OGH 2Ob101/05z

OGH2Ob101/05z1.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irene N*****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und andere Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagten Parteien 1.) Andreas H*****, und 2.) H***** AG (zuvor: H***** AG *****), *****, beide vertreten durch Dr. Klaus-Dieter Strobach und andere Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen EUR 66.809,31 sA und Feststellung (Streitwert: EUR 7.270,--), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2004, GZ 1 R 211/04m-43, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 31. August 2004, GZ 2 Cg 117/02m-39, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird auf „H***** AG“ berichtigt.

II. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren (Punkt II 4 und 5 lit b des Urteilsspruches) als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinem Ausspruch über das Leistungsbegehren (Punkt II 1, 2, 3a und 5a des Urteilsspruches) und in seiner Kostenentscheidung (Punkt II 3b des Urteilsspruches) dahin abgeändert, dass es unter Einschluss des schon in Rechtskraft erwachsenen Teiles insgesamt zu lauten hat:

„II. 1.) Die weitere Forderung der klagenden Partei besteht mit EUR 26.756,42 zu Recht.

2.) Die von den beklagten Parteien eingewendete Gegenforderung besteht mit EUR 1.166,67 zu Recht.

3.) Die beklagten Parteien sind daher zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei

a) EUR 25.589,75 samt 4 % Zinsen aus EUR 25.211,49 vom 1. 7. 2000 bis 31. 8. 2002, aus EUR 25.262,40 vom 1. 9. 2002 bis 18. 3. 2004 und aus EUR 25.589,75 seit 19. 3. 2004 sowie

b) die mit EUR 6.274,18 (darin EUR 3.229,05 Barauslagen und EUR 507,52 USt) bestimmen Kosten des Verfahrens erster Instanz

binnen 14 Tagen zu bezahlen.

5.) Abgewiesen wird

a) das Leistungsmehrbegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei weitere EUR 41.034,56 samt 4 % Zinsen aus EUR 40.845,82 vom 1. 7. 2000 bis 31. 8. 2002, aus EUR 40.872,27 vom 1. 9. 2002 bis 18. 3. 2004 und aus EUR 41.034,56 seit 19. 3. 2004 zu bezahlen.“

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 5.431,43 (darin EUR 2.544,78 Barauslagen und EUR 481,12 USt) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

Nach der am 5. 12. 2003 von der Hauptversammlung der zweitbeklagten Partei beschlossenen und am 30. 1. 2004 zu FN ***** im Firmenbuch eingetragenen Satzungsänderung wurde der Firmenwortlaut der zweitbeklagten Partei von „H***** Aktiengesellschaft *****“ geändert in „H***** Aktiengesellschaft“. Die Parteienbezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen.

Zu II.:

Am 4. 6. 2000 ereignete sich im Ortsgebiet von Straß, Gemeinde Timelkam, an der Kreuzung der Bundesstraße B1 mit der Oberthalheimer-Gemeindestraße und der Attersee-Bundesstraße ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Lenkerin ihres PKWs Opel Kadett Kombi, Kennzeichen VB 3 UGZ, und der Erstbeklagte als Lenker seines bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKWs Honda Civic Kombi, Kennzeichen VB 309 AF, beteiligt waren. Bei dem Unfall wurde die Klägerin schwer verletzt.

Die Klägerin begehrte zuletzt unter Anerkennung eines 50 %-igen Mitverschuldens von den beklagten Parteien Zahlung von EUR 66.809,31 sA sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien - jene der zweitbeklagten Partei beschränkt mit der Höhe der Haftungssumme aus einem bestimmten Versicherungsvertrag - für alle zukünftigen Unfallfolgen im Ausmaß von 50 %. Das Leistungsbegehren gliederte sie in folgende (um die Mitverschuldensquote bereits gekürzte) Positionen: Schmerzengeld EUR 65.400,--; Verunstaltungsentschädigung EUR 1.450,--; Totalschaden EUR 545,--; Fahrtkosten EUR 567,80; Selbstbehalt-Rehabilitation EUR 79,35; Selbstbehalt-LKH Vöcklabruck EUR 74,25; Straßenreinigung EUR 121,15; Gutachterkosten EUR 185,--; Rechnung Therapiezentrum EUR 79,36; weitere Fahrtkosten EUR 488,--, insgesamt somit EUR 68.989,91 abzüglich einer vor Klagseinbringung geleisteten Teilzahlung von EUR 2.180,19, deren Widmung nicht aktenkundig ist.

Die beklagten Parteien behaupteten das Alleinverschulden der Klägerin, bestritten insbesondere die Höhe des Schmerzengeldes und wandten eine Gegenforderung ein.

Das Erstgericht erkannte - ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 1:1 - das Klagebegehren mit EUR 61.224,72 und die Gegenforderung mit EUR 875,-- als zu Recht bestehend und verpflichteten die beklagten Parteien zur Zahlung (weiterer) EUR 60.349,72 sA an die Klägerin. Außerdem gab es dem Feststellungsbegehren statt. Das Mehrbegehren wies es hinsichtlich eines Betrages von EUR 6.274,59 sA ab. Hinsichtlich eines Teilbetrages von EUR 185,-- (Gutachterkosten) wurde das Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen. Das Erstgericht legte seiner Entscheidung ein (ungekürzt) mit EUR 120.000,-- bemessenes Schmerzengeld sowie - mit Ausnahme der Gutachterkosten - die geltend gemachten Beträge zugrunde und zog von dem unter Berücksichtigung der Mitverschuldensquote mit EUR 63.404,91 ermittelten Gesamtanspruch der Klägerin die Teilzahlung von EUR 2.180,19 ab. Dabei ging es im Wesentlichen von den nachstehenden, für das Revisionsverfahren noch bedeutsamen Feststellungen aus:

Die im Unfallszeitpunkt 21-jährige Klägerin erlitt bei dem Verkehrsunfall folgende Verletzungen: Milzzerreißung (mit nachfolgender Entfernung der Milz); leichte Nierenprellung und -blutergüsse; leichte Leberprellung und -blutergüsse; retroperitoneale Blutung; Fraktur der „Massa Lateralis“ des Kreuzbeines beidseits; Fraktur des oberen und unteren Schambeinastes beidseits. Die Klägerin befand sich vom 4. bis 9. 6. 2000 auf der Intensivstation des LKH Vöcklabruck. Folgende Behandlungsschritte wurden gesetzt: Bauchspiegelung; operative Öffnung des Bauchraumes und Entfernung der zerrissenen Milz; Setzen eines Cava-Katheters und antibiotische Abdeckung. Vom 9. 6. bis zu ihrer Entlassung am 18. 7. 2000 befand sie sich in der offenen Abteilung. Vom 4. 6. bis 15. 7. 2000 wurde sie in Beckenschwebe gelagert. Am 15. 6. 2000 wurden die Klammern der Operationswunde und am 17. 6. 2000 wurde der Katheter entfernt. Vom 21. 7. bis 8. 8. 2000 war die Klägerin im Therapiezentrum Aspach. Sie befand sich bis 2. 10. 2000 im Krankenstand und war danach geringfügig beschäftigt. Vom 2. 1. bis 29. 1. 2001 und vom 23. 4. bis 22. 5. 2001 stand sie in physiotherapeutischer Behandlung. Neben mehreren ambulanten Untersuchungen und Behandlungen unterzog sich die Klägerin auch privater Akupunkturmassagen. Als Dauerfolgen verbleiben eine Verziehung der Harnröhre nach rechts (der Harnstrahl weicht nach rechts ab), ein Narbenkeloid der Operationswunde sowie eine Hyperaktivität des Blasenmuskels unter Einwirkung äußerer Reize (Lachen, fließendes Wasser). Es besteht ferner ein Stauchungs- und Klopfschmerz im Bereich des Kreuzbeins und des Iliosakralgelenkes beidseits; ferner eine Höckerbildung an den Kreuzdarmbeingelenken mit Druckempfindlichkeit. Das Kreuzbein ist vorgewölbt und vermehrt druckempfindlich. Durch die Fraktur kam es in sehr diskreter Form zu Nervenschädigungen. Wegen des in Fehlstellung verheilten oberen und unteren Schambeinastbruches besteht eine Asymmetrie des Beckens; im Bereich der linken Hüfte findet sich eine Bewegungseinschränkung. Es besteht eine mäßige Herabsetzung der Sensibilität im Genital- und Analbereich. Die Klägerin hat geringgradige Beschwerden in gynäkologischer Hinsicht, nämlich gelegentliche leichte Schmerzen im linken Unterbauch und in der Gegend des linken Schambeinastes, vor allem bei Wetterwechsel und zeitweise beim Geschlechtsverkehr. Im Falle einer Schwangerschaft wird eine vaginale Entbindung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein (ein Kaiserschnitt ist erforderlich). Eine Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit liegt dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor. Posttraumatische Belastungsstörungen sind nicht gegeben. Psychische Beeinträchtigungen werden aber aus den körperlichen Beschwerden resultieren; sie führen zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist mit 40 % zu bewerten. Spätfolgen sind nicht auszuschließen. Möglich ist der Eintritt statischer Beschwerden im Bereich des Beckens und der Lendenwirbelsäule sowie die Entwicklung einer Arthrose in den Kreuzdarmbeingelenken. Infolge Zustandes nach Milzentfernung besteht die Gefahr einer Pneumokokkeninfektion. Durch die Verminderung der körpereigenen Abwehr kann sich eine erhöhte Infektanfälligkeit entwickeln. Der Anstieg der Blutplättchen kann zu Blutgerinnungsstörungen führen. Auf Grund der Bauchoperation können Verwachsungen eintreten und zu einer Behinderung der Darmpassage bzw der Entwicklung eines Darmverschlusses führen. Die Klägerin erduldete gerafft 14 Tage starke, 5 Wochen mittelstarke und 6 Monate leichte Schmerzen. Künftig wird sie in Summe 3 Wochen jährlich leichte Schmerzen erdulden müssen.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht ein Schmerzengeld von EUR 120.000,-- als angemessen.

Dieses Urteil erwuchs in Ansehung des Leistungsbegehrens im Umfang eines Zuspruches von EUR 22.256,42 sA an die Klägerin und in seinem abweisenden Teil, in Ansehung des Feststellungsbegehrens im Umfang des Ausspruches der Haftung der beklagten Parteien zu einem Drittel in Rechtskraft. Ebenso blieb der die Gutachterkosten zurückweisende Teil der Entscheidung unbekämpft.

Das von den beklagten Parteien im Übrigen angerufene Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil in teilweiser Stattgebung der Berufung dahin ab, dass es - ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten der Klägerin - das Klagebegehren mit (insgesamt) EUR 40.089,48 und die Gegenforderung mit EUR 1.166,67 als zu Recht bestehend erachtete und die beklagten Parteien zur Zahlung von EUR 38.922,81 an die Klägerin verpflichtete. Die Entscheidung über das Feststellungsbegehren wurde hinsichtlich des Haftungsumfanges auf ein Drittel korrigiert. Das Leistungsmehrbegehren von (insgesamt) EUR 27.701,50 und das Feststellungsmehrbegehren wurden abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es vertrat die Ansicht, das mit EUR 120.000,-- ausgemittelte Schmerzengeld sei nicht überhöht.

Die beklagten Parteien begehren mit ihrer außerordentlichen Revision die Aberkennung weiterer EUR 16.666,67 und begründen die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels mit einer eklatanten Fehlbemessung des Schmerzengeldes, wobei sie (wie schon in der Berufung) einen Betrag von EUR 70.000,-- als gerechtfertigt zugestehen und auf dieser Grundlage auch ihren Rechtsmittelantrag formulieren.

Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der beklagten Parteien zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig. Es entspricht wohl der ständigen Rechtsprechung, dass die Höhe des angemessenen Schmerzengeldes eine Frage des Einzelfalles ist, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO begründet (RIS-Justiz RS0042887). Im vorliegenden Fall ist jedoch den Vorinstanzen eine so erhebliche Fehlbemessung unterlaufen, dass die Revision zur Vermeidung einer gravierenden Ungleichbehandlung durch die Rechtsprechung und damit letztlich aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit ausnahmweise dennoch zulässig ist (Danzl in Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Das Schmerzengeld8, 226 f).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die in zweiter Instanz vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis 2 : 1 zu Lasten der Klägerin im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist.

Die beklagten Parteien machen in ihrem Rechtsmittel unter vergleichsweiser Anführung mehrerer Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte und des Obersten Gerichtshofes geltend, das der Klägerin zuerkannte Schmerzengeld liege weit über dem Rahmen der in den letzten Jahren durch den Obersten Gerichtshof gezogenen Bemessungsgrenzen.

Hiezu wurde erwogen:

Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzungen und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes abgelten, die durch Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entgangenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Das Schmerzengeld ist nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global festzusetzen (ZVR 2004/43 mwN; 2 Ob 261/04b; 7 Ob 29/05y; RIS-Justiz RS0031307; Danzl aaO 66 ff und 170 mwN). In die Globalbemessung des Schmerzengeldes sind demnach neben den bereits erlittenen Schmerzen auch künftige, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartende körperliche und seelische Schmerzen einzubeziehen (ZVR 1989/134; ZVR 1999/50; 2 Ob 261/04b; RIS-Justiz RS0031307 [T4]). Unter diesem Gesichtspunkt können etwa die Sorgen des Verletzten um spätere Komplikationen, mögliche Beziehungsprobleme durch Beeinträchtigungen im Geschlechtsleben und die Unerfüllbarkeit eines Kinderwunsches oder die seelischen Belastungen wegen zu erwartender Schwierigkeiten bei künftigen Schwangerschaften und Endbindungen sowie das Bewusstsein eines Dauerschadens bei der Bemessung des Schmerzengeldes in Betracht zu ziehen sein (ausführlich Danzl aaO 118 f). Wenngleich bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalles Bedacht zu nehmen ist, ist doch zur Vermeidung von Ungleichheiten auch ein objektiver Maßstab anzulegen, wobei der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen nicht gesprengt werden darf (SZ 2002/50; RIS-Justiz RS0031075). Tendenziell erscheint es dabei geboten, das Schmerzengeld nicht zu knapp zu bemessen (SZ 2002/50; ZVR 2004/43; 2 Ob 12/02g; 7 Ob 29/05y ua).

Der erkennende Senat hat in der Entscheidung 2 Ob 237/01v = SZ 2002/50 = ZVR 2003/24 Fälle dargelegt, in welchen der Oberste Gerichtshof bereits ein Schmerzengeld von S 1,5 Mio (EUR 100.009,--) und darüber hinaus zugesprochen oder durch die Zurückweisung außerordentlicher Revisionen gegen solche Zusprüche der Vorinstanzen gebilligt hatte. Hiebei handelte es sich durchwegs um Fälle schwerster Gehirnschädigungen und/oder Verletzungen der Wirbelsäule, die zu Querschnittslähmungen und lebenslanger Pflegebedürftigkeit der Verletzten führten.

In der Entscheidung 2 Ob 314/02v = ZVR 2004/37 zitierte der Oberste Gerichtshof frühere Entscheidungen, in denen er Schmerzengeldbeträge von S 1,3 Mio (EUR 87.207,--) als angemessen beurteilt hatte. In einem dieser Fälle litt der Kläger infolge Sauerstoffmangels während der Geburt an einem apallischen Syndrom (6 Ob 535, 1558/92); im anderen Fall bestand beim Kläger, der ein schwerstes lebensbedrohliches Schädelhirntrauma erlitten hatte, ein mittelgradiges posttraumatisches Psychosyndrom mit nachfolgender Tetraspastik (6 Ob 100/97b).

In der Entscheidung 2 Ob 261/04b wurden schließlich höchstgerichtliche Entscheidungen angeführt, in denen Schmerzengeld um EUR 70.000,-- als gerechtfertigt angesehen wurden: So hatte der Oberste Gerichtshof etwa in der Entscheidung 2 Ob 12/02g das von den Vorinstanzen zu gering bemessene Schmerzengeld eines im Unfallszeitpunkt (3. 1. 1998) 59-jährigen Klägers, der bei einem Verkehrsunfall ein Schädelhirntrauma, mehrere Knochenbrüche sowie innere Verletzungen erlitten und komprimiert 45 Tage starke, 79 Tage mittlere und 165 Tage leichte Schmerzen erduldet hatte und der an Bewegungseinschränkungen, einer funktionellen Blasenentleerungsstörung mit Inkontinenz und Impotenz als Dauerfolgen leidet, auf die begehrten S 860.000,-- (EUR 62.499,--) erhöht. In der Entscheidung 2 Ob 151/01x = ZVR 2002/63 wurde das von den Vorinstanzen einer im Unfallszeitpunkt (1. 10. 1994) 33-jährigen schwangeren Frau, die bei einem Verkehrsunfall eine Beckenfraktur, einen offenen Oberschenkelbruch mit nachfolgender Oberschenkelamputation erlitten hatte und zusätzliche seelische Belastungen ertragen muss, weil die unfallbedingte Notgeburt schwerste Behinderungen ihres Kindes nach sich gezogen hat, zuerkannte Schmerzengeld im begehrten Ausmaß von S 1 Mio (EUR 72.673,--) als unbedenklich angesehen.

Mit der Entscheidung 2 Ob 29/03h wurde schließlich eine außerordentliche Revision in einem Fall zurückgewiesen, in welchem das Gericht zweiter Instanz (OLG Linz 3 R 220/01w) einer im Unfallszeitpunkt (8. 9. 1989) 14-jährigen Klägerin, die ein Schädelhirntrauma ersten Grades, eine Milzzerreissung, einen Leberriss, einen Riss der großen unteren Hohlvene und der rechten Niere, Rippenbrüche, eine Schlüsselbeinfraktur, eine Zerreissung der Schambeinfuge sowie einen Bruch des oberen und unteren Schambeinastes beidseits, eine Zerreissung des rechten Kreuzdarmbeingelenks, einen Bruch des Kreuzbeins sowie weitere Verletzungen erlitten hatte, unter Dauerfolgen leidet und (komprimiert) 48 Tage starke, 80 Tage mittelstarke und 230 Tage leichte Schmerzen zu ertragen hatte, S 850.000,-- (EUR 61.772,--) zugesprochen hat (s dazu Manz CD-Rom Danzl, Schmerzengeld-Entscheidungen, Ausgabe 1/2005).

Im Lichte dieser Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall - unter Berücksichtigung des seit den älteren Entscheidungen eingetragenen Geldwertverfalles und der Tendenz, höheres Schmerzengeld zuzusprechen - angesichts der festgestellten Schmerzperioden, der Schwere der von der Klägerin erlittenen Verletzungen, der dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigungen und die vor allem mit der Sorge um mögliche Komplikationen bei künftigen Schwangerschaften und Entbindungen sowie allen sonstigen zu erduldenden Ungemachs ein Schmerzengeld von EUR 80.000,-- angemessen.

In teilweiser Stattgebung der Revision war daher das angefochtene Urteil wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall, 50 ZPO.

Die Klägerin ist im Verfahren erster Instanz mit rund 61 % ihres (ungekürzten) Schmerzengeldbegehrens durchgedrungen, sodass die Überklagung noch nicht als erkennbare und offenbare Überforderung außerhalb jeder vernünftigen Überlegung qualifiziert werden muss (2 Ob 261/04b mwN). Es sind daher die Kosten auf Basis der fiktiven Streitwerte von EUR 48.112,31, EUR 48.191,67 und EUR 48.679,31 zu berechnen, wobei die Klägerin in den beiden ersten Verfahrensabschnitten mit je 62 % und im dritten Verfahrensabschnitt (bestehend aus der letzten halben Stunde der Tagsatzung vom 18. 3. 2004) mit 63 % obsiegt hat. Daraus resultiert die Verpflichtung der beklagten Parteien, der Klägerin den dieser Obsiegensquote entsprechenden Anteil an den von § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO erfassten Barauslagen (nach Saldierung mit dem eigenen Anspruch auf anteiligen Barauslagenersatz) sowie 24 % bzw - im letzten Verfahrensabschnitt - 26 % ihrer weiterer Verfahrenskosten zu ersetzen.

Im Berufungsverfahren sind die beklagten Parteien mit 92 % als obsiegend anzusehen, wobei vom richtig berechneten Berufungsinteresse (EUR 40.516,63) auszugehen war. Im Revisionsverfahren sind die beklagten Parteien mit 80 % ihres Revisionsinteresses durchgedrungen. Daraus ergibt sich der Anspruch der beklagten Parteien auf Ersatz der diesen Obsiegensquoten entsprechenden Anteile an der jeweils entrichteten Pauschalgebühr sowie von 84 % (Berufungsverfahren) sowie 60 % (Revisionsverfahren) der weiteren Kosten der Rechtsmittelverfahren.

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