OGH 7Ob26/94

OGH7Ob26/9420.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner T*****, vertreten durch Dr.Axel Reckenzaun, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert S 75.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 28.März 1994, GZ 4 R 110/94-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 21. Dezember 1993, GZ 4 C 1889/92s-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehefrau des Klägers, Gerlinde T*****, übernahm im Jahre 1980 von ihren Eltern einen Fleischhauereibetrieb. Der Kläger, der bereits Dienstnehmer im Fleischhauereibetrieb der Eltern seiner Frau gewesen war, war in der Folge auch als Dienstnehmer im Betrieb seiner Ehefrau weiterhin tätig. Sie und der Kläger nahmen am 3.3.1982 (richtig vermutlich am 1.3.1982) bei der Stmk. S***** einen Konotokorrentkredit bis zum Höchstbetrag von 2,5 Millionen Schilling auf.

Mit Anerkenntnisurteil vom 19.10.1983, 8 Cg 380/83 des Landesgerichtes für ZRS Graz, wurden der Kläger und Gerlinde T***** zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, der Stmk. S***** S 4,088.673,40 sA zu bezahlen.

Aufgrund dieses Urteils kam es zu Exekutionsführungen gegen Gerlinde T*****.

Am 9.1.1991 wurde der Stmk.S***** aufgrund des angeführten Anerkenntnisurteils gegen den Kläger die Fahrnis- und Lohnpfändungsexekution zur Hereinbringung restlicher S 737.673,25 sA bewilligt.

Gegen diese Exekutionsführung erhob der Kläger am 3.12.1991 Oppositionsklage zu 12 C 14/91 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz mit der Begründung, die Ansprüche der betreibenden Partei Stmk. S***** aus dem erwähnten Anerkenntnisurteil seien aufgrund von Zahlungen (exekutiven Eingängen) von seiten Gerlinde T*****s erloschen.

Nicht strittig ist, daß (ua) der Kläger mit der beklagten Partei einen Familienrechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen hat, der aufrecht ist und dessen Prämien bezahlt wurden.

Die beklagte Partei hat die vom Kläger begehrte Deckung aus dem Familienrechtsschutzversicherungsvertrag abgelehnt.

Art C I Z 1 der Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ERB 1965) lautet:

"Der Versicherer gewährt den im Art 1 Abs 1 lit a und b ARB beschriebenen Versicherungsschutz dem Versicherungsnehmer als Privatmann für Ereignisse, die im täglichen Leben, also nicht bei einer Tätigkeit im Betrieb, Gewerbe oder Beruf oder einer gefährlichen Beschäftigung eintreten..........".

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger gegenüber der Beklagten die Deckung für den von ihm zu 12 C 14/91p beim Bezirksgericht für ZRS Graz geführten Oppositionsprozeß. Er habe die Solidarhaftung für den von seiner Gattin aufgenommenen Kredit nur als Privatmann übernommen.

Die beklagte Partei beantragt die Klagsabweisung und wendet ein, daß die Übernahme der Haftung für den von der Gattin des Klägers aufgenommenen Betriebskredit kein im täglichen Leben vorkommendes Ereignis darstelle, weshalb sie keine Deckung zu gewähren habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß der Kläger an der Übernahme des Betriebsmittelkredites persönlich interessiert gewesen sei, um damit die seine eigene Existenz sichernde Weiterführung des Betriebes seiner Gattin zu ermöglichen. Die Haftungsübernahme durch den Kläger stelle daher eine vom Versicherungsschutz nicht erfaßte Tätigkeit im Betrieb, Gewerbe oder Beruf dar.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung des Beklagten in eine Klagsstattgebung ab. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand als mit S 50.000 übersteigend und erklärte die Erhebung der Revision für zulässig. Die beklagte Versicherung habe nicht behauptet, daß zwischen dem Kläger und seiner Ehegattin hinsichtlich des Betriebes bzw der Aufnahme eines Kredites eine besondere geschäftliche Beziehung bestanden habe, so etwa ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis, bzw daß der Kläger selbst im Betrieb der Gattin geschäftlich tätig geworden sei, sodaß die Kreditaufnahme seinen geschäftlichen Interessen zugute gekommen wäre; vielmehr sei im Zweifel davon auszugehen, daß der Kläger als Privatmann im Rahmen seiner ehelichen Beistandspflicht, wie dies im Familienleben üblich sei, seine Gattin unterstützt habe. Daran könne nichts ändern, daß der Kredit den Betriebsinteressen der Gattin des Klägers gedient habe. Soweit die beklagte Versicherung vermeine, auch die Unterstützung einer Betriebstätigkeit der Ehegattin falle unter die Ausschlußklausel, müsse sie sich entgegenhalten lassen, daß eine derartige Erweiterung des Risikoausschlußgrundes von einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer aus den Bedingungen nicht erkannt werden könne und daher, weil Unklarheiten in Versicherungsbedingungen stets zu Lasten des Versicherers gingen, nicht Vertragsbestandteil geworden sei. Anders verhalte es sich (etwa) bei den deutschen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung, die diesbezüglich unmißverständliche Ausschlußtatbestände enthielten. Der Versicherungsfall sei mit der behaupteten gesetzwidrigen Exekutionsführung gegen den Kläger eingetreten.

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsschutzkostenrisiko im Zusammenhang mit einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist im Durchschnitt höher und wesentlich differenzierter als das aus einer unselbständigen Beschäftigung, weil es stark von der Art und Größe des Betriebes beeinflußt wird. Mit dem Versprechen des Versicherers, dem Versicherungsnehmer Rechtsschutz als Privatmann für Ereignisse, die im täglichen Leben, also nicht bei einer Tätigkeit im Betrieb, Gewerbe oder Beruf oder einer gefährlichen Beschäftigung eintreten, zu gewähren, schränkt der Versicherer das versicherte Risiko ein. Er stellt damit klar, daß er bei Eintritt bestimmter Gefahren leistungsfrei ist (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3 147 f). Beweispflichtig für das Vorliegen eines derartigen Risikoausschlußgrundes ist stets der Versicherer (vgl 7 Ob 23/93 = VR 1994, 27; zuletzt 7 Ob 9/95). Die Formulierung der hier entscheidenden Risikoumschreibung des Art C I Z 1 der Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ERB 1965) "als Privatmann für Ereignisse, die im täglichen Leben ... eintreten" unterscheidet sich nur sprachlich von jener der Nachfolgebedingungen in den ARB 1988 "privater Lebensbereich" und erfaßt im wesentlichen den gleichen Inhalt. Beide Begriffe stellen auf Ereignisse des täglichen Lebens ab, die nicht bei einer (geschäftlichen) Tätigkeit im Betrieb, Gewerbe oder Beruf eintreten. Damit wird aber nicht allein auf den Begriff der "Gefahren des täglichen Lebens", wie er in der Privathaftpflichtversicherung postuliert wird, abgestellt. Das Risiko "aus sonstiger Erwerbstätigkeit" wird als jede auf Dauer ausgerichtete, zur Erzielung eines Ertrages oder eines sonstigen wirtschaftlichen Vorteils entwickelte Tätigkeit, die nicht als Beruf (unselbständige Erwerbstätigkeit) und nicht in Form eines Betriebes ausgeübt wird, umschrieben (vgl Kronsteiner, Die allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ARB 1988, VR 1988, 169 ff [190]). Die Übernahme einer Haftung für einen vom Ehegatten aufgenommenen Kredit ist im Familienleben gerichtsbekanntermaßen weit verbreitet. Sie ist grundsätzlich dem Privatleben zuzurechnen und gewinnt erst dann geschäftlichen Charakter, wenn der Haftungsübernehmende eigene geschäftliche Interessen damit verbindet, also am Geschäftsbetrieb des haftungsbegehrenden Ehegatten in der Weise beteiligt ist, daß er über seine möglicherweise aus dem Arbeitsrecht sich ergebenden Ansprüche hinaus am geschäftlichen Gewinn zumindest für einige Zeit teilnimmt, oder hofft, teilnehmen zu können. Die Sorge um die Erhaltung des eigenen Arbeitsplatzes bzw die Sorge um die wirtschaftliche Existenz der Ehegattin reicht aber für die Annahme einer solchen auf Gewinn ausgerichteten Absicht nicht aus. Daß dies der Fall gewesen wäre, hätte die beklagte Versicherung aber zu behaupten und zu beweisen gehabt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

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