OGH 2Ob237/01v

OGH2Ob237/01v18.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Markus M*****, vertreten durch Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1.) Friedrich L*****, und 2.) ***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann und Dr. Haymo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 633.543,75 (= S 8,717.752,12) und Feststellung (Streitwert EUR 36.336,42 = S 500.000,- -), über die Revision und der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 29. Juni 2001, GZ 4 R 101/01b-35, womit das Teilurteil des Landesgerichtes Linz vom 23. Jänner 2001, GZ 4 Cg 79/99a-28, teilweise abgeändert wurde und über die Rekurse sämtlicher Parteien gegen den in dieser Entscheidung enthaltenen Beschluss des Berufungsgerichtes, mit dem das genannte Urteil des Landesgerichtes Linz teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision und dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Dem Rekurs der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 15. 7. 1997 bei einem vom Erstbeklagten allein verschuldeten Verkehrsunfall auf der A 7 im Stadtgebiet von Linz schwer verletzt. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz wurde der Erstbeklagte, der seinen PKW mit einem Blutalkoholgehalt von 1,52 Promille gelenkt und die Autobahn entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung befahren hatte, rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 (§ 81 Z 1 und 2) StGB schuldig erkannt. Dem Kläger, der seither querschnittgelähmt ist, wurde vom Strafgericht ein Teilschmerzengeld von S 50.000,-- zugesprochen.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien, jene der Zweitbeklagten im Rahmen des mit dem Erstbeklagten abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages für seine künftigen Schäden sowie den Ersatz folgender Schäden : restliches Schmerzengeld S 4,950.000,- -, Verunstaltungsentschädigung S 500.000,- -, Verdienstentgang S 133.352,18, behindertengerechte Unterbringung S 5,043.812,80, Sachschaden, Fahrt-, Besuchs- und Aufenthaltskosten S 741.816,61, Betreuungsaufwand S 609.600,- -, medizinisch erforderliche Geräte (Computer) S 97.280,23, Lesegerät S 38.940,78 insgesamt sohin S 12,114.802,60 abzüglich ungewidmetes Akonto S 3,397.050,48 sohin S 8,717.752,12.

Die beklagten Parteien anerkannten, dass sie dem Kläger zur ungeteilten Hand für alle Schäden haften, die ihre Ursache im Verkehrsunfall vom 15. 7. 1997 haben, wobei jedoch die Haftung der Zweitbeklagten wegen Obliegenheitsverletzung des Erstbeklagten nach Art 9.2.2 AKHB 1995 auf die gesetzliche Versicherungssumme von S 15 Mio beschränkt sei. Im Übrigen wendeten sie ein:

Dem Kläger gebühre lediglich ein Schmerzengeld von insgesamt S 1,800.000,- -. Die Zweitbeklagte habe Akontozahlungen vorbehaltlich des zu erstellenden Verteilungsplanes und der sich daraus allenfalls ergebenden Kürzungen des auf den Kläger entfallenden Teiles der Versicherungssumme von S 15 Mio erbracht. Die Akontozahlungen seien zunächst beim Schmerzengeld zu berücksichtigen, weil die Schmerzengeldforderung des Klägers zufolge unzureichender Versicherungssumme nach § 156 Abs 3 VersVG bei der Aufteilung der Versicherungssumme auf die einzelnen Gläubiger und nach § 155 VersVG bei der Aufteilung des auf ihn entfallenden Teiles auf seine einzelnen Ansprüche vorrangig zu befriedigen sei.

Das Erstgericht hat mit Teilurteil dem Kläger S 3,950.000,-- an Schmerzengeld zugesprochen und die Haftung der Beklagten, jene der Zweitbeklagten beschränkt nach Maßgabe des Haftpflichtversicherungsvertrages für alle Schäden und Folgen aus dem Unfall festgestellt. Es ging von nachstehenden relevanten Feststellungen aus:

Der Kläger erlitt beim Unfall ein Schädel-Hirntrauma II, eine durchgehende Rissquetschwunde im Bereich der Zunge und im Bereich der Ober- und Unterlippe schleimhautseitig, eine Prellung und Rissquetschwunde am linken Kniegelenk, einen Bruch des linken Querfortsatzes des III. und IV. Lendenwirbelkörpers, eine Lungenaspiration, einen Bluterguss unterhalb der Kapsel der Niere mit massiver Blutbeimengung im Harn, eine Lungen- und Herzprellung, einen neurogenen Schock, eine Blutung im Magen-Darmtrakt und eine hohe Querschnittsymptomatik mit Lähmung beider Arme und Beine.

Der Kläger wurde an der Unfallstelle wiederbelebt und vom 16. 7. bis 18. 11. 1997 im Unfallkrankenhaus behandelt. Ab Oktober 1997 war eine Besserungstendenz insoweit erkennbar, als der Kläger an den oberen Extremitäten, besonders im Bereich des Daumens und Zeigefingers, kleine Bewegungen durchführen konnte. Er musste jedoch weiter maschinell beatmet werden. Vom 18. 11. 1997 bis 3. 5. 1999 befand sich der Kläger in einer deutschen Klinik für Rückenmarkverletzte. Dann wurde er in häusliche Pflege entlassen.

Beim Kläger besteht eine hohe Querschnittsymptomatik mit Lähmung des Atmungsnervs infolge Schädigung des Hirnstammes mit Beteiligung des Halsmarkes. Infolge Lähmung des Atemnervs muss der Kläger bis an sein Lebensende künstlich beatmet werden. Er verfügt nur über eine geringe Bewegungsmöglichkeit im Bereich der rechten Fingergelenke und des rechten Ellenbogengelenkes. Diese befähigt den Kläger, den Sensor eines elektronisch gesteuerten Rollstuhles zu bedienen. Infolge einer Augenmuskellähmung besteht eine Schielstellung. Der Kläger sieht Doppelbilder. Zeitweise treten Entzündungen im Bereich der Beatmungskanüle auf. Täglich muss das Sekret aus der Luftröhre abgesaugt werden. Infolge des Schädelhirntraumas Grad II besteht eine Konzentrationsschwäche. An Komplikationen sind Entzündungszeichen seitens der Beatmungskanüle, eine chronische Rechtsherzbelastung, der Umbau des Lungengewebes, ein chronisch venöser Rückstau in die Bauchorgane und in das Hirn sowie Entzündungen im Bereich der oberen Luftwege und Lungenentzündungen anzunehmen. Weiters ist mit einer allgemeinen Knochenentkalkung mit Verknöcherungen der Weichteilstrukturen der Gelenke und mit einer Verkrümmung der Wirbelsäule zu rechnen. Es kann zu Druckgeschwüren, Harnwegsinfekten, Störungen der Nierenfunktion und Dickdarmkomplikationen kommen.

Von besonderer Bedeutung sind die Verletzungsfolgen nach hoher Querschnittssympotmatik unter C 0. Der Kläger war zum Unfallszeitpunkt 21 Jahre alt. Die durchschnittliche Überlebensrate liegt bei 10 bis 14 Jahren. In einem Fall betrug sie 17 Jahre. Die Lebenserwartung des Klägers ist eher günstig einzuschätzen.

Der Kläger lebt bis an sein Lebensende mit dem Bewusstein, Arme und Beine nicht mehr bewegen zu können. Er bedarf ständiger Pflege und ist zeitlebens 24 Stunden pro Tag auf Fremdhilfe angewiesen. Dafür sind zwei Diplomkrankenschwestern und zwei Diplomkrankenpfleger notwendig.

Neben den noch bestehenden physischen Schmerzen, die teilweise in Form von Spasmen auftreten, leidet der Kläger unter einem enormen psychischen Druck. Er lebt mit dem Bewusstsein, dass er beim Ausfall der Beatmungsgeräte ersticken muss. Derzeit stehen ein zweites Gerät und ein Notstromaggregat zur Verfügung. Im Fall des Versagens eines Gerätes dauert es eine gewisse Zeit, bis das zweite Gerät einsatzbereit und angeschlossen ist. Während dieser Zeit muss die Beatmung durch einen Pfleger mittels Beatmungsbeutel erfolgen. Der Kläger würde sofort erkennen, wenn eines der Geräte ausfallen sollte. Er ist jedoch nicht in der Lage, sich dann selbständig helfen zu können. Sein Überleben hängt somit von der Aufmerksamkeit des Pflegepersonals ab. Die den Kläger rund um die Uhr im Schichtdienst betreuenden vier Diplomkrankenpfleger sind in der Handhabung der Beatmungsgeräte, notfalls mit Beatmungsbeuteln vertraut. Im Bedarfsfall steht ein Medizintechniker zur Verfügung.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass der Leidenszustand des Klägers ein Schmerzengeld von S 4 Mio rechtfertige, weshalb ihm unter Berücksichtigung des Privatbeteiligtenzuspruches S 3,950.000,-- zuzusprechen seien. Die Entscheidung über das Feststellungsbegehren begründete es mit dem Anerkenntnis der Beklagten.

Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass es die Haftung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand für alle künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 15. 7. 1997 feststellte, jene der zweitbeklagten Partei beschränkt auf die zum Unfallszeitpunkt für das Fahrzeug des Erstbeklagten geltende gesetzliche Versicherungssumme von S 15 Mio. Das Mehrbegehren auf Haftung der Zweitbeklagten beschränkt auf den Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages wies es ab. Weiters wies es ein Leistungsbegehren auf Zahlung von S 1 Mio samt 4 % Zinsen seit 15. 7. 1998 ab.

Im Übrigen, also hinsichtlich des Zuspruchs von S 2,950.000,-- samt 4 % Zinsen hob es das Teilurteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung auf. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig seien.

Es erörterte rechtlich, dass grundsätzlich bei Bemessung des Schmerzengeldes Art und Schwere der Körperverletzung, Art, Intensität und Dauer der Schmerzen sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes des Verletzten überhaupt und die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen seien. Zwar hänge die Angemessenheit des Schmerzengeldes regelmäßig von den Umständen des Einzelfalles ab, doch sei zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen; der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen dürfe im Einzelfall nicht gesprengt werden. Bislang sei einem bei der Geburt gehirngeschädigten und an allen vier Extremitäten gelähmten Kind das höchste Schmerzengeld von S 1,750.000,-- zugesprochen worden. Im Hinblick auf die mittlerweile verstrichene Zeit und die allgemein anerkannte Tendenz, Schwerstverletzten höhere Schmerzengeldbeträge zuzuerkennen, rechtfertigten die schwerstgradigen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Klägers ein deutliches Überschreiten der in der Judikatur schon zugesprochenen Beträge. Der Kläger habe beim Unfall nahezu alles verloren, was ein Leben lebenswert mache, er erkenne den Verlust seiner Mobilität und Arbeitsfähigkeit und die auf Lebensdauer wirkenden Beeinträchtigungen und müsse diese seelisch verkraften. Er habe außergewöhnlich schwerwiegende psychische Schmerzen zu ertragen, weil er sich der ständigen Angewiesenheit auf andere Personen und Maschinen sowie der daraus resultierenden latenten Lebensgefahr bewusst sei und Angst habe, bei einem (unbeobachteten und/oder nicht rechtzeitig behobenen) Ausfall des Beatmungsgerätes sterben zu müssen. Unter diesen Umständen erforderten die körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Klägers in ihrer Gesamtheit ein Schmerzengeld von S 3 Mio, um einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Dabei sei berücksichtigt, dass der Kläger im Unfallszeitpunkt erst 21 Jahre alt gewesen sei, als sein Leben von einem Moment auf den anderen durch einen betrunkenen Geisterfahrer zerstört worden sei und die durchschnittliche Überlebensrate bei 10 bis 14, allenfalls bei 17 Jahren liege. Die erstgerichtliche Ausmittlung des Schmerzengeldes mit S 4 Mio sprenge den von der Judikatur gezogenen Rahmen.

Der Zuspruch eines Schmerzengeldbetrages von S 3 Mio könne aber mit Teilurteil noch nicht erfolgen, weil die Frage der Anrechnung der unterschiedlichen Akontozahlungen von S 3.397,050,48 noch nicht geklärt sei und damit nicht feststehe, ob die Schmerzengeldforderung durch die auf sie anzurechnenden Akontoleistungen getilgt sei. Über die Verrechnung von Akontozahlungen entscheide in erster Linie die Widmungserklärung des Schuldners, die auch konkludent abgegeben werden könne. Hier sei das Fehlen einer ausdrücklichen Widmung unstrittig. Es seien auch keine Tatsachen vorgetragen worden, aus denen auf eine konkludente Widmungserklärung geschlossen werden könnte. Damit greife die gesetzliche Tilgungsfolge nach § 1416 ABGB Platz. Die beklagten Parteien hätten zwar als mögliches Anrechnungskriterium vorgebracht, die zweitbeklagte Partei habe Akontozahlungen vorbehaltlich des zu erstellenden Verteilungsplanes und der sich daraus allenfalls ergebenden Kürzungen des auf den Kläger entfallenden Teiles der Versicherungssumme von S 15 Mio erbracht, die Versicherungssumme reiche zur Befriedigung der geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht aus und die Akontozahlungen seien vorrangig auf das Schmerzengeld zu widmen. Zwar seien die §§ 155 Abs 1 und 156 Abs 3 VersVG bereits im Haftpflichtprozess zu beachten und es gelte auch der Grundsatz, dass das Schmerzengeld aus der Kfz-Haftpflichtversicherungssumme vorweg zu berichtigen sei, doch sei es hier nicht gerechtfertigt, die ungewidmeten Akontozahlungen nur beim Schmerzengeld, welches damit zur Gänze beglichen werde, zu berücksichtigen. Die ohne Widmung geleisteten vorprozessualen Akontozahlungen der zweitbeklagten Partei wären vielmehr, weil eine Schmerzengeldforderung nicht jedenfalls beschwerlicher als eine andere Schadenersatzforderung sei, auf die Forderungen des Klägers verhältnismäßig aufzuteilen. Mangels Spruchreife bezüglich der Berechnung der weiteren Forderungen des Klägers komme ein Zuspruch des für angemessen erachteten Schmerzengeldes noch nicht in Betracht. Daraus folge die Abweisung des zugesprochenen Schmerzengeldes von S 1 Mio als überhöht und die Aufhebung hinsichtlich des Zuspruches von S 2,950.000,-- als nicht entscheidungsreif. Die Haftung der zweitbeklagten Partei sei auf die gesetzliche Versicherungssumme zu beschränken. Unstrittig sei, dass die zweitbeklagte Partei von ihrer Verpflichtung zur Leistung gegenüber dem Erstbeklagten zufolge Obliegenheitsverletzung nach Art 9.2.2 AKHB 1995 frei sei. Gemäß § 24 Abs 1 KHVG 1994 bleibe zwar die Verpflichtung des Versicherers in Ansehung des Dritten bestehen, doch beschränke sich die Leistungspflicht des Versicheres auf den den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechenden Umfang (§ 24 Abs 3 KHVG). Diese Bestimmung sei nicht anders zu verstehen, als dass der Versicherer trotz vereinbarter höherer Deckungssumme nur bis zur Höhe der gesetzlichen Versicherungssumme hafte. Dies folge nicht nur aus dem Wortlaut des § 24 Abs 3 KHVG, sondern auch aus der Schutzfunktion der Haftpflichtversicherung für den geschädigten Dritten, der unter einer Obliegenheitsverletzung nicht leiden und in seinem berechtigten Vertrauen auf den Bestand eines Versicherungsvertrages geschützt werden solle. Dieses Vertrauen gehe über die gesetzliche Versicherungssumme nicht hinaus. § 158c Abs 3 VersVG ordne die auf die amtlich festgesetzten Mindestversicherungssummen beschränkte Haftung des Versicherers bei Leistungsfreiheit ausdrücklich an. § 24 Abs 5 KHVG, wonach § 158c VersVG nicht anzuwenden sei, verbessere die Stellung des geschädigten Dritten nicht, weil die einzige inhaltliche Änderung des § 24 KHVG gegenüber dem § 158c VersVG in der Verlängerung der Nachhaftungsfrist vor einem auf drei Monate bestanden habe und § 158c VersVG für die Kraftfahrzeughaft- pflichtversicherung nur aus Gründen der Rechtsklarheit durch § 24 KHVG vollständig ersetzt worden sei. Die Bedachtnahme auf die in § 9 Abs 1 KHVG enthaltene Wortfolge "unbeschadet einer darüber hinausgehenden Vereinbarung" führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Begrenzung in der Haftung auf die gesetzliche Versicherungssumme gehöre zum Anspruchsgrund und müsse auch im Spruch der Entscheidung über das Feststellungsbegehren zum Ausdruck gebracht werden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Frage, ob das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung den ihm eingeräumten Ermessensrahmen überschritten habe, eine erhebliche Rechtsfrage darstelle. Zur Auslegung des § 24 Abs 3 KHVG 1994 sei bislang nur obiter Stellung genommen worden; schließlich fehle Rechtsprechung zur Anrechnung ungewidmeter Akontozahlungen auf mehrere Schadenersatzforderungen des Geschädigten, darunter eine Schmerzengeldforderung, bei nicht ausreichender Haftpflichtversicherungssumme.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revision und der Rekurs des Klägers sowie der Rekurs der beklagten Parteien.

Der Kläger begehrt mit seinem Rechtsmittel die Abänderung dahingehend, dass die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt und ein Schmerzengeld von S 4 Mio zugesprochen werde und die Einschränkung der künftigen Haftung der zweitbeklagten Partei nicht in Höhe der gesetzlichen Versicherungssumme, sondern nach Maßgabe des zwischen ihr und der erstbeklagten Partei abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages erfolge. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen das Schmerzengeld mit S 2 Mio festzusetzen und im Übrigen das Klagebegehren abzuweisen, weil die Schmerzengeldforderung durch die geleisteten Akontozahlungen befriedigt sei.

Der Kläger beantragt, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Die beklagten Parteien beantragten das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Sämtliche Rechtsmittel sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Schmerzengeldbegehren.

Nach ständiger Rechtsprechung ist das Schmerzengeld nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global festzusetzen (Danzl in Danzl/Gutirrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld7, 88 und 166, jeweils mwN; RIS-Justiz RS0031307; ZVR 1999/50). Wenngleich bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalles Bedacht zu nehmen ist, ist doch zur Vermeidung von Ungleichheiten auch ein objektiver Maßstab anzulegen; dabei darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen bei der Bemessung nicht gesprengt werden (ZVR 1997/66). Tendentiell erscheint es dabei geboten, das Schmerzengeld nicht zu knapp zu bemessen (2 Ob 295/01y; 2 Ob 12/02g).

Die Vorinstanzen haben mit der Ausmittlung des Schmerzengeldes den von der Judikatur bisher gezogenen Rahmen überschritten, weshalb die Rechtsmittel zulässig, aber nicht berechtigt sind.

Der Kläger erachtet ein (Mindest-)Schmerzengeld von S 4 Mio für angemessen, die Beklagten ein solches von S 2 Mio. Das Berufungsgericht hat das Schmerzengeld mit S 3 Mio als angemessen ausgemittelt.

Der erkennende Senat hat bereits mehrfach Schmerzengeld von S 1,5 Mio zugesprochen (2 Ob 66/92 = ZVR 1993/150, 2 Ob 57/93; 2 Ob 65/93).

In der Entscheidung 2 Ob 65/93 wurden einem 23-jährigen Verletzten, der einen Bruch des dritten Halswirbelkörpers mit Verrenkung zwischen dem dritten und dem vierten Halswirbelkörper mit sofortiger hoher Rückenmarksquerschnittslaesion und kompletter Lähmung der oberen und unteren Extremitäten bei ständiger Pflegebedürftigkeit und ständig schwerst psychischen Beeinträchtigungen S 1,5 Mio zugesprochen.

In der Entscheidung 2 Ob 57/93 wurden einem 27-jährigen Verletzten, der einen Bruch der Halswirbelsäule zwischen dem vierten und fünften Halswirbel samt kompletter motorischer Querschnittslähmung unterhalb des sechsten Halswirbels erlitt, wodurch nur Beugen des linken Ellbogens und Heben beider Schultern möglich ist, sowie Harn und Stuhlkontinenz sowie lebenslange psychische Schmerzen verbunden sind, ebenfalls S 1,5 Mio zugesprochen.

Bei dem der Entscheidung 2 Ob 66/92 (= ZVR 1993/150) zur beurteilenden Fall wurde dieser Betrag auch einem infolge schwerster Schädelverletzungen gelähmten pflegebedürftigen, zur Zeit des Unfalls knapp über einen Monat alten Kind zugesprochen.

In der Entscheidung ZVR 1997/66 wurde einem infolge Sauerstoffmangels beim Geburtsvorgang irreparabel gehirngeschädigten Kind, dass auf allen vier Extremitäten gelähmt war, vom Obersten Gerichtshof das bisher höchste Schmerzengeld von S 1,750.000,-- zugesprochen.

Der Oberste Gerichtshof hat schließlich auch den Zuspruch höherer Schmerzengeldbeträge als noch im Ermessensspielraum der Gerichte liegend durch Zurückweisung außerordentlicher Revisionen gebilligt (10 Ob 86/01x [Zuspruch von S 1,800.000,-- an Schmerzengeld an ein infolge Sauerstoffmangels beim Geburtsvorgang gelähmtes Kind; 2 Ob 201/01z, Zuspruch von S 2,085.778 an ein schwerst geschädigtes frühgeborenes Kind, dessen Frühgeburt durch einen schweren Verkehrsunfall der Mutter ausgelöst wurde]).

Auch die Gerichte zweiter Instanz haben dieser Entwicklung Rechnung getragen (so etwa OLG Wien 14 R 159/00k = ZVR 2001/43, unangefochtener Zuspruch von S 2 Mio an eine schwerst verletzte 35-Jährige).

Bei der hier vorliegenden schwerstgradigen körperlichen und seelischen Beeinträchtigung des Klägers ist das vom Berufungsgericht ausgemessene Schmerzengeld angemessen. Hier ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Kläger ständig auf ein Beatmungsgerät angewiesen ist, sich selbst in keiner Weise helfen kann, der ständigen Betreuung von Pflegern bedarf und sich dieser Situation auch völlig bewusst ist.

Da aber nach den oben dargelegten Grundsätzen der ganz allgemein von der Judikatur gezogene Rahmen nicht überschritten werden darf, kommt eine Ausmittlung des Schmerzengeldes in der vom Kläger begehrten Höhe von S 4 Mio nicht in Betracht.

II. Zur Haftungsbeschränkung nach § 24 Abs 3 KHVG.

Der Erstbeklagte hat - unbestritten - eine Obliegenheitsverletzung im Sinn des § 5 Abs 1 Z 5 KHVG zu verantworten, weil er das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Nach § 7 KHVG beträgt die Leistungsfreiheit (des Haftpflichtversicherers dem Versicherten gegenüber) wegen Verletzung einer Obliegenheit oder einer Erhöhung der Gefahr höchstens je S 150.000,-- (seit 1. 1. 2002 EUR 11.000) für jeden Versicherungsfall.

Nach § 24 KHVG bleibt die Leistungspflicht des Versicherers in Ansehung eines Dritten bestehen, wenn er von der Verpflichtung zur Leistung dem Versicherungsnehmer gegenüber ganz oder teilweise frei ist. Die Leistungspflicht des Versicherers beschränkt sich auf den den Vorschriften des KHVG entsprechenden Umfang (Abs 3).

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, dass infolge Vorliegens einer Obliegenheitsverletzung durch den Erstbeklagten die zweitbeklagte Partei diesem gegenüber teilweise leistungsfrei ist. Dies führt aber nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes zur Beschränkung der Haftung der zweitbeklagten Partei dem Kläger gegenüber auf die gesetzliche Haftpflichtversicherungssumme (so bereits 7 Ob 167/00k).

Die vom Kläger gewünschte Auslegung dahingehend, dass die zweitbeklagte Partei die vorhandene Obliegenheitsverletzung des Erstbeklagten nach § 7 KHVG mit einem Gesamtbetrag von höchstens S 300.000,-- (seit 1. 1. 2002 EUR 22.000) in Ansatz bringen kann und sohin die Haftung der zweitbeklagten Partei nach Maßgabe des zwischen ihr und der erstbeklagten Partei abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages abzüglich S 300.000,-- beschränkt sei, lässt sich dem - eindeutigen - Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen.

III. Zur Anrechenbarkeit der Akontozahlungen.

Die beklagten Parteien streben mit ihrem Rechtsmittel die Anrechnung der unstrittig vor Klageeinbringung erbrachten Akontozahlungen von S 3,397.050,48 zur Gänze auf das Schmerzengeldbegehren an.

Dazu wird vorgebracht, dass bereits in der Klagebeantwortung unbestritten eine nachträgliche Widmung der Akontozahlungen auf das Schmerzengeldbegehren erfolgt sei. Bei der Aufteilung der Versicherungssumme auf die einzelnen Gläubiger nach den §§ 155, 156 Abs 3 VersVG ergebe sich ein Vorrang des Schmerzengeldanspruches vor den übrigen Ansprüchen des Geschädigten. Diese Schmerzengeldansprüche seien daher vorrangig zu befriedigen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Zuvor ist auf die ausführliche Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Tatsächlich steht hier nicht fest, ob ein "Versicherungskonkurs" im Sinne der §§ 155 Abs 1 und 156 Abs 3 VersVG vorliegt. Andererseits steht fest, dass eine ausdrückliche Widmung der Akontozahlungen nicht erfolgte.

Auch der Hinweis in der Klagebeantwortung (AS 31) stellt lediglich die Wiedergabe einer Rechtsmeinung der beklagten Parteien, nicht jedoch eine nachfolgende ausdrückliche und unbestrittene Widmungserklärung dar.

Auch aus den Bestimmungen der §§ 155 Abs 1, 156 Abs 3 VersVG lässt sich für den Rechtsstandpunkt der beklagten Parteien nichts gewinnen.

§ 155 VersVG bestimmt lediglich, dass der geschädigte Dritte dann nur einen verhältnismäßigen Teil einer ihm geschuldeten Rente verlangen kann, wenn die Versicherungssumme den Kapitalwert der Rente nicht erreicht.

§ 156 Abs 3 VersVG regelt die verhältnismäßige Befriedigung mehrerer Dritter bei unzureichender Versicherungssumme.

Schließlich ist auch aus § 336 ASVG, wonach bei Zusammentreffen von Ersatzansprüchen verschiedener Versicherungsträger und unzureichender Versicherungssumme eine verhältnismäßige Befriedigung unter Beachtung des Vorranges eines gerichtlich festgestellten Schmerzengeldanspruches vorgesehen ist, zur Beurteilung des Sachverhaltes nichts gewonnen.

Hier begehrt der Kläger den Ersatz von Kapitalbeträgen, nicht aber auch einer Rente, weshalb auf eine allfällige Rentenkürzung im Sinn des § 155 Abs 1 VersVG nicht Bedacht zu nehmen ist.

Da auch hier ausschließlich die Ansprüche des Klägers zu beurteilen sind, kommt ebenfalls eine Rücksichtnahme auf die Bestimmung des § 336 ASVG nicht in Betracht.

Daraus ergibt sich zunächst zusammenfassend, dass eine "vorrangige" Befriedigung der Schmerzengeldansprüche des Klägers - mit Ausnahme der oben dargestellten gesetzlichen Grundlagen - nicht vorgesehen ist.

Demzufolge wurde bereits entschieden, dass vom Schädiger geleistete Teilzahlungen im Sinne der Vorschrift des § 1416 ABGB nicht ausschließlich auf den Schmerzengeldanspruch des Geschädigten anzurechnen sind, weil die Verpflichtung zur Leistung eines Schmerzengeldes dem Schuldner nicht beschwerlicher als andere Schadenersatzverpflichtungen ist (ZVR 1988/66).

Zutreffend hat daher das Berufungsgericht ausgeführt, dass die ungewidmeten Akontozahlungen - die auch vom Kläger offensichtlich anteilsmäßig auf alle Forderungen angerechnet wurden - verhältnismäßig auf die erst festzustellenden weiteren Kapitalforderungen anzurechnen sind.

Da in den Aktontozahlungen nach den obigen Ausführungen auch Leistungen auf das geltend gemachte Schmerzengeld enthalten sind, kommt - wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat - die Fällung eines Teilurteiles ausschließlich über das Schmerzengeldbegehren derzeit nicht in Betracht.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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