Spruch:
1.) Die Bezeichnung der klagenden Partei wird in G. W***** GmbH, Anschrift wie bisher, richtig gestellt.
2.) Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:
„Es wird festgestellt, dass die den beklagten als betreibenden Parteien wider die klagende als verpflichtete Partei mit Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 21. Oktober 2004, GZ 54 E 221/04s-21, bewilligte Exekution durch Räumung des im Haus ***** gelegenen, ebenerdig vom Hauseingang rechts betretbaren Geschäftslokals, bestehend aus einem Gastraum, einer Küche, einem Lager, einem Arbeitsraum, einem Technikraum, WCs und Pissoirs samt Vorräumen und einer Galerie/Zwischenebene mit einer Nutzfläche von 174,22 m² unzulässig ist.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 4.781,28 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin 787,48 EUR USt und 81,20 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die beklagten Parteien sind weiters zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 5.294,20 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 839,96 EUR USt und 254,40 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Ad 1.): Die Berichtigung der Bezeichnung der klagenden Partei entspricht der im Firmenbuch eingetragenen Änderung der Firmenbezeichnung (FN 179699 p).
Ad 2.) Die nunmehrige Impugnationsklägerin verpflichtete sich im Vergleich vom 9. Juni 2004, das von ihr gemietete Geschäftslokal den vier Eigentümern, Vermietern und nunmehrigen Impugnationsbeklagten (im Folgenden nur Beklagte) bis längstens 30. September 2004 geräumt zu übergeben. Die Beklagten verpflichteten sich im Zusammenhang damit außergerichtlich, von diesem Räumungstitel nicht Gebrauch zu machen, wenn die klagende Partei bezahlt: Rückständigen Mietzins bis Juni 2004 von 60.000 EUR und zwar 20.000 EUR bis längstens 31. Juli 2004 und den Rest von 40.000 EUR bis längstens 31. Dezember 2004, sowie ordnungsgemäß die Mietzinsvorschreibungen im Zeitraum Juli bis Dezember 2004, wobei eine Zahlung dann als ordnungsgemäß gilt, wenn sie bis längstens 15. eines jeden Monats am Konto der Eigentümergemeinschaft eingelangt ist.
Die klagende Partei zahlte die 1. Rate der Abschlagszahlung von 20.000 EUR sowie die Mietzinse für Juli, August, Oktober und November 2004 fristgerecht, den Mietzins für September 2004 jedoch um einen Tag verspätet am 16. September 2004, weil die alle Geldangelegenheiten der klagenden Partei erledigende Geschäftsführerin vom 9. bis 15. September 2004 im Krankenstand war (verordnete Bettruhe). Die Hausverwaltung der Beklagten setzte in ihrer Mahnung vom 16. September 2004 der klagenden Partei zur Zahlung des rückständigen Mietzinses für September 2004 von 2.711,64 EUR eine Zahlungsfrist von zehn Tagen, ohne eine Änderung der Vereinbarung über den Räumungsverzicht zu erklären. Den am 31. Dezember 2004 fälligen 2. Teilbetrag des Mietzinsrückstands von 40.000 EUR zahlte die klagende Partei überhaupt nicht.
Die klagende Partei begehrte die Feststellung der Unzulässigkeit der - am 21. Oktober 2004 vom Erstgericht bewilligten - Räumungsexekution mit der Behauptung, die Beklagten hätten auf die Räumungsexekution verzichtet. Aufgrund einer Verlängerung der Zahlungsfrist bis 26. September 2004 sei die Mietzinszahlung für September rechtzeitig gewesen, jedenfalls treffe die klagende Partei aufgrund der Erkrankung ihrer Geschäftsführerin kein Verschulden am eintägigen Zahlungsverzug. Die Exekutionsführung der Beklagten sei „schikanös, sittenwidrig und vertragswidrig", weil sie entgegen des Räumungsverzichts und in Kenntnis der „vollständigen Vertragserfüllung" durch die klagende Partei - erkennbar die noch immer offene Restzahlung von 40.000 EUR vernachlässigend - die Räumungsexekution beantragt hätten.
Die Beklagten wendeten ein, die klagende Partei habe objektive Bedingungen des von ihnen zugestandenen Räumungsverzichts - Zahlung des Mietzinses für September 2004 bis 15. September 2004 und des Mietzinsrückstands von 40.000 EUR bis 31. Dezember 2004 - nicht eingehalten, weshalb die Räumungsexekution zulässig sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Exekutionsführung sei zulässig, weil die klagende Partei die Bedingungen, unter denen der Räumungsverzicht erklärt worden sei, nicht erfüllt habe. Auch bei geringfügiger Überschreitung der Zahlungstermine sei der Antrag auf Räumungsexekution weder sittenwidrig noch schikanös. Ein krasses Mietverhältnis zwischen verfolgten eigenen und beeinträchtigen fremden Interesse liege beim Dringen auf genaue Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung nicht vor.
Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Zwar stelle der Verzicht eines Vermieters auf eine Räumungsexekution einen Impugnationstatbestand nach § 36 Abs 1 Z 3 EO dar, wobei die maßgebenden Tatsachen bei der Impugnationsklage zum Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung und nicht bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden sein müssten, weshalb die unterbliebene Zahlung der am 31. Dezember 2004 fälligen 40.000 EUR in die Beurteilung nicht einzubeziehen sei, doch sei die Exekutionsführung der Beklagten keineswegs schikanös. Denn die klagende Partei sei bei einem hohen Mietzinsrückstand von 40.000 EUR schon nach kurzer Zeit mit einer neuen Mietzinsverbindlichkeit - und sei es auch nur um einen Tag - in Verzug geraten, obwohl im Vergleich zur gesetzlichen Mietzinsfälligkeit nach § 15 Abs 3 MRG ohnehin eine um einen halben Monat spätere Fälligkeit vereinbart worden sei. Da in der Mahnung der Hausverwaltung auf die vorangegangene Vereinbarung nicht Bezug genommen worden sei, könne diese Mahnung nur so verstanden werden, dass der fällige Mietzins für September 2004 nach Verstreichen der Nachfrist mit Klage geltend gemacht werde. Aus dem Mahnschreiben lasse sich daher kein (weiterer) Räumungsexekutionsverzicht ableiten.
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) - zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
a) Da sich die Impugnationsklage nicht allgemein gegen den betriebenen Anspruch, sondern nur gegen die konkrete Exekutionsbewilligung der Anlassexekution richtet und somit im Verfahren nach § 36 EO nur die Frage zu lösen ist, ob die Anlassexekution zu Recht bewilligt wurde, reicht es für den Erfolg der Klage aus, wenn der geltend gemachte Impugnationsgrund im Zeitpunkt der Erlassung der Exekutionsbewilligung gegeben war, auch wenn er in der Folge weggefallen ist. Maßgeblich ist daher nicht der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung in erster
Instanz (stRsp; 3 Ob 120/58 = RZ 1959, 15; 3 Ob 45/66 = JBl 1966, 527
zu § 35 EO; 3 Ob 26/66 = SZ 39/41 u.a., zuletzt 4 Ob 301/88;
RIS-Justiz RS0000924; Jakusch in Angst, § 36 EO Rz 37; Rebernig in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 36 EO Rz 46 unter Hinweis auf die „wohl zu überprüfende" Rsp, die gegenteilige Auffassung in der deutschen Lehre [vgl. dazu jüngst Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO64 (2006) § 768 RZ 4] und dem Hinweis zu § 39 Abs 1 Z 6 EO, dass in der E RZ 1998/47 [3 Ob 2397/96p] bei nachträglicher Tauglichkeit des Titels zur Sicherungsexekution, Umwandlung der Befriedigungsexekution in eine Sicherstellungsexekution bei Berichtigung des Pfandranges; Heller/Berger/Stix EO4, I 438 [weil eine nachträgliche Heilung einer ungültigen Exekution nicht nur wegen Verletzung der Rechte des Verpflichteten, sondern auch der etwaiger dritter Berechtigter unzulässig sei, denn auf diese Weise könnte der Rang der Pfandrechte anderer Gläubiger berührt werden]). Daher kann hier der Umstand, dass die klagende Partei - und zwei Monate nach Bewilligung der Räumungsexekution und erkennbar im Zusammenhang mit der Notwendigkeit, eine Sicherheitsleistung für die mit der Impugnationsklage verbundene Aufschiebung der Räumungsexekution zu erlegen - den 2. Teil des Mietzinsrückstands von 40.000 EUR nicht fristgerecht bis zum 31. Dezember 2004, ja nach dem Aktenstand gar nicht beglich, bei Beurteilung der Verzugsfolgen bzw. des Vorliegens der Voraussetzungen des Räumungsverzichts nicht berücksichtigt werden. In der Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird auch gegen die genannte Rsp nichts vorgetragen.
b) Zu prüfen ist hier die Wirksamkeit eines bedingten Exekutionsverzichts (§ 36 Abs 1 Z 3 EO), das heißt, ob die Bedingung für den Exekutionsverzicht der nun Beklagten eingetreten ist oder nicht. Der Oberste Gerichtshof hat in teilweiser Abkehr von seiner strengen älteren Rsp, wonach die Geltendmachung von Verzugsfolgen auch bei geringfügigem Verzug nicht als sittenwidrig anzusehen ist (vgl. 3 Ob 349/61 = HS 593/60 u.v.a.; RIS-Justiz RS0014251), auf die sich die Beklagten zur Rechtfertigung ihres Standpunkts stützen, auch der bloß eintägige Verzug bei Zahlung des Mietzinses für September 2004 mache den von ihnen abgegebenen Räumungsverzicht mangels Erfüllung der hiefür gesetzten Voraussetzungen unwirksam, nunmehr in mehreren Verzugsfolgen vergleichbarer Art betreffenden Entscheidungen den Standpunkt vertreten, dass ein bloß geringfügiger Verzug im Allgemeinen noch nicht zu so weit reichenden Rechtsfolgen für den Schuldner führen soll (1 Ob 193/99k = ÖBA 2000, 812 für eine
geringfügige Überschreitung der Leistungsfrist; 3 Ob 2212/96g = SZ
70/165 = EvBl 1998/45 = ecolex 1998, 201 = RdW 1998, 189 = ÖBA 1998, 400 = ZIK 1998, 138 für eine bloß geringfügige Nichterfüllung; 4 Ob 259/02w für eine geringfügige Minderzahlung; 3 Ob 323/02z = MietSlg 55.199 = WoBl 2005, 54/18 für eine geringfügige Minderzahlung bei einem Räumungsvergleich).
Die Beurteilung, ob die Geltendmachung eines vereinbarten Terminverlusts, der Nichterfüllung eines Prämienvergleichs oder der fehlenden Voraussetzungen für einen Räumungsverzicht gerechtfertigt ist, hängt von den im jeweiligen Einzelfall gegebenen besonderen Umständen ab (4 Ob 259/02w; 3 Ob 197/05z). Zwar ist die klagende Partei ungeachtet eines hohen Mietzinsrückstands, von dem sie vereinbarungsgemäß nur einen kleineren Teil getilgt hat (20.000 EUR von insgesamt 60.000 EUR) schon nach kurzer Zeit neuerlich mit einer (monatlichen) Mietzinsverbindlichkeit in Rückstand geraten, doch betrug der Verzug in diesem Fall lediglich einen Tag und war er überdies auf Krankheit, also auf einen unverschuldeten Umstand zurückzuführen. Da die klagende Partei - von den Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren auch zugestanden (AS 19) - das Einlangen des geschuldeten Mietzinsbetrags auf dem Konto der Beklagten einen Tag nach Fälligkeit (16. September 2004) bewirkte, geht der Hinweis der Beklagten auf den aufgrund des Bankweges anzunehmenden längeren Zahlungsverzug jedenfalls fehl. Der in diesem Fall ganz geringfügige Verzug, welcher keine nennenswerte Belastung der Beklagten als Gläubiger nach sich zog, rechtfertigt die gravierenden Rechtsfolgen der Unwirksamkeit des Räumungsverzichts (Verlust des Bestandobjekts) daher auch unter Berücksichtigung der früher eingetretenen erheblichen Zahlungsverzögerungen bei der Begleichung des Mietzinses, welche mit dem Räumungsvergleich samt bedingtem Räumungsverzicht bereinigt werden sollten, nicht.
Da infolge Geringfügigkeit der Überschreitung der Leistungsfrist bei Bezahlung des Mietzinses für September 2004 davon auszugehen ist, dass der von den Beklagten ausgesprochene Räumungsverzicht im Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung wirksam war und der dessen ungeachtet beantragten und bewilligten Räumungsexekution entgegensteht, braucht auf die weiter aufgeworfene Frage, ob dem Mahnschreiben der Hausverwaltung (auch) ein Räumungsverzicht zu entnehmen ist, nicht weiter eingegangen zu werden. Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass bei Dauerschuldverhältnissen oder vereinbarten Ratenzahlungen bei wiederholten geringfügigen Überschreitungen der Leistungsfrist oder geringfügigen Minderleistungen geschuldeter Geldforderungen der strenge Maßstab anzuwenden ist.
Demnach müssen die Urteile der Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinn abgeändert werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO.
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