OGH 6Ob299/05x

OGH6Ob299/05x16.2.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm und Dr. Gitschthaler sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Ergin S*****, vertreten durch Dr. Bernd Schmied, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Susanne S*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß ua Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Unterhalt (einstweiliger Unterhalt gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO), über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 31. August 2005, GZ 23 R 248/05a-7, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 26. Juli 2005, GZ 2 C 75/05t-3, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach

Verfahrensergänzung aufgetragen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens einstweilen selbst zu tragen.

Die Kosten der Beklagten im Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehe zwischen den Streitteilen ist aufrecht. Die zu 2 C 181/03b des Bezirksgerichtes St. Pölten eingebrachte Scheidungsklage der Beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden Beklagte) wurde mit Urteil vom 22. 9. 2004 mangels unheilbarer Zerrüttung der Ehe abgewiesen. Die Beklagte erhob Berufung und brachte eine Wiederaufnahmsklage ein, die das Bezirksgericht St. Pölten mit Urteil vom 21. 6. 2005 abwies. Am 14. 10. 2003 wurde nach Wegweisung der klagenden und gefährdeten Partei (im Folgenden Kläger) ein Rückkehrverbot nach § 382b EO erlassen. Ungeachtet dessen wohnte der Kläger mit der Zustimmung der Beklagten noch längere Zeit in der gemeinsamen Wohnung; sie hatten häufigen Kontakt. Die Beklagte hat eine minderjährige Tochter, deren Vater Hermann R***** ist. Der Kläger wurde am 6. 10. 2004 unter anderem deshalb verurteilt, weil er am 28. 3. 2004 telefonisch zu Hermann R***** äußerte: „Bring mir meinen Reisepass zur Esso-Tankstelle nach Wagram, sonst bring ich deine Tochter um!".

In der am 15. 6. 2005 eingelangten Klage begehrte der Kläger gestützt auf § 94 ABGB einen seit 2003 aufgelaufenen Unterhaltsrückstand von EUR 6.188,65 sowie ab 1. 4. 2005 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von EUR 230,89. Zur Sicherung der zukünftig fällig werdenden Unterhaltsbeträge beantragt er einen vorläufigen Unterhalt von EUR 230,89 monatlich ab Juli 2005. Neben einer detaillierten Auflistung seines von September 2003 bis Juli 2005 erzielten monatlichen Einkommens findet sich in seinem Vorbringen die Behauptung, dass die Beklagte bei einem durchschnittlichen monatlichen Nettoverdienst von EUR 1.516,66 weder Natural- noch Geldunterhalt leiste und der seit März 2005 beim AMS als arbeitssuchend gemeldete Kläger um den Erhalt einer Vollbeschäftigung bemüht sei. Während im Anschluss an das Klagsvorbringen mehrere Beweismittel, wie die Parteienvernehmung, angeboten werden, enthält der Sicherungsantrag kein Beweisanbot. Die Beklagte wendet, soweit im Revisionsrekursverfahren noch relevant, mangelnde Schlüssigkeit des Unterhaltsbegehrens und die Arbeitsunwilligkeit des Klägers ein, der bei Ausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit seit Sommer 2003 zumindest ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 1.200 hätte erzielen können. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag mit der Begründung ab, der Kläger habe durch die Drohung, die Tochter der Beklagten umzubringen, einen Unterhaltsanspruch verwirkt.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es teilte zwar die Auffassung des Erstgerichtes zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruches nicht, lastete aber dem Kläger eine Verletzung seiner Behauptungspflicht an. Für einen Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB sei zunächst die Gestaltung des gemeinsamen Lebens maßgeblich, also wer für die Haushaltsführung, die Kinderbetreuung und die Erzielung eines Erwerbseinkommens zuständig sei. Auch bei Berufstätigkeit beider Ehegatten könne sich ein Unterhaltsanspruch des schlechter verdienenden Ehegatten ergeben, aber es müsse nach § 94 Abs 1 iVm Abs 2 Satz 3 ABGB eindeutig der Anspannungsgrundsatz für beide Partner gelten. Der Kläger habe weder die vereinbarte Lebensgestaltung noch einen Grund für seine Einkommenslosigkeit dargelegt. Ebenso fehlten Behauptungen zu den Bemühungen des Klägers, einen Arbeitsplatz zu finden. Ungeachtet der Sonderstellung des Provisorialunterhaltes, der dem Berechtigten in der Regel einen endgültigen Unterhalt verschaffe, im Vergleich zu sonstigen Provisorialverfahren bedeute eine Abweisung des Sicherungsantrages wegen Unschlüssigkeit keinen Verstoß gegen die weitergehende Anleitungs- und Erörterungspflicht nach § 182a ZPO. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, der Oberste Gerichtshof habe sich mit der Anwendung des § 182a ZPO auf Ansprüche nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO noch nicht befasst.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt. Nach § 94 Abs 1 ABGB haben die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Abs 2 dieser Bestimmung regelt drei Fälle von Ansprüchen gegen den Ehepartner: den Unterhaltsanspruch des haushaltsführenden Ehegatten (Satz 1), den Unterhaltsanspruch des haushaltsführenden Ehepartners nach Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft (Satz 2) und den Unterhaltsanspruch des insoweit beitragsunfähigen Ehegatten (Satz 3). Beziehen beide Ehegatten Einkommen, jedoch in wesentlich verschiedener Höhe, hat der schlechter verdienende Partner, dessen zumutbarerweise erzielbares Einkommen für seinen angemessenen Unterhalt nicht ausreicht, unabhängig von der Haushaltsführung einen entsprechenden Ergänzungsanspruch gegen den besser verdienenden Gatten (Schwimann/Ferrari in Schwimann ABGB³ § 94 Rz 24, RIS-Justiz RS0012492 [T6]).

Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Anspruchsgrundlagen für einen Provisorialunterhalt nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO verwirklicht sind, sind die Behauptungen des Antragstellers im Sicherungsantrag (vgl RIS-Justiz RS0005452 [T2]; vgl RIS-Justiz RS0037659). Indem der Kläger auf die aufrechte Ehe verweist und nach Gegenüberstellung der wechselseitigen monatlichen durchschnittlichen Nettoeinkünfte eine Einkommensdifferenz darlegt, macht er ausreichend deutlich einen Ergänzungsanspruch gegen die besserverdienende Ehefrau, die keinen Unterhalt leiste, geltend. Der Kläger war daher auch nicht dazu verpflichtet, ein zusätzliches Vorbringen zu der nicht relevanten Haushaltsführung zu erstatten. Das selbe gilt für die Frage der Anspannung des Klägers auf ein zumutbarer Weise erzielbares höheres Einkommen, weil die Behauptungs- und Beweislast dafür grundsätzlich die durch den Anspannungsgrundsatz begünstigte Partei (hier die Beklagte) trifft (Schwimann/Ferrari aaO Rz 41; 1 Ob 56/01v). Diese Verteilung der subjektiven Behauptungslast ist damit zu rechtfertigen, dass eine Anspannung auf ein nach den Gegebenheiten erzielbares fiktives höheres Einkommen eine schuldhafte Verletzung der Obliegenheit voraussetzt, in zumutbare Weise höhere Einkünfte zu erzielen (vgl dazu Schwimann/Ferrari aaO Rz 40; RIS-Justiz RS0047495). Dass die Beklagte zu diesem Punkt nicht auf unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten stößt, zeigt sich in ihrem äußerst ausführlichen Vorbringen zur Arbeitsfähigkeit des Klägers und den Voraussetzungen seiner Anspannung. Der vom Rekursgericht an den Kläger gerichtete Vorwurf, jegliches Vorbringen zur Anspannung unterlassen zu haben, ist im Übrigen insofern nicht berechtigt, als der Kläger Bemühungen zur Erlangung einer Vollzeitbeschäftigung zumindest seit März 2005 behauptet.

Richtig ist, dass im Sicherungsantrag selbst keine Bescheinigungsmittel genannt werden und der Antrag sich nicht ausdrücklich auf das Klagsvorbringen beruft. Die Auferlegung eines vorläufigen Unterhaltes nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO stellt begrifflich keine EV im Sinn der EO dar, weil dadurch nicht ein Leistungsanspruch gesichert, sondern dem Berechtigten ein in der Regel endgültig zustehender einstweiliger Unterhalt zugebilligt wird. Die materiell-rechtlichen Grundlagen sind im Hauptverfahren und im Provisorialverfahren gleich (RIS-Justiz RS0005261). Diese Besonderheit des Provisorialunterhaltes rechtfertigt jedenfalls eine Ergänzung des Antragsvorbringens aus dem gleichzeitig erstatteten Prozessvorbringen, weil sich die den Antrag auf Erlassung begründenden Tatsachen unmittelbar aus dem Klagevorbringen ergeben und letzteres daher eine geeignete Grundlage für den Antrag im Provisorialverfahren bildet (vgl RIS-Justiz RS0005231 [T2]). Auf die bei einstweiligen Verfügungen allgemein geltende Rechtslage ist hier nicht einzugehen.

Die vom Rekursgericht zu Unrecht angenommene Verletzung der Behauptungspflicht durch den Kläger trägt aus diesen Erwägungen die ausschließlich deshalb erfolgte Abweisung des Sicherungsantrages nicht, was zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führt. Somit stellt sich die vom Rekursgericht als erheblich gesehene Rechtsfrage, ob § 182a ZPO in einem derartigen Sicherungsverfahren anzuwenden ist, gar nicht.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren den Kläger zum Vorbringen der Beklagten, wonach ihm die Erziehung eines höheren Einkommens zumutbar wäre, zu hören und nach der danach erforderlichen Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens neuerlich zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf hinsichtlich des Klägers auf § 393 Abs 1 Satz 1 EO, hinsichtlich der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO, § 52 Abs 1 ZPO.

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