OGH 7Ob46/04x

OGH7Ob46/04x2.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard G*****, vertreten durch Dr. Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Versicherungs AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: EUR 2.180) über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. September 2003, GZ 20 R 28/03h-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 19. März 2003, GZ 16 C 728/02d-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die vorliegende Deckungsklage stützt sich auf eine als „Familienrechtsschutz für Selbständige und freiberuflich Tätige" bezeichnete Rechtsschutzversicherung. Aus den verschiedenen Sparten des zwischen den Streitteilen vereinbarten Versicherungsumfanges (Beilage ./A) beruft sich der Kläger auf den „Privat-Rechtsschutz" (gemäß den Allgemeinen bzw Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1965/82 bzw ERB 1965/82) und den „Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz für den privaten Bereich gemäß Sonderbedingungen V, ausgenommen Art 1, lit b" (also ausgenommen Berufs- und Betriebsrechtsschutz). Demnach gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer den im Art 1 Abs 1 lit a und b ARB 1965/82 beschriebenen Versicherungsschutz „als Privatmann für Ereignisse die im täglichen Leben, also nicht bei Tätigkeiten im Betrieb, Gewerbe oder Beruf oder einer gefährlichen Beschäftigung eintreten" (Art C I. 1. ERB 1965/82 [Beilage ./1]).

Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm aufgrund dieser Rechtsschutzversicherung volle Kostendeckung für ein näher bezeichnetes, nunmehr vor dem Handelsgericht Wien anhängiges Verfahren zu gewähren. Er werde dort als Privatperson (seine Berufsbezeichnung in der Klage laute auf „Dienstnehmer") auf Rückzahlung eines Privatkredites in Anspruch genommen, der zur Abdeckung eines bestehenden Rahmenkredites verwendet worden sei. Für welche Zwecke der ursprüngliche Rahmenkredit verwendet wurde (tatsächlich seien damit sowohl private als auch berufliche Anschaffungen finanziert worden), sei für die Deckungspflicht der Beklagten unerheblich. Im Übrigen handle es sich auch bei diesem Kredit, wie sich aus den Kreditbedingungen ergebe, um einen Privatkredit (ON 1, 7 und 9).

Das klagestattgebende Ersturteil wurde vom Gericht zweiter Instanz mit der Begründung im klageabweisenden Sinne abgeändert, der Kläger begehre Rechtsschutzdeckung aus einem Kreditverhältnis, welches er im Jahre 1976 als Einzelkaufmann eingegangen sei, und im Jahre 1997 - nach wie vor selbständig tätig - in einen ratenweise rückführbaren Einmalkredit übergeleitet habe. Ein im Rahmen des gegenständlichen Allgemeinen Vertrags-Rechtschutzes bloß für den privaten Bereich zu deckendes versichertes Risiko liege daher nicht vor. Das Berufungsgericht begründete den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision mit dem Fehlen einer (österreichischen) höchstgerichtlichen Rsp zur Frage der „Relevanz der tatsächlichen Verwendung von Kreditmitteln für deren Zuordnung zum geschäftlichen oder privaten Bereich".

Eine nach § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage wird damit jedoch nicht angesprochen, weil sich der erkennende Senat bereits in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 7 Ob 26/94 (VersR 1996, 1527) mit der Auslegung der zitierten Klausel und der auch hier relevanten Frage beschäftigt hat, unter welchen Voraussetzungen der Übernahme der Haftung für einen Kredit geschäftlicher Charakter iSd den eingangs genannten Versicherungsbedingungen zukommt. Dazu wurde Folgendes ausgesprochen:

„Das Rechtsschutzkostenrisiko im Zusammenhang mit einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist im Durchschnitt höher und wesentlich differenzierter als das aus einer unselbständigen Beschäftigung, weil es stark von der Art und Größe des Betriebes beeinflußt wird. Mit dem Versprechen des Versicherers, dem Versicherungsnehmer Rechtsschutz als Privatmann für Ereignisse, die im täglichen Leben, also nicht bei einer Tätigkeit im Betrieb, Gewerbe oder Beruf oder einer gefährlichen Beschäftigung eintreten, zu gewähren, schränkt der Versicherer das versicherte Risiko ein. Er stellt damit klar, daß er bei Eintritt bestimmter Gefahren leistungsfrei ist (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3 147 f). Beweispflichtig für das Vorliegen eines derartigen Risikoausschlußgrundes ist stets der Versicherer (vgl 7 Ob 23/93 = VR 1994, 27; zuletzt 7 Ob 9/95). Die Formulierung der hier entscheidenden Risikoumschreibung des Art C I Z 1 der Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ERB 1965) "als Privatmann für Ereignisse, die im täglichen Leben ... eintreten" unterscheidet sich nur sprachlich von jener der Nachfolgebedingungen in den ARB 1988 "privater Lebensbereich" und erfaßt im wesentlichen den gleichen Inhalt. Beide Begriffe stellen auf Ereignisse des täglichen Lebens ab, die nicht bei einer (geschäftlichen) Tätigkeit im Betrieb, Gewerbe oder Beruf eintreten. Damit wird aber nicht allein auf den Begriff der "Gefahren des täglichen Lebens", wie er in der Privathaftpflichtversicherung postuliert wird, abgestellt. Das Risiko "aus sonstiger Erwerbstätigkeit" wird als jede auf Dauer ausgerichtete, zur Erzielung eines Ertrages oder eines sonstigen wirtschaftlichen Vorteils entwickelte Tätigkeit, die nicht als Beruf (unselbständige Erwerbstätigkeit) und nicht in Form eines Betriebes ausgeübt wird, umschrieben (vgl Kronsteiner, Die allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ARB 1988, VR 1988, 169 ff [190]). Die Übernahme einer Haftung für einen vom Ehegatten aufgenommenen Kredit ist im Familienleben gerichtsbekanntermaßen weit verbreitet. Sie ist grundsätzlich dem Privatleben zuzurechnen und gewinnt erst dann geschäftlichen Charakter, wenn der Haftungsübernehmende eigene geschäftliche Interessen damit verbindet, also am Geschäftsbetrieb des haftungsbegehrenden Ehegatten in der Weise beteiligt ist, daß er über seine möglicherweise aus dem Arbeitsrecht sich ergebenden Ansprüche hinaus am geschäftlichen Gewinn zumindest für einige Zeit teilnimmt, oder hofft, teilnehmen zu können." (7 Ob 26/94; Hervorhebungen nicht im Original)

Sogar die grundsätzlich dem Privatleben zuzurechnende Übernahme der Mithaftung für einen vom Ehegatten für dessen Betrieb aufgenommenen Geschäftskredit gehört somit nach der zit Rsp nur dann zum privaten Bereich, wenn sie nicht selbst geschäftlichen Charakter hat, also der Versicherungsnehmer damit nicht eigene geschäftliche Interessen verfolgt. Im letzteren Fall liegt hingegen der Risikoausschluss für eine Tätigkeit im Betrieb, Gewerbe oder Beruf vor (Prölss/Armbrüster in Prölss/Martin27 § 24 ARB 75 Rn 2, 2109 zur zit E [VersR 1996, 1527]; vgl auch RIS-Justiz RS0116981 = 7 Ob 105/02w zur notwendigen Klärung der jeweiligen Zweckwidmung bei der Auslegung des Begriffes „Geschäftsgelder" nach Art 1.3.2. ABH 1995).

Zur Tatfrage der „Zweckwidmung" des gegenständlichen Kredites ist hier von folgenden Feststellungen auszugehen:

Der Kläger hatte im Rahmen seiner Tätigkeit als Einzelkaufmann jahrzehntelang ein Geschäftskonto, auf welchem schließlich per 13. 3. 1996 ein Debet von S 480.000 aufgelaufen war. Dieser ursprüngliche Kredit wurde durch den gegenständlichen Kreditvertrag vom 1. 8. 1997 in Form eines einmal ausnutzbaren Kredites in Höhe von S 484.000 (mit dem im Vertrag angeführten Zweck: „Sanierung" und mit neuen Konditionen) abgedeckt, der nun Gegenstand des in der vorliegenden Deckungsklage genannten Verfahrens ist, in welchem die Bank die Rückzahlung von rund S 450.000 begehrt.

Wenn das Berufungsgericht aus diesen Feststellungen den geschäftlichen Charakter der Kreditaufnahme abgeleitet hat, entspricht diese Beurteilung der dargestellten Rsp, weshalb die Voraussetzungen des § 502 Ans 1 ZPO nicht gegeben sind; ist doch an der „Zeckwidmung" des gegenständlichen (Sanierungs-)Kredits für den geschäftlichen Bereich, schon angesichts des offensichtlich bestehenden „geschäftlichen Interesses" des Klägers an der Abdeckung des Negativsaldos auf seinem „Geschäftskonto", nicht zu zweifeln (vgl auch Prölss/Armbrüster, die [aaO § 25 ARB 75 Rn 5 aE, 2113] unter Hinweis auf BGH VersR 1995, 166 ausführen, dass der Ausschluss [nach § 25 Abs 1 Satz 2 ARB 75, betreffend die Wahrnehmung rechtlicher Interessen iZm selbständiger oder freiberuflicher Tätigkeit] auch dann eingreife. wenn der Geschäftsführer einer GmbH bis zur endgültigen Finanzierung eines von der GmbH betriebenen Projektes von ihm aufgenommene Fremdmittel einsetzt, um Spekulationsgewinne zu erzielen, die dem Projekt zugute kommen sollen).

Davon abgesehen gesteht die Revision aber ohnehin zu, es könne im Rahmen der „Vertragsauslegung" im Zweifel davon ausgegangen werden, dass ein - wie hier - vom Kaufmann aufgenommener Kredit zur Abdeckung von Geschäftsverbindlichkeiten „wiederum ein Geschäftskredit" sei. Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel somit nur noch geltend, durch die festgestellte interne Kennzeichnung des gegenständlichen Kredits bei der Bank als „Privatkredit" und die Verwendung der (ursprünglichen) Kreditmittel (auch) für private Zwecke wäre darauf zu schließen gewesen, dass der Kredit der privaten Sphäre zuzuordnen sei. Die gegenteilige, von den Umständen des Einzelfalls abhängige Vertragsauslegung des Berufungsgerichtes hält der Revisionswerber für unrichtig, kann jedoch auch damit eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht aufzeigen:

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nämlich nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042776; RS0042936; RS0044298; RS0044358 ua). Davon kann hier aber - wie bereits dargelegt - keine Rede sein. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, stellt hingegen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0042776; RS0042936; RS0112106 ua; zuletzt: 7 Ob 206/04a mwN).

Was aber die zuletzt behauptete Aktenwidrigkeit der Berufungsentscheidung betrifft, ist der Revision - mit der Berufungsbeantwortung - folgendes zu erwidern:

Der Revisionswerber missversteht die Ausführungen zu den Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und zur Beweisrüge, die das Berufungsgericht keineswegs als unberechtigt oder unbegründet abgewiesen hat. In der Berufungsentscheidung wurde vielmehr darauf nicht weiter eingegangen, weil der Berufung schon auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts (mit Ausnahme der vom Berufungsgericht mangels Relevanz nicht übernommenen Feststellung über die tatsächliche [hauptsächlich private, teilweise aber auch betriebliche] Verwendung des ursprünglichen Kredits) im Rahmen der Rechtsrüge Berechtigung zukam und das Ersturteil bereits aus diesem Grund im klageabweisenden Sinne abzuändern war. In der Übernahme des festgestellten Sachverhalts kann im Übrigen schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen (Kodek in Rechberger2 § 503 ZPO Rz 4 Abs 3). In der Revision wird daher keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weshalb das Rechtsmittel - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes - als unzulässig zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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