OGH 10ObS17/05f

OGH10ObS17/05f22.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter DI Walter Holzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Andrea Komar (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann M*****, Frühpensionist, *****, vertreten durch Mag. Michael Goller, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1081 Wien, Josefstädter Straße 80, wegen Feststellung eines Dienstunfalles und Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. November 2004, GZ 25 Rs 67/04w-58, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht bei einer Körperschädigung, die nur zum Teil durch einen Arbeitsunfall (Dienstunfall), im Übrigen aber durch eine Schadensanlage (Krankheitsanlage) verursacht wurde, dann kein Anspruch auf Leistung zu, wenn der Schadensanlage gegenüber dem Unfall die überragende Bedeutung zukommt, wenn also wegen der Veranlagung jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis etwa zur selben Zeit die Schädigung ausgelöst hätte und ein solches Ereignis in naher Zukunft auch tatsächlich vorgekommen wäre (SSV-NF 13/95 mwN uva; RIS-Justiz RS0084318; RS0084345). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Schadensanlage, deren ursächlich wesentliche oder gar überwiegende Bedeutung geprüft werden soll, in ihren tatsächlichen Grundlagen nachgewiesen ist. Erst wenn die tatsächlichen Grundlagen der einzelnen in Betracht kommenden Kausalreihen - der Arbeitsunfall (Dienstunfall) einerseits, die Schadensanlage andererseits - feststehen und auch die erforderliche Kausalität des schädigenden Ereignisses (Arbeitsunfall bzw Dienstunfall) sowie der unfallunabhängigen Ursachen (Schadensanlage) zu bejahen ist, darf die Abwägung der ursächlichen Bedeutung der einzelnen mitwirkenden Kausalreihen (Arbeitsunfall bzw Dienstunfall - Schadensanlage) erfolgen. Diese Abwägung von Bedeutung und Tragweite der einzelnen Kausalreihen muss stets individuell, also auf den konkret vorliegenden Einzelfall bezogen, vorgenommen worden (10 ObS 45/04x mwN).

Wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst in der Entscheidung 10 ObS 45/04x (teilweise veröffentlicht in RdW 2005/70, 42) in Ergänzung zu seiner bisherigen Rechtsprechung dargelegt hat, ist bei dieser Abwägung insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Versicherte nach dem Schutzzweck des Unfallversicherungsrechtes in dem Zustand geschützt ist, in dem er sich zum Zeitpunkt des Unfallereignisses befunden hat. In den Schutz der Unfallversicherung sind daher auch alle im Unfallzeitpunkt bereits bestehenden Krankheiten, Behinderungen, sonstige Vorschädigungen mit ihren Auswirkungen, aber auch alle Schadensanlagen, also konstitutionell degenerativ oder durch frühere Erkrankungen oder Unfälle bedingten Krankheitsdispositionen eingebunden. Es können daher beispielsweise Verletzungen auf Grund altersbedingter Abnützung der Gelenke, sofern sie nicht über das altersentsprechende Ausmaß hinausgehen, jedenfalls nicht als ein den Unfallversicherungsschutz ausschließender „Anlageschaden" angesehen werden.

Im Fall des Klägers ist jedoch nach den Feststellungen der Vorinstanzen wohl davon auszugehen, dass die bei dem im Unfallszeitpunkt 48 Jahre alten Kläger bereits vor dem Unfall vom 7. 1. 2002 vorgelegenen degenerativen Vorschäden im unteren Lendenwirbelsäulenbereich das altersbedingte Ausmaß überstiegen haben, weshalb der Kläger schon immer an Kreuzschmerzen gelitten hat. Die bei ihm bestehenden Beschwerden entsprechen im präsakralen Bereich einer Wirbelsäulenschwäche bzw -erkrankung. Doch unabhängig davon, ob man bei der Beurteilung der Frage nach der Wesentlichkeit des Unfalles für den eingetretenen Gesundheitsschaden ausschließlich auf die individuelle Konstitution und Schadensanlage des betreffenden Versicherten oder (auch) auf jene einer gleichaltrigen Vergleichsperson abstellt, ist bei der dabei gebotenen Abwägung von Schadensanlage und Unfall jedenfalls zu berücksichtigen, dass nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kein Anspruch auf eine Leistung besteht, wenn einer krankhaften Veranlagung gegenüber dem Unfall die überragende Bedeutung zukommt, wenn also wegen der Veranlagung wahrscheinlich auch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis die Schädigung zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd demselben Ausmaß ausgelöst hätte. Im vorliegenden Fall steht fest, dass das anlagebedingte Leiden des Klägers so leicht ansprechbar war, dass auch alltäglich vorkommende physiologische Bewegungsabläufe, wie etwa das Aufrichten aus einer liegenden Haltung oder eine leichte Belastung in vorgebeugter Körperhaltung, dieselbe Schädigung, nämlich eine Verschlechterung der beim Kläger vorbestehenden Wirbelsäulenschwäche bzw -erkrankung, ausgelöst hätten. Wenn die Vorinstanzen, ausgehend von diesen Feststellungen, im konkreten Fall zu dem Ergebnis gelangten, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Versehrtenrente zu, weil der Schadensanlage gegenüber dem Unfall die überragende Bedeutung zukomme, sind sie nicht von den vom Obersten Gerichtshof auch in der zitierten jüngeren Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen abgewichen. Es liegen auch keine sekundären Feststellungsmängel vor.

Die außerordentliche Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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