Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Verlegerin der im gesamten Bundesgebiet verbreiteten "Neuen Kronen Zeitung", welche in Oberösterreich unter der Bezeichnung "Oberösterreich-Neue Kronen Zeitung" bzw "Oberösterreich-Krone" in Form einer eigenen Mutationsausgabe vertrieben wird.
Die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der Tageszeitung "Oberösterreichische Nachrichten". Ein von ihr am 12.11.1992 verbreitetes Werbeblatt enthielt folgenden Text:
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Nach den Ergebnissen der Mediaanalyse 1992 erzielte die Tageszeitung der Beklagten in Oberösterreich eine Reichweite von 292.000 Lesern (26,9 %), die "Neue Kronen Zeitung" (Oberösterreich) aber eine solche von 462.000 Lesern (42,6 %).
Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, unter Bezugnahme auf die Tageszeitung "Oberösterreichische Nachrichten" die Behauptung "Lernen Sie Oberösterreichs größte Tageszeitung kennen" und/oder "Oberösterreichs bedeutendste Tageszeitung" oder eine bedeutungsgleiche ähnliche Behauptung zu unterlassen; zugleich beantragt sie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in der Tageszeitung der Beklagten. Mit den beanstandeten Behauptungen nehme die Beklagte eine Spitzenstellung für ihre Tageszeitung in Anspruch, welche ihr jedenfalls in bezug auf Reichweite und Meinungsbildung nicht zukomme, weil auf beiden Gebieten die "Oberösterreich-Krone" führend sei. Bei der Mutationsausgabe der "Neuen Kronen Zeitung" für Oberösterreich handle es sich sehr wohl um eine oberösterreichische Zeitung. Die Beklagte habe mit ihren unrichtigen Werbeangaben gegen die Bestimmungen des UWG, insbesondere gegen § 2 UWG verstoßen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Mutationsausgabe der "Neuen Kronen Zeitung" für Oberösterreich sei keine selbständige und schon gar keine oberösterreichische Zeitung. Demnach komme der Zeitung der Beklagten die in Anspruch genommene Spitzenstellung unter den vom Verkehr als oberösterreichische Tageszeitung angesehenen Medien tatsächlich zu. In der Bezeichnung der Zeitung als "bedeutendste Tageszeitung Oberösterreichs" liege ein reines Werturteil und keine Tatsachenbehauptung.
Nachdem der von der Klägerin zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruches gestellte Antrag auf Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung vom Rekursgericht abgewiesen und der dagegen von der Klägerin erhobene ordentliche Revisionsrekurs vom Obersten Gerichtshof mangels Vorliegens einer nach § 528 Abs 1 ZPO qualifizierten Rechtsfrage zurückgewiesen worden war, weil die beanstandeten Werbebehauptungen der Beklagten vom Publikum im Sinne der bisherigen Rechtsprechung (ÖBl 1981, 77 - Die einzige oberösterreichische Zeitung; 4 Ob 351/81) nur als Inanspruchnahme einer Spitzenstellung unter den oberösterreichischen, nicht aber in bezug auf überregionale Tageszeitungen verstanden wird (4 Ob 51/93), behauptete die Klägerin ausdrücklich die Unrichtigkeit der der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zugrunde liegenden Erfahrungssätze. Sie brachte vor, daß jedenfalls ein nicht ganz unerheblicher Teil des Publikums die beanstandeten Werbebehauptungen nicht nur auf regionale Tageszeitungen, sondern auf die in Oberösterreich verbreiteten Tageszeitungen (schlechthin) bezieht. Im übrigen seien die Werbebehauptungen selbst dann irreführend, wenn sie das Publikum im Sinne der vom Obersten Gerichtshof angewendeten Erfahrungssätze verstehe: In Oberösterreich gebe es nämlich überhaupt nur die Zeitung der Beklagten als einzige oberösterreichische Tageszeitung in diesem Sinn. Auch die so verstandene Inanspruchnahme einer Spitzenstellung könne somit nicht richtig sein, weil es dann eben nicht mehrere oberösterreichische Tageszeitungen gebe.
Die Beklagte hielt dem entgegen, daß die Frage, welchen Eindruck das Publikum aus den beanstandeten Werbebehauptungen gewinne, eine Rechtsfrage sei, weil für die Beurteilung ihrer Wirkung auf die angesprochenen Verkehrskreise die Erfahrungssätze des täglichen Lebens ausreichten. Die "Oberösterreichischen Nachrichten" seien nicht die einzige oberösterreichische Tageszeitung; eine weitere oberösterreichische Tageszeitung sei etwa das "Neue Volksblatt".
Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Abstandnahme der von der Klägerin angebotenen Beweisaufnahmen im wesentlichen mit der Begründung ab, daß die beanstandeten Werbebehauptungen nicht irreführend seien, weil die von der Klägerin verlegte, in Oberösterreich in Form einer eigenen Mutationsausgabe vertriebene "Neue Kronen Zeitung" nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes von den angesprochenen Verkehrskreisen als Mutationsausgabe einer überregionalen Zeitung und nicht als "oberösterreichische" Zeitung angesehen werde.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und verneinte das Vorliegen rechtlicher Feststellungsmängel zu der von der Klägerin behaupteten Wirkung der Werbeangaben auf die angesprochenen Verkehrskreise. Die Klägerin habe nicht behauptet, daß das Publikum die oberösterreichische Mutationsausgabe der "Neuen Kronen Zeitung" als "oberösterreichische" Zeitung ansehe, sondern lediglich vorgebracht, daß es die beanstandeten Werbebehauptungen nicht nur auf regionale Tageszeitungen, sondern auf die in Oberösterreich verbreiteten Tageszeitungen beziehe. Letzteres sei zwar evident, könne aber nichts daran ändern, daß das Publikum andere als in Oberösterreich "beheimatete" Zeitungen nicht zu "Oberösterreichs Tageszeitungen" zähle. Solche Zeitungen seien daher in den Kreis, in dem die Beklagte eine Spitzenstellung ihrer Zeitung beanspruche, nicht einzubeziehen. Auf die Behauptung, daß die "Oberösterreichischen Nachrichten" bei der vom Obersten Gerichtshof angenommenen Wirkung der Werbebehauptungen auf die angesprochenen Verkehrskreise überhaupt die einzige oberösterreichische Tageszeitung seien, komme die Klägerin in ihrer Berufung nicht mehr zurück.
Die von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision ist entgegen der Meinung der Beklagten zulässig, weil das Berufungsgericht bei der Verneinung eines rechtlichen Feststellungsmangels von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist und überdies seine Annahme, die Klägerin sei auf ein bestimmtes Vorbringen in ihrer Berufung nicht mehr zurückgekommen, auf einer aktenwidrigen Grundlage beruht. Hingegen ist der fehlende Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO) auf ein offenbares Versehen des Berufungsgerichtes zurückzuführen, ist doch bereits im Provisorialverfahren, dessen Gegenstand sich auf den Unterlassungsanspruch beschränkte, ausgesprochen worden, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist auch im Sinn des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.
Der erkennende Senat hat in seiner im Provisorialverfahren ergangenen Entscheidung die Frage, ob eine Angabe im geschäftlichen Verkehr zur Irreführung geeignet ist, im Sinne der ständigen Rechtsprechung (ÖBl 1985, 105 - C & A mwN; ÖBl 1987, 78 - Wärmeabgabetabellen; ÖBl 1992, 114 - Prioflor; 4 Ob 41/93) als Rechtsfrage behandelt, weil für die Beurteilung ihrer Wirkung auf die angesprochenen Verkehrskreise die Erfahrungssätze des täglichen Lebens ausreichen (so auch schon die zu gleichgelagerten Fällen ergangenen Entscheidungen ÖBl 1981, 77 - Die einzige oberösterreichische Zeitung und 4 Ob 351/81). Die Klägerin hat aber zutreffend erkannt, daß es ihr ungeachtet dessen im Hauptverfahren freistand, selbst Erfahrungssätze zu behaupten und unter Beweis zu stellen oder den Beweis der Unrichtigkeit der vom Obersten Gerichtshof zugrundegelegten Erfahrungssätze anzutreten (ÖBl 1985, 105 - C & A; ÖBl 1992, 114 - Prioflor). Sie hat dies auch mit der durch ein entsprechendes Beweisangebot gestützten Behauptung getan, daß jedenfalls ein nicht ganz unerheblicher Teil des Publikums die beanstandeten Werbeangaben nicht nur auf regionale (also oberösterreichische) Tageszeitungen, sondern auf alle in Oberösterreich verbreiteten Tageszeitungen beziehe. Unter die in Oberösterreich verbreiteten Tageszeitungen fällt aber auch die Mutationsausgabe der überregionalen Tageszeitung der Klägerin. Es war daher verfehlt, wenn das Berufungsgericht diesem Vorbringen der Klägerin schon die rechtliche Relevanz abgesprochen hat, liegt es doch auf der Hand, daß eine derartige Wirkung der beanstandeten Werbebehauptungen auf die angesprochenen Verkehrskreise einen im Sinne des § 2 UWG beachtlichen Irrtum über die von der Beklagten für ihre Tageszeitung in Anspruch genommene Spitzenstellung zur Folge haben muß. Das gilt entgegen der Meinung des Erstgerichtes und der Beklagten auch für die Angabe, daß ihre Zeitung "Oberösterreichs bedeutendste Tageszeitung" sei, enthält diese doch neben einer rein subjektiven, unüberprüfbaren Meinungskundgabe jedenfalls auch noch den Tatsachenkern, daß sie die auflagenstärkste oder meistgelesene oberösterreichische Tageszeitung sei.
Für den Fall, daß ihr der Beweis der behaupteten Wirkung der Werbeankündigungen der Beklagten auf die angesprochenen Verkehrskreise mißlingen sollte, hat die Klägerin aber in erster Instanz auch noch behauptet, daß die Werbeangaben deshalb irreführend seien, weil es sich bei der Zeitung der Beklagten um die einzige Tageszeitung im Sinne des vom Obersten Gerichtshof zugrundegelegten Verständnisses der angesprochenen Verkehrskreise handle. Sie hat damit ein neues, zur Irreführung geeignetes Element vorgebracht, das zur Folge hat, daß die Beklagte eine Spitzenstellung auf dem Markt der oberösterreichischen Tageszeitungen vortäuscht, den es aber mangels Vorliegens von Mitbewerbern gar nicht gibt. Auf diese Behauptung ist die Klägerin in ihrer Berufung sehr wohl zurückgekommen sie hat auch die hiezu fehlenden Feststellungen gerügt (ON 17 S 159, 161 f). Da es sich dabei nicht um eine Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens sondern um einen, dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zugehörigen rechtlichen Feststellungsmangel handelt, kann ihr dies nicht zum Nachteil gereichen.
Die beide geltend gemachten Feststellungsmängel liegen daher vor. Sie stehen einer Spruchreife der Rechtssache entgegen. Die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht erweist sich gemäß § 510 Abs 1 ZPO schon deshalb als unumgänglich, weil dieses jegliche Beweisaufnahmen unterlassen hat. Es bedarf daher einer Verhandlung in erster Instanz, um die Sache spruchreif zu machen. Das Erstgericht wird das von der Klägerin beantragte Sachverständigengutachten einzuholen und die von ihr geführte Zeugin zu vernehmen und die noch fehlenden Feststellungen - sei es im positiven oder im negativen Sinn - zu treffen haben.
Der Ausspruch über den Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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