OGH 7Ob166/05w

OGH7Ob166/05w31.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, Belgien, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei St*****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, wegen EUR 296.662,94 sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 25. Mai 2005, GZ 3 R 86/05x-8, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 22. März 2005, GZ 34 Cg 3/05f-4, ersatzlos behoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der gemäß § 230 Abs 1 ZPO erteilte Auftrag zur Erstattung der schriftlichen Klagebeantwortung wurde dem Geschäftsführer der beklagten Partei am Montag, dem 21. 2. 2005, eigenhändig zugestellt; letzter Tag der vierwöchigen Frist war somit Montag, der 21. 3. 2005.

Tatsächlich wurde die am Freitag, den 18. 3. 2005 (sohin rechtzeitig) zur Post gegebene Klagebeantwortung statt an das Handelsgericht Wien (als Prozessgericht erster Instanz) an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien gerichtet, wo sie am Dienstag, den 22. 3. 2005 einlangte und am selben Tag an das Handelsgericht Wien weitergeleitet wurde. Die Besonderheit besteht hiebei darin, dass sich beide Gerichte im selben Amtsgebäude 1030 Wien, Marxergasse 1a, befinden.

Das Erstgericht wies die Klagebeantwortung beschlussmäßig als verspätet zurück.

Das von der beklagten Partei angerufene Rekursgericht gab deren Rekurs, der hilfsweise auch mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden wurde, Folge, hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf, wies gleichzeitig (mangels Anwendungsfalles des § 521a ZPO) eine von der klagenden Partei erstattete Rekursbeantwortung zurück und sprach weiters aus, dass die Rekurskosten weitere Verfahrenskosten seien sowie der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Rekursgericht führte (zusammengefasst) aus, dass bei prozessualen Fristen die Tage des Postlaufes nur dann nicht einzurechnen seien, wenn die fristgebundene Eingabe nicht an ein falsches Gericht adressiert sei. Wenn das Rechtsmittel noch am Tag seines Einlangens beim unzuständigen Gericht dem zuständigen Gericht zugekommen sei, sei die unrichtige Adressierung nicht entscheidend; ebenso sei es gleichgültig, ob in der Anschrift an sich ein unzuständiges Gericht genannt sei, wenn die mehreren Gerichte eine gemeinsame Einlaufstelle hätten und diese auch für das zuständige Gericht tätig werde, was hier für die beiden unter derselben Adresse ansässigen Gerichte gelte, sei doch der Schriftsatz am Tag des Einlangens beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien auch bereits beim zuständigen Handelsgericht Wien eingelangt.

Der Revisionsrekurs wurde für nicht zulässig erklärt, weil keine Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zu lösen gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der (erkennbar) auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses, in eventu Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung sowie Auferlegung sämtlicher Kosten zweiter und dritter Instanz an die beklagte Partei.

Die Rechtsmittelwerberin erachtet sich - inhaltlich - sowohl durch die Zurückweisung ihrer Rekursbeantwortung als auch die Behebung des Klagebeantwortungszurückweisungsbeschlusses für beschwert.

Zur Frage der Zweiseitigkeit:

Rechtliche Beurteilung

Da in § 521a Abs 1 Z 3 ZPO die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens bloß ua für einen Beschluss, mit dem eine Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen wird (die anderen Fälle scheiden von vorneherein aus), angeordnet ist, nicht jedoch auch für den Fall einer solchen Zurückweisung auch einer Klagebeantwortung, kann die Entscheidung des Rekursgerichtes insoweit nicht als ungesetzlicher Vorgang qualifiziert werden. Eine analoge Anwendung des § 521a ZPO wurde von der Rechtsprechung nur in Fällen der endgültigen Rechtsschutzversagung (vgl SZ 61/197; 4 Ob 2331/96i) oder bei Beschlüssen, die über die Zulässigkeit des Verfahrens absprachen (RIS-Justiz RS0041687), erwogen. Liegt ein solcher Ausnahmefall - wie hier - allerdings nicht vor, so ist das Rekursverfahren einseitig (7 Ob 121/02y). Soweit im Rechtsmittel mit Art 6 EMRK argumentiert wird, wird übersehen, dass diese Bestimmung nur für Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen („civil rights and obligations"), nicht jedoch für bloße verfahrensrechtliche Entscheidungen (wie hier die Behebung der Zurückweisung einer Klagebeantwortung wegen Verspätetheit) gilt (ausführlich jüngst G. Kodek, Zur Zweitseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 534 [540 mwN]; für die Zurückweisung einer Klagebeantwortung bereits ausdrücklich 5 Ob 1566/92; RIS-Justiz RS0043985).

Zur Frage der Rechtzeitigkeit:

Nach ständiger Rechtsprechung schadet die unrichtige Adressierung eines Rechtsmittels an das Gericht zweiter Instanz dann nicht, wenn die Einlaufstelle dieses Gerichtes im Sinne des § 37 Abs 2 Geo mit der des Erstgerichtes „vereinigt" ist (RIS-Justiz RS0041726; Danzl, Kommentar zur Geo, Anm 6 zu § 37). Dies trifft hier für die Einlaufstellen sowohl des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien als auch des Handelsgerichtes Wien zu, weil diese - unter der gemeinsamen Anschrift 1030 Wien, Marxergasse 1a, sogar mit jener des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien - als vereinigte Einlaufstelle (im Amtszimmer 101) geführt wird (siehe hiezu die aktuelle Geschäftsverteilung des Handelsgerichtes Wien, Stand 7. 6. 2005, Jv 3232-7/04, Seite 19). Durch die Adressierung an das unrichtige (weil nicht gesetzmäßig vorgesehene) Gericht trat damit auch keinerlei verpönte Verzögerung gegenüber dem Fall einer von vornherein richtigen Adressierung ein (2 Ob 611/86).

Das Rekursgericht hat daher den Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichtes zutreffend behoben; der dagegen ankämpfende Revisionsrekurs ist demgemäß - mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO - als unzulässig zurückzuweisen.

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