der Darstellung für den meist flüchtigen Betrachter aus dem mehr oder minder großen Bekanntenkreis des Dargestellten maßgebend. Für die Bejahung der Erkennbarkeit reiche es aus, dass die abgebildete Person von solchen Leuten erkannt werde, die sie schon öfter gesehen haben. Das Wesen des Bodybuildingsports bestehe darin, durch gezieltes Krafttraining eine besondere Ausbildung der einzelnen Muskelpartien zu erzielen. Aufgrund der Individualität jedes Menschen auch in anatomischer Hinsicht könne nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass auch auf bestimmte Art oder in eine bestimmte Richtung trainierte Körper nie einander völlig gleichen. Gerade bei einer Sportart wie dem Bodybuilding, bei welcher es im Wesentlichen auf das Aussehen des durch das Training erzielten Körperbaus ankomme, müsse davon ausgegangen werden, dass in Insiderkreisen (der einzelnen Athleten wie auch des fachkundigen Publikums) sehr wohl das Aussehen einzelner Muskelpartien in angespanntem Zustand sowie das gesamte Erscheinungsbild des unbekleideten Körpers eines bestimmten Sportlers in einer der standardisierten Posen, somit dessen Stärken und Schwächen hinsichtlich dessen, was in bodybuildnerisch-ästhetischer Hinsicht als wünschenswert oder weniger wünschenswert angesehen werde, soweit bekannt seien, dass dieser auch auf einem Foto, bei welchem das Gesicht unkenntlich gemacht worden sei, erkannt werden könne. Entgegen der Ansicht der Beklagten könne beim flüchtigen Leser des Zeitungsartikels sehr wohl der Eindruck entstehen, auch beim daneben abgebildeten Kläger handle es sich um einen jener Bodybuilder, welcher seine Muskelberge der Einnahme verbotener Anabolika verdanke und welcher diese verbotenen Substanzen wie hunderte Profi- und Hobbysportler in Österreich von der im Artikel angesprochenen Quelle bezogen habe und insofern in den angeblich aufgedeckten Doping-Handel involviert sei. Die Veröffentlichung des Lichtbilds verletze daher berechtigte Interessen des Klägers. Da sich das Unterlassungsbegehren des Klägers nicht auf den konkreten Gesetzesverstoß beschränkt habe, sei es enger zu fassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts (§ 527 Abs 2 zweiter Satz ZPO iVm §§ 78, 402 Abs 4 EO) nicht zulässig.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine Rechtsfrage vorliegt, wenn die Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder das Fachwissen der Richter zur Beantwortung genügen (zur Wirkung einer Werbeaussage etwa 4 Ob 168/99f = ÖBl 2002, 20 - LKW-Entferner; 4 Ob 241/02y = RdW 2003, 266; RIS-Justiz RS0039926; zur Irreführungseignung: 4 Ob 96/94 = ÖBl 1995, 217 - bedeutendste Tageszeitung Oberösterreichs; für die Beurteilung der Wirkung einer unternehmensschädigenden Behauptung im Sinn des § 1330 ABGB: 4 Ob 168/89 = ecolex 1990, 282). Ob nun im Einzelfall - hier bei Beurteilung der Frage, ob der Kläger auf der von ihm beanstandeten Abbildung für Personen seines Umfelds erkennbar ist oder nicht - die Erfahrungssätze des täglichen Lebens ausreichen, also keine besondere Fachkenntnisse erforderlich sind, geht in ihrer Bedeutung nicht über diesen Einzelfall hinaus. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Oberste Gerichtshof die Anwendung der dargelegten Grundsätze für die Abgrenzung einer Tat- von einer Rechtsfrage bereits auch für die Anwendung des § 78 UrhG festgehalten hat. Eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO liegt jedenfalls nicht vor.
Mehrfach hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Auffassung, ein Bildnis im Sinn des § 78 UrhG liege nur dann vor, wenn die Gesichtszüge des Abgebildeten erkennbar seien, weder dem Sprachgebrauch entspricht noch im Gesetz begründet ist. Auch die Abbildung eines Menschen, die diesen von rückwärts zeigt oder dessen Gesichtszüge durch irgend etwas verdeckt sind, ist dennoch noch immer ein Bildnis dieser Person. Voraussetzung ist nur, dass der Abgebildete erkennbar ist, sei es auch nur aus sonstigen Umständen. Nicht nur bei der Frage, ob durch die Verbreitung des Bildes berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden, sondern auch bei der Frage, wer der Abgebildete ist, ist nicht nur das Bild für sich allein, sondern es sind auch die Art der Verbreitung und der Rahmen, in den das Bild gestellt ist, zu berücksichtigen (4 Ob 342/64 = SZ 37/148; 4 Ob 214/00z = MR 2001, 105 - Kampfsporttechniken; RIS-Justiz RS0078020). Es trifft daher nicht zu, dass bislang die Erkennbarkeit einer Person als Voraussetzung des Schutzes nach § 78 UrhG stets am Hauptidentifizierungsmerkmal eines Menschen, dem Gesicht, angeknüpft hätte. Ob im konkret zu beurteilenden Fall Erkennbarkeit für Personen, die den abgebildeten Menschen schon öfter gesehen haben (vgl 4 Ob 184/97f = SZ 70/183 - Ernestine K.), vorliegt, bildet im Hinblick auf die (auch) hier maßgeblichen besonderen Umstände des Einzelfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO.
Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 ZPO; der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
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