OGH 9Ob19/05t

OGH9Ob19/05t3.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf sowie Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz F*****, Landwirt, *****, vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen EUR 19.882,69 sA und Feststellung (Streitwert EUR 3.000; Gesamtstreitwert und Revisionsinteresse EUR 22.882,69), über außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Februar 2005, GZ 1 R 201/04s-35, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 26. August 2004, GZ 2 Cg 119/03g-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden hinsichtlich des Leistungsbegehrens teilweise dahin abgeändert, dass sie als Teil- und Zwischenurteil zu lauten haben:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 19.882,69 samt 4 % Zinsen seit 10. 11. 2002 zu zahlen, besteht dem Grunde nach zu Recht.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten."

Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung über die Höhe des Leistungsbegehrens und über das Feststellungsbegehren an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte stellte im September 2002 im Vergnügungspark der Welser Messer einen „Boxautomaten" auf, der gegen Einwurf eines Euros drei Boxschläge auf einen herunter klappenden Lederball freigibt. Nach dem Münzeinwurf wird der Ball automatisch in die Spielposition gebracht und kann vom Benutzer zurückgeboxt werden. Dabei wird jeweils die Schlagstärke gemessen und auf einer Skala angezeigt. Dieser Boxautomat war im Jahr 1993 als Serienprodukt in Italien hergestellt und zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt von der Beklagten nach Österreich importiert worden. Vor dem Boxautomaten befand sich ein damit verbundener Rahmen mit einer Riffelplatte, die 760 mm breit und 670 mm tief war. In diesen Rahmen war ein weiterer Formrahmen eingehängt, der seinerseits 1.350 mm breit und 1.000 mm tief war. Hierin waren sechs Riffelplatten eingelassen, die jeweils 200 mm breit und 1.000 mm tief und mit jeweils 10 Nieten fest angenietet waren. Zwischen diesen sechs Platten, die den Standbereich für die Benützer des Boxautomaten bildeten, befanden sich Spalten, die ca 30 mm breit waren. Teilweise waren diese Spalten auch um 2 bis 5 mm schmäler, teilweise aber auch etwas breiter. Die Verbindung der Riffelplatten mit dem Rahmen war auf Grund der Nieten zwar fest, die Platten hatten jedoch etwas Spiel.

Am 6. 9. 2002 gegen 20 Uhr kam der Kläger, der sich als Landwirt für auf der Welser Messe ausgestellte Landmaschinen interessiert hatte, mit zwei Begleitern am Boxautomaten der Beklagten vorbei. Der Kläger, der sich schon früher an einem derartigen Gerät betätigt hatte, warf einen Euro in den Automaten ein, worauf drei Boxschläge freigegeben wurden. Sowohl er als auch seine beiden Begleiter gaben hierauf je einen Schlag ab. Der Kläger warf daraufhin noch einen weiteren Euro ein, um noch einen Schlag auszuführen. Dabei holte er aus, machte einen Ausfallschritt und boxte in Richtung des Balls. Beim Hinboxen verdrehte er sich etwas, geriet mit seinem Schuh, über dessen Beschaffenheit weder ein konkretes Vorbringen erstattet noch Feststellungen getroffen wurden, seitlich in eine der Spalten zwischen den Bodenplatten und "drehte sich dabei das Schien- und das Wadenbein ab" (Drehfraktur). Der Kläger fiel dadurch hin und konnte sich nur mehr mit Hilfe seiner Begleiter aufrichten. Er war nicht alkoholisiert.

Die Beleuchtung und Helligkeit war zum Unfallszeitpunkt ausreichend, sodass der Kläger den Boden sehen konnte. Der Kläger hatte auch die Spalten wahrgenommen, aber nicht daran gedacht, dass er sich hier verletzen könnte. Die Spalte, in der er sich schließlich verfangen hatte, wies am äußersten Ende eine Breite von 31,5 bis 32 mm auf und verjüngte sich zum obersten Ende hin auf eine Breite von 28,5 mm. Die Ausführung des Boxautomaten mit Spalten zwischen den Riffelplatten war „nicht unbedingt" notwendig, half aber das Ansammeln von Wasser (bei Niederschlägen) zu vermeiden. Bei geschlossener Ausführung (ohne Spalten) kann es nämlich im Lauf der Zeit dazu kommen, dass die Standfläche etwas durchgetreten ist und sich darin Wasser ansammelt. Um bei geschlossener Ausführung die Ansammlung von Wasser zu vermeiden, wäre es aber möglich, Löcher in die Standfläche zu bohren.

Spalten stellen immer eine Gefahrenquelle dar. Die Standfläche des gegenständlichen Boxautomaten war für „besonders modisches Schuhwerk", „Schlapfen" oder offene, besonders dünne Sandalen nicht geeignet. Unstrittig ist, dass am Boxautomaten besondere Gefahrenhinweise nicht angebracht waren. Eine Verletzung wie jene des Klägers war vorher bei der Bedienung von Boxautomaten wie dem gegenständlichen noch nicht aufgetreten.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage von der Beklagten Schadenersatz in der Höhe von EUR 19.882,69 sA und die Feststellung, dass ihm die Beklagte für sämtliche künftigen Schäden und Folgen aus dem Unfallereignis vom 7. 9. 2002 mit ihrem auf der Welser Messe aufgestellten Vergnügungsgerät („Kraftmesser") hafte. Die Beklagte habe ihre Vertrags- und Verkehrssicherungspflicht, die gefahrlose Benutzung des Boxautomaten zu ermöglichen, verletzt. Ihr wäre erkennbar gewesen, dass die Ausführung des Bodenbereichs mit Spalten eine Gefahrenquelle darstelle, die Verletzungen des Benutzers begünstige. Dennoch habe die Beklagte weder eine spaltenlose Ausführung gewählt noch besondere Gefahrenhinweise gegeben. Für den Kläger sei die Gefahr nicht erkennbar gewesen. Die Bedienung des Geräts sehe nämlich nicht vor, dass der Boden beachtet werde; vielmehr sei das Augenmerk auf den Ball zu richten, auf den mit höchstmöglicher Kraft einzuschlagen sei. Bei der Ausführung des Schlags wirkten auf den gesamten Körper Drehkräfte ein. Auf die Standsicherheit des Untergrunds komme es daher besonders an. Den Kläger treffe kein Mitverschulden. Auf Grund des beim Unfall erlittenen Doppelbruchs sei er zweimal stationär im Spital aufgenommen und zweimal operiert worden. Die Behandlung hätte schließlich bis zum 14. 3. 2003 gedauert. Eine Operation zur Nagelentfernung stehe dem Kläger noch bevor. Er habe immer wieder Beschwerden und sei nunmehr wetterfühlig. Die erlittenen Schmerzen und Beschwerden einschließlich der psychischen Beeinträchtigungen rechtfertigten ein Schmerzengeld von EUR 15.000. Der Kläger habe sich nur sehr eingeschränkt mit zwei Stützkrücken fortbewegen können. Er habe Hilfe für die täglichen Verrichtungen benötigt. Um seinen landwirtschaftlichen Betrieb aufrechtzuerhalten, habe er fremde Hilfe in Anspruch nehmen und bezahlen müssen. Dafür seien Kosten von EUR 4.482 aufgelaufen. Auf unfallkausale Spesen seien EUR 150 entfallen. Für Besuchsfahrten und Fahrten zu Behandlungen seien weitere Kosten von EUR 250,69 aufgelaufen. Spät- und Dauerfolgen auf Grund des Unfalls seien nicht ausgeschlossen, weshalb auch die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Folgen begehrt werde. Der Kläger stütze sich auch auf das Produkthaftungsgesetz, weil der Boxautomat einen Produktfehler aufgewiesen habe. Die Beklagte hafte als Unternehmer, der das Gerät in Verkehr gebracht habe.

Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und schloss aus, dass sich der Kläger bei einem Gerät der Beklagten verletzt habe. Ihre Geräte seien derartig sicher, dass solche Unfälle ausgeschlossen werden können. Die Schilderung des Klägers sei derart „abwegig", dass sie unglaubwürdig erscheine. Eine Verletzung wie vom Kläger behauptet könne nur durch einen „nicht vorhersehbaren unglücklichen Zufall besonderer Art" verursacht worden sein. Bei eigenverantwortlicher Benutzung des Geräts könne es nicht zur gegenständliche Verletzung kommen. Möglich wären allfällige Blessuren an den Händen und Fingern, nicht jedoch Beinverletzungen. Solche seien auch in der Vergangenheit noch nie vorgekommen. Der Kläger habe, wenn man sich die minimalen Abstände zwischen den Metallplatten als Gefahrenquelle ansehe, den Grundsatz „vor die Füße zu schauen" gröblich verletzt. Seine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten entbinde die Beklagte von jeglicher Haftung. Von ihr könne nicht verlangt werden, auf „atypische Gefahren" hinzuweisen und alle denkmöglichen Gefahren zu antizipieren. Die Beklagte sei nie aufgefordert worden, den Hersteller des Boxautomaten bekannt zu geben. Bei diesem handle es sich um das von der Beklagten im Schriftsatz ON 9 näher bezeichnete italienische Unternehmen. Im Übrigen sei das Klagebegehren weit überhöht. Spät- und Dauerfolgen würden mangels medizinischer Unterlagen bestritten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei vertrat es unter Zugrundelegung der eingangs wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen die Rechtsauffassung, dass die Beklagte weder Schutzgesetze noch Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Der Boxautomat sei ordnungsgemäß ausgeführt gewesen und habe keine Gefahrenquelle dargestellt. Mit „einer derartigen Situation" müsse auf einem Volksfest gerechnet werden. Der Unfall sei nur durch einen unglücklichen Zufall, der weder vorhersehbar noch verhinderbar gewesen sei, passiert. Um jedem Zufall wirksam zu begegnen, wäre ein Übermaß an Verboten, Warnungen, baulichen Maßnahmen udgl notwendig, sodass ein „normaler Betrieb" eines derartigen Geräts nicht mehr möglich sei. Im Hinblick auf den bloß zufälligen Verletzungseintritt habe die Beklagte auch keine besondere Warnung geschuldet. Gemäß § 1311 erster Satz ABGB habe daher der Kläger seinen Schaden selbst zu tragen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge. Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige EUR 20.000, die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Es stellte klar, dass es sich bei den erstgerichtlichen Ausführungen im Rahmen der Tatsachenfeststellungen, dass die Ausführung der Bodenplatte ordnungsgemäß und keine Gefahrenquelle gewesen sei, um bloße Rechtsausführungen handle. Unter Billigung der eigentlichen erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen führte es rechtlich aus, dass die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten nicht überspannt werden dürften. Es könne nicht die Beseitigung aller möglichen Gefahrenquellen gefordert werden. Es seien die Grenzen des Zumutbaren zu beachten. Es dürfe keine vom Verschulden losgelöste Haftung angestrebt werden. Die Verkehrssicherungspflicht entfalle dann, wenn sich jemand selbst schützen könne, weil die Gefahr leicht erkennbar sei. Die gegenständlichen Spalten seien für den Kläger leicht erkennbar gewesen und auch tatsächlich wahrgenommen worden. Zudem sei es „kaum zu glauben, dass es überhaupt möglich sei, dass ein Benutzer mit einem Schuh in eine dieser Spalten gerate und sich dabei verletze". Eine Schädigung sei daher sehr unwahrscheinlich. Es habe daher keine besondere Absicherungspflicht der Beklagten bestanden. Die frei sichtbaren Spalten und damit die Möglichkeit eines Verfangens darin seien eine leicht erkennbare Gefahrenquelle gewesen. Die Spalten machten das Gerät aber nicht fehlerhaft, hätten sie doch den Zweck gehabt, die Bildung von Wasserlachen zu hindern. Dass es hinsichtlich der Ausgestaltung der Bodenplatten Verbesserungsmöglichkeiten gebe, mache das Produkt noch nicht fehlerhaft. Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen, weil die Frage, ob und welche Sicherungsmaßnahmen zumutbar und erforderlich seien, von den Umständen des Einzelfalls abhänge.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtenen Entscheidungen iSd Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (RIS-Justiz RS0078150 ua) und iSd teilweisen Abänderung durch klagestattgebendes Teil- und Zwischenurteil und teilweisen Aufhebung hinsichtlich der Höhe des Leistungsbegehrens und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens auch berechtigt. Dabei stellt sich die Rechtslage zusammenfassend wie folgt dar:

Durch Einwurf des geforderten Preises von einem Euro entstand zwischen der Beklagten als Betreiberin eines Boxautomaten und dem Kläger als Benutzer ein Vertragsverhältnis, auf Grund dessen der Kläger in die Lage versetzt wurde, drei Boxschläge gegen einen herunter geklappten Lederball abzugeben. Dabei sollte die jeweilige Schlagstärke angezeigt werden. Es handelt sich bei derartigen "Kraftmessern" um Einrichtungen wie sie typischerweise auf Jahrmärkten und in Vergnügungsparks anzutreffen sind. Es ist allgemein bekannt, dass es bei diesen Geräten vor allem um den Vergleich von Kraft und Geschicklichkeit zwischen mehreren Teilnehmern geht, wobei das jeweilige Ergebnis nicht nur in einer Vergleichszahl ausgedrückt wird, sondern auch häufig (mehr oder weniger) witzig kommentiert wird. Zielgruppe von Boxautomaten in Vergnügungsparks sind nicht Boxer, sondern alle Besucher, die aus Spaß und einer spontanen Laune heraus, ihre Kräfte messen und vergleichen wollen.

Auf Grund des Vertragsverhältnisses bestand für die Beklagte als Betreiberin des Boxautomaten die vertragliche Nebenpflicht, die dem Kläger zur Ausführung mehrerer Boxschläge überlassene Anlage in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu halten. Es handelt sich um einen Fall vertraglicher Verkehrssicherungspflicht (vgl RIS-Justiz RS0023239 ua). Für eine allfällige Verletzung dieser Schutzpflicht hat die Betreiberin nach Vertragsgrundsätzen einzustehen (RIS-Justiz RS0113602 ua). Der Verkehrssicherungspflichtige hat die verkehrsübliche Aufmerksamkeit anzuwenden und die notwendige Sorgfalt zu beachten, wenn auch die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden darf und die Grenzen des Zumutbaren zu beachten sind (RIS-Justiz RS0023487 ua). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (RIS-Justiz RS0110202 ua), aber auch in welchem Maß der Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann (RIS-Justiz RS0023726, RS0114360 ua). Die Verkehrssicherungspflicht soll nicht auf eine vom Gesetz nicht vorgesehene, vom Verschulden unabhängige Haftung hinauslaufen (RIS-Justiz RS0023950 ua). Insoweit ist dem Berufungsgericht zu folgen.

Ungeachtet der Beteuerungen der Beklagten steht fest, dass der Kläger am 6. 9. 2002 bei Benützung des Boxautomaten der Beklagten schwer verunglückte, indem er Drehbrüche von Schien- und Wadenbein erlitt. Die Vorinstanzen vermochten sich nicht der Annahme der Beklagten anzuschließen, die Darstellung des Klägers sei derartig „abwegig", dass sie schon deshalb unglaubwürdig sei. Der Behauptung der Beklagten, dass ihre Geräte so sicher seien, dass Unfälle wie jener des Klägers ausgeschlossen seien, ist nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens jede Grundlage entzogen. Die Beklagte hatte daher als Verkehrssicherungspflichtige zu beweisen, dass sie die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, ohne Rücksicht darauf, ob sich diese Pflicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Ingerenzprinzip) oder einem Vertrag ergibt. Ebenso traf sie als Verkehrssicherungspflichtige die Beweislast für ein allfälliges Mitverschulden des geschädigten Klägers (RIS-Justiz RS0022476 ua). Diese Beweise sind ihr nicht gelungen.

Die ÖNORM EN 1176-1 (Spielplätze Teil 1) sieht unter 4.2.7.5 vor, dass Oberflächen mit einer Schräge bis 45 Grad keine Spalten aufweisen dürfen, die größer als 30 mm, in einer Richtung gemessen, sind Ebene Flächen, die zum Laufen/Gehen vorgesehen sind, dürfen keine Spalten aufweisen, in denen der Fuß oder das Bein hängenbleiben kann. Für die Konstruktion von Boxautomaten bestehen keine besondere Vorschriften. Der Grundsatz, dass keine Fangstellen für den Fuß oder das Bein vorhanden sein dürfen, hat aber selbstverständlich auch hier zu gelten. Hinsichtlich der Beschaffenheit von Boxautomaten und der Notwendigkeit von Instruktionen kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass der typische Besucher eines Vergnügungsparks nicht notwendigerweise ein versierter Sportler ist, der geeignete Sportbekleidung und Sportschuhe trägt. Der typische Besucher eines Vergnügungsparks kennt auch das Boxen und seine Dynamik meist nur vom Zusehen und hat demzufolge kein besonderes Wissen über Schlagtechnik sowie Beinarbeit und kann auch nur intuitiv erahnen, an welcher Stelle der herunter geklappte Lederball idealerweise zu treffen ist. Die volle Konzentration und Aufmerksamkeit des nicht mit Information und Warnhinweisen versorgten Benutzers gilt ausschließlich der möglichst starken Ausführung eines, allenfalls dreier, Boxschläge, wie überhaupt dem „idealen" Treffen des herunter geklappten Lederballs. Ein sicherer Stand des Benutzers ist dabei selbstverständliche und unabdingbare Voraussetzung, um nicht bei der Ausführung des Schlags zu stolpern, zu verkannten, umzukippen oder auf sonstige Weise das Gleichgewicht zu verlieren. Mehrere rund drei cm breite Spalten in der Bodenplatte sind demzufolge bei solchen Geräten kontraproduktiv, stellen sie doch laut Sachverständigengutachten, dem die Vorinstanzen folgten, immer eine Gefahrenquelle dar; dies um so mehr auch deshalb, weil vom typischen Benutzer des Boxautomaten gerade nicht erwartet werden kann, sich während des Schlags, der mit voller Wucht ausgeführt werden soll und ohnehin schon seine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, auch noch auf den Untergrund zu konzentrieren. Dies musste der Beklagten als Betreiberin des Boxautomaten bekannt sein. Dass der Kläger die Spalten vorher gesehen hat, entband die Beklagte daher nicht von ihrer Verkehrssicherungspflicht. Der Kläger konnte auf eine gefahrlose Ausführung des Boxautomaten vertrauen. Vom üblichen Durchschnitt abweichende besondere Kenntnisse des Klägers wurden von der Beklagten nicht behauptet und nachgewiesen.

Die gegenständliche Ausführung des Boxautomaten war laut Sachverständigem für „besonders modisches Schuhwerk", „Schlapfen" oder offene, besonders dünne Sandalen nicht geeignet. Nun steht zwar nicht fest, was der Sachverständige unter „besonders modischem" Schuhwerk verstand; insbesondere steht auch nicht fest, ob dies der Sachverständige auf den Zeitpunkt der Herstellung des Geräts (1993) oder jenen des Unfalls bezog (2002), zumal einerseits die Eigenschaft "besonders modisch" bei Schuhwerk wohl eine vorübergehende ist, andererseits aber nicht bekannt ist, dass der Boxautomat in Bezug auf die schuhrelevante Ausführung der Standfläche im Lauf der 20 Jahre vor dem Unfall jemals geändert wurde. Es steht auch nicht fest, welches Schuhwerk der Kläger bei seinem Unfall trug, und daher auch nicht, ob es unter die vom Sachverständigen angenommenen Kategorien fiel. Die Beklagte trat aber nicht den Beweis an, dass der Kläger ein Schuhwerk getragen hätte, dass in Kombination mit der Benutzung des Boxautomaten als riskant einzustufen gewesen wäre. Es kann auch nicht von vornherein gesagt werden, dass die vom Sachverständigen genannten Schuhkategorien bei Besuchern eines Vergnügungsparks ohnehin nicht anzutreffen sind und daher von der Beklagten nicht einkalkuliert werden mussten, weshalb dem Umstand, dass es diesbezüglich keine Hinweise auf dem Boxautomaten der Beklagten gab, durchaus Bedeutung zukommt. Derartige Hinweise hätten unter Umständen auch bei den Trägern von Schuhen anderer Kategorien das Bewusstsein schaffen bzw schärfen können, dass diesem Aspekt besonderes Augenmerk geschenkt werden muss, weil das „falsche" Schuhwerk in Anbetracht der konkreten Ausführung des Untergrunds eine Gefahrenquelle sein kann. Somit war entgegen der Annahme der Beklagten nicht die Verletzung des Klägers vom 6. 9. 2002 Zufall, sondern allein der Umstand, dass eine solche Verletzung nicht schon früher beim gegenständlichen Boxautomaten aufgetreten ist. Dass man sich mit einem Schuh in der Bodenplatte verfangen kann, ist für den Betreiber eines Boxautomaten mit Spalten in der Bodenplatte nicht „atypisch". Diese Erkenntnis bedurfte entgegen der Sorge der Beklagten keiner besonderen Antizipation „aller denkmöglichen Gefahren". Der Unfall des Klägers war entgegen der Auffassung der Vorinstanzen für die Beklagte durchaus vorhersehbar und verhinderbar, ohne dass es entgegen der Befürchtung des Erstgerichts eines „Übermaßes an Verboten", die den „normalen Betrieb" verhindern, bedurft hätte. Entgegen der Annahme des Erstgerichts muss von keinem Benutzer mit „einer derartigen Situation" auf einem Volksfest gerechnet werden, wenn damit gemeint sein sollte, dass von einem Besucher damit gerechnet werden muss, dass Boxautomaten stets eine Beschaffenheit aufweisen, die sie als Gefahrenquelle erscheinen lassen.

Es ist keine Überspannung zumutbarer Verkehrssicherungspflicht, wenn man vom Betreiber eines Boxautomaten verlangt, auf geeignete Weise dafür zu sorgen, dass sich der Benutzer bei Abgabe der Boxschläge nicht mit seinen Schuhen im Untergrund verfangen kann, indem eine spaltenlose Ausführung der Bodenplatte gewählt wird. Der hervorgekommene Zweck der Spalten, die Ansammlung von (zweifellos der Standfestigkeit des Benutzers ebenfalls nicht förderlichem) Wasser auf der Standfläche zu vermeiden, wird nicht verkannt. Die Spalten waren allerdings nach den Verfahrensergebnissen nicht "unbedingt notwendig", weil der gleiche Effekt - ohne gleichzeitige Herbeiführung einer Gefahr für die Benutzer - auch bei geschlossener Standfläche mit gebohrten Löchern hätte erreicht werden können. Neu gegenüber ihrem Standpunkt in erster Instanz - und daher unbachtlich - behauptet die Beklagte in der Revisionsbeantwortung, dass auch die „Lochvariante" nicht dazu geeignet sei, einen Vorfall wie den gegenständlichen hintanzuhalten, weil sich der Benutzer mit Schnürsenkeln bzw Absätzen in den Löchern verfangen könnte. Inwieweit sie das von ihrer Verkehrssicherungspflicht im vorliegenden Fall entbinden könnte, ist nicht ersichtlich.

Richtig ist der Hinweis der Beklagten, dass von jedem Fußgänger verlangt werden muss, dass er beim Gehen "vor die Füße schaut" und der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuwendet (RIS-Justiz RS0023787 ua). Darum geht es hier aber gar nicht. Der Kläger agierte bei seinem Unfall nicht als Fußgänger, sondern als Benutzer eines Boxautomaten. Nicht die gehende Fortbewegung stand hier im Vordergrund, sondern die möglichst starke Ausführung von Faustschlägen. Von einer gröblichen Verletzung des Grundsatzes, vor die Füße zu schauen, kann daher hier keine Rede sein. Die Beklagte meinte, bei „eigenverantwortlicher Benutzung" des Geräts hätte es nicht zur gegenständlichen Verletzung kommen können. Wie eine solche Benutzung aussehen müsse und wodurch sie sich von jener des Klägers unterscheide, ließ sie allerdings offen. Es kam auch keine „Sorglosigkeit des Klägers in eigenen Angelegenheiten" hervor, die die Beklagte, wie sie meint, „von jeglicher Haftung entbinde".

Das vom Kläger geltend gemachte Leistungsbegehren besteht daher wegen schuldhafter Verletzung der vertraglichen Verkehrssicherungspflicht der Beklagten dem Grunde nach zu Recht, ohne dass auf das Produkthaftungsgesetz näher eingegangen werden muss (§ 15 PHG). Da die Beklagte die Höhe des geltend gemachten Schadens und allfällige Spät- und Dauerfolgen bestritten hat und hiezu vom Erstgericht auch keine Feststellungen getroffen wurden, konnte vorerst nur ein stattgebendes Teil- und Zwischenurteil gefällt werden; hinsichtlich des darüber hinausgehenden Klagebegehrens ist mit Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht vorzugehen.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf § 393 Abs 4 und §§ 50, 52 Abs 2 ZPO.

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