OGH 5Ob262/05y

OGH5Ob262/05y7.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnungseigentumssache des Antragstellers Kenan U*, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1) Mag. Robert B*, vertreten durch Dr. Klaus Riedmüller, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2) Marianne H*, vertreten durch DI. Johann Hollaus, Kirchplatz 12, 6112 Wattens, 3) Dr. Kurt B*, 4) Melanie B*, ebendort, 5) Sylvia F* , 6) Waltraud U* 3) bis 6) vertreten durch Mag. Egon Lechner, Rechtsanwalt in Wörgl, 7) Ursula K*, 8) Iris G*, 9) Verena F*, 10) Johannes N*, 11) Erika P*, 12) Melek D*, wegen §§ 16 Abs 2 iVm 51 Abs 1 Z 2 WEG 2002, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 3. August 2005, GZ 1 R 139/05f‑68, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2006:E80244

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

 

Begründung:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Ob eine Widmungsänderung vorliegt, die einer Genehmigung im Sinn des § 16 Abs 2 WEG 2002 bedarf, ist nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung nach der gültigen Widmung des betreffenden Objektes zu beurteilen. Primär ist daher zu prüfen, welche vertragliche Widmung für ein Objekt besteht. Das erfordert einen Rückgriff auf die vertragliche Einigung der Mit‑ und Wohnungseigentümer (RIS‑Justiz RS0101800 zuletzt 5 Ob 122/05k).

Im vorliegenden Fall wurde Wohnungseigentum an einem erst zu errichtenden Wohn‑ und Geschäftshaus begründet. Unter Punkt 9 des Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrages mit dem Titel „Wohnungseigentumseinräumung" sind unter Punkt 9.1. "Nutzwerte" die Wohn‑ und Geschäftseinheiten des zu errichtenden Wohn‑ und Geschäftshauses im Einzelnen beschrieben, wobei das vom Antragsteller erworbene Objekt G 2 folgendermaßen bezeichnet ist: „ Im Erdgeschoss gelegen, bestehend aus Geschäft, Nebenraum NR und WC". Zu diesem Punkt des Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrages ist die (verkleinerte) Kopie eines Bestandplanes aus dem Nutzwertgutachten eingefügt, in dem das Objekt top G 2 als „Verkaufsraum" bezeichnet ist. Diese Plankopie findet sich am Ende der Aufzählung der einzelnen Objekte. Die Vorinstanzen gingen in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass durch die Beifügung des aus den Einreichunterlagen stammenden Planes (der allerdings der Darstellung der Situierung der Autoabstellplätze auf der Liegenschaft gedient hat), in dem der Hauptraum des Objektes als „Verkaufsraum" bezeichnet ist, eine Spezifizierung der Widmung des Objektes erfolgt sei. Das stehe auch im Einklang damit, dass bei den anderen im Objekt situierten Geschäftslokalen die Widmung jeweils sehr konkret vorgenommen wurde (etwa Apotheke, Rezeptraum, Büroraum etc). Damit sei eindeutig die Widmung als Verkaufsgeschäft vorgenommen und nicht der umfassendere Begriff „Geschäftslokal" gewählt worden.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers bekämpft im Wesentlichen diese Beurteilung einer eingeschränkten Widmung und wendet sich dann noch kurz gegen die Bejahung einer wesentlichen Beeinträchtigung der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer durch einen Gaststättenbetrieb in welcher Form auch immer.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Die in einem Wohnungseigentumsvertrag vorgenommene Widmung ist nichts anderes als die vertragliche Einigung der Partner eines Wohnungseigentumsvertrages darüber, in welcher Weise dem Wohnungseigentümer die Benutzung seines bestimmten Objektes zukommen soll. Damit stellt die Beurteilung, ob in einem konkreten Wohnungseigentumsvertrag eine bestimmte Widmung vereinbart wurde, eine Vertragsauslegung im Einzelfall dar, die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936 uva).

Unter diesem Aspekt ist die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass zwischen den Parteien des Wohnungseigentumsvertrages eine Einschränkung der Widmung auf Verkaufstätigkeiten im Geschäftslokal erfolgte, vertretbar. Es besteht auch aus Gründen der Rechtssicherheit keine Notwendigkeit, das Auslegungsergebnis durch den Obersten Gerichtshof zu korrigieren. Der Umstand, dass es sich um ein erst zu errichtendes Objekt handelte, lässt es zu, dem in den Wohnungseigentumsvertrag aufgenommenen Bestandplan eine besondere Bedeutung zuzuerkennen.

Damit ist aber die vom Antragsteller beabsichtigte Errichtung eines Restaurants im Objekt als Widmungsänderung zu qualifizieren, deren Zulässigkeit zufolge § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 voraussetzt, dass sie nicht mit wesentlichen Interessen der anderen Mit- und Wohnungseigentümern kollidiert (vgl 5 Ob 228/03w; 5 Ob 2075/96z ua). Die nach § 16 Abs 2 WEG 2002 vorzunehmende Interessenabwägung ist stets auf den Einzelfall sowie die Benützungssituation der gesamten Liegenschaft bezogen, die Änderung also in ihrer Gesamtheit zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0109643; RS0083309 u.a.). Gerade die hier in Frage stehende Errichtung eines Gaststättenbetriebes hat der erkennende Senat aber bereits wegen der damit erfahrungsgemäß verbundenen Begleiterscheinungen als wesentliche Beeinträchtigung der Miteigentümer beurteilt (vgl 5 Ob 114/85 = MietSlg 38.626), dies sogar dann, wenn sich in einem Haus schon ein Gasthausbetrieb befand und ein zweiter eröffnet werden sollte (5 Ob 69/92). Dem außerordentlichen Revisionsrekurs sind dazu keine substanziellen Gegenargumente zu entnehmen.

Wenn die Vorinstanzen daher die Zulässigkeit der begehrten Änderung abgelehnt haben, steht dies im Einklang mit dazu ergangener höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

Insgesamt werden somit Rechtsfragen von der Bedeutung des § 62 Abs 1 AußStrG nicht aufgezeigt. Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers zu führen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

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